"Mistelbacher" - Synonym für Wiener Polizisten

josef

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#1
Wiener Polizei zur Erholung in Mistelbach
NÖN-Mistelbach, 03. OKTOBER 2022
Michael Pfabigan



Der Blick auf das Polizeierholungsheim in der Südtirolersiedlung 1930


Die Flüchtlingsstation, hier ein Bild aus 1922, setzte schon früh auf klare Sozialstandards beim Wohnen.
2 Fotos: mistelbach.topothek.at / Sammlung Georg Göstl

Wiener Polizisten zogen in der Ersten Republik zur Erholung in die Anlage der Flüchtlinge im Südtirolerviertel Mistelbach ein. Von hier bekamen sie ihren Namen.
Wollte man einen Wiener Polizisten abfällig bezeichnen, so rief man ihm lange Zeit ein spöttisches „Mistelbacher“