Da wir ja in letzter Zeit genug wischiwaschitrallalla-historische Auswürfe besonders phantasiebegabter Märchenautoren erleiden mussten, hielt ich es für eine gute Idee, auch mal wieder harte Fakten ins Forum einfließen zu lassen. Da ich ein Freund spannender Akten bin, habe ich mich außerdem dazu durchgerungen, einen kleineren Akt aus dem Militärarchiv Freiburg fast vollständig abzuschreiben, um den Lesern, die vielleicht nicht ständig in Archiven sitzen, die Möglichkeit zu geben, zu sehen, welcher Art die Informationen eigentlich sind, die man direkt in der Quelle finden kann. Zudem bin ich der Meinung, dass das Lesen im Originalwortlaut der Akten das Eintauchen in die Situation des Moments erlaubt, in dem die Schreiben verfasst wurden. Man erhält dadurch ein Gefühl und einen Überblick über die Lage, die wirtschaftliche Situation, die Gedanken und Bedenken der handelnden Personen und womit sie sich beschäftigt haben.
Die Signatur des unten wiedergegebenen Aktes ist BArch, RH 33/48 (Miltärarchiv Freiburg/Breisgau)
Zu den Abschriften:
Ernst Kaltenbrunner hat das erste Schreiben verfasst. Der Effekt von dem er darin spricht, bezieht sich auf die Verwendbarkeit von Schall als Waffe oder zur Störung bzw. Lahmlegung der Gegner. Er stellt klar, dass diese Technologie zum damaligen Zeitpunkt nicht geliefert werden kann, weil erst weiter daran geforscht werden müsste, um überhaupt herauszufinden, ob der Effekt erzeugt werden könnte. Wie wir weiter oben schon gesehen haben, wurden die Versuche 1945 eingestellt, weil sich der Effekt offensichtlich nicht eingestellt hat.
Was der böse Herr Walkow gemacht hat, weiß ich leider auch nicht, aber anscheinend hat er über geheime Vorgänge geplaudert bzw. fühlte sich Kaltenbrunner durch die Ideen und Behauptungen des Walkow betrogen, weil dieser sie nicht beweisen konnte.
Im Text Unterstrichenes ist im Original gesperrt geschrieben.
[…] bedeutet, dass ich da nicht alles abgeschrieben habe, sondern nur die Stellen, die wichtige Mitarbeiter der Talstation oder den RAD-Einsatz betreffen.
Dass diese Abschriften nicht alle Fragen beantworten, ist klar. Sie liefern aber meines Erachtens eine gute Ausgangsbasis für jene, die sich weiter in die Tiefe der entsprechenden Archive bohren wollen.
Ein weiterer kurzer Textauszug zum Thema:
http://schizophonia.com/archives/Infrasound/sound_as_a_weapon.txt
Nun denn, rein ins Lesevergnügen des Originalwortlauts:
Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin SW 11, Prinz-Albrecht-Str. 8, an Major von Barisani, Schall- und Lichtmeßübungsplatz der Gebirgsartillerie, Talstation Lofer, Salzburg vom 25. Februar 1944:
Lieber Pg. von Barisani!
Aus Ihrem Anruf vom 21.d.M. entnehme ich, daß Ihnen Ihre Herren Dr. Wallauschek und Ing. Gilmer vom Ergebnis der Unterredung mit Herrn Dipl.-Ing. Zborowski noch keine Mitteilungen gemacht haben, da Sie sonst Ihren Wunsch auf Abstellung eines geeigneten Konstrukteurs noch nicht wiederholt hätten.
Mir hat nämlich Ing. Zborowski vom Inhalt seiner Unterredung mit Ihren Herren kurz folgendes berichtet:
1.) Es wurde der seinerzeitige "Liefervertrag" mit dem zuständigen Minister, da nicht einmal die primitivsten Voraussetzungen für den Vertrag vorlagen, nämlich die forschungsmäßig untermauerten Nachweise des notwendigen Effektes, anständigerweise in einen "Forschungsauftrag" abgeändert.
2.) Es besteht zwischen Ihren Herren und Herrn Ing. Zborowski darüber Übereinstimmung, daß vordringlich festgestellt werden muß, ob der angestrebte Effekt erzielt werden kann oder nicht.
3.) Das Versuchsgerät, mit welchem dieser Nachweis zu führen wäre, wollten Ihre Herrn in etwa 4 Wochen bereitgestellt haben. Für diese Bereitstellung hielten Ihre Herren keine besondere Unterstützung für erforderlich.
