Schlitten- (Rodel-)bauer

josef

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Wie aus sechs Holzlatten ein Schlitten wird

Franz Leitner baut Schlitten in Handarbeit. Wenn er einmal in Pension geht, wird auch seine Werkstatt schließen - und das bedeutet eine Zäsur, ist er doch der letzte Rodelbauer der Steiermark
Wohl nirgendwo passt das Sprichwort „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne“ besser hin als zur Werkstatt von Franz Leitner bei St. Peter am Kammersberg in der Obersteiermark: „Wenn es nur immer so schön zusammengeräumt wäre! Gut, dass öfter jemand vorbeikommt. Aber es ist ja eine Werkstatt.“


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Der Rodelbauer arbeitet fast immer alleine. Nur vor Weihnachten, in der Hochsaison, bekommt er Hilfe von seinen Söhnen. Im Sommer ist er Bauarbeiter und bereitet nebenbei das Holz für die Schlitten soweit vor, dass sie im Winter nur noch zusammengebaut werden müssen. Zehn Stunden reine Arbeitszeit stecken in einer Rodel.


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Zwischen Tischlerei und Wagnerei
Seit Mitte der 80er-Jahre produziert er seine Schlitten, obwohl er dieses Handwerk nie gelernt hat - eigentlich ist Leitner Tischler. In seiner Jugendzeit habe er einmal einen Schlitten für ein Landjugendrennen gekauft. „Mit dem war ich nicht zufrieden. Der hat keinen Speed zusammengebracht“, erzählt der heute 55-Jährige.

In der Tischlerei, in der er damals arbeitete, wurden runde Rahmentüren für Möbel erzeugt. „Die haben wir fast so verleimt, wie ich das heute mache. Und da habe ich mir gedacht, das müsste doch auch für die Kufen funktionieren“, sagt Leitner.

So baute er seine erste Rodel - zuerst nur zur eigenen Verwendung, bis immer mehr Freunde zu ihm kamen und ebenfalls einen Schlitten haben wollten. Also meldete Leitner das Gewerbe der Wagnerei an, denn der Schlittenbau gehört zum Wagner- und nicht zum Tischlerhandwerk.


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Franz Leitner mit einem seiner fertigen Schlitten

Die Spezialität eines Wagners ist es, Holz zu biegen, und so bekam auch Franz Leitner schon Anfragen aus dem Kernbereich der Wagnerei - die Restauration eines Brauereiwagens und von Kutschen. Diese Restaurationsarbeit ist noch feiner als der Schlittenbau: „Was sind da schon zehn Stunden?“, seufzt Leitner. Auch Wagenräder sollte er machen. „Es ist nicht gesagt, dass ich das nicht kann, aber gelernt habe ich es halt nicht“, sagt der Rodelbauer.

Keine starre Konstruktion
Aus Leitners erstem Schlitten wurden mittlerweile ein halbes Dutzend Modelle. Die Form hat sich verändert: Die beiden Holzstangen, genannt Seitenholme, die von der Sitzfläche zu den Kufen gehen, sind heute nicht mehr gerade, sondern gebogen. „Man sieht halt, wie die anderen Rodeln so aussehen, und dann macht man es auch so“, sagt Franz Leitner.


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Einige Modelle aus der Schlitten-Kollektion von Franz Leitner

„Eine Rodel muss wackeln“
Diese Konstruktion macht den Schlitten weniger starr, und er wird leichter lenkbar - man kann die Rodel durch Gewichtsverlagerung steuern und muss nicht den Fuß in den Schnee setzen, um zu lenken. „Eine Rodel muss wackeln“, betont Leitner, weshalb auch nur die Sitzbank fix verleimt ist - alle anderen Teile lassen einige Millimeter Bewegungsspielraum zu.

Das Holz macht den Unterschied
Die Rodeln, die Franz Leitner baut, hat er früher höchstpersönlich getestet - mittlerweile sind die Modelle so ausgereift, dass sie auch ohne Testfahrt einwandfrei fahren: „Ich sag immer, wenn eine nicht funktioniert, sollen sich die Kunden gleich melden. Es kommt aber keine zurück.“. Für den Schlittenbau verwendet er Eschenholz: Es ist hart und zäh, lässt sich aber auch gut biegen. Die billigen Fabrikate seien aus dem härteren Buchenholz und könnten daher leichter brechen, erklärt Holzkenner.


