WETTRÜSTEN IM ALL
Im Satelliten-Rausch: Der wilde Westen in 600 Kilometer Höhe
Privatwirtschaftliche Unternehmen wollen den Orbit in den kommenden Jahren mit tausenden Kleinsatelliten fluten. Das ungebremste Wachstum ist nicht unproblematisch
Die enorme Zunahme an Satelliten in der Erdumlaufbahn dürfte in den nächsten Jahren nicht ohne Folgen bleiben.
Foto: European Space Agency
Tausende Satelliten im All sind erst der Anfang. Privatwirtschaftliche Unternehmen entdecken den Orbit offenbar zunehmend für sich und wollen innerhalb der nächsten Jahre zehntausende Kleinsatelliten hinaufbefördern. Besonders im Bereich der Kommunikationssatelliten bahnen sich dabei Probleme an, die von einer gegenwärtigen Wildwestmentalität befeuert werden: Fehlende Regulierungsmechanismen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vermüllung durch defekte und kollidierende Satelliten das gesamte System gefährden könnte.
Schon jetzt soll mehr als die Hälfte der derzeit 7.300 aktiven Satelliten in der Erdumlaufbahn von Starlink stammen. Bis zum Jahr 2027 will das Satellitennetzwerk des Tech-Milliardärs Elon Musk mehr als 12.000 aktive Satelliten betreiben. Und diese Zahlen wirken fast schon konservativ, wenn man bedenkt, dass alleine seit Jahresbeginn fast wöchentlich Falcon-9-Raketen von seinem US-Raumfahrtunternehmen SpaceX mit dutzenden Satelliten an Bord jeder Rakete gestartet sind.
Mit solchen Wachstumsplänen ist das Unternehmen nicht alleine. Neben dem zweitgrößten privaten Player One Web, der seine derzeitige Konstellation von knapp 600 Satelliten in Zukunft auf mehrere Tausend Exemplare erhöhen will, hat sich vor kurzem auch Amazon diesbezüglich wieder zu Wort gemeldet. Mit dem Projekt Kuiper will man ein Netzwerk für Satelliteninternet errichten, das von mehr als 3.000 Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn aufrechterhalten werden soll. Immer mehr Unternehmen wittern also ein neues Geschäft.
Der Satellit als Fließbandprodukt
"Die Anzahl der Satelliten im Orbit explodiert, seitdem der Start billiger geworden ist", sagt Willibald Stumptner, Obmann des Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF). Und billiger ist es vor allem deshalb geworden, weil man auch hier nicht mehr von staatlichen oder wenigstens staatlich finanzierten Firmen abhängig ist, sondern die Privatwirtschaft es selbst in die Hand genommen hat. "Früher gab es ein paar Firmen, die wussten, sie können praktisch jeden Preis verlangen. Diese haben sich meistens auch noch verbündet", sagt Stumptner und führt als Beispiel die US-amerikanische United Space Alliance an. Mittlerweile müssten sich Firmen aber an massiv gesunkenen Preisen orientieren, die von Musks SpaceX diktiert werden.
Die Chance auf diesen Milliardenmarkt eröffnete aber in demselben Ausmaß auch das Umdenken, dass Satelliten nicht immer einzeln und aufwendig angefertigt werden müssen, wie das früher üblich war. "Satelliten werden heutzutage nicht mehr nur als Einzelstücke gebaut, sondern kommen standardisiert vom Fließband. Dementsprechend einfach können bei Bedarf tausende Stück gebaut – und später gestartet werden", sagt Stumptner.
Hauptsache? Viele!
Bedenkt man die Tatsache, dass sich 2011 noch nicht einmal 1.000 Satelliten in der Erdumlaufbahn befunden haben, stellt sich die Frage, wieso gerade Kleinsatelliten zur Kommunikation dieses Wachstum so stark vorantreiben wollen. Zusätzlich zu einer möglichst globalen Netzabdeckung, deren Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Satellitenzahl logischerweise erhöht wird, geht es vor allem darum, die Endgeräte auf der Erde verkleinern zu können.
