Wegen der internationalen Bedrohungslage überarbeiten Länder in Europa ihre Zivilschutzpläne

josef

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Bunker und Broschüren
Länder Europas wappnen sich für Ernstfall
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Zuerst Estland, Polen und Norwegen, nun auch Schweden, Finnland und Deutschland. Angesichts der sich verschärfenden internationalen Bedrohungslage erarbeiten zunehmend auch Länder in Europa neue Zivilschutzpläne, wie der „Guardian“ am Freitag berichtete. Diese reichen von Infobroschüren bis zur Wiederbelebung alter Bunker.
Online seit gestern 29.11.2024, 22.41 Uhr
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„Würden Sie 72 Stunden überleben? Deutschland und die nordischen Länder bereiten ihre Bürger auf einen möglichen Krieg vor“, titelte der „Guardian“. Und weiter: „Auch wenn die Aussicht auf einen umfassenderen kriegerischen Konflikt in Europa für viele noch in weiter Ferne zu liegen scheint, nehmen zumindest einige Länder das Thema ernst.“

Schließlich habe der Einmarsch Russlands in die Ukraine die Sicherheitsspannungen in der gesamten baltischen Region drastisch erhöht, doch militärische Fähigkeiten seien nicht alles: „Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen gewappnet sein.“

picturedesk.com/dpa/Daniel Karmann
In Deutschland stehen von ursprünglich 2.000 derzeit nur noch 579 Bunker zur Verfügung

„Nationales Schutzraumkonzept“
Selbst in Deutschland kündigten diese Woche das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und die Innenministerien an, wieder mehr Bunkerräume einzurichten und ein flächendeckendes „Schutzraumkonzept“ auszuarbeiten. Systematisch soll erfasst werden, welche Einrichtungen für Flucht- und Schutzräume infrage kommen. Etwa Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Kellerräume. Geprüft werden der bauliche Zustand der Räume sowie das Vorhandensein von Lüftungsanlagen und Türen. Bürgerinnen und Bürger sollen letztlich per Smartphone informiert werden können, wo der nächstgelegene Schutzraum zu finden ist.

Raketenangriffsdrohungen gegen Ukraine-Unterstützer
Der Anlass für die aktuelle Debatte sind jüngste Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin gegen Unterstützer der Ukraine: „Wir sehen uns im Recht, unsere Waffen gegen militärische Objekte der Länder einzusetzen, die es zulassen, dass ihre Waffen gegen Objekte bei uns eingesetzt werden“, sagte er.
„Im Fall einer Eskalation aggressiver Handlungen werden wir entschieden spiegelbildlich handeln“, so Putin weiter. Die „Bild“-Zeitung hatte anschließend als Erste von einem „nationalen Bunker-Plan“ berichtet, an dem in Deutschland nun gearbeitet werde.

Schweden und Finnland informieren Bevölkerung
Unterdessen wollen Schweden und Finnland ihre Bevölkerung mit verschiedenen Kampagnen für die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg sensibilisieren.
Während die schwedische Zivilschutzbehörde (MSB) am Montag mit dem Versand von fünf Millionen Broschüren begann, ging in Finnland eine Website mit Informationen online. „Eine halbe Million Finnen haben bereits einen Leitfaden für die Notfallvorsorge heruntergeladen“, so der „Guardian“.

AP/TT News Agency/Claudio Bresciani
Der Titel der schwedischen Infobroschüre: „Wenn Krisen oder ein Krieg kommt“

„Sicherheitslage ist ernst“
„Die Sicherheitslage ist ernst, und wir alle müssen unsere Widerstandskraft stärken, um verschiedenen Krisen und schließlich einem Krieg begegnen zu können“, erklärte der Direktor des schwedischen MSB, Mikael Frisell.

