josef

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#1
Verlagerung "Rosmarin" in Furth-Aigen

Wie ich anlässlich einer kleinen Herbstwanderung rund um den Göttweiger Berg feststellte, sind 2 Bauobjekte die 1944 für die U-Verlagerung "Rosmarin" im Ortsteil Aigen der Marktgemeinde Furth errichtet wurden, verschwunden. Es handelt sich dabei um ehemalige Bürobaracken aus Betonfertigteilen.

Lt. Verlagerungsliste der SDP-Nibelungenwerke waren im Kellersystem der U-Verlagerung „Rosmarin“ auf 1.200 m² Fläche 150 Personen (Großteils Kriegsgefangene aus dem Lager Stalag XVII B – Krems-Gneixendorf) mit der Herstellung von Laufwerksteilen für Panzer IV beschäftigt.

In der benachbarten U-Verlagerung „Reseda“ im „Göttweiger Stiftskeller“ beim Kirchenplatz in Furth waren es 300 Personen auf 2.000 m² Verlagerungsfläche. Die „Verlagerungsdaten“ stammen aus
Karl-Heinz Rauscher; „Steyr im Nationalsozialismus – Industrielle Strukturen“; S. 179.

Bilder Teil 1 – zeigen die ehemaligen Baracken:
Die nachfolgenden Fotos stammen aus 2000 und 2001 und zeigen jeweils in der Bildmitte die beiden Baracken aus Betonfertigteilen. Die Aufnahmestandpunkte für die gezoomten Bilder 1. – 4. waren oberhalb der Bahnstrecke Krems-Herzogenburg und für 5 u. 6 die Aussichtsterrasse des Stiftes Göttweig. Gut zu erkennen ist auch die Geländestufe zwischen den Baracken im Fladnitztal und den höher gelegenen Eingangsbauwerken zu den Kelleranlagen in der Lösswand.
 

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josef

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#2
Verlagerung "Rosmarin" - Teil 2

Teil 2:

Auf den herbstlichen Fotos vom 10.11.2014 sind die beiden Baracken bereits Geschichte…
Aufnahmeort wieder oberhalb der Bahnstrecke Krems-Herzogenburg:
 

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#4
Ein paar gesicherte Fakten zum U-Werk "Rosmarin" aus den jüngsten Forschungen über das Zuchthaus Stein:

(1) Die Bauarbeiten an "Rosmarin" begannen im November 1944 und zogen sich bis in den März 1945. Erst dann konnte in "Rosmarin" mit der Fertigung begonnen werden. Doch nach nur wenigen Tagen musste man angesichts der sich nähernden Roten Armee den Betrieb einstellen und die Maschinen zum Rücktransport nach St. Valentin wieder abbauen. Zeugen nennen als Beginn der Demontagearbeiten den 3. April 1945.
(2) Ein Baumeister Oberleitner beaufsichtigte die Bauarbeiten. Hubert Rohrhofer (der spätere Bürgermeister von Mautern/Donau) war in seiner Funktion als Polier bei der Kremser Firma Schumm für die Maurerarbeiten zuständig. Weiteres Fachpersonal wurde von der Fa. Landertinger (Baufirma) in Krems bereitgestellt.
(3) Die Betriebsführung des Werks lag beim Kremser Maschinenbauingenieur Anton Hager. Hager war bis 1943 bei der Maschinenfabrik Oser in Krems/Donau beschäftigt, deren Belegschaft nach der Auflösung des Betriebsstandorts Krems ins Nibelungenwerk nach St. Valentin dienstverpflichtet wurde. In St. Valentin fungierte er von 1943-1945 als "Abteilungsleiter". Er galt als fanatischer Nationalsozialist, illegales NSDAP- und SS- und SD-Mitglied. Unter Umständen kam ihm aufgrund seiner regionalen Ortskenntnisse und seines Beziehungsnetzwerks nicht nur im Kreis Krems sondern auch innerhalb der Gauleitung von Niederdonau eine Schlüsselrolle bei der Auswahl von Furth als U-Ausweichstandort der Nibelungenwerke zu.
(4) Sowohl beim Bau als auch in der Fertigung, die im Zwei-Schicht-Betrieb zu je zwölf Stunden erfolgte, setzte man Häftlinge des Zuchthauses Stein ein. Die Zahl der aus Stein rekrutierten Zwangsarbeiter ist unklar, da für "Rosmarin" kein eigenes Arbeitskommando zusammengestellt wurde. Die benötigten Häftlinge wurden aus dem für ad-hoc Arbeiten bestimmten "Arbeitskräftepool" der Justizvollzugsanstalt herausgezogen.
(5) Da kein offizielles Außenlager für die in Furth-Aigen beschäftigten Stein-Häftlinge bestand (und aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Stein und Furth-Aigen auch nicht nötig war), transportierte man die Männer für die Bauarbeiten und den Schichtbetrieb täglich mit Bussen von Stein nach Furth-Aigen und wieder retour.
(6) Es waren zwar - wie oben erwähnt - auch zivile Arbeitskräfte in "Rosmarin" beschäftigt, aber die von Rauscher (2004) genannte Zahl von 150 allein im U-Werk Furth-Aigen tätigen Personen erscheint angesichts der geschilderten Transportmodalitäten eher zu hoch. Schätzungsweise mussten einige Dutzend Stein-Häftlinge in Furth-Aigen Zwangsarbeit leisten.
(7) Der organisatorische und fertigungstechnische Zusammenhang zwischen "Rosmarin" und dem zweiten U-Werk "Reseda" (in Furth selbst) ist nach wie vor unklar. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die Gesamtaufsicht über beide Werke beim Duo Oberleitner/Hager lag, wenngleich eine parallele Betriebsorganisation nicht auszuschließen ist. Beide Männer waren im übrigen dafür berüchtigt, die ihnen unterstellten Zwangsarbeiter nicht nur wüst zu beschimpfen, sondern auch körperlich zu misshandeln.
(8) Als nach dem Massaker in Stein am 6. April 1945 keine Häftlinge mehr zur Zwangsarbeit in "Rosmarin" (die Maschinen wurden bereits abgebaut und zum Transport vorbereitet) zur Verfügung standen, gelang es Hager nach Intervention bei der NSDAP-Kreisleitung Krems kurzfristig Kriegsgefangene aus dem Stalag XVII-B als Arbeitskräfte aufzutreiben.
(9) Die Rolle Hagers beim Stein-Massaker blieb widersprüchlich und dubios. Er musste sich wegen seiner Illegalität nach 1945 vor dem österreichischen Volksgericht verantworten und wurde wegen Hochverrats zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Näheres dazu in Karl Reder, Tod an der Schwelle zur Freiheit. Das Zuchthaus Stein an der Donau während der Zeit des Nationalsozialismus und die Ermordung von Häftlingen im April 1945, Graz 2024, S. 182f und 399f.
 
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josef

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#5
Danke Karl für die ausführliche Darstellung lt. gesicherter Faktenlage zur U-Verlagerung "Rosmarin"!

Die bei der Verfassung des Beitrages zu "Rosmarin" bei geheimprojekte.at im Jahre 2001 betreffend Kriegsgefangenen aus dem Lager Gneixendorf (Stalag XVIIB) basierte auf damalige Zeitzeugenaussagen:
Kriegsgefangene stellten Panzerteile für die Nibelungenwerke her. Untergebracht waren diese gemeinsam mit den bei "Reseda" eingesetzten Gefangenen im Meierhof des Stiftes Göttweig in Furth (Außenlager von Stalag XVII B Krems-Gneixendorf).
In den zwischenzeitlich vergangenen mehr als 20 Jahren seit Veröffentlichung der Beiträge zu "Rosmarin" und "Reseda" kamen sowohl zum Einsatz von Kriegsgefangenen als auch zu deren Unterbringung im Meierhof des Stiftes Göttweig in Furth (für beide Verlagerungsbetriebe) Zweifel auf:

1. Nach Erwerb des Buches
Karl Heinz Rauscher, Steyr im Nationalsozialismus – Industrielle Strukturen, Weishaupt Verlag 2004, ISBN 3-7059-0179-6
Darin befindet sich eine Aufstellung der Fertigungsstätten der „Nibelungenwerke“ mit einer Beschäftigtenzahl von 450 Menschen (150+300) für Aigen und Furth!

Dazu Screenshot der Aufstellung aus Buchseite 180:

Da in den aus dem Stiftsbesitz enteigneten Weingärten nach Überlieferung der „Zeitzeugen“ ebenfalls im Meierhof untergebrachte Kriegsgefangene beschäftigt waren, dürften die vorhandenen Objekte bzw. Räumlichkeiten für diese große Anzahl (450 + ?) mit Sicherheit nicht ausgereicht haben!
Von weiteren „Lagern“ in Furth für die Rüstungsarbeiter ist nichts bekannt. Eine Möglichkeit wäre der tägliche Transport der Gefangenen von Gneixendorf nach Furth und zurück gewesen, was aber entfernungsmäßig eher unwahrscheinlich erscheint?...

