Nach einer Studie glauben weltweit noch immer viele Menschen an Hexerei...

josef

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ABERGLAUBE
In diesen Ländern ist der Glaube an Hexen noch weit verbreitet
Überraschend viele Menschen glauben an Hexerei, wie die erste globale Studie zeigt. Die Bezichtigten werden noch immer ausgegrenzt und ermordet

Der Glaube an Zauber und Tinkturen, die anderen Böses tun, ist auch heute noch sehr präsent.
Foto: LesDaMore/Getty/iStock

Bei manchen heißt es der "böse Blick", andere fürchten sich vor dem "Auge-Machen": Wenn etwa eine fremde Person im Zug immer wieder unangenehm herüberschaut, kann das abergläubische Menschen dazu bewegen, sich sicherheitshalber gründlich zu bekreuzigen oder mit dem Rauch von Streichhölzern einen etwaigen Fluch zu vertreiben. Wie verbreitet der Glaube an solche Hexerei weltweit ist, wurde wissenschaftlich bisher nur unzureichend untersucht.

Nun liefert ausgerechnet ein Ökonom den ersten Datensatz dazu: Beachtliche 40 Prozent der Bevölkerung von 95 Ländern sind von der Existenz von Flüchen überzeugt, schreibt Boris Gershman von der American University in Washington im Fachmagazin "Plos One". Dafür wertete er persönliche und telefonische Umfragen mit 140.000 Personen aus. Als Anhängerin oder Anhänger des Hexenglaubens galt, wer der Aussage zustimmte, dass "bestimmte Menschen Flüche oder Zaubersprüche aussprechen können, die dazu führen, dass jemandem Schlimmes widerfährt".

Regionale Unterschiede
Gershman beschäftigt sich schon seit langem mit dem Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Hexenglauben, der auch in Fachkreisen auf immer größeres Interesse stößt: Immerhin gehe es darum, "die Kultur und ihre Verbindung zum wirtschaftlichen Verhalten zu verstehen". In der aktuellen Studie zeigt er die Bandbreite des Phänomens auf: Während in Schweden nur neun Prozent der stichprobenartig Befragten an Verfluchungen glauben, sind es in Tunesien 90 Prozent. Für Deutschland und Österreich liegt der Wert bei etwa 13 Prozent.


Die Karte zeigt, wie viele Menschen eines Landes oder einer Region an böse Flüche glauben – je dunkler das Grün, desto höher der Anteil in der Bevölkerung. Für die grau dargestellten Länder wurden keine Daten erhoben.
Foto: Boris Gershman, 2022, PLOS ONE

Neben Tunesien leben auch in Marokko, Tansania und Kamerun besonders viele Personen, die an Hexerei glauben. Während die Umfragen Rückschlüsse auf die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung erlauben, fehlen beispielsweise Daten aus China und Indien. Dennoch wird klar: Der Glaube an Hexerei – und mitunter entsprechende Verfolgungen – ist nicht nur ein Phänomen der frühen Neuzeit, sondern bleibt aktuell. Noch immer gibt es Hexenprozesse, wenngleich es sich dabei nicht um staatliche Rechtsprechung handelt, sondern etwa um Entscheidungen innerhalb von kleineren Gemeinschaften.

Gewalt gegen Andersartige
Auch regionale Unterschiede werden deutlich. Während in Tansania Schätzungen des Familienministeriums zufolge zwischen 1994 und 1998 wohl 5.000 angebliche Hexen und mehr ermordet wurden, ist der Hexenglaube der Studie zufolge in den Nachbarländern – etwa Kenia – offenbar viel schwächer ausgeprägt.

Zwar taucht der Aberglaube in allen demografischen Gruppen auf, aber seltener bei jenen, die einen hohen Bildungsgrad und wirtschaftliche Sicherheit haben, macht die Studie deutlich. Er hängt zudem etwa mit schwachen Institutionen zusammen und mit Gesellschaften, die starke Vorurteile gegenüber andersartigen Personen haben – und denen konformes Verhalten besonders wichtig ist.

Wie Gershmans Forschung zeigt, dürfte es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Hexereiglaubens einer Gesellschaft und ihrem Grad des Zusammenhalts untereinander geben. Dieser Aberglaube "zwingt einen dazu, sich den lokalen Normen anzupassen, weil jede Abweichung zu einer Anklage führen kann", sagt Gershman. Die Angst, aus der Reihe zu tanzen, beschränke wiederum die Möglichkeiten, für ein Klima zu sorgen, in dem es immer wieder zu Innovationen kommt – und damit auch zu vermehrtem Wohlstand, erläutert der Ökonom.

Dieser soziale Druck kann aber noch wesentlich gefährlichere Formen annehmen, unter denen überdurchschnittlich viele Frauen und Minderheitengruppen – beispielsweise Personen mit Pigmentveränderungen wie Albinismus – leiden. In vielen Regionen werden jenen, die von der Norm abweichen, magische und schädliche Kräfte zugeschrieben.

Erklärung in der Not
In manchen Gruppen bekommen diese Mitglieder nicht einmal etwas davon mit und Rituale, die von Schamanen durchgeführt werden, brechen den vermeintlichen Fluch. In anderen werden sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen oder sogar ermordet. Dies geschieht beispielsweise in Ghana und im Sudan, wo eigene "Hexenlager" eingerichtet wurden, die verfolgten Frauen Zuflucht gewähren. Aufgrund der drastischen Menschenrechtsverletzungen publizierte der UN-Menschenrechtsrat 2021 eine Resolution, die zur Verurteilung solcher Taten drängt.

"Das Hexereidelikt ist deshalb jahrhundertelang so ‚erfolgreich‘ gewesen, weil es sich fast für jede Situation, Person und Problematik hat einsetzen lassen", sagt der österreichische Historiker Manfred Tschaikner im Kontext europäischer Hexenverfolgungen. Besonders groß war und ist der Leidensdruck bei Missernten, Umweltkatastrophen und schwierig zu erklärenden persönlichen Schicksalsschlägen wie Krankheit oder Unfruchtbarkeit. Oft suche man dann nach externen Schuldigen, in der Vergangenheit wie heute.
(Julia Sica, 24.11.2022)
In diesen Ländern ist der Glaube an Hexen noch weit verbreitet
 
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