In der 32-seitigen Broschüre heißt es: „Wir leben in unsicheren Zeiten. In unserer Ecke der Welt werden derzeit bewaffnete Konflikte ausgetragen.“ Die Broschüre mit dem Titel „Wenn eine Krise oder ein Krieg kommt“ enthält Informationen darüber, wie sich Menschen auf Notfälle wie Krieg, Naturkatastrophen und Cyberangriffe vorbereiten können.

Es handelt sich um die aktualisierte Version des Heftes, das in dem skandinavischen Land seit dem Zweiten Weltkriegs bereits fünfmal an die Haushalte versandt wurde – zuletzt im Jahr 2018. Laut dem MSB wird in der nun versandten Ausgabe ein größeres Augenmerk auf die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg gelegt.

picturedesk.com/dpa/Ira Schaible
Viele Länder rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, Notvorräte für den Krisenfall anzulegen

Ratschläge und Empfehlungen zur Vorbereitung
Beim „Guardian“ hieß es dazu: „Die neuesten Ratschläge betreffen unter anderem Warnsysteme, Luftschutzbunker, digitale Sicherheit und die Benutzung der Toilette, wenn es kein Wasser gibt.“ Außerdem werde empfohlen, einen Wasservorrat im Haushalt anzulegen, ausreichend Decken, warme Kleidung und alternative Heizmöglichkeiten bereitzuhalten, ein batteriebetriebenes Radio anzuschaffen und genügend energiereiche, schnell zuzubereitende Lebensmittel zu lagern.

Norwegen: Lebensmittel, Bargeld, Medikamente
Eine ähnliche Broschüre wurde laut „Guardian“ von der norwegischen Katastrophenschutzdirektion DSB veröffentlicht. Darin heißt es: „Wir leben in einer zunehmend turbulenten Welt, die vom Klimawandel, digitalen Bedrohungen und im schlimmsten Fall von Kriegshandlungen betroffen ist.“ Auch hier sind die Bürger und Bürgerinnen dazu aufgerufen, unverderbliches Lebensmittelvorräte anzulegen. Zudem sollte darauf geachtet werden, Bankkarten, Bargeld und lebenswichtige Medikamente zu Hause zu haben – einschließlich Jodtabletten für den Fall eines nuklearen Zwischenfalls.

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Finnland: „Könnten Sie 72 Stunden überleben?“-Test
Auf der im Nachbarland Finnland veröffentlichten Website sind ebenfalls Informationen zur Vorbereitung auf verschiedene Krisen gesammelt, etwa lange Strom- und Wasserausfälle, Unterbrechungen von Internetdienstleistungen, Naturkatastrophen und „längerfristige Krisen wie eine Pandemie oder ein militärischer Konflikt“. Zudem gibt es einen eignen Onlinetest, um herauszufinden, ob man im Krisenfall „72 Stunden überleben“ könnte.

Finnland teilt eine 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland. Auf 5,5 Millionen Einwohner kommen hier 50.500 Bunker, die fünf Millionen Menschen Schutz bieten. Die Anlagen stammen aus der Zeit des Kalten Krieges. Allein in den Bunkeranlagen in der Hauptstadt Helsinki gibt es Platz für 900.000 Menschen – mehr als die Stadt Einwohner hat.
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Im Zuge eines Tests erfährt man, welche Bereiche zum Überleben notwendig sind

Bunker in Polen und Estland
Auch Polen hatte im Frühjahr angekündigt, Bunker und Schützengräben an seiner Grenze zu Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad zu bauen.
In Estland schwelt die Debatte schon seit 2022: Seit dem damaligen Sommer wurden Dutzende von bunten Schildern – blaue Dreiecke auf orangefarbenem Hintergrund – aufgestellt, um öffentliche Schutzräume zu kennzeichnen und für den Ernstfall gewappnet zu sein.
sita (Text), palm (Lektorat), beide ORF.at/Agenturen

Links:
„Guardian“-Artikel
Schwedische Broschüre
Norwegisches Infomaterial
Finnland Infoseite

Onlinetest

Bunker und Broschüren: Länder Europas wappnen sich für Ernstfall
 
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