Krieg in Europa: Angriff Russlands auf die Ukraine

josef

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SPRITVERBRAUCH UND BRÄNDE
Wie der Ukrainekrieg die Klimakrise verschärft
Forscher untersuchten den ökologischen Fußabdruck des Krieges: 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen-Äquivalente wurden demnach im ersten Kriegsjahr verursacht
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kostete nicht nur tausende Menschen das Leben, er hat letztlich auch in klimatischer Hinsicht schwerwiegende Folgen. Eine detaillierte Untersuchung durch ein internationales Forschungsteam kam nun zu dem Schluss, dass allein im ersten Jahr des Ukrainekriegs rund 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen-Äquivalente freigesetzt wurden – das entspricht dem jährlichen Treibhausgasausstoß eines mittelgroßen europäischen Landes wie Belgien.

"Es ist zuallererst natürlich eine menschliche Tragödie", sagt der federführende niederländische Klimaforscher Lennard de Klerk. "Doch es gibt auch einen großen Umweltschaden." Der Wissenschafter hat in der Vergangenheit bereits in Moskau sowie in Kiew gelebt. Als Russland die Ukraine überfiel, habe er sich die Frage gestellt: Was kann ich tun? Schnell merkte er, dass sich mit dem ökologischen Fußabdruck von Kriegen bisher noch kaum jemand beschäftigt hat – und machte sich an die Arbeit. Bei den UN-Klimaverhandlungen in Bonn wollte er nun an diesem Mittwoch vorstellen, was er mit einem internationalen Team herausgefunden hat.


Der Krieg in der Ukraine ist für das Klima eine Katastrophe.
Foto: APA/AFP/ARIS MESSINIS

Spritverbrauch und Brände
Die Fachleute schätzen den Anteil der Emissionen, der durch das direkte Kampfgeschehen verursacht wurde, auf 19 Prozent des Gesamtausstoßes im ersten Kriegsjahr – der Großteil kam durch den Spritverbrauch vor allem russischer, aber auch ukrainischer Truppen zustande. Ähnlich hohe Emissionen entstanden de Klerk und seinen Kollegen zufolge auch durch Feuer, die oft nahe der Frontlinie ausbrechen – der Schätzung zufolge machen sie 15 Prozent aus.

Den größten Teil der Emissionen – nämlich rund 50 Millionen Tonnen – veranschlagt die Berechnung für den Wiederaufbau nach dem Krieg, wenn Kraftwerke, Industrie und Gebäude neu errichtet werden müssen. Der Bausektor, in dem viel Beton verarbeitet wird, gehört generell zu jenen Sektoren mit einem sehr hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Darüber hinaus werden in der Rechnung auch die Lecks an den Nord-Stream-Pipelines sowie die Emissionen berücksichtigt, die Flugzeuge durch ihre weiträumigen Umwege über Asien verursachen, seit die Sanktionen gegen Russland gelten.

Ökologische Katastrophe
Dass die Umweltschäden Tag für Tag größer werden, wird ganz aktuell an der Zerstörung des Staudamms Kachowka deutlich. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einer menschlichen, aber auch "ökologischen Katastrophe". Die Trinkwasserversorgung sei gefährdet. Auch der ukrainische Außenminister Dymtro Kuleba warnte, sein Land stehe "vor einer großen humanitären und ökologischen Krise". So sei etwa das für die Landwirtschaft im Süden der Ukraine wichtige Bewässerungssystem betroffen.

Der britische Mathematiker Stuart Parkinson, der die Organisation Scientists for Global Responsibility leitet, versucht schon seit Jahren, der Rolle des Militärs für die Klimakrise auf den Grund zu gehen – und stößt dabei immer wieder auf Hürden. "Es gibt riesige Lücken in den Daten", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Viele Daten sind vertraulich." Es sei überfällig, dass sich das Militär auf den Weg Richtung Klimaneutralität mache, denn: "Die Zeitspanne von militärischen Investitionen sind auf Jahrzehnte ausgelegt." Die EU, Großbritannien und die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden.

"Es ist ein blinder Fleck für alle, die im Bereich Klima forschen", sagt auch der Niederländer de Klerk. Das Militär habe sich in der Vergangenheit wenig fürs Klima interessiert, obwohl der Klimawandel seine Aktivitäten entscheidend beeinflusse.

Ausgeklammertes Militär
Langsam wächst im Militär das Bewusstsein, dass sich auch die Armeen umstellen müssen. Doch der Prozess steht noch am Anfang. Dass Kampfjets oder Panzer in großem Stil mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden können, ist Zukunftsmusik. Vor vier Jahren schlossen sich Militärvertreter und Experten unter anderem aus den USA, Frankreich und den Niederlanden zusammen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie das Militär der Klimakrise begegnen sollte.

In einem im vergangenen Jahr veröffentlichten Bericht stellt die Gruppe, die sich International Military Council on Climate and Security (IMCCS) nennt, fest, dass es bisher überhaupt kein standardisiertes Verfahren gibt, um den Ausstoß von Treibhausgasen bei Armeen überhaupt zu messen. Aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist das Militär ausgeklammert. Bisher habe es oft auch die Sorge gegeben, zu viel Transparenz könnte Armeen strategisch schwächen.

Die Gruppe ruft Nato und EU auf, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Standards zu setzen. Die Nato sei dabei wichtig, um Normen zu etablieren, und die EU müsse das Militär verpflichtend in ihren "Green New Deal" einbeziehen.
(red, APA, 9.6.2023)

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EINE FRAGE DER SPANNUNG
Russlands gefährlichster Antipanzermine geht der Saft aus
Die PTM-3-Panzerabwehrmine ist eine gefürchtete Waffe und stellt eine erhebliche Gefahr für westliche Kampffahrzeuge dar. Doch es mangelt an Knopfzellen


Ein ukrainischer Pionier beim Räumen von Minen.Ukraine
Media Center/State Emergency Center of Ukraine

Fotografen und Menschen, die auf ein Hörgerät angewiesen sind, sind mit der LR-9-Knopfzelle vertraut. Die kleine Batterie ist in Österreich ab etwa 30 Cent zu haben, höherwertige Markenprodukte können schon einmal bis zu drei Euro das Stück kosten. Kurz: Die Batterie im Miniaturformat ist hierzulande in Massen erhältlich und eigentlich nichts Besonderes.

In Russland sind die Knopfzellen aktuell aber gefragter denn je, und es werden horrende Preise für derartige Batterien gezahlt. Schon zu Friedenszeiten waren die Knopfzellen in Wladimir Putins Reich nicht ganz billig. Zwischen 300 und 500 Rubel kostete ein Stück auf dem zivilen Markt, was in etwa 3,30 bis 5,50 Euro entspricht. Nun ist die Nachfrage aber noch einmal deutlich gestiegen, und der Nachschub ist knapp. Der Grund: Die russische Armee braucht die LR-9-Batterie, denn ohne sie funktioniert die modernste Antipanzermine der russischen Streitkräfte nicht mehr – die PTM-3.


Die fernverlegbare PTM-3-Panzerabwehrmine.
Ukrainian Ministry of Defense

Eigentlich ist die PTM-3 eine gefürchtete Waffe: In dem Blechzylinder stecken fünf Hohlladungen, vereinfacht gesagt formt Sprengstoff rund um eine Metalleinlage einen Stachel, der die Panzerung von Fahrzeugen durchschlagen soll. Die PTM-3 kann derartige Ladungen an den Längs- und einer Stirnseite abfeuern, ist also aus allen Richtungen gefährlich. Den ukrainischen Streitkräften ist es deshalb streng verboten, sich einer derartigen Mine auch nur zu nähern. Noch dazu kann die Waffe nicht einfach aufgehoben und weggetragen werden. Durch den elektromagnetischen Zünder wird die Sprengladung ausgelöst, sobald die Lage der Waffe nur um drei Grad verändert wird.

Ohne Batterie keine Mine
Aus diesem Grund wird die Mine auch nicht per Hand von einzelnen Soldaten verlegt, sondern mit Verlegesystemen aus Hubschraubern oder Fahrzeugen abgeworfen. Sogar der Abschuss mit Raketenwerfern ist möglich. Dafür steckt die Mine in einem Kasten, der Verlegekassette KPTM-3. Darin befindet sich eine Schnur, wird die Kassette ausgeworfen, zieht diese einen Stift aus der Mine, und nach 60 Sekunden ist die Waffe scharf. Damit das funktioniert, ist aber die bereits erwähnte Knopfzelle LR 9 nötig – und die russische Armee scheint zu wenige davon zu haben, wie "The Warzone" unter Berufung auf die Militärblogger Andrej Morossow und Wladimir Grubnik vom Telegram-Kanal "Ghost of Novorossia" berichtet.

"Ohne die Batterie kann die Mine nicht scharf gemacht werden", heißt es in dem Telegram-Kanal unter Berufung auf einen russischen Offizier einer Pioniereinheit. Es sei aktuell unmöglich, die Batterie in großen Mengen zu beschaffen. Die Einheit habe in den vergangenen drei Wochen bereits alle verfügbaren Batterien aufgekauft oder aus anderen Geräten ausgebaut. "Und ja, man kann sie kaufen. Aber die Batterie ist ziemlich selten. Denn die Nachfrage danach ist gering. Es ist schwer, sie in großen Mengen im Einzelhandel zu finden. Auch im Großhandel."

Neue Probleme mit alten Batterien
Doch der Rückgriff auf bereits gebrauchte Batterien führt zu neuen Problemen. Lässt die Batteriespannung nach, zerstört sich die Mine selbst. Das ist auch durchaus so gewollt, denn es besteht eigentlich keine Möglichkeit, die PTM-3 auf anderem Weg sicher vom Schlachtfeld zu entfernen. Es gibt zwar laut russischen Quellen die Möglichkeit, die PTM-3 mit einem Maschinengewehr zu beschießen, aber von dieser Form der "Räumung" wird dringend abgeraten.

Normalerweise liefert eine frische Knopfzelle genügend Spannung, um die Mine 16 bis 24 Stunden lang scharf zu halten, bevor sie sich selbst zerstört. Viele der von Russland beschafften Batterien sind aber bereits leer. Der verbliebene Saft in der Batterie reicht vielleicht noch aus, um die Mine scharf zu machen, löst dann aber sofort den Selbstzerstörungsmechanismus aus, was für die Bedienmannschaften extrem gefährlich sein kann. Deshalb wurden nun russische Soldaten abkommandiert, um die Spannung jeder einzelnen Batterie zu überprüfen.