"Das wird so weit gehen, dass man wirklich nur noch seine Handys benötigt und keine Koffer mehr mit Satellitentelefonen. Je mehr Satelliten man hat, desto geringere Sendeleistung benötigt man für das Gerät am Boden und desto mehr Endverbraucher erreicht man", sagt Stumptner. Firmen dürften zudem auch Fehlfunktionen vom Fließband bewusst in Kauf nehmen. "Ein Verlust von fünf Prozent dieser Satelliten aus Massenfertigung ist einkalkuliert", so der ÖWF-Obmann.
Nicht zuletzt der Wunsch, die eigene Satellitenkonstellation möglichst früh im Orbit zu wissen, bevor gesetzliche Regelungen technische Änderungen an den Satelliten erfordern und somit den Profit schmälern könnten, lässt die Unternehmen in der Planung mit großzügigen Mengen hantieren und erklärt auch ein wenig die derzeitige Eile.
Die fliegende Müllhalde
Die Zahl der Satelliten wäre weniger problematisch, wenn sie sich für die Kommunikation nicht alle im erdnahen Orbit tummeln müssten. "Die Kommunikationssatelliten konkurrieren ja mit den terrestrischen Netzen und müssen daher möglichst tief – im Bereich von 500 bis 600 Kilometern über der Erde – fliegen, um geringe Latenzzeiten zu erreichen", sagt Investor Christian Federspiel, der das Projekt zum österreichischen Kleinsatelliten "Adler-1" geleitet und finanziert hat. Mittlerweile wurde vor kurzem schon der zweite Satellit der österreichischen Adler-Serie in die Erdumlaufbahn gebracht. In beiden Fällen kommen Instrumente des ÖWF zum Einsatz, das auch für die Datenauswertung verantwortlich ist. Die Satelliten sind genau in diesen Regionen aktiv, um neue Erkenntnisse über Weltraumschrott zutage zu fördern.
"Dieser Bereich ist besonders stark verschmutzt, dort findet sich in Summe der meiste Weltraummüll. Die Geschwindigkeiten sind mit acht Kilometern pro Sekunde dort extrem hoch. Bereits Teilchen, die kleiner als einen Zentimeter sind, können damit selbst größere Satelliten sofort zerstören, die möglicherweise mehrere Millionen Euro gekostet haben", sagt Federspiel.
Hinzu kommt, dass Kleinsatelliten technisch gar nicht auf Notfallszenarien ausgelegt sind. "Vor allem kleinere Satelliten verfügen über keinen Antrieb, mit dem sie ausweichen könnten. Und selbst bei größeren Satelliten mit Antrieb ist es entscheidend, dass die Vorwarnzeit relativ hoch ist, weil man eben nicht – wie es Filme suggerieren – die Maschinen einfach schnell anwerfen kann und wie bei einem Auto ein Ausweichmanöver ausführt", erklärt Federspiel. "Das kostet viel Zeit und auch viel Treibstoff, der dann für die gesamte geplante Betriebsdauer fehlt."
Kollision mit Folgen
Ist ein Ausweichen nicht möglich, führt dies zwangläufig zu Kollisionen, die in Summe verheerende Folgen nach sich ziehen könnten. "Die wissenschaftliche Community ist besorgt, weil für sie nicht ganz verständlich ist, wie die Auswirkungen von solchen großen Konstellationen aussehen – und vor allem, wie kontrolliert diese betrieben werden können", sagt Wolfgang Wagner, Professor für Fernerkundung an der TU Wien.
Normalerweise sollte ein Satellit in die Deorbiting-Phase kommen, wenn er an sein Lebensende kommt. Das ist meistens dann der Fall, wenn der Treibstoff zuneige geht. Der Satellit wird dann kontrolliert gesenkt und verglüht in der Erdatmosphäre. Bei Klein- und Kleinstsatelliten ist das aber nicht immer gesichert. "Je mehr alte und nicht mehr funktionale Satelliten oder Trümmerteile sich noch in der Erdumlaufbahn befinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Kollision. Und wenn eine solche Kollision stattfindet und sich ein kleiner Satellit in noch viel kleinere Teile auflöst, besteht die Gefahr eines Ketteneffekts", warnt Wagner.
