Unterwasserfund einer Römerstraße in der Lagune stellt Stadtgeschichte von Venedig infrage

josef

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Versunkene Römerstraße in Venedig stellt Stadtgeschichte infrage
Ein Unterwasserfund in der Lagune von Venedig deutet darauf hin, dass die Stadt früher als bisher gedacht in größerem Stil besiedelt wurde
Die Stadt Venedig, die auf mehreren Inseln in einer Lagune verteilt liegt, hatte besonders 2019 mit Hochwasser zu kämpfen. Der Meeresspiegel steigt, vor rund 2000 Jahren lag er um einige Meter niedriger. In vier bis sechs Metern Tiefe fand nun ein archäologisches Forschungsteam Spuren einer einstigen Straße: Mittels Scans des Meeresbodens und Tauchgängen fand man heraus, dass sie mindestens einen Kilometer lang war und sich in einem Kanal zwischen der Insel Sant'Erasmo und dem Ort Treporti befand, wie das Team im Fachjournal "Scientific Reports" schreibt.


Im Treporti-Kanal wurde eine römische Straßenstruktur entdeckt.
Bild: NASA/GSFC/MITI/ERSDAC/JAROS, U.S./Japan ASTER Science Team

Zur Befestigung des Weges wurden sogenannte "basoli" verwendet, Decksteine, die für römische Straßen typisch sind. Ihre Oberfläche ist glatt, die Unterseite ausgebeult. Der Treporti-Kanal war den Messdaten zufolge nur teilweise überflutet, die Straße befand sich auf einem Strandwall aus Geröll und Sand.

Diese Funde stellen deshalb etwas Besonderes dar, weil noch immer unklar ist, wann und wie stark die Lagune von Venedig in der Antike besiedelt war. Laut einigen Fachleuten gab es hier erst ab dem Ende des Weströmischen Reichs größere Siedlungen. Zu den dokumentierten Siedlungen zählen das südlicher gelegene heutige Chioggia (einst Clodia) und die Römerstadt Altinum, die nördlich auf dem Festland hinter der Lagune lag. Die legendäre, in einer Chronik festgeschriebene Gründung Venedigs soll am 25. März 421 stattgefunden haben.


So könnte die antike Straße bei Venedig ...
Bild: Madricardo et al./Scientific Reports

Recycling oder Römersiedlung?
Erste Spuren für kleine Ansiedlungen in der Lagune existieren aus der Steinzeit und der Völkerwanderungszeit. Auch römische Funde wurden unter Wasser entdeckt, diese deuten aber angeblich nicht auf eine große römische Siedlung hin, sondern auf eine spätere Wiederverwendung römischen Baumaterials.


... die heute unter Wasser liegt, ausgesehen haben.
Bild: Madricardo et al./Scientific Reports

"Man dachte, dass Venedig in einer Art 'Wüste' ohne vorherige Spuren menschlicher Anwesenheit erbaut wurde", schreibt die Forschungsgruppe um Fantina Madricardo vom venezianischen Meeresforschungsinstitut ISMAR in der aktuellen Studie. Darin widersprechen die Forschenden der alten These. Sie vermuten, dass es sich bei der Straße um einen Teil einer Hafenanlage handelt. Eine solche Infrastruktur deutet auf eine größere Siedlungen hin als jene, von denen man bisher ausgegangen ist.

Schwierige Rekonstruktion
Ob die Hafenstraße womöglich zur Stadt Altinum oder im Süden an die Via Popilia nach Ravenna führte, bleibt allerdings noch unklar. Denn die Lagune hat sich in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden mit ihren Inseln, Sedimenten und Strömungen stark verändert. Darauf deuten auch Analysen von Sedimentbohrkernen hin, die das Forschungsteam durchführte.
Das erschwert freilich die Rekonstruktion der einstigen Siedlung. Die These der venezianischen Archäologinnen und Archäologen könnte aber neuen Schwung in die Erforschung des Areals bringen.
(sic, 26.7.2021)

Studie
Scientific Reports:
"New evidence of a Roman road in the Venice Lagoon (Italy) based on high resolution seafloor reconstruction"

Versunkene Römerstraße in Venedig stellt Stadtgeschichte infrage
 
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