4.) Ich glaube daher, daß Sie gut tun werden, vor weiteren Anforderungen das Ergebnis des Prinzipversuches abzuwarten. Wenn das gewünschte Ergebnis sich einstellt, dann würden Sie zweifellos bei Minister
Speer und auch bei anderen Dienststellen, beispielsweise Herrn Oberstleutnant
Halder, weitgehendste Unterstützung, in jedem erforderlichen Ausmaße, finden.
5.) Auch Ihnen persönlich möchte ich empfehlen, sich in dieser Sache erst dann weiter zu exponieren, wenn der angestrebte Effekt sich ergeben hat und
wirklich begründete Hoffnung auf seine praktische Verwertungsmöglichkeit für die Herstellung von Geschützen oder Störanlagen wahrscheinlich geworden ist.
6.) Sie werden mir nachfühlen, daß ich gute Lust habe, gegen Herrn
Walkow nicht wegen seiner Schwatzhaftigkeit und nicht wegen Bruches von Geheimvorschriften, sondern wegen Betruges, einzuschreiten. Ich sehe nur deshalb davon ab, weil man sein Verhalten auch mit einer gewissen Geistesabwesenheit begründen kann.
Heil Hitler!
Ihr
Kaltenbrunner
SS-Obergruppenführer
General der Polizei.
Reaktion der Talstation Lofer an Dipl.-Ing. Zborowski, Hotel Exelsior, München vom 31. März 1944:
Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Zborowski!
Einer Mitteilung Major von Barisanis entnehmen wir, daß sich aus unserer seinerzeitigen Zusammenkunft in München Folgerungen ergeben haben, deretwegen wir nochmals mit Ihnen in Verbindung treten möchten. Angezeigt wurden dieselben bereits durch einen Brief von SS-Obergruppenführer Kaltenbrunner vom 25.2.44, den wir Ihnen in Abschrift beilegen; um die einzelnen Punkte eindeutig besprechen zu können, haben wir dieselben zusätzlich am Rand durch Ziffern bezeichnet.
In Punkt 1 wird vor allem von der Abänderung eines ursprünglichen "Liefervertrages" mit dem Ministerium in einen "Forschungsauftrag" gesprochen. Es ist uns nicht erinnerlich, daß von uns ein Liefervertrag zitiert worden ist, tatsächlich hat ein solcher auch nie bestanden. Wir erklären uns hier ein offenbar vorliegendes Mißverständnis dadurch, daß wir vielleicht von dem Zusatz des Amtes Entwicklung im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Herrn Oberst Geist, bezüglich der grundsätzlichen forschungsmäßigen Klärung der Anwendbarkeit akustischer Vorgänge als Waffe irgend welcher Art zu dem schon früher erteilten Entwicklungsauftrag solcher Waffen und die zugehörigen Abwehrmittel gesprochen haben könnten.
Wir bitten Sie, uns über diesen Punkt aufzuklären, damit wird eindeutig dazu Stellung nehmen können.
Bezüglich des Punktes 2 ist nichts zu sagen.
In den Voraussetzungen des Punktes 3 war die Erfüllung unserer Sofort-Personalforderung, die 5 Mann umfaßte, mit enthalten; tatsächlich haben wir in der Zwischenzeit unseren einzigen Hilfskonstrukteur noch abgeben müssen und es gelang uns nicht, irgend welchen Zuwachs an technischem Personal zu gewinnen. Außerdem traten Schwierigkeiten in der Beschaffung von Material und noch ausstehenden Werkzeugmaschinenteilen auf, sodaß wir den ursprünglich gestellten Termin von 4 Wochen nicht halten konnten, es ist mit einer Verzögerung von 2 bis 3 Wochen zu rechnen. In der Zwischenzeit hat sich Herr Gilmer neben den ihm eigentlich obliegenden Aufgaben als Prüfstandleiter und Betriebsingenieur nicht nur mit der Planung und Beschaffung der Prüfstands- und Werkstatteinrichtung, sondern auch mit der Durchführung der wichtigsten konstruktiven Arbeiten befaßt.
Herr Dr. Wallauschek bearbeitete vor allem theoretisch die Frage der Bündelungseigenschaften von akustischen Spiegeln und Strahlergruppen, wodurch den späteren praktischen Arbeiten bereits zweckmäßige Wege gewiesen wurden.