Wie im wilden Westen
Theoretisch gibt es zwei Behörden, die die Zahl der Satelliten regeln könnten. Zum einen gibt es das in Wien ansässige Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (UNOOSA) mit dem Satellitenregister der Uno. Zum anderen entscheidet die Internationale Fernmeldeunion (ITU) die Vergabe von Telekommunikationsfrequenzen. Das reale Limit dürften aber eher prall gefüllte Kriegskassen der Lobbyisten und Auftragsbücher von Firmen wie SpaceX darstellen, die die Satelliten mit Raketen ins All befördern können.
"Im Moment haben wir das Problem, dass die internationale Gemeinschaft nicht mit einer Stimme spricht. Die Gesetze, die dazu führen, dass man den ausgefallenen Weltraumschrott wieder bergen und zurückbringen muss, sind nicht beschlossen", beklagt ÖWF-Obmann Stumptner und warnt davor, mit dieser Problematik ähnlich umzugehen wie mit der Klimakrise: "Jeder sagt, der andere soll anfangen, bis es dann schon sehr spät bis zu spät sein könnte."
Die große Bereinigung
Lösungen und Ideen, wie man den Weltraumschrott bekämpfen kann, gibt es viele. Das reicht vom verpflichtenden Einbau von Triebwerken, um Ausweichmanöver überhaupt einleiten zu können, über das Einfangen bis hin zum Wiederauftanken von Satelliten. Solange es aber keine neuen Gesetze gibt, besteht gewissermaßen nur die Aussicht auf eine Selbstregulierung des Marktes, der vorerst ungebremst vom Hype großer Satellitenkonstellationen befeuert wird.
"Irgendwann einmal wird ein Peak überschritten, und dann wird unter all den neuen Firmen wieder das große Sterben beginnen. Vor allem bei jenen, die den Preis von SpaceX nicht halten können", sagt Stumptner. Bleibt zu hoffen, dass so eine Bereinigung in erster Linie den Markt für Satelliten auf der Erde betreffen wird – und nicht durch Trümmerwolken im Orbit notwendig sein wird.
(Benjamin Brandtner, 23.4.2023)
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Privatwirtschaftliche Unternehmen wollen den Orbit in den kommenden Jahren mit tausenden Kleinsatelliten fluten. Das ungebremste Wachstum ist nicht unproblematisch
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Die enorme Zunahme an Satelliten in der Erdumlaufbahn dürfte in den nächsten Jahren nicht ohne Folgen bleiben.
Foto: European Space Agency
Tausende Satelliten im All sind erst der Anfang. Privatwirtschaftliche Unternehmen entdecken den Orbit offenbar zunehmend für sich und wollen innerhalb der nächsten Jahre zehntausende Kleinsatelliten hinaufbefördern. Besonders im Bereich der Kommunikationssatelliten bahnen sich dabei Probleme an, die von einer gegenwärtigen Wildwestmentalität befeuert werden: Fehlende Regulierungsmechanismen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vermüllung durch defekte und kollidierende Satelliten das gesamte System gefährden könnte.
Schon jetzt soll mehr als die Hälfte der derzeit 7.300 aktiven Satelliten in der Erdumlaufbahn von Starlink stammen. Bis zum Jahr 2027 will das Satellitennetzwerk des Tech-Milliardärs Elon Musk mehr als 12.000 aktive Satelliten betreiben. Und diese Zahlen wirken fast schon konservativ, wenn man bedenkt, dass alleine seit Jahresbeginn fast wöchentlich Falcon-9-Raketen von seinem US-Raumfahrtunternehmen SpaceX mit dutzenden Satelliten an Bord jeder Rakete gestartet sind.
Mit solchen Wachstumsplänen ist das Unternehmen nicht alleine. Neben dem zweitgrößten privaten Player One Web, der seine derzeitige Konstellation von knapp 600 Satelliten in Zukunft auf mehrere Tausend Exemplare erhöhen will, hat sich vor kurzem auch Amazon diesbezüglich wieder zu Wort gemeldet. Mit dem Projekt Kuiper will man ein Netzwerk für Satelliteninternet errichten, das von mehr als 3.000 Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn aufrechterhalten werden soll. Immer mehr Unternehmen wittern also ein neues Geschäft.