2. Eine mögliche Variante tat sich mit der Erscheinung des Romans von
Robert Streibel, April in Stein, Residenz Verlag 2015, ISBN 978-3-7017-1649-4
auf: Im aus Fiktion und Realität vermischen Werk wird vom Transport von Häftlingen aus dem „Zuchthaus Stein“ (damalige Benennung…) mittels LKW und Bussen (ca. 20 Minuten Fahrzeit je Richtung) zu den Arbeitsschichten im Rüstungsbetrieb Göttweigerkeller in Furth ("Reseda“) berichtet.

Der Einsatz von "Stein-Häftlingen" und deren Transport mittels Bussen wurde nun auch im auf Fakten geprüften Buch von Karl Reder bestätigt!
Leider gibt es bei den "geheimprojekte.at" - Beiträgen zu den beiden Verlagerungsbetrieben bisher kein Update... :(

Da nach den Vorfällen am 6. April 45 im Gefangenhaus Krems-Stein keine Häftlinge für die am 3. April 45 begonnenen Demontagearbeiten der Maschinen zur Verfügung standen, wurden lt. Reder, Buch-Seite 184, doch noch Kriegsgefangene aus dem Lager Gneixendorf eingesetzt. Anzahl, Einsatzdauer und Unterbringung ist nicht bekannt.

Jedenfalls bestätigt (mehrere Zeitzeugen...) ist ein "kleines" Lager für Kriegsgefangene (aus Stalag XVIIB) im Meierhof in Furth. So waren einige in den nach der Enteigung des Stiftsbesitzes von der Stadt Krems verwalteten Weingütern beschäftigt. Auch einigen Bauern und Winzern in Furth waren Kriegsgefangene zugeteilt, die auf den Höfen lebten. Diese mussten in den letzten Kriegswochen jedoch die Nächte unter Bewachung (Volkssturm ?) im Lager Meierhof verbringen um tagsüber bei den Bauern zu arbeiten.
(6) Es waren zwar - wie oben erwähnt - auch zivile Arbeitskräfte in "Rosmarin" beschäftigt, aber die von Rauscher (2004) genannte Zahl von 150 allein im U-Werk Furth-Aigen tätigen Personen erscheint angesichts der geschilderten Transportmodalitäten eher zu hoch. Schätzungsweise mussten einige Dutzend Stein-Häftlinge in Furth-Aigen Zwangsarbeit leisten.
Es ist anzunehmen, dass das bei Rauscher veröffentlichte Verlagerungsdokument zumindest bei der Beschäftigtenzahl von 450 Personen für beide Objekte auf Planungen beruht und diese tatsächlich weit geringer war.
 
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josef

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#6
Aktuelle Fotos der erhaltenen Außenanlagen von "Rosmarin"

Die beiden Objekte befinden sich in Privatbesitz und sind nicht zugänglich (Videoüberwachung, Alarmanlge...)!

1. Situation 2001 - Aufnahme von der Terrasse des Stiftes Göttweig
2. - 3. Renoviertes Kellerstöckel des "Neukellers"
4. - 5. Ehemaliger Notausgang b
6. - 7. Renoviertes Kellergebäude "Priorkeller"
8. Verfüllter ehemaliger Notausgang b
9. Detail "Neukeller"
10. Detail "Priorkeller"

1739985476421.png
 

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josef

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#7
Die Eingangstüren der den eigentlichen Kellerröhren vorgelagerten Kellerhäuser sind relativ klein bzw. eng. Die dahinter befindlichen Gewölbekeller (Hauptröhren) haben ein weit größeres Profil, wo leicht LKW's fahren könnten...
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Ansicht des vom Niveau der Ortsstraße in Aigen (Fladnitztal) ansteigenden Lösshanges:
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Aufnahmen vom 19.02.2025

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Rechts vom "Neukeller" (Zaun...) befand sich bis 1984 der sogenannte "Binderschuppen". Dort wurden hölzerne Weinfässer hergestellt bzw. repariert. Ob dieser alte Holzstadel während der kurzen Nutzung der Kelleranlagen für die Nibelungenwerke ebenfalls genutzt wurde, ist nicht bekannt.
1740245852326.png 1740246280612.png
1740245674273.png
Fotos und Begleittext aus der "Topothek Furth: Unsere Geschichte, unser Online-Archiv "
 

josef

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#8
Verlagerung "Reseda" im Stiftskeller in Furth