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Wie aus sechs Holzlatten Schlittenkufen werden

Für die Kufen werden sechs dünne Holzlatten aufeinander geleimt und dann mit Schraubzwingen über eine Vorlage gebogen. „Das Aufspannen ist die schwierigste Arbeit, weil die Hölzer dabei brechen können“, sagt Franz Leitner. Er lässt den Leim immer einen Tag lang trocknen, damit er ordentlich aushärtet.

Die zusammengeleimten Holzlatten schneidet Leitner mit der Tischkreissäge in der Mitte durch. Die Kufen für einen Schlitten sollten aus demselben Holzstück sein, damit sie so gleichmäßig wie möglich sind. Die Holzteile müssen gehobelt, geschliffen und lackiert werden - letzteres, damit die Schlitten feuchtigkeitsresistent sind.


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Die Kufen werden aus einem Holz geschnitten

Eher für die Großen - die Kleinen fahren Bob
In den vergangenen Jahren verschickte der gelernte Tischler seine Schlitten vor allem nach Deutschland und in die Schweiz. „Heuer war interessanterweise viel in unserem Gebiet, in Murau und Judenburg. Ich habe nur zwei verschickt“, sagt er. Das liege wohl daran, dass der Dezember 2017 recht kalt gewesen sei, vermutet Leitner.

Er merke auch, dass durch das Ausbleiben des Schnees weniger Rodeln gekauft würden. Dennoch sei das Rodeln beliebt, mehr bei Erwachsenen als bei Kindern: „Die tun sich mit einem Bob leichter“, so Leitner.


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Familienrodeltag am Christtag
Franz Leitner baut aber nicht nur Schlitten, sondern auch Eisstöcke. Ob er lieber rodle oder lieber Eisstockschießen geht? „Ich mach beides gerne, aber zum Eisstockschießen komme ich öfter“, sagt er. Zumindest der 25. Dezember ist aber für das Rodeln reserviert: „Das ist unser Tag. Da sind alle zuhause – die vier Söhne mit den Schwiegertöchtern – und da wird gerodelt.“ Einmal probierte die Familie sogar einen Dreisitzer-Schlitten aus, aber da müssten schon alle sehr gut zusammenspielen, weil der durch die Größe schwerer lenkbar sei.

Kein Verschleißprodukt
Die Kunden brauchen meist nur einmal zu Franz Leitner zu kommen - er produziere eben ein langlebiges Produkt, konstatiert er mit ein bisschen Stolz. Was seine Schlitten so besonders macht? „Jeder ist extra angefertigt. Ich habe höchstens drei Stück auf Lager“, sagt er; er gehe auf die Kundenwünsche ein und könne Sitzlängen oder Breite verändern.

Dennoch: Die billigen Preise der Konkurrenz bekomme er schon zu spüren, aber er vergleicht das mit einem Paar Ski: „Was kostet ein paar Ski, und wie lange fährst du damit? Wenn ich auf die Rodel ein bisschen aufpasse, habe ich die ewig.“


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Die Innenneigung der Kufen

Der Letzte seiner Zunft
„Ich bin der einzige in der Familie, der mit Holz zu tun hat“, sagt der Schlittenbauer. Wenn er in den Ruhestand gehe, dann werde niemand seine Werkstatt übernehmen - das sei schade, denn eigentlich sei es wichtig, so ein altes Handwerk zu erhalten, sagt Leitner. „Ich merke es auch bei den Eisstöcken. Es waren viele Eisstockmacher in der Gegend. Die gehen in Pension, und ich bekomme immer mehr Arbeit, weil es die nicht mehr gibt“, sagt er. Die Rodelbauer würden sicher nicht aussterben - in Tirol gebe es noch einige Betriebe -, aber mit der Wagnerei sei das schon kritischer, meint Leitner.


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Die Metallschienen werden befestigt


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Zum Abschluss flechtet Franz Leitner noch die Bespannung: Rotgestreifte Gurte webt er zwischen den Seitenholmen ein – einmal oben drüber, einmal unterhalb. „Eigentlich taugt mir alles am Schlittenbauen, aber am meisten, wenn ich die Bespannung draufmachen kann. Das ist der letzte Arbeitsschritt - dann ist die Rodel fertig“, sagt er, bevor er den fertigen Schlitten doch im frischgefallenen Schnee testet.

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Publiziert am 21.02.2018
 
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