Der Satellit als Fließbandprodukt
"Die Anzahl der Satelliten im Orbit explodiert, seitdem der Start billiger geworden ist", sagt Willibald Stumptner, Obmann des Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF). Und billiger ist es vor allem deshalb geworden, weil man auch hier nicht mehr von staatlichen oder wenigstens staatlich finanzierten Firmen abhängig ist, sondern die Privatwirtschaft es selbst in die Hand genommen hat. "Früher gab es ein paar Firmen, die wussten, sie können praktisch jeden Preis verlangen. Diese haben sich meistens auch noch verbündet", sagt Stumptner und führt als Beispiel die US-amerikanische United Space Alliance an. Mittlerweile müssten sich Firmen aber an massiv gesunkenen Preisen orientieren, die von Musks SpaceX diktiert werden.
Die Chance auf diesen Milliardenmarkt eröffnete aber in demselben Ausmaß auch das Umdenken, dass Satelliten nicht immer einzeln und aufwendig angefertigt werden müssen, wie das früher üblich war. "Satelliten werden heutzutage nicht mehr nur als Einzelstücke gebaut, sondern kommen standardisiert vom Fließband. Dementsprechend einfach können bei Bedarf tausende Stück gebaut – und später gestartet werden", sagt Stumptner.
Hauptsache? Viele!
Bedenkt man die Tatsache, dass sich 2011 noch nicht einmal 1.000 Satelliten in der Erdumlaufbahn befunden haben, stellt sich die Frage, wieso gerade Kleinsatelliten zur Kommunikation dieses Wachstum so stark vorantreiben wollen. Zusätzlich zu einer möglichst globalen Netzabdeckung, deren Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Satellitenzahl logischerweise erhöht wird, geht es vor allem darum, die Endgeräte auf der Erde verkleinern zu können.
"Das wird so weit gehen, dass man wirklich nur noch seine Handys benötigt und keine Koffer mehr mit Satellitentelefonen. Je mehr Satelliten man hat, desto geringere Sendeleistung benötigt man für das Gerät am Boden und desto mehr Endverbraucher erreicht man", sagt Stumptner. Firmen dürften zudem auch Fehlfunktionen vom Fließband bewusst in Kauf nehmen. "Ein Verlust von fünf Prozent dieser Satelliten aus Massenfertigung ist einkalkuliert", so der ÖWF-Obmann.
Nicht zuletzt der Wunsch, die eigene Satellitenkonstellation möglichst früh im Orbit zu wissen, bevor gesetzliche Regelungen technische Änderungen an den Satelliten erfordern und somit den Profit schmälern könnten, lässt die Unternehmen in der Planung mit großzügigen Mengen hantieren und erklärt auch ein wenig die derzeitige Eile.
Die fliegende Müllhalde
Die Zahl der Satelliten wäre weniger problematisch, wenn sie sich für die Kommunikation nicht alle im erdnahen Orbit tummeln müssten. "Die Kommunikationssatelliten konkurrieren ja mit den terrestrischen Netzen und müssen daher möglichst tief – im Bereich von 500 bis 600 Kilometern über der Erde – fliegen, um geringe Latenzzeiten zu erreichen", sagt Investor Christian Federspiel, der das Projekt zum österreichischen Kleinsatelliten "Adler-1" geleitet und finanziert hat. Mittlerweile wurde vor kurzem schon der zweite Satellit der österreichischen Adler-Serie in die Erdumlaufbahn gebracht. In beiden Fällen kommen Instrumente des ÖWF zum Einsatz, das auch für die Datenauswertung verantwortlich ist. Die Satelliten sind genau in diesen Regionen aktiv, um neue Erkenntnisse über Weltraumschrott zutage zu fördern.
"Dieser Bereich ist besonders stark verschmutzt, dort findet sich in Summe der meiste Weltraummüll. Die Geschwindigkeiten sind mit acht Kilometern pro Sekunde dort extrem hoch. Bereits Teilchen, die kleiner als einen Zentimeter sind, können damit selbst größere Satelliten sofort zerstören, die möglicherweise mehrere Millionen Euro gekostet haben", sagt Federspiel.