Lage der ehemaligen Verlagerungsbetriebe im Ortsgebiet von Furth:
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"Rosmarin" in den Kelleranlagen des "Neu- und Priorkellers" im Ortsteil Aigen und "Reseda" im Ortszentrum von Furth gelegenen Kelleramt (Stiftskeller)

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"Reseda" im Stiftskeller und der Meierhof: Zoom-Aufnahme von der Stiftsterrasse Göttweig aus 2001
(zu der Gefangenenunterkunft siehe Update Beiträge #4 und #5)

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Übersichtsfoto aus Herbst 2023
Im Dezember 2024 und Jänner 2025 wurden ein Großteil der Gebäude des "Kelleramtes" abgerissen (-> Umrandung ROT), um Platz für neue Wohnbauten zu schaffen. Die denkmalgeschützten Objekte - Kellerhaus mit Kellerröhren und Meierhof, blieben erhalten und werden renoviert
(-> Pfeile GELB).

1. Vorplatz des "Kelleramtes" vor der Pfarrkirche von Furth. Die linksseitigen Gebäude beiderseits des Zufahrtstores in den Hof des Kelleramtes wurden Anfang der 1960iger Jahre neu errichtet und nun wieder Abgerissen. Rechts ist ein Teil des Meierhofes zu erkennen - Aufnahme 2014.

2. Aktuelle Ansicht vom 19.02.2025 nach Abriss der Objekte. Links erkennt man das den in den Hang führenden Kellerröhren vorgelagerte denkmalgeschützte Kellerhaus. Am Platz davor befand sich früher eine Mühle, deren freigelegte Fundamente derzeit archäologisch untersucht werden, bevor dort mit dem Bau von Wohnanlagen begonnen wird.

3. Hof des Kelleramtes mit Kellerhaus und 2 Eingängen zu den Kellerröhren des Stiftskellers bzw. der ehemaligen U-Verlagerung "Reseda" - Aufnahme 2014.

4. Nach Abriss der den Hof flankierenden Bauten gut erkennbar die 3 Kellereingänge - Aufnahme 19.02.2025.

5. Nochmals das gleiche Szenario von der Seite aufgenommen.
 

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josef

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#9
Meierhof

Südöstlich, durch den Vorplatz zwischen Kelleramt und Pfarrkirche getrennt, liegt der Meierhof. Denkmalgeschützte Bauteile werden instandgesetzt und sollen als neues Ortszentrum ausgebaut werden (Erweiterung Volksschule, Veranstaltungssaal, neuer Dorfplatz usw. ...).

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Der Wohntrakt ist für die anstehenden Renovierungsarbeiten bereits eingerüstet. Da dieses Objekt auch während der Kriegszeit für Wohnzwecke für Familien diente, ist die Unterbringung der in den Aufzeichnungen von SDP genannten 300 Personen für die Rüstungsverlagerung Reseda unwahrscheinlich! Diese Beschäftigtenzahl dürfte, wie in Vorbeiträgen bereits beschrieben, nur Planungen betreffen und nie der Realität entsprochen haben. Den ein Häftlingstransport mittels Autobussen vom "Zuchthaus Stein" zur Arbeitsstätte im Keller in Furth hätte den Einsatz von mehreren Bussen je Schicht erfordert und dies wäre sicher auch irgendwelchen "Zeitzeugen" aufgefallen.

Kurzfristig dürfte tatsächlich eine Produktion in den Kelleranlagen stattgefunden haben. Von leider auch schon verstorbenen Personen wurde von mit "Bohr- oder Drehspänen" befüllten abgestellten Behältern am Vorplatz erzählt!

Ein "kleines Lager" für Kriegsgefangene aus Stalag XVIIB wie ebenfalls vorhin erwähnt, ist durchaus in den Nebengebäuden realistisch!

1. Wohntrakt des Meierhofes
2. Außenansicht des Meierhofes von der Fladnitzbrücke aus aufgenommen mit dem an das Wohnhaus anschließende, parallel zum Bach verlaufende, zuletzt für Garagen genutzte Nebengebäude. (Aufnahme 2023)
3. und 4. Nochmals das Nebengebäude vom gegenüberliegenden Fladnitzufer aus
5. Innen- (Hof-)ansicht des Meierhofgeländes. Rechts das Wohngebäude mit nach links anschließenden Garagen
6. Hofansicht mit Resten von ehemaligen gemauerten Stadelgebäuden. In diesem Bereich war in der Nachkriegszeit ein Bautrupp der damaligen "Post- und Telegraphenverwaltung" untergebracht.
 

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