"Wir haben eine gute Mine, die wir aber nicht benutzen können", heißt es da. "Wegen einer solchen Kleinigkeit, das ist wirklich peinlich", wird der russische Offizier zitiert.
(Peter Zellinger, 19.6.2023)

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Bericht von "The Warzone"
Russlands gefährlichster Antipanzermine geht der Saft aus
 

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HELI GO BRRRRRRR
Der russische Ka-52 hat ein Vibrationsproblem
Ein Video zeigt, wie ein russischer Kampfhubschrauber während des Flugs auseinanderfällt. Verantwortlich war aber nicht die ukrainische Flugabwehr

Ein Ka-52 der russischen Streitkräfte. Sind die Hubschrauber vollbeladen, treten gefährliche Vibrationen auf.
REUTERS / SERGEY PIVOVAROV

Der Ka-52 der russischen Streitkräfte ist ziemlich einzigartig. Nicht nur die koaxialen Rotoren verleihen dem Kampfhubschrauber seine außergewöhnliche Silhouette, auch der breite Rumpf ist auffällig. Im Gegensatz zu westlichen Modellen sitzen die beiden Piloten nämlich nicht hintereinander, sondern nebeneinander. Der "Alligator", wie er in Russland genannt wird, bereitet den ukrainischen Verteidigern aktuell einiges an Kopfzerbrechen. Laut den mit Vorsicht zu genießenden russischen Angaben soll sich der Ka-52 als wirksame Waffe gegen westliche Panzer wie den Leopard 2 erwiesen haben.

Hubschrauber fiel wohl im Flug auseinander
Aber noch eine Behauptung stellt die russische Propaganda über den Ka-52 auf: Er soll nahezu unzerstörbar sein. Das wird von den russischen Streitkräften zwar gerne über ihre Fahrzeuge behauptet, meistens stellt sich das russische Gerät aber in der Realität als sehr wohl verwundbar heraus – wie etwa der BMPT Terminator. Als Beweis für die Überlegenheit des Materials kursiert aktuell ein russisches Video, das einen angeblich von einer ukrainischen Boden-Luft-Rakete getroffenen Ka-52 zeigen soll. Trotz des Schadens bleibt der Helikopter in der Luft, und die Crew schafft es sogar, den "Alligator" sicher zu landen.

Das Video zeigt einen Ka-52, der in relativ niedriger Höhe fliegt. Das Heck ist zerrissen, die Reste des Seitenleitwerks baumeln bedenklich nach hinten. Ein Foto des Hubschraubers nach der Landung zeigt, wie Teile des Leitwerks um mehr als 90 Grad verdreht wurden. Aufgenommen wurde das Video wahrscheinlich von einem begleitenden Hubschrauber. Im Westen kamen schnell Zweifel an der russischen Darstellung auf: Auf den Fotos sind nicht die üblichen Spuren zu sehen, die der Einschlag einer Rakete hinterlassen müsste. Am Beginn des Video ist zu sehen, wie mehrere Gegenstände aus dem Hubschrauber geworfen werden oder von diesem abfallen. Darunter dürften sich auch externe Treibstofftanks befinden. Dies dürfte der letztlich erfolgreiche Versuch der beiden Piloten gewesen sein, das Fluggerät unter Kontrolle zu bekommen.

Doch wie kann ein angeblich unzerstörbarer Ka-52 von ganz alleine auseinanderfallen? Der Grund dürfte ein Konstruktionsfehler sein, schreibt etwa der Militärberater und Journalist Dylan Malyasow. Der Ka-52 hat sich nämlich schon in der Vergangenheit als anfällig für Vibrationen erwiesen. Fotos und Videos zeigen eine Reihe verschiedener Schäden an Ka-52-Hubschraubern, die durch kräftige Erschütterungen bei Start und Landung verursacht wurden. Russische Kampfhubschrauber verlieren ihre Fahrwerksverkleidungen und weisen Risse in den Flügeln auf, an denen die Hauptbewaffnung aufgehängt ist.

Diese Stummelflügel erfüllen keinen für den Flugbetrieb erforderlichen Zweck, sondern dienen als Aufhängevorrichtung für die Hauptbewaffnung des Ka-52. Diese besteht aus Luft-Luft-Lenkflugkörpern, Lenkflugkörpern zur Panzerabwehr, ungelenkten Luft-Boden-Raketen, Freifallbomben und je nach Konfiguration Zusatztanks oder Reservemunition. Jeder Stummelflügel kann bis zu zwei Tonnen an Extrabewaffnung tragen – doch diese Last dürfte sich als zu viel erweisen, und Vibrationen treten auf. Dass aber ein Kampfhubschrauber dadurch in der Luft auseinanderfällt, ist neu.

Dieser Konstruktionsfehler hat oft tödliche Konsequenzen: Die ukrainischen Verteidiger konnten laut eigenen Angaben bereits mehrere Ka-52 abschießen, als die Piloten noch damit beschäftigt waren, Ballast abzuwerfen, um die Vibrationen unter Kontrolle zu bringen.

Lagerung im Freien
Mit ein Grund für das Strukturversagen des Helikopters dürfte auch die russische Methode der Lagerung sein: Ka-52 werden auf ihren Flugplätzen nicht in Hangars geparkt, sondern sie sind der Witterung ausgesetzt, nur eine Plane schützt das Cockpit vor Umwelteinflüssen.

Seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine musste die Flotte der Ka-52 herbe Verluste hinnehmen. Laut den Analysten von Oryx wurden mindestens 35 Ka-52 "Alligator" seit Beginn der Kampfhandlungen beschädigt oder zerstört. Ein Ka-52 wurde von den ukrainischen Streitkräften erobert. Damit hat die russische Luftwaffe mehr als ein Viertel ihrer ursprünglich 130 Stück starken Ka-52-Flotte verloren.
(pez, 20.6.2023)
Der russische Ka-52 hat ein Vibrationsproblem
 

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ORF - Beiträge zu den Kämpfen in der Ukraine - Teil 17:
Fortsetzung von Beitrag #121:

2023:

02.07.: Milliardengeschäfte: Prigoschins Imperium vor Zerschlagung

04.07.: Minen in Ukraine: Kriegsfaktor und Gefahr für Jahrzehnte

05.07.: Kuriose Details: Umgang mit Prigoschin gibt Rätsel auf

06.07.: Ukraine in Bildern: Alltag zwischen Angriff und Aufbau

07.07.: Ukraine-Krieg: Heikle Entscheidung über US-Streumunition

08.07.: 500 Tage Krieg: Durchhalteparolen von Schlangeninsel

10.07.: Kreml bestätigt: Treffen Putin – Prigoschin nach Aufstand

12.07.: Kampf um Bachmut: Hinweise auf geänderte Vorzeichen

13.07.: Russland: Geschasster General übt öffentlich Kritik

14.07.: US-Einschätzung: Wagner kämpft derzeit nicht in Ukraine

16.07.: Ukraine: Putin droht mit Einsatz von Streubomben

17.07.: Zwei Tote: Krim-Brücke nach „Notfall“ geschlossen

18.07.: Ukraine: Wieder Angriffe auf Hafenstädte

19.07.: Moskau: Schiffe mit Ziel Ukraine künftig „Gegner“

20.07.: Militärexperte zur Ukraine: Gegenoffensive bisher „kein Misserfolg“

21.07.: „Am besten kalt serviert“: CIA erwartet Putins Rache an Prigoschin

22.07.: Selenskyj zu Verbündeten: Gegenoffensive „nimmt bald Tempo auf“

23.07.: Kathedrale beschädigt: Ukraine droht nach Angriffen auf Odessa

25.07.: An rumänischer Grenze: Moskau weitet Angriffe auf Donau-Häfen aus

27.07.: Gegenoffensive: Vorstoß nährt Hoffnung der Ukraine

29.07.: Kämpfe nehmen zu: Moskau und Kiew sehen „Raketenterror“

30.07.: Bürogebäude getroffen: Moskau meldet neuen Drohnenangriff

31.07.: Nach Drohnenbeschuss: Moskau verschärft Angriffe in Ukraine

Fortsetzung Beitrag #132
 
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Der Leopard 1 steht in der Ukraine vor seiner größten Herausforderung
Trotz seines Alters von 58 Jahren ist der Leopard noch ein effektiver Panzer, wenn er richtig eingesetzt wird. Eine westliche Wunderwaffe ist er aber nicht

Der Leopard 1 wird schon bald in der Ukraine im Einsatz sein. Zugunsten höherer Mobilität haben die Entwickelnden auf Panzerung verzichtet.
imago/Eckehard Schulz

Die erste Charge von mehreren Dutzend Leopard-1A5-Panzern wird in den kommenden Wochen an die Ukraine übergeben. Die aus Deutschland und Dänemark stammenden Panzer sind aber keine Wunderwaffen, und selbst ukrainische Quellen warnen davor, das westliche Gerät zu mystifizieren. Dabei hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, wie der Einsatz des französischen AMX-10RC beweist.

Ein schneller kalter Krieger
Zunächst einmal sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Leopard 1A5 kein neuer Panzer ist und sehr wenig mit dem Leopard 2 zu tun hat. Der Leopard 1 wurde in den 1950er-Jahren entwickelt und 1965 bei der Bundeswehr in Dienst gestellt. Seine A5-Version wurde 1987 entwickelt. Die A5-Variante verfügte über einen verbesserten Schutz, Waffenstabilisierung, ein Wärmebildgerät und ein aktualisiertes Feuerleitsystem namens EMES 18. Dieses System ist eine vereinfachte Version des Leopard 2A4-Systems.

Wenn von Leopard 1 die Rede ist, werden oft die offensichtlichen Nachteile erwähnt, wie etwa die 105-Millimeter-Kanone Royal Ordnance L7A3. Ihre panzerbrechenden Fähigkeiten entsprechen zwar im Allgemeinen denen der 125-Millimeter-Kanonen sowjetischer Panzer mit 3BM42-"Mango"-APFSDS-Geschossen, die auf eine Entfernung von zwei Kilometern bis zu 450 bis 500 Millimeter durchschlagen können. Aufgrund ihres kleineren Kalibers hat die 105-Millimeter-Kanone jedoch eine geringere Sprengkraft bei hochexplosiven Splittergeschossen. Die Waffe als "ineffektiv" zu bezeichnen wäre aber nicht gerecht.

Der Kampfpanzer Leopard 1 |der Bundeswehr
Der Leopard 1 war der erste Panzer, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik entwickelt und produziert wurde.
Bundeswehr


Der entscheidende Nachteil des Leopard 1 liegt in seiner Panzerung. Dieser "Fehler" war in der Entwicklung des Panzers in den 50er-Jahren durchaus so gewollt, weil man von völlig anderen Voraussetzungen ausging. Ein Panzer ist immer ein Kompromiss aus Panzerschutz, Mobilität und Feuerkraft. Setzt man auf einen Punkt dieses Dreiecks, werden zwangsläufig die beiden anderen vernachlässigt. Beim Leopard war es anders herum: Die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Koreakrieg hatten gezeigt, dass Panzerung ohnehin von modernen Abwehrwaffen durchschlagen wird, sei es durch Panzerfäuste der Infanterie oder panzerbrechende Geschosse, die von einem Kampffahrzeug abgefeuert werden.

Also setzte man beim Leopard 1 auf Mobilität statt Panzerschutz, denn ein sich schnell bewegendes Fahrzeug sollte umso schwerer zu treffen sein. Der neue Panzer sollte nur 30 Tonnen wiegen und damit leichter sein als etwa der sowjetische T-34-85 aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Entwickelnden bei Porsche konnten das Limit aber nicht einhalten, und am Ende stand ein Fahrzeug, das rund 42 Tonnen wog. Das Versprechen der Mobilität konnte der Leopard 1 aber erfüllen, und er erwies sich in Erprobungen schnell als deutlich wendiger und schneller als etwa die Konkurrenz aus Frankreich.

Nur leichte Panzerung
Wie bereits angedeutet, musste dafür der Panzerschutz reduziert werden. So beträgt die Bugpanzerung nur rund 70 Millimeter bei einem Neigungswinkel von 30 Grad, was einer Stärke von rund 140 Millimetern entspricht. Die Seitenpanzerung ist mit 30 bis 35 Millimetern vergleichsweise dünn. Der Wannenboden sowie das Heck sind lediglich durch 20 bis 25 Millimeter starke Panzerplatten geschützt. Später wurde der Schutz durch Modifikationen ein wenig erhöht, und es wurden etwa zusätzliche Abstandspanzerung gegen Hohlladungsgeschosse angebracht. Kanada, einer der Nutzerstaaten, beauftragte die deutsche IBD Deisenroth Engineering damit, nachträglich Verbundpanzerung vom Typ Mexas anzubringen. Das war für weniger intensive Einsätze wie in Afghanistan durchaus ausreichend, wo die Leopard 1 gute Leistungen erbrachten.

Ukrainer bremsen Erwartungen
Ukrainische Quellen warnen nun davor, den Leopard 1 als westlichen "Superpanzer" zu verklären. Sein Einsatz sei ähnlich wie jene der alten sowjetischen Panzer T-62, T-55 und T-54 zu betrachten, heißt es etwa beim ukrainischen "Defense Express". Leopard-1-Panzer können immer noch effektiv sein, wenn sie richtig eingesetzt werden. Aber: "Auf jeden Fall ist es nicht ratsam, zu hohe Erwartungen an den Leopard 1 zu stellen", heißt es da.

In der Ukraine hat man offenbar aus Fehlern der Vergangenheit gelernt, als die westlichen Hilfslieferungen als "Wunderwaffen" bezeichnet wurden. Vor zwei Tagen gab ein ukrainischer Bataillonskommandeur unter dem Namen "Major Spartanets" der Agentur AFP ein Interview, in dem er die von Frankreich gelieferten AMX-10 als nicht tauglich für Offensivoperationen bezeichnete.

Als Beispiel wurde ein AMX-10 genannt, dessen Panzerung von den Splittern einer russischen Granate einfach durchschlagen wurde. Fairerweise muss aber auch dazu gesagt werden, dass der AMX-10 für eine Rolle in Offensivoperationen nicht gedacht war. Bei dem leichten Gefährt handelt es sich nämlich um einen Panzer für bewaffnete Aufklärung und nicht für hochintensive Gefechte gegen einen eingegrabenen Gegner.
(Peter Zellinger, 6.7.2023)
Der Leopard 1 steht in der Ukraine vor seiner größten Herausforderung
 
Neutrale und ruhige Diskussion
Bei einer Recherche im Web über die Immobilienbranche bin ich zufälligerweise über diesen Podcast gestolpert.
Es ist interessant, sich dies anzuhören und vor allem welche Möglichkeiten es noch strategisch gibt, aus diesem Krieg herauszukommen.
Auch das Thema Munitionsknappheit.
Natürlich auch die wirtschaftlichen zukünftigen Aspekte wie z.B. Finanzbranche und Autoindustrie.
Hier
 

josef

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KRIEG
Was tun, wenn man nicht bereit ist, für die Ukraine zu töten?
Für viele ukrainische Männer ist das Studium zu einem Weg geworden, die Mobilisierung auf legalem Weg zu umgehen. Doch darüber sprechen wollen die wenigsten
Reportage
Daniela Prugger aus Kiew
Das Studium sollte eine schöne Zeit sein im Leben. Eine Zeit, in der man sich findet, Pläne für die Zukunft schmiedet, Freunde kennenlernt, vielleicht Dummheiten anstellt. Doch die Leichtigkeit endet bereits am Eingang der Nationalen Technischen Universität (KPI), einer der renommiertesten Universitäten des Landes. Auf einer Gedenktafel wird mit schwarz-weißen Fotos der Studierenden, Lehrenden und Alumni gedacht, die seit dem 24. Februar 2022 gefallen sind. Mindestens 33 sind es laut KPI; ein Student gilt als vermisst, irgendwo an der Front, die sich mittlerweile hunderte Kilometer von Kiew entfernt befindet.


Die Nationale Technische Universität in Kiew trauert um ihre Gefallenen.
Daniela Prugger

"Wir waren alle naiv", sagt Andrej M., er studiert am KPI im Master Ingenieurwesen. "Die meisten hier glaubten nicht daran, dass Russland angreifen würde." Der 23-Jährige sitzt mit Energydrink und Rucksack auf einer Bank auf dem Gelände der Einrichtung. Im Park daneben sitzen Studierende in Gruppen unter den hohen Kastanienbäumen. An den Betonmauern entlang des Fußwegs zum Hauptgebäude erinnern Malereien und Graffiti an die Studienfächer: Mathematik, IT, auch eine militärische Ausbildung kann man hier absolvieren.

An dem Morgen, als der Krieg begann, war Andrej hier am Campus, wo er als einer von 6.000 Studierenden lebt. Damals, im Februar 2022, fand sein Unterricht Corona-bedingt noch immer online statt, und die größte Problemstellung für den Studenten war eine sehr praktische: die LED-Leuchte, die beim Anschrauben immer wieder abfiel. Fast eineinhalb Jahre später ist sein Leben ein anderes. Er sagt, dass er mehr auf seine Gesundheit achte, er habe abgenommen, mache mehr Sport. "Ich halte mich fit. Aber ich bin kein Kämpfer. Ich will mich auf mein Studium konzentrieren", sagt er. Soweit das eben möglich ist.

"Ich kann das nicht: jemanden töten"
Der Krieg hatte seine Heimatstadt Mykolajiw im Süden des Landes in den vergangenen Monaten fest im Griff, die massiven russischen Angriffe lassen noch immer nicht nach. Als im April des Vorjahres eine Rakete in der Nähe des Wohnhauses der Familie einschlug, wurde auch das Fenster und der Balkon der Familienwohnung beschädigt. Andrej reparierte es später mit Geld, das er für seine Zukunft gespart hatte. Sein Bruder und Vater sind mittlerweile an der Front, und der Kontakt zu ihnen ist nicht immer möglich. "Ich bin stolz auf sie", sagt er. Doch selbst will er nicht kämpfen. "Ich kann das nicht: jemanden töten." Auch anderen Männern im Land geht es so wie Andrej.

Doch darüber zu sprechen fällt vielen schwer. In den meisten Fällen erhalten Reporter die Antwort: "Wenn ich muss, dann werde ich kämpfen." Andrej muss nicht: Denn Studierende und das Lehrpersonal werden in der Ukraine nicht mobilisiert, sie waren bereits vor der russischen Invasion am 24. Februar 2022 von der Wehrpflicht ausgenommen.

"Für viele Männer ist das Studium deshalb zu einem Lifehack geworden", sagt Journalistin Kateryna Rodak vom Investigativmedium "Nashi Groshi" in Lwiw. Im Zuge einer Recherche trug das Team die landesweiten Daten zur Anzahl und dem Geschlecht der Studierenden zusammen und stellte überraschend fest, dass es in der Ukraine im Vergleich zum Vorjahr im Studienjahr 2022/23 82 Prozent mehr männliche Studierende gibt. Das Durchschnittsalter jener, die sich neu an den Unis einschrieben, liegt bei Mitte dreißig. "Wir haben uns natürlich gefragt, warum das so ist", sagt Rodak. "Die naheliegende Antwort ist, dass viele auf diesem legalen Weg einer Mobilisierung entkommen wollen."

"Wir leben in einer unberechenbaren Zeit"
Die Journalistin suchte nach Interviewpartnern – ein schwieriges Unterfangen. Wenn sich die Männer bereiterklärten, mit ihr zu sprechen, dann nur vollständig anonymisiert, ohne Namen, ohne Bild. "Viele gaben zu, dass sie kein Interesse an einem Studium haben, sondern das Minimum leisten, um nicht von den Unis zu fliegen", erklärt Rodak. Ein Umstand, der in Friedenszeiten wohl kaum der Rede wert wäre. Doch die Ukraine befindet sich im Ausnahmezustand. Rodak: "Die Männer, mit denen wir sprachen, wollen so wie die Frauen leben. Sie haben Angst vor dem Sterben und vor der Front. Und sie haben Angst, für all das verurteilt zu werden."

Für das Interview wählt ein Student, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, den Vornamen Mischa. Er ist Mitte zwanzig, studiert Literatur und möchte irgendwann vielleicht als Übersetzer arbeiten. "Wir leben in einer unberechenbaren Zeit. Die Militäradministration ist zuständig für die Mobilisierung und patrouilliert an vielen Orten. Deswegen sind viele von uns vorsichtig und haben Angst, dass vielleicht später rauskommt, wie wir uns geäußert haben", antwortet er auf die Frage, warum er nicht mit seinem Klarnamen zitiert werden will.


Zwischen Studium und Krieg: Wandmalereien an der KPI in Kiew.
Daniela Prugger

Mischa entschied sich aus zwei Gründen für den Master: Er will, dass die russischen Angreifer es nicht schaffen, das Leben und den Lebensstil in seinem Land vollkommen zu untergraben. Dass selbst in solchen Zeiten der Gewalt noch immer gelernt wird, und sich die Menschen nicht in den Kellern verstecken. Der zweite Grund ist die Mobilisierung. Er hat Angst, dass es irgendwann auch ihn trifft. "Ich spüre keinen generellen Druck der Gesellschaft, dass Männer wie ich kämpfen sollen", sagt er. "Aber es gibt sie: jene, die meinen, dass alle Männer das Land vor den Russen schützen sollen." Besonders laut sind diese Stimmen, die Beschimpfungen, die Diffamierungen online.

Futter für die russische Propaganda
Dass wütende Kommentare und Anrufe auch auf die Recherche folgen würden, davon war auszugehen, sagt Journalistin Kateryna Rodak von "Nashi Groshi". "Viele haben sich bei uns beschwert und gefragt, warum wir über dieses Thema berichten, weil sie der Meinung sind, dass wir nur über das Positive in unserem Land schreiben sollen. Die Moral, die große Bereitschaft zu kämpfen." Ein Argument, das Investigativjournalisten wie Rodak derzeit immer wieder von Kritikern hören, auch wenn sie über Korruption und innenpolitische Skandale berichten, ist, dass die Berichterstattung der russischen Propaganda in die Hände spiele. Dass nun nicht die Zeit für diese Fragen und Recherchen sei, erst nach dem Krieg. "Aber so funktioniert es in einer demokratischen Gesellschaft nicht", sagt sie. "Leider nutzen auch viele Beamte den Krieg, um Informationen zu verbergen, wenn wir Anfragen stellen."

Dabei sei es wichtig, eine Bestandsaufnahme zu machen, zu verstehen, in welcher Situation sich die Menschen befinden und wie die Stimmung wirklich ist: Die Unterstützung für die Regierung ist noch immer hoch, das zeigten Umfragen wiederholt. Der Großteil der Bevölkerung will mit Russland nichts mehr zu tun haben. Zwar gelang es der Ukraine mit westlicher Hilfe, mindestens ein Dutzend neue Kampfbrigaden für die Gegenoffensive zusammenzustellen, doch sie muss in Zuge derer mit Verlusten rechnen, wie das bereits in Charkiw und Cherson der Fall war. Für diejenigen, die seit Kriegsbeginn kämpfen, ist noch immer keine Pause in Sicht. Und für jene Männer, die nicht das Privileg oder die Mittel haben, sich an einer Hochschule einschreiben zu können, steigt das Risiko, in den Krieg eingezogen zu werden, mit jedem weiteren Tag, den der Krieg andauert.

"Derzeit melden sich bei uns fünf bis zehn Prozent freiwillig", sagt Oberst Jurij Burliay, der Leiter des Einberufungszentrums im Kiewer Vorort Browary. Vor dem Eingang steht ein bewaffneter Soldat hinter einem Tarnnetz und einem Schutzwall aus Sandsäcken, wie man sie an den meisten militärischen Checkpoints zu sehen sind. Burliay bittet in sein Büro, wo sich die Einberufungsbescheide stapeln. Er teilt die männliche Bevölkerung in der Ukraine derzeit in drei Kategorien ein: jene, die in den ersten Kriegstagen und Wochen freiwillig zu den Einberufungsämtern kamen und zur Waffe griffen, diejenigen, die nicht kämpfen wollten, aber trotzdem an die Front gingen, nachdem sie mobilisiert wurden, sowie diejenigen, die nicht in den Krieg ziehen wollen und nach verschiedenen Möglichkeiten suchen, einer Mobilisierung zu entkommen.


Zusätzliche Tests am KPI
Oberst Burliay weiß, dass viele nach Wegen suchen, um die Mobilisierung zu umgehen, auch auf legale Weise. "Vielleicht wirkt sich das ja positiv auf das Bildungsniveau in der Bevölkerung aus, aber wir wissen auch, dass nicht alle nur um des Wissens Willen studieren", so Burliay. "Es ist eine Tatsache, dass diejenigen, die tagein, tagaus ihr Leben an der Front riskieren, nicht gut zu sprechen sind auf die anderen, die sich vor der Mobilisierung verstecken. Mit Sicherheit wird es nach dem Krieg Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen geben."

Doch der Kampf gegen die russische Invasion findet nicht nur auf dem Schlachtfeld statt, sagt Oleksii Zhuchenko, Prorektor des KPI in Kiew. Zhuchenko, 39, blauer Anzug, frisch rasiert, betont, dass seine Studierenden einen wichtigen Beitrag im Krieg leisten. "Unsere Ingenieure und Wissenschafter der Universität nehmen aktiv an der Entwicklung verschiedener Verteidigungstechnologien teil" so der Prorektor. Nach dem Ende des Krieges werde man offenlegen, wie genau. Auf dem Schreibtisch vor sich hat Zhuchenko ein Blatt Papier mit Balkendiagrammen liegen. An seiner Universität ist der Anteil an männlichen Studierenden in den vergangenen Jahren ungefähr gleichgeblieben.


Prorektor Oleksii Zhuchenko: "Wir hatten Glück im Unglück."
Daniela Prugger

Insgesamt zählt das KPI 25.000 Studierende, davon leben zwölf Prozent kriegsbedingt im Ausland und studieren online. Knapp 70 Prozent der Studierenden sind männlich, ähnlich wie in den Jahren zuvor. Das liege auch daran, dass das Hauptaugenmerk des KPI auf Ingenieurwesen und IT liegt – zwei Schlüsselindustrien, die in der Ukraine traditionell eher männliche Studierende anziehen. "Wir haben sogar zusätzliche Tests eingeführt, um jene zu filtern, die nur aufgrund der Gefahr einer Mobilisierung studieren wollen", so der Prorektor. "Ich urteile darüber nicht, aber ich kann das auch nicht gutheißen."

Glück im Unglück
Die Universität und der Prorektor haben an diesen Tagen andere Probleme, sagt er und führt durch die sonnendurchfluteten Gänge der Universität am Portier und der Gedenktafel hinaus auf das Parkgelände, wo der zerstörte Rasen und einige abgebrannte Äste davon zeugen, was vor wenigen Wochen geschah, als Kiew einmal mehr von Russland mit Drohnen und Raketen angegriffen wurde. Laut der ukrainischen Armee gelang es der Luftverteidigung in den vergangenen Wochen zwar, die meisten Raketen und Drohnen über Kiew abzufangen. Doch die Trümmer fallen dabei regelmäßig auf Häuser, Autos oder – in diesem Fall – das Parkgelände des KPI.

"Wir hatten Glück im Unglück", sagt Zhuchenko. Er muss an die vielen anderen Bildungseinrichtungen im Land denken. Laut einer Studie des ukrainischen Bildungsministeriums und der Vereinten Nationen hat der Krieg in der gesamten Ukraine Schäden in Höhe von mindestens 4,4 Milliarden US-Dollar (knall 4 Mrd. Euro) an Bildungseinrichtungen verursacht. Im ersten Kriegsjahr bis zum 24. Februar 2023 wurden mindestens 2.772 Einrichtungen teilweise beschädigt und 454 zerstört – das entspricht etwa zehn Prozent.

"Ich habe wenig geschlafen in den vergangenen Wochen", sagt Student Andrej, der wie die meisten Bewohner der Stadt eine Zeitlang beinahe täglich von Explosionen geweckt wurde. "So etwas hatten wir in Kiew schon lange nicht mehr." Obwohl sich die Front mittlerweile weit entfernt befindet, könne man dem Krieg auch in der Hauptstadt nicht entkommen, weshalb jeder seinen Beitrag leisten müsse. "Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der kämpfen muss", sagt Andrej. "Wir anderen müssen sie dabei unterstützen."

Er selbst spendet Blutplasma, alle zwei Wochen, für die verletzten Soldaten. Andrej sagt, dass er keinen gesellschaftlichen Druck verspürt zu kämpfen – im Gegenteil, seine Eltern wollen, dass er fertigstudiert. Sein Traum ist es, am KPI zu unterrichten. Deshalb will er nach dem Master noch einen PHD dranhängen. Und wenn er doch muss, dann wird er eben kämpfen, sagt Andrej – so wie die meisten, die man fragt.
(Daniela Prugger, 16.7.2023)
Was tun, wenn man nicht bereit ist, für die Ukraine zu töten?
 

josef

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Russischer Supercomputer soll Panzer in den "Terminator" verwandeln
Der staatliche Rüstungskonzern Rostec will ein "Computergerät" entwickelt haben, das jedes Kampffahrzeug autonom agieren lassen soll. Doch es gibt Zweifel

Der BMP-3 soll dank des Prometheus-Computers autonom agieren können.
EPA/SERGEI ILNITSKY

Der staatliche russische Rüstungskonzern Rostec hat laut eigenen Angaben eine Technologie entwickelt, die jedes Panzerfahrzeug in einen Roboter verwandeln soll. Das berichten staatliche russische Medien unter Berufung auf den Industriechef des Komplexes für konventionelle Waffen, Munition und Spezialchemie bei Rostec, Bekhan Ozdoev.

Unter dem Namen Prometey, also Prometheus, soll es dem Rüstungskonzern gelungen sein, ein "Computergerät" zu entwickeln, das beinahe jedes gepanzerte Kampffahrzeug in einen Roboter verwandeln soll, egal ob sich dabei um einen Truppentransporter, einen Schützenpanzer und einen Kampfpanzer handelt.

Umrüstung, aber kein Umbau
Über die technischen Details ist nur wenig bekannt, aber laut Rostec erfordert die Integration von Prometheus keinerlei Umbauten an bestehenden Designs von Panzern oder Modifikationen an den internen Systemen des Fahrzeuges. Alle Mannschaftsräume, also beispielsweise die Plätze von Kommandant, Richtschütze und Fahrer eines T-72, bleiben an ihrem Platz.

Ist der angebliche Supercomputer einmal installiert, kann das Fahrzeug von einer Basisstation aus ferngesteuert werden. Prometey sei in der Lage, gepanzerte Fahrzeuge in "reale Terminatoren" zu verwandeln, berichtet "Defence Express" unter Berufung auf die russische TASS.

Die Fernsteuerung ist aber nur der erste Schritt. Geht es nach Rostec, sollen die Prometheus-Panzer autonom zu Zielpunkten navigieren können und selbstständig die beste Route auswählen können, verspricht Ozdoev. Dabei sollen die autonomen Panzer Hindernissen ausweichen und Informationen mithilfe fortschrittlicher technischer Bildverarbeitung schnell verarbeiten können.

Große Ankündigungen schon 2021
Ganz neu ist die Ankündigung von Rostec allerdings nicht. Bereits im Vorjahr wurde ein "roboterisierter" Schützenpanzer vom Typ BMP-3 vorgestellt. Dieses Sinitsa genannte System sollte schon ähnliche Leistungen erbringen wie nun Prometheus, wurde aber nie eingesetzt. Es existiert lediglich ein Video eines BMP-3, das den angeblichen Erfolg von Sinitsa demonstrieren soll. Laut Rostec handelt es sich bei Prometheus um den Nachfolger des 2021 erstmals vorgestellten "Roboter-Kits".


Neben den fragwürdigen technischen Eigenschaften dürften die schweren Verluste an BMP-3 Schützenpanzern mit ein Grund sein, warum sie nicht autonom über die Schlachtfelder der Ukraine rollen. Laut den Beobachtern von Oryx haben die russischen Streitkräfte bislang mindestens 256 BMP-3 verloren. Die russische Industrie dürfte daher eher auf die Produktion des einfacher und billiger herstellbaren Vorgängers BMP-2 setzen.

Die Versuche Russlands, autonome Fahrzeuge herzustellen, sind bislang gescheitert. Der Einsatz der Ural-Drohne in Syrien war ein Fehlschlag, weil ständig die Kommunikation abgerissen war. Die Entwicklung des Markerroboters erwies sich ebenfalls als schwierig, und vom angeblich teilautonomen T-14 Kampfpanzer dürfte nur eine Handvoll für Propagandazwecke existieren. Jüngst hat der türkische Fahrzeughersteller Otokar mit dem Alpar ein angeblich autonomes KI-gestütztes Gefechtsfahrzeug vorgestellt.

Prometheus stand auch für eine künstliche Leber
Ob und wie Prometheus jemals wirklich eingesetzt werden kann, ist unklar. Russland versucht aktuell eine Flugabwehrrakete gleichen Namens zu verkaufen. Die S-500 Prometheus soll laut russischen Angaben in der Lage sein, die von der Ukraine eingesetzten Himars-Raketen aus US-Produktion abzufangen. Außerdem sind die S-500 auch als Antisatellitenwaffen konzipiert. Die Verfügbarkeit von S-500 dürfte aber begrenzt sein: Offiziell sollte die Serienproduktion bereits 2019 beginnen, tatsächlich wurden die ersten Raketen erst im April 2022 produziert. Russischen Quellen zufolge haben bereits mehrere Staaten ihr Interesse bekundet. Wie viele Raketen tatsächlich produziert werden, ist nicht öffentlich bekannt.

Prometheus war darüber hinaus der Name eines besonders ambitionierten Projekts des russischen Rüstungskonglomerats. Im Jahr 2013 tat sich das Unternehmen mit mehreren russischen Universitäten und einem Militärkrankenhaus zusammen. Das Ziel: eine künstliche Leber zu entwickeln.
(Peter Zellinger, 19.7.2023)
Russischer Supercomputer soll Panzer in den "Terminator" verwandeln
 

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Ukraine
Krimtataren einmal mehr als Opfer
Im Krieg zwischen der Ukraine und Russland wird das Leiden einer Minderheit auf der Krim gerne übersehen: jenes der turksprachig-muslimischen Krimtataren. Mehr noch als andere Bevölkerungsgruppen sind sie Ziel russischer Repressionen – bis hin zu Folter und Morden, wie „Guardian“- und „Politico“-Journalistin Lily Hyde für das ukrainische Public Interest Journalism Lab im Auftrag von ORF Topos berichtet.

Tausende Krimtataren wurden zu Geld- oder Verwaltungsstrafen verurteilt, während die krimtatarische Sprache und Kultur, die auf dem Papier unterstützt werden, in der Realität des Alltags auf der Krim an den Rand gedrängt werden. Im Interview mit dem „Guardian“ sagte jüngst der prominenteste krimtatarische Aktivist Mustafa Dschemiljew, dass 49 Aktivisten seit der russischen Okkupation verschwunden sind – man habe bis jetzt die Leichen von acht von ihnen gefunden.

Die Krimtataren blicken auf eine lange Geschichte des Widerstands gegen Russland zurück, seit die Halbinsel Krim 1784 unter Katharina II. besetzt und danach Schritt für Schritt die Krimtataren enteignet wurden. Einst die Mehrheitsbevölkerung, machten sie schon 1939 nur noch 19 Prozent der Bevölkerung aus.

Reuters/Thomas Peter
Krimtataren vor dem Gebet in einer Moschee in Bachtschyssaraj

Fast die Hälfte ermordet
1944 wurde schließlich auf Befehl des Sowjetdiktators Josef Stalin die gesamte ethnische Gruppe von der Krim deportiert, angeblich als Strafe für die Kollaboration mit den Nazis. 46 Prozent starben auf dem Gewaltmarsch und danach in Arbeitslagern in Zentralasien und im Ural.
Andere ethnische Gruppen, die 1944 ebenfalls deportiert worden waren, erhielten von den sowjetischen Behörden nach und nach die Erlaubnis zur Rückkehr, doch eine nationale Bewegung der Krimtataren kämpfte jahrzehntelang so gewalt- wie erfolglos um das gleiche Recht. Zahlreiche Anführer wurden inhaftiert, bevor 260.000 Krimtataren schließlich nach dem Zusammenbruch der UdSSR auf die Krim zurückkehren durften und ukrainische Staatsbürger wurden. Im Jahr 2014 machten sie 13 bis 15 Prozent der Bevölkerung auf der Krim aus.

AFP/Vasiliy Batanov
Folgenschwere Demonstration mit Flaggen der Krimtataren am 26. Februar 2014

Das erste Folter- und Todesopfer
Die Mehrheit der Krimtataren sprach sich offen gegen die russische Annexion aus. Am 26. Februar 2014 hielten sie vor dem Parlamentsgebäude der Krim eine Massenkundgebung ab; in der Nacht marschierten russische Soldaten auf der Krim ein. Reschat Ametow demonstrierte schweigend und friedlich vor dem Ministerkabinett der Krim. Er verschwand, nachdem er von „Selbstverteidigungsmilizen“, der Großteil von ihnen russische Kosaken, festgenommen worden war; seine gefolterte Leiche wurde zwei Wochen später gefunden. Er war das erste krimtatarische Opfer der Annexion.
Am 16. März 2014 wurde in aller Eile ein Referendum abgehalten. Das gewählte Führungsgremium der Krimtataren, der Medschlis, rief zum Boykott auf, doch Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am 18. März ein Gesetz zur Eingliederung der Krim in die Russische Föderation. Die Krimtataren lebten fortan einmal mehr unter russischer Herrschaft.

AFP/Dimitar Dilkoff
Krimtataren vor dem Sarg des krimtatarischen Aktivisten Reschat Ametow, der 2014 entführt, gefoltert und schließlich ermordet wurde

Umworben und verfolgt
Zunächst wurden die Krimtataren vom neuen Regime umworben, das die Anerkennung muslimischer Feste als nationale Feiertage und des Krimtatarischen als Staatssprache auf der Krim als Beweis für die Unterstützung durch den russischen Staat anführte.
Doch gleichzeitig begannen Hausdurchsuchungen, Schikanen, gewaltsames Verschwinden und Verhaftungen von Bürger- und Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten und gläubiger Muslime im Zusammenhang mit der Protestversammlung vom 26. Februar 2014 (die ja stattfand, als die Krim auch nach russischem Recht noch zur Ukraine gehörte) – wegen „Extremismus“, „Bedrohung der territorialen Integrität Russlands“ oder wegen angeblicher Mitgliedschaft in der transnationalen islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir.

Terrorverdacht als Repressionslegitimation
Die Russische Föderation hatte Hizb ut-Tahrir bereits 2003 als terroristische Organisation verboten. Sie tritt für ein gemeinsames Kalifat aller muslimischen Länder ein, bekennt sich jedoch dezidiert zu einem gewaltfreien Vorgehen. In Deutschland ist die Organisation verboten, weil sie die Existenz eines israelischen Staates ablehnt. In der Ukraine und den meisten anderen europäischen Staaten ist Hizb ut-Tahrir nicht verboten.

AFP/Dmitry Serebryakov
Das mittlerweile verbotene Führungsgremium der Krimtataren, die Medschlis, bei einer Versammlung im März 2014

Laut Kritikerinnen und Kritikern nutzte die Russische Föderation die Einstufung als Terrororganisation von Beginn an zur Unterdrückung jeglicher religiöser und politischer Dissidenten. Die Verhaftungen und Gerichtsverfahren auf der Krim folgen einem eindeutigen Muster, bei dem unter Folter gewonnene „Beweise“ und Aussagen anonymer Zeuginnen und Zeugen verwendet werden. Die jüngste Verurteilung in einem Hizb-ut-Tahrir-Fall auf der Krim im Juni 2023 ist auch die längste: 20 Jahre.

Strafen selbst für Mahnwachen
Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass in jenem russischen Gesetz, in dem Hizb ut-Tahrir als Terrororganisation festgeschrieben wird, keine Beweise für tatsächlich terroristische Aktivitäten angeführt sind. Die Rede ist von „militanter islamistischer Propaganda kombiniert mit Intoleranz gegenüber anderen Religionen; aktives Anwerben von Unterstützern, absichtsvolle Aktivitäten zur Spaltung der Gesellschaft (in erster Linie Propaganda mit starker finanzieller Unterstützung)“.

Ganz grundsätzlich gilt: Diejenigen, die an Gerichtsverhandlungen teilnehmen, um ihre Unterstützung zu zeigen, oder Mahnwachen abhalten – die einzige Form des Protests, die in der Russischen Föderation grundsätzlich erlaubt ist – werden zu Geldstrafen oder Verwaltungsstrafen verurteilt.

Haftstrafen für politische Führer
Im Jahr 2016 wurde auch die Medschlis – das krimtatarische Führungsgremium – als terroristische Organisation eingestuft und verboten. Ihre Anführer wurden ins Exil verbannt oder verhaftet, ein regionaler Vertreter wurde entführt und ist noch immer verschwunden.

Public Interest Journalism Lab
Nariman Dscheljal (M.), einer der letzten Vertreter des krimtatarischen Parlaments Medschlis, im Gerichtssaal

Nariman Dscheljal, einer der letzten Medschlis-Vertreter, die sich noch auf der Krim aufhielten, wurde 2021 unter dem Vorwurf der Sabotage verhaftet, nachdem er an der Konferenz „Crimea Platform“ in Kiew teilgenommen hatte, bei der Regierungsmitglieder sowie Expertinnen und Experten aus aller Welt zusammenkamen, um über eine Rückeroberung der Krim durch die Ukraine zu beraten. Im September 2022 wurde Dscheljal zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt.

Geschichtsklitterung im öffentlichen Raum
Unterdessen klingen die russischen Versprechen, die krimtatarische Sprache und Kultur zu unterstützen, zunehmend hohl. Obwohl Krimtatarisch neben Ukrainisch und Russisch offiziell eine Staatssprache ist, wird die Kenntnis von Krimtatarisch – ebenso wie Ukrainisch – für keine zu besetzende Stelle im staatlichen bzw. öffentlichen Dienst der von Russland installierten Behörden als Qualifikation verlangt. Zwar gibt es noch nationale krimtatarische Schulen, doch wurden die Unterrichtsstunden in Krimtatarisch reduziert, und Eltern, die für ihre Kinder Krimtatarisch-Unterricht in normalen Schulen fordern (eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit), wird oft gesagt, dass kein Platz vorhanden ist oder nicht genug Schüler da sind.

Bei der russischen Restaurierung bedeutender krimtatarischer Kulturdenkmäler, darunter der Palast des Khans in Bachtschyssaraj, werden offenbar absichtlich echte historische Artefakte und Baumaterialien zerstört, um sie durch moderne Äquivalente und – wie die Krimtataren befürchten – eine neue Version der Geschichte zu ersetzen, die die russischen und sowjetischen Verbrechen sowie die krimtatarische und ukrainische Geschichte der Halbinsel auslöscht.

Einberufungsbefehle vor allem für Krimtataren
Nachdem sie ein halbes Jahrhundert lang dafür gekämpft haben, als Nation aus dem Exil auf die Krim zurückzukehren, besteht die aktuelle Tragödie nicht zuletzt darin, dass die Krimtataren die Krim erneut verlassen. Schätzungsweise 60.000 bis 100.000 Bewohner der Halbinsel sind nach der Annexion auf das ukrainische Festland ausgewandert, die meisten davon Krimtataren. Russlands umfassender Einmarsch in die Ukraine hat diese Auswanderung noch beschleunigt. Als Russland im Herbst 2022 eine Teilmobilisierung ankündigte, verließen Tausende die Krim aus Angst vor dem Einberufungsbefehl, der nach Angaben ukrainischer Menschenrechtsorganisationen unverhältnismäßig oft Krimtataren ausgestellt wurde.
23.07.2023, Lily Hyde für ORF Topos, Simon Hadler (Redaktion), ORF Topos

Links:
Public Interest Journalism Lab
Lily Hyde in „Politico“

Lily Hyde im „Guardian“
ORF Topos
 

josef

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UKRAINE-KRIEG
Warum die ukrainische Gegenoffensive langsamer vorankommt als erhofft
Statt auf große Panzervorstöße setzen die Kiewer Strategen nun auf Nadelstiche gegen den russischen Minengürtel. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist ungewiss
Analyse
Dicht hängen in diesen Sommertagen die Nebel des Krieges über dem Schlachtfeld in der Ukraine. So groß die Erwartungen im Westen an die mit US-amerikanischen und europäischen Waffensystemen ausgestattete ukrainische Armee waren, so verschwommen ist heute, knapp zwei Monate nach Beginn der ukrainischen Gegenoffensive, die Sicht auf die Lage am Boden.


Die aktuelle Lage in der Ukraine.
Grafik: STANDARD

Auf den ersten Blick erscheinen die Zahlen ernüchternd: Knapp 15 Quadratkilometer besetzten Landes, heißt es vom Kiewer Verteidigungsministerium, habe man in den vergangenen Tagen den russischen Invasoren entrissen, 240 Quadratkilometer sollen es in den 58 Tagen seit Beginn der Offensive insgesamt sein. Freilich: Noch immer kontrolliert Russland inklusive der schon 2014 besetzten Halbinsel Krim etwa 100.000 Quadratkilometer ukrainischen Landes, was mehr als der Gesamtfläche Österreichs entspricht. Ein echter Durchbruch, der ukrainische Verbände hinter die feindlichen Wälle gebracht hätte, ist bisher ausgeblieben. Mehr als 100 Kilometer trennen die ukrainische Armee vom Asowschen Meer – dem strategischen Ziel der Offensive.


Die ukrainische Armee, hier ein Soldat nahe Donezk, setzt nun auf eine Nadelstichtaktik, um gegen die russischen Linien anzukommen.
REUTERS/VIACHESLAV RATYNSKYI

Und die Zeit drängt durchaus. Wenn im Oktober in der Ukraine wieder die Schlammperiode beginnt, werden großräumige Bodenoperationen, etwa mit schweren Panzern, noch schwieriger. Die Ukraine kämpft aber nicht nur gegen die russischen Invasoren, sondern muss sich auch der Ungeduld hinsichtlich ihrer großangekündigten Befreiungsoffensive erwehren, die sich im Westen manchenorts breitmacht. Zu langsam, heißt es dort, schreite die ukrainische Gegenoffensive voran, zu wenig durchschlagend kämen die teuren westlichen Waffen zum Einsatz.

"Krieg ist kein Computerspiel", erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksyj Resnikow unlängst jenen im Westen, denen die von Kiew angekündigte Befreiung des riesigen Landes schon jetzt viel zu lange dauert. Wohl auch deshalb feierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ende vergangener Woche die Befreiung des 900-Seelen-Dorfs Staromajorske im Süden der Oblast Donezk auch mit Blick gen Westen wie einen entscheidenden Sieg.


Von dem befreiten Dorf Staromajorske ist wenig mehr als ein Trümmerfeld übrig geblieben.
via REUTERS/35TH SEPARATE MARINE

Doch wie stellt sich die Lage nun tatsächlich dar? Marschiert die Ukraine langsam, aber stetig der Befreiung des Landes entgegen, wie es Kiews PR suggeriert? Oder bleibt sie in den enggeknüpften russischen Minengürteln stecken, wie es aus Moskau stets heißt? DER STANDARD hat Fachleute um eine erste Zwischenbilanz gebeten.

Die Ukraine hat noch Reserven
Fest steht, dass die Ukraine noch nicht alle ihre neu aufgestellten Großverbände in den Kampf geschickt hat. Zwölf Brigaden mit jeweils etwa 5.000 Soldaten soll Kiew für die Gegenoffensive gebildet haben, neun davon wurden von westlichen Staaten ausgerüstet und zum Großteil auch ausgebildet. Zwei Drittel der neuen Brigaden, schätzt der Militäranalyst Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, dürften bisher schon eingesetzt worden sein. In der Hinterhand hat Kiew aber etwa noch die 82. Luftsturmbrigade, die mit 90 US-Stryker-Schützenpanzern, 40 deutschen Marder-Panzern sowie 14 britischen Challenger-Kampfpanzern bestückt als besonders kampfstark gilt. "Bisher sind Angriffe mit Großverbänden aber weitgehend gescheitert, weil die Ukraine den Gegner mangels Luftwaffe nicht niederhalten kann", sagt Reisner.

Nadelstiche statt Großangriff
Auch darum setzen die Kiewer Kriegsstrategen seit einigen Wochen auf eine andere, zuvor schon erfolgreich erprobte Taktik. Anstelle großer Panzerverbände rücken kleinere Stoßtrupps aus, die einerseits den Gegner binden, vor allem aber Schwachstellen in den russischen Linien ausloten sollen. Nach herben Verlusten gleich in den ersten Juniwochen – die "New York Times" berichtete, dass allein die kampfstarke 47. mechanisierte Brigade bei ihrem Vorstoß in der Region Saporischschja mehr als 30 US-Bradley-Schützenpanzer zumindest vorübergehend aufgeben musste – geht man nun weit vorsichtiger mit den knappen Ressourcen und dem Leben der Soldaten um. Das geht zwangsläufig auf Kosten der Geschwindigkeit. Rund um das umkämpfte Bachmut habe sich diese Taktik aber bereits ausgezahlt, sagt Reisner. "Dort hatten die Russen aber auch nicht so viel Zeit, sich auf die Offensive vorzubereiten, als es weiter im Süden der Fall war."


Weite Teile der Ukraine sind inzwischen vermint.
APA/AFP/SERGEY BOBOK

Massive Minenfelder
Anders als bei den erfolgreichen Rückeroberungen im vergangenen Herbst, in Charkiw etwa, gereicht die Topografie im weitgehend flachen Süden der Ukraine den Besatzern bisher zum Vorteil. Dass die aktuelle Gegenoffensive insgesamt bisher aber langsamer vorangeht, als vielerorts erhofft, hat schließlich zu einem großen Teil mit den Minenfeldern zu tun, die Russland an den Grenzen seiner besetzten Gebiete gelegt hat. Auch hier spielte der Faktor Zeit dem Kreml in die Karten: Während man sich in den USA und Europa darüber stritt, welche und wie viele Waffen man Kiew für dessen Befreiungsschlag liefern will, gruben sich die russischen Besatzer vor allem im Süden und Osten der Ukraine tief ein – und machen sich nun ihre Luftüberlegenheit dort punktgenau zunutze.

Für Kiews Truppen ein entscheidender Nachteil: Verbände, die sich den Minenfeldern nähern, werden von russischen Drohnen ausgekundschaftet und binnen weniger Minuten von Artillerie unter Feuer genommen. Allzu oft wurde so das ohnehin rare ukrainische Minenräumgerät, etwa jenes vom Typ Leopard, durch russischen Beschuss zerstört, ohne dass es seine Aufgabe erfüllen konnte. Von Kampfhubschraubern abgefeuerte Raketen sowie Gleitbomben erstickten bisher meist ebenfalls jedes Vorrücken der Befreier.

Mangels ausreichender Luftwaffe hat die Ukraine dieser Übermacht viel zu oft wenig entgegenzusetzen. "Dieses Manko kann nur schwer kompensiert werden, etwa durch sehr gute Aufklärung und weitreichende Artillerie. Komplett ausgleichen können die Ukrainer die so gut wie fehlende Luftwaffe aber nicht", sagt der Analyst Walter Feichtinger vom Center für Strategische Analysen in Wien.

Messbare Erfolge

Ukrainische Soldaten geben ihr Bestes, um beschädigte Panzer zu reparieren, etwa diesen Leopard.
AP

Feichtinger hält gleichwohl nichts davon, die bisherigen Erfolge der Ukraine kleinzureden: "Die relativ kleinflächigen Geländegewinne erstrecken sich entlang einer Strecke von etwa 200 Kilometern, ein großer Stoß würde dann aber höchstens auf einer Länge von 30 Kilometern erfolgen." Auch in den Angriffen auf Brücken oder Depots auf der Krim oder im russischen Hinterland ortet der Analyst durchaus messbare ukrainische Erfolge. Mithilfe der etwa von Großbritannien gelieferten Marschflugkörper nahm die ukrainische Armee zuletzt außerdem verstärkt russische Artillerie ins Visier.

Ob sich daraus dann doch bald noch größere Geländegewinne für die Ukraine ergeben? "Die Kampfmoral ist nach wie vor sehr hoch", sagt Feichtinger. Und: "Wenn es Kiew gelingt, in die Tiefe zu stoßen, kann es dann auch schnell gehen."
(Florian Niederdorfer, 1.8.2023)
Warum die ukrainische Gegenoffensive langsamer vorankommt als erhofft
 

wolfsgeist

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UKRAINE-KRIEG
Warum die ukrainische Gegenoffensive langsamer vorankommt als erhofft
Statt auf große Panzervorstöße setzen die Kiewer Strategen nun auf Nadelstiche gegen den russischen Minengürtel. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist ungewiss
Analyse

Warum die ukrainische Gegenoffensive langsamer vorankommt als erhofft
Thorsten Heinrich zum selben Thema; erklärt gut wie kommerzielle Drohnen und Artillerie die ukrainischen Angriffe leicht stoppen können.

 
Heute in ORF.AT gesehen: :mad:

Biden will erneut Milliardensumme vom Kongress für Ukraine (11,8 Milliarden Euro) Quelle
Der US-Kongress beschloss bereits Ende vergangenen Jahres einen Haushalt, der bis Ende September 2023 rund 45 Milliarden US-Dollar für die Ukraine vorsieht.

Ein Paar Zeilen darunter:
England im Sog des Spitalstreiks Quelle
Premier Sunak erhöht nicht die Finanzierung für die Gesundheitseinrichtung (NHS).
7,6 Millionen Menschen auf Wartelisten (383.000 warten bereits mehr als ein Jahr, 24.000 Menschen müssen in Notaufnahmen länger als 12 Stunden auf eine Behandlung warten).
Neue Zugeständnisse seitens der britischen Regierung sind nicht zu erwarten: Premierminister Rishi Sunak bekräftigte zuletzt, dass das Angebot einer Gehaltserhöhung von fünf bis sieben Prozent im öffentlichen Sektor „final“ sei. Kein noch so umfangreicher Streik werde die Regierung von ihrer Entscheidung abbringen, fügte Sunak hinzu.

Bei seiner Gründung 1948 war der öffentlich finanzierte NHS der erste umfassende, allen Einwohnern und Einwohnerinnen offen stehende Gesundheitsdienst der Welt. Er ist jedoch seit Jahren unterfinanziert, überlastet und hoch verschuldet.

England ist auch Großunterstützer der Ukraine Quelle

Interessanterweise unterstützt auch Österreich militärisch (obwohl neutral) mit 3 Millionen - die Schweiz hat hier 0
Ob das die Helme sind? ;)
 

josef

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IMPORT UND EIGENBAU
Drohnen als Schlüsselfaktor im Ukraine-Krieg
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Drohnen sind im Krieg in der Ukraine zu einem Schlüsselfaktor geworden. Beide Seiten nutzen sie, vor allem aber die russische Armee für Angriffe auf ukrainische Infrastruktur. Ein Modell aus iranischer Produktion spielt eine zentrale Rolle. Die USA sollen aktuell versuchen, die Lieferkette dafür zu durchtrennen, Russland soll den iranischen Typ inzwischen nachbauen.
Online seit gestern, 23.58 Uhr
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Es vergeht praktisch kein Tag ohne Berichte über Angriffe mit den unbemannten Flugzeugen. Mit ihnen können weit entfernte Ziele angegriffen werden, ohne etwa Kampfjets der Gefahr der feindlichen Luftabwehr auszusetzen. Außerdem sind einfache Varianten relativ günstig in der Herstellung, mitunter billiger als ihre Bekämpfung mit moderner Flugabwehr.

Erst am Mittwoch meldete die ukrainische Luftwaffe, dass erneut die Donau-Häfen Ismajil und Reni mit Drohnen angegriffen worden seien. Einige hätten Schäden an Getreidelagern verursacht, mehrere seien in der gesamten Region Odessa abgeschossen worden – der Typ: Schahed. Der Iran soll diesen Drohnentyp in großer Zahl an Russland liefern. Teheran bestritt das mehrfach, mitunter aber halbherzig.

Russland soll Drohnen inzwischen nachbauen
Die iranische Drohne soll inzwischen auch Blaupause für Eigenproduktionen in Russland sein. Zumindest laut Einschätzung britischer Geheimdienste setzt die russische Armee mittlerweile selbst hergestellte Kampfdrohnen ein. Deren Bauweise basierte auf der iranischen Kamikazedrohne.
Die Fertigung in Russland werde es erlauben, „eine zuverlässigere Versorgung (…) aufzubauen“, die Leistungen der Waffe schwankten jedoch, und die Ukraine habe bisher die Mehrheit abwehren können. „Allerdings ist Russland vorerst weiterhin auf Komponenten und ganze Waffen aus dem Iran angewiesen, die hauptsächlich über das Kaspische Meer verschifft werden“, hieß es in der täglich in London veröffentlichten Einschätzung zum Kriegsverlauf in der Ukraine. Der Kreml wirft Großbritannien in diesem Kontext Desinformation vor.

Zerstört sich am Ziel praktisch selbst
Die iranische Schahed-136 („Zeuge-136“) wird als Kamikazedrohne bezeichnet, weil sie für einen einmaligen Einsatz gebaut ist und durch das Zünden einer Sprengladung am Ziel zerstört wird. Hergestellt wird sie vom iranischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern Iran Aircraft Manufacturing Industrial Company (HESA), der unterschiedliche Arten von Drohnen baut, darunter auch verschiedene Modelle des Typs Schahed.


Grafik: APA/ORF; Quelle: dpa
Die Schahed-136-Drohne ist, soviel technische Details sind bekannt, rund 200 Kilogramm schwer, ein Deltaflügler, der von einem relativ schwachen Motor mit Propeller angetrieben wird und entsprechend langsam fliegt. Die Drohne ist etwa 3,5 Meter lang, die Flügelspannweite beträgt 2,5 Meter, sie kann bis zu 40 Kilogramm Sprengstoff tragen.

Zweitaktmotor statt viel Hightech
Die Bauweise ist relativ einfach, für die Herstellungskosten werden sehr unterschiedliche Zahlen in einer Bandbreite von umgerechnet etwa 10.000 bis 45.000 Euro genannt. Eine moderne Flugabwehrrakete kostet – je nach System – ein Mehr- bis Vielfaches dessen, ganz zu schweigen von modernen Drohnen etwa aus US-Produktion.

Viel Hochtechnologie steckt in der Schahed-Drohne nicht. Der Antrieb in der Luft erfolgt über einen Zweitaktmotor, zur Steuerung werden gängige GPS-Systeme genutzt, die Kampfdrohne kann nur vordefinierte Ziele ansteuern – damit keine in Bewegung. Einmal in der Luft kann der Kurs nicht mehr geändert werden, die Drohne kann aber mehrere Stunden in der Luft bleiben. Sie gilt allerdings nicht als sehr verlässlich, immer wieder wird daher berichtet, dass sie im „Schwarm“ eingesetzt wird, um die Treffsicherheit zu erhöhen.

USA wollen Iran zu Lieferstopp bewegen
Die USA wollten jedenfalls, hieß es am Mittwoch in der „Financial Times“, die Lieferkette für die Drohnen nach Russland über den Iran unterbrechen. Washington habe das Thema bei informellen Gesprächen zur Deeskalation im Atomkonflikt gegenüber Teheran angesprochen, berichtete die britische Wirtschaftszeitung.

IMAGO/Pacific Press Agency/Sobhan Farajvan
Schahed-Drohnen auf Aufnahmen aus dem Iran

Es habe in diesem Jahr „indirekte“ Gespräche dazu in Katar und Oman gegeben. Die USA wollten den Iran dazu bringen, die Schahed-Drohne nicht mehr zu liefern, auch keine Ersatzteile dafür. Die Islamische Republik habe versichert, Russland mehrfach ersucht zu haben, die Drohnen nicht mehr im Krieg in der Ukraine einzusetzen, Washington verlange aber „konkretere Schritte“.

Drohnen in Richtung Moskau
Russland greift de facto täglich Ziele in der Ukraine mit Drohnen an, häufig auch die Hauptstadt Kiew. Umgekehrt erreichten bereits mehrfach Drohnen die russische Hauptstadt Moskau bzw. ihre Umgebung und schlugen dort in Gebäude ein. Experten messen diesen Angriffen, die – von dort unkommentiert – offensichtlich aus der Ukraine kommen, militärisch kaum eine Bedeutung zu, wohl aber psychologische. Sie sorgten für Verunsicherung in der Bevölkerung und führten Moskau seine Verwundbarkeit vor Augen.

APA/AFP/Birol Bebek
Eine Kampf- und Aufklärungsdrohne des Typs Bayraktar („Fahnenträger“) aus türkischer Entwicklung

Im Krieg auf dem eigenen Territorium setzt die Ukraine unter anderem die sehr effektive Kampf- und Aufklärungsdrohne Bayraktar TB-2 aus türkischer Produktion ein. Sie kann Luft-Boden-Raketen und Granaten tragen und Ziele wie Panzer und Luftabwehrbatterien auf dem Boden zerstören.

Marke Eigenbau in der Ukraine
Die Ukraine zählt aber auch auf Eigenbau. Im Februar setzte Kiew die bereits 2021 offiziell vorgestellte Kampfdrohne UJ-22 in Richtung Moskau ein. Diese soll eine Reichweite von mindestens 800 Kilometern haben und dabei höchstens 20 Kilogramm Sprengstoff transportieren können.

APA/AFP/Alexander Nemenov
Wolkenkratzer in Moskau nach dem Einschlag einer Drohne

Als erstaunlich gilt auch die Entwicklung des Typs Bober, der über eine Crowdfunding-Aktion finanziert wurde, wie vor einigen Wochen etwa die „New York Times“ berichtet hatte. Durch die Canard-Flügel an der Nase und den Propellerantrieb am Heck sieht die Drohne aus, als würde sie rückwärts fliegen. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow zeigte sich zuletzt mit den Fortschritten im Drohnenbereich zufrieden. Ihm zufolge gibt es aktuell bereits mehr als 80 an der Produktion beteiligte Unternehmen, es seien 20 Typen in Dienst gestellt worden, weitere würden entwickelt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte gar an, man werde die Produktion der Drohnen „erheblich“ steigern. „Drohnen sind die Augen und der Schutz an der Front. (…) Drohnen sind eine Garantie dafür, dass Menschen nicht mit ihrem Leben bezahlen müssen in Fällen, in denen Drohnen eingesetzt werden können“, so Selenskyj in seiner Videoansprache am Mittwoch.
17.08.2023, red, ORF.at/Agenturen

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Import und Eigenbau: Drohnen als Schlüsselfaktor im Ukraine-Krieg
 

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UPCYCLING
Russland bedeckt Bomber mit alten Autoreifen
Eine Notfallmaßnahme soll die wertvollen russischen Flugzeuge wohl vor ukrainischen Drohnen schützen. An der Wirksamkeit gibt es aber erhebliche Zweifel


Dieser Bomber vom Typ Tu-95 ist mit alten Autoreifen bedeckt.
AP / Maxar Technologies
Es ist ein Bild, das man wohl bei keiner westlichen Luftwaffe sehen würde: Riesige strategische Bomber – also jene Flugzeuge, mit denen Atomraketen abgeschossen werden können – stehen offen auf den Flugplätzen und sind auf ihren Tragflächen und Teilen des Rumpfs mit alten Autoreifen übersät. Zuerst war das Rätselraten im Westen groß, und man konnte sich keinen Reim auf die seltsamen Vorgänge auf der russischen Luftwaffenbasis Engels 2 machen. Doch im Lauf der Vorwoche tauchten immer mehr Satellitenbilder von solcherart "bereiften" russischen Flugzeugen auf.

Längst wurden nicht nur die für Russland extrem wertvollen propellergetriebenen Tu-95MS (Nato-Codename: Bear) und die strategischen Schwenkflügelbomber Tu-160 Blackjack mit alten Reifen bedeckt. Auch deutlich kleinere Modelle wie Jagdbomber vom Typ Su-34 Fullback erhielten die seltsame Gummibehandlung. Fotos davon kursierten in einschlägigen Telegram-Kanälen. Laut CNN könnte es sich um einen plumpen Versuch handeln, die russischen Flugzeuge vor weiteren ukrainischen Angriffen zu schützen.