Zu Punkt 4 und 5 ist nichts hinzuzufügen.
Hinsichtlich des Punktes 6 erscheint es uns vielleicht als übergroße Härte, gegen einen Erfinder, der nun einmal von einer Idee besessen ist, ohne noch den richtigen Weg zu deren Durchführung zu sehen, die Anschuldigung eines Betruges zu erheben, auch wenn die Stichhaltigkeit seiner Vorversuche angezweifelt werden kann, besonders, so lange noch nicht erwiesen ist, ob ein solcher Weg nicht doch auffindbar ist. Wir haben in der Zwischenzeit verschiedentlich versucht, an vorhandenen Erfahrungen auf diesem Gebiete anzuknüpfen und fügen in der Anlage eine Abschrift der Ausführungen von Dr. Janovsky aus dem Zentral-Laboratorium der Firma Siemens & Halskie AG Abteilung Elektro-Akustik, zu Ihrer Kenntnisnahme bei. Ein von Prof. Gerlach in Aussicht gestelltes Gutachten werden wir Ihnen, wenn es Sie interessiert, nach Erhalt gerne nachreichen.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns Ihre Stellungnahme, besonders zu dem etwas unklaren Punkt 1, sobald als Ihnen möglich, zukommen lassen wollten; gegebenenfalls sind wir bereit, falls Sie dies für notwendig erachten, die Angelegenheit in einer weiteren Zusammenkunft zu klären.
Heil Hitler!
Talstation Lofer
Schall- und Lichtmeß-Übungsplatz der Gebirgs-Artillerie
Unterschrift unleserlich
2 Anlagen. [Im Akt nicht vorhanden]
Personal der Talstation Lofer vom 21. Februar 1944: (auszugsweise)
Betriebsführung:
Betriebsführer: Major von Barisani
Physikalische Abteilung:
Leiter: Dr. Richard Wallauschek
Technische Abteilung:
Leiter: Ing. Horst Gilmer
Konstrukteur: Z.Zt. Heinz Gürich
Prüfstandtechniker: Unbesetzt
Werkmeister: Wilhelm Kilian
Kaufmännische Abteilung:
Leiter: Eugen Sorg
Allgemeine Verwaltung:
Lagerführer: Othmar Dorfwirth
Bauleitung:
Baumeister Ernst Steiner, Alb. Herzog
Arbeitseinsatz des Reichsarbeitsdienstes im Hochtal (5. April 1944): (auszugsweise)
Mit Oberstarbeitsführer Oberfeld in Innsbruck wurde vereinbart:
1.) am 22. werden ein kompletter Zug (1 Führer und 40 Mann) ins Hochtal auf den Marsch gebracht.
2.) Wegen Brennstoffmangel wurde besprochen, daß die Talstation für Unterkunft und Verpflegung der Männer zu sorgen hat.
3.) Es ist geplant, alle 12–14 Tage diese Männer auszutauschen. Hierzu wurde vereinbart:
[…]
e) Es muß ein Aufenthaltsraum für die Männer des RAD, ich schlage vor im großen Prüfstand, mit Sitzmöglichkeiten geschaffen werden.
[…]
Schreiben des OKL, Chef der Luftrüstung, Berlin W 8, Leipziger Straße 7, an die Talstation Lofer, Schall- u. Lichtmeß-Übungsplatz der Gebirgsartillerie, Lofer Gau Salzburg, vom 4. August 1944:
Betr.: Autoklavenwagen für chemisch O2-Erzeugung.
Bezug: […]
Die Versuche mit dem ersten Versuchsgerät mußten wegen auftretender Mängel unterbrochen werden. Nach Durchführung einiger Änderungen werden jedoch voraussichtlich in ca. 8 Wochen die Versuche wieder aufgenommen werden können. Auf Grund Ihres Schreibens vom 21.6.44 wurde der I.G. Farbenindustrie mitgeteilt, Ihnen den Termin für die Teilnahme an den Versuchsabbränden zwecks Einweisung mitzuteilen. Wegen der Unterbrechung der Versuche dürfte die I.G. Farben die Mitteilung versäumt haben. Die Vorbereitungen zur Fertigstellung des 2. Mustergeräts laufen jedoch weiter, sodass mit einer wesentlichen Verzögerung nicht gerechnet werden braucht. GL/C-E 5 IV wird zur gegebenen Zeit erneut an Sie herantreten.
Im Auftrag
Unterschrift unleserlich