Vor sechs Millionen Jahren trocknete das Mittelmeer zu fast drei Viertel aus

josef

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Salzwüste
Rätsel um die Austrocknung des Mittelmeers vor sechs Millionen Jahren gelöst
Der Prozess, der eine Million Kubikkilometer Salzablagerungen zurückließ, geschah in zwei Phasen. Der Großteil der Austrocknung dauerte nur 10.000 Jahre

Eine computergenerierte künstlerische Darstellung der Straße von Gibraltar am Ende der Messinischen Salinitätskrise.
Pibernat & Garcia-Castellanos

Das Mittelmeer ist aufgrund seiner schmalen Verbindung zum Atlantik ein Kuriosum. Nur etwa 14 Kilometer ist die Straße von Gibraltar breit. Sie erlaubt den Austausch von Wasser und verhindert, dass das Mittelmeer zu einem See mit völlig veränderten Eigenschaften wird.

Genau das geschah vor fast sechs Millionen Jahren. Im Zuge der sogenannten Messinischen Salinitätskrise vor 5,97 bis 5,33 Millionen Jahren schloss sich die Meerenge, und das Mittelmeer trocknete zu fast drei Vierteln aus. Überzeugende Belege für das geologische Großereignis fanden sich erst rund um 1970, als man Bohrungen in den Ablagerungen unter dem Meeresboden des Mittelmeers anstellte. Mehrere Kilometer dick bedecken sie den eigentlichen Felsengrund. Auch Spuren der damals völlig veränderten Flussmündungen ließen sich nachweisen. So lag etwa der Nil hunderte Meter tiefer als heute.

Während also die Austrocknung selbst, in der das Mittelmeer einen Großteil seines Wassers verlor und fast 90 Prozent aller mediterranen Arten im Meer ausstarben, seit längerem bekannt ist, war der genaue Ablauf, der die riesigen Salzablagerungen erzeugte, ein Rätsel. Doch nun berichtet eine neue Studie im Fachjournal Nature Communications von neuen Erkenntnissen.

Ausfluss gestoppt
Den Untersuchungen zufolge, die sich auf Bohrkerne aus dem Mittelmeer konzentrierten, schloss sich die Straße von Gibraltar nicht sofort. Erstmal wurde nur der Ausfluss von Wasser aus dem Mittelmeer gestoppt. Erstautor Giovanni Aloisi vom französischen Centre national de la recherche scientifique, kurz CNRS, erklärt das gegenüber dem STANDARD so: "Die Meerenge von Gibraltar ist durch einen Wasserfluss in zwei Richtungen geprägt: Das weniger salzhaltige Oberflächenwasser des Atlantiks fließt in das Mittelmeer, während das tiefe, salzhaltigere Wasser des Mittelmeers das Becken in Richtung Atlantik verlässt."

Die geologischen Veränderungen begannen allmählich. "Als die Meerenge von Gibraltar durch tektonische Bewegungen angehoben wurde, war zuerst der tiefe, salzhaltige Austrittsstrom aus dem Mittelmeer betroffen", sagt Aloisi. "Als dieser Austrittsstrom nachließ, wurde immer mehr Salz im Mittelmeer eingeschlossen, wodurch sich der Salzgehalt der Wassermasse erhöhte."

Ein Teil der gewaltigen Salzablagerungen geht also gar nicht auf ein Austrocknen zurück, erklärt Aloisi: "Irgendwann erreichte das Mittelmeer, das immer noch bis zum Niveau des globalen Ozeans mit Wasser gefüllt war, die Salzsättigung, und das Salz begann sich in seinem östlichen Becken anzusammeln, das die höchste Konzentration aufwies."


Die Straße von Gibraltar aus dem All gesehen.
gemeinfrei

Austrocknung ging schnell
Dann folgte aber eine weitere Anhebung des Gebiets von Gibraltar und damit ein vollständiger Verschluss der Straße. "Dabei sank der Meeresspiegel des Mittelmeers im westlichen Becken um 0,85 Kilometer und im östlichen um 1,7 bis 2,1 Kilometer", berichtet Aloisi. Das Mittelmeer verlor so etwa 70 Prozent seiner Wassermenge. Im östlichen Mittelmeer waren es sogar 83 Prozent.

Die Ergebnisse stammen von der Analyse von Bohrkernen aus unterschiedlichen Gebieten des Mittelmeers, darunter einer Stelle westlich von Sardinien und drei unterschiedlichen Punkten im östlichen Mittelmeer. Analysiert wurde das Verhältnis der verschiedenen Isotope von Chlor, das bekanntlich einer der Bestandteile von Salz ist. Das Verhältnis von 37 Cl und 35 Cl ist nämlich im globalen Ozean anders als im Mittelmeer und verändert sich zudem im Lauf der Austrocknung. So lässt sich aus den Ablagerungen auf den Zustand des Mittelmeers und seinen Wasseraustausch mit dem Atlantik schließen.

Landbrücke zu den Balearen
Diese schnelle Verdunstung, die weniger als 10.000 Jahre dauerte, hatte nicht nur Auswirkungen auf die Lebensräume im Mittelmeerraum, die Gewichtsveränderung löste auch starke geologische Reaktionen der Erdkruste aus, die sich in Form von Vulkanausbrüchen äußerten.

"Unsere Ergebnisse haben weitreichendere Auswirkungen für die biologische, geologische und klimatische Entwicklung des Mittelmeerraums und darüber hinaus", schreibt das Team in der Studie. Sie zeigen, dass es zur Ausbildung eine Landbrücke kam, die Afrika und Europa über die heutigen Inseln der Balearen verband. Das bestätigt bisheriges Wissen darüber, dass die Balearen über Land kolonisiert wurden.
(Reinhard Kleindl, 19.11.2024)
Rätsel um die Austrocknung des Mittelmeers vor sechs Millionen Jahren gelöst
 
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