Schutz vor Drohnenangriffen
Kein Wunder, jüngst wurden sechs russische Regionen, darunter auch Moskau, angegriffen. Das war der größte Drohnenangriff auf russisches Hoheitsgebiet seit Beginn der Invasion in der Ukraine. In der Stadt Pskow, nahe der estnischen Grenze, wurden Berichten zufolge mehrere militärische Transportflugzeuge beschädigt, als Drohnen einen Luftwaffenstützpunkt angegriffen haben. Anfang August erklärte die Ukraine, sie habe Drohnenangriffe auf Stützpunkte tief im russischen Hoheitsgebiet durchgeführt. Das Ziel dürften die Bomber der russischen Luftwaffe gewesen sein. Bei diesen Angriffen dürfte mindestens ein Mittelstreckenbomber vom Typ Tu-22 zerstört worden sein.


Dieses Bild von Maxar Technologies zeigt eine weitere Tu-95 mit der eigenartigen Schutzmaßnahme.
AP / Maxar Technologies

Kurz darauf tauchten die ersten Bilder von Flugzeugen mit darauf gestapelten Autoreifen auf. Laut Francisco Serra-Martins vom Drohnenhersteller One Way Aerospace ist die Maßnahme wohl eher von begrenzter Wirkung. Die Maßnahme sei zwar dazu angetan, unter Umständen die Wärmesignatur von Flugzeugen ein wenig zu verringern, aber exponierte Bomber seien immer noch mit Infrarotkameras gut sichtbar, meinte Serra-Martins gegenüber CNN.

Wirkung unbekannt
"Auch wenn es ziemlich albern aussieht, scheinen sie ihr Bestes zu geben, um die Flugzeuge, die ansonsten leichte Beute sind, aufzurüsten. Ob das funktioniert, hängt davon ab, welchen Sprengkopf die Rakete/Drohne hat", so Steffan Watkins, ein Open-Source-Forschungsberater, der Flugzeuge und Schiffe verfolgt.

Watkins fügte hinzu, dass die Reifen verwendet werden könnten, um zu verhindern, dass die Splitter einer Explosion über dem Flugzeug die Hülle des Fliegers durchschlagen. Auch in Nato-Kreisen ist die vorherrschende Meinung, dass die Reifen wohl einen Schutz vor Drohnen bieten sollen. "Wir wissen nicht, ob das irgendeine Wirkung hat", wird ein Nato-Offizier zitiert. Wie man bei "The Warzone" zu bedenken gibt, stellen die Reifen wohl eine größere Gefahr für die Flieger selbst dar: Im Fall eines Brandes würde der Gummi sofort Feuer fangen. Selbst Leuchtmittel könnten schon zur Gefahr werden.

Prorussische Kanäle sind besorgt
Im prorussischen Telegramkanal "Fighterbomber" wird die ungewöhnliche Maßnahme ebenfalls heftig diskutiert. Anscheinend deutet der improvisierte Schutz auf einen Mangel an Luftabwehr sowie Personal hin, wird dort gemutmaßt. In dem Kanal wurde die Forderung laut, wonach Russland unverzüglich eine Kampagne zum Bau von Schutzräumen oder Unterständen auf öffentliche Kosten auf Flugplätzen nahe der Ukraine einleitet.

Russische Luftfahrzeuge, egal ob Helikopter oder strategische Bomber, werden häufig einfach im Freien abgestellt. Während im Westen in Hangars Flugzeuge wie der Eurofighter nach jedem Flug minutiös durchgecheckt werden, parkt man in Russland das Fluggerät einfach draußen. Bei Kampfhubschraubern wie dem Ka-52 Alligator wird immerhin das Cockpit noch mit einer Plane abgedeckt, ansonsten ist das Material dem Wetter ausgesetzt.

Zumindest ein Teil der beim russischen Angriff auf die Ukraine aufgetretenen Qualitätsprobleme beim eigenen Material dürfte zum Teil auf diese Form der Lagerung zurückzuführen sein. Auch am Militärflugplatz Engels 2 ist das nicht anders: Hier sind auf Satellitenbildern gut die im Freien geparkten strategischen Bomber vom Typ Tu-160 und Tu-95 zu erkennen.

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Die russische Luftwaffe musste seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine starke Verluste hinnehmen. So gingen laut der OSINT-Plattform Oryx mindestens 105 Hubschrauber verloren. 89 Flugzeuge wurden ebenfalls zerstört. Darunter befinden sich drei strategische Bomber sowie vier Su-35S, die zu den modernsten Jets der russischen Luftstreitkräfte zählen.
(Peter Zellinger, 12.9.2023)
Russland bedeckt Bomber mit alten Autoreifen
 

josef

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Die Ukraine erreicht ihre militärischen Ziele nicht
Mit westlichen Waffen ausgestattet, dürfte die Ukraine im Frühjahr einen neuen Vorstoß planen. Eine Verhandlungslösung ist nicht in Sicht, der Krieg wird also weitergehen
"Beide Kriegsparteien sind davon überzeugt, auf dem Schlachtfeld letztlich erfolgreich zu sein", schreibt der Politikwissenschafter Gerhard Mangott in seinem Gastkommentar zum Ukrainekrieg.

Langsam nur kommt die ukrainische Sommeroffensive voran. Sie ist nicht gescheitert, sie hat aber die erwarteten oder auch erhofften Ziele bislang nicht erreicht. Angestrebt war die Eroberung der Stadt Melitopol in der Region Saporischschja und vielleicht sogar ein Vorstoß an die Küste des Asowschen Meeres. Die von Russland besetzten Gebiete wären dadurch in zwei Teile aufgespalten worden. Dazu wird es dieses Jahr wohl nicht mehr kommen.

Beobachter nehmen an, dass bei einem solchen mäßigen Verlauf der Offensive der Druck aus einigen westlichen Staaten auf die ukrainische Führung zunehmen könnte, sich doch auf Verhandlungen über eine Waffenruhe einzulassen. Zu rechnen ist aber nicht damit, dass dies im Globalen Westen mehrheitlich so gesehen wird. Vielmehr dürfte dieser durch die Lieferung von neuen Waffen und mehr Munition eine neuerliche ukrainische Offensive im Frühjahr 2024 unterstützen. Dazu zählen die F-16-Kampfflugzeuge, die von Norwegen, Dänemark und den Niederlanden geliefert werden sollen, wie auch möglicherweise der deutsche Marschflugkörper Taurus und das US Army Tactical Missile System. Für eine Verhandlungslösung gibt es derzeit keinerlei Perspektive.


Kaputte Wohngebäude: Kriegsschäden in Charkiw-Saltiwka.
EPA/CATHAL MCNAUGHTON

Beide Kriegsparteien sind davon überzeugt, auf dem Schlachtfeld letztlich erfolgreich zu sein. Russland und die Ukraine erklären sich zwar grundsätzlich für verhandlungsbereit, stellen dafür aber Vorbedingungen, die für die jeweils andere Seite nicht annehmbar sind. Russland fordert von der Ukraine die "Anerkennung der neuen Realitäten". Das bedeutet, dass die ukrainische Führung die von Russland teilweise besetzten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja als Territorium Russlands anerkennen müsse; und zwar nicht nur die besetzten Teile dieser Regionen, sondern in deren vollen Verwaltungsgrenzen.

Die ukrainische Führung, aber auch die große Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung ist gegen territoriale Zugeständnisse an Russland. "Land für Frieden" wird als unbrauchbares Konzept abgelehnt.

Nicht mit Putin
Die Ukraine will auf Basis der "Friedensformel" von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit der russischen Seite erst verhandeln, wenn alle russischen Truppen das gesamte Territorium der Ukraine verlassen haben, das heißt auch die Krim und die Hafenstadt Sewastopol. Das wäre aber gleichbedeutend mit einer desaströsen Kriegsniederlage Russlands; dazu ist die russische Führung freiwillig aber nicht bereit. Zudem will die Ukraine nach einem Dekret Selenskyjs nicht mit Wladimir Putin verhandeln: "Wir werden mit dem nächsten Führer Russlands sprechen", heißt es aus Kiew.

Die Absage an eine Verhandlungslösung gilt dabei sowohl für eine Waffenruhe als auch für eine Friedensregelung, die nach Ansicht der ukrainischen Führung einen "dauerhaften und gerechten Frieden" bringen soll. Wenn der Krieg also weitergehen wird, stellt sich die Frage, welche Kriegsziele der Westen erreichen will. Offiziell natürlich ist die westliche Position, dass die Ukraine alleine über ihre Kriegsziele entscheiden soll. Hinter den Kulissen ist dem aber nicht so. Das hängt auch damit zusammen, dass der Globale Westen durch die Lieferung von Waffen und Munition mitentscheidet, wozu die Ukraine militärisch befähigt werden soll.

Mehrheitlich stellen sich die Staaten hinter das maximale Ziel der Ukraine, die russischen Truppen vom gesamten völkerrechtlichen Territorium zu vertreiben. Besonders stark ist die Haltung in Osteuropa und im Vereinigten Königreich. Es gibt aber noch Regierungen, die vor diesem maximalen Kriegsziel warnen oder die sich damit zumindest unbehaglich fühlen. Sie fürchten die militärische Eskalation des Krieges, wenn die Ukraine in der Lage und entschlossen wäre, auch die Krim zurückzuerobern – eine horizontale Eskalation, also die Ausdehnung des Krieges auf zusätzliche Staaten, oder eine vertikale Eskalation, das heißt der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen durch Russland. Letzteres ist zwar nicht wahrscheinlich, aber es bleibt ein Restrisiko bestehen, das politisch bearbeitet werden muss.

Ein Bluff?
Die Unterstützer der ukrainischen Maximalziele stufen das Risiko einer derartigen Eskalation als gering ein. Die impliziten russischen Drohungen mit Nuklearwaffen wären nur ein Bluff, der Angst in den westlichen Bevölkerungen säen soll. Der Westen dürfe sich nicht selbst abschrecken, das heißt, die Unterstützung der Ukraine aus Furcht vor dem Einsatz russischer Nuklearwaffen begrenzen. Die Regierungen, die dieses Restrisiko nicht ausblenden wollen, argumentieren, dass die Folgen eines Nuklearwaffeneinsatzes in mehrfacher Hinsicht dramatisch wären; daher solle man es nicht darauf ankommen lassen, ob die russischen Drohungen nur ein Bluff sind.

Der Krieg wird also weitergehen. Darüber, wie lange, gibt es keine Einigkeit unter den Militärexperten. Grundsätzlich kann er auf drei Weisen enden: Das erste Szenario wäre die Intervention eines dritten Akteurs, der die Kriegsparteien zur Einstellung der Kämpfe zwingen wird; das ist sehr unwahrscheinlich. Die zweite Option ist ein Siegfrieden durch eine Kriegspartei, die die Verhandlungslösung dann diktiert. Die dritte Option ist die militärische Erschöpfung beider Kriegsparteien; wenn sie keinen militärischen Erfolg mehr erwarten, werden sie sich zu Verhandlungen bereiterklären. Im Krieg in der Ukraine sind wir von allen drei Szenarien noch weit entfernt.
(Gerhard Mangott, 21.9.2023)

Gerhard Mangott ist Russland-Experte und Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Sicherheit.
Die Ukraine erreicht ihre militärischen Ziele nicht
 
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