Hinzu kommt, dass Kleinsatelliten technisch gar nicht auf Notfallszenarien ausgelegt sind. "Vor allem kleinere Satelliten verfügen über keinen Antrieb, mit dem sie ausweichen könnten. Und selbst bei größeren Satelliten mit Antrieb ist es entscheidend, dass die Vorwarnzeit relativ hoch ist, weil man eben nicht – wie es Filme suggerieren – die Maschinen einfach schnell anwerfen kann und wie bei einem Auto ein Ausweichmanöver ausführt", erklärt Federspiel. "Das kostet viel Zeit und auch viel Treibstoff, der dann für die gesamte geplante Betriebsdauer fehlt."
Kollision mit Folgen
Ist ein Ausweichen nicht möglich, führt dies zwangläufig zu Kollisionen, die in Summe verheerende Folgen nach sich ziehen könnten. "Die wissenschaftliche Community ist besorgt, weil für sie nicht ganz verständlich ist, wie die Auswirkungen von solchen großen Konstellationen aussehen – und vor allem, wie kontrolliert diese betrieben werden können", sagt Wolfgang Wagner, Professor für Fernerkundung an der TU Wien.
Normalerweise sollte ein Satellit in die Deorbiting-Phase kommen, wenn er an sein Lebensende kommt. Das ist meistens dann der Fall, wenn der Treibstoff zuneige geht. Der Satellit wird dann kontrolliert gesenkt und verglüht in der Erdatmosphäre. Bei Klein- und Kleinstsatelliten ist das aber nicht immer gesichert. "Je mehr alte und nicht mehr funktionale Satelliten oder Trümmerteile sich noch in der Erdumlaufbahn befinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Kollision. Und wenn eine solche Kollision stattfindet und sich ein kleiner Satellit in noch viel kleinere Teile auflöst, besteht die Gefahr eines Ketteneffekts", warnt Wagner.
Wie im wilden Westen
Theoretisch gibt es zwei Behörden, die die Zahl der Satelliten regeln könnten. Zum einen gibt es das in Wien ansässige Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (UNOOSA) mit dem Satellitenregister der Uno. Zum anderen entscheidet die Internationale Fernmeldeunion (ITU) die Vergabe von Telekommunikationsfrequenzen. Das reale Limit dürften aber eher prall gefüllte Kriegskassen der Lobbyisten und Auftragsbücher von Firmen wie SpaceX darstellen, die die Satelliten mit Raketen ins All befördern können.
"Im Moment haben wir das Problem, dass die internationale Gemeinschaft nicht mit einer Stimme spricht. Die Gesetze, die dazu führen, dass man den ausgefallenen Weltraumschrott wieder bergen und zurückbringen muss, sind nicht beschlossen", beklagt ÖWF-Obmann Stumptner und warnt davor, mit dieser Problematik ähnlich umzugehen wie mit der Klimakrise: "Jeder sagt, der andere soll anfangen, bis es dann schon sehr spät bis zu spät sein könnte."
Die große Bereinigung
Lösungen und Ideen, wie man den Weltraumschrott bekämpfen kann, gibt es viele. Das reicht vom verpflichtenden Einbau von Triebwerken, um Ausweichmanöver überhaupt einleiten zu können, über das Einfangen bis hin zum Wiederauftanken von Satelliten. Solange es aber keine neuen Gesetze gibt, besteht gewissermaßen nur die Aussicht auf eine Selbstregulierung des Marktes, der vorerst ungebremst vom Hype großer Satellitenkonstellationen befeuert wird.
"Irgendwann einmal wird ein Peak überschritten, und dann wird unter all den neuen Firmen wieder das große Sterben beginnen. Vor allem bei jenen, die den Preis von SpaceX nicht halten können", sagt Stumptner. Bleibt zu hoffen, dass so eine Bereinigung in erster Linie den Markt für Satelliten auf der Erde betreffen wird – und nicht durch Trümmerwolken im Orbit notwendig sein wird.
(Benjamin Brandtner, 23.4.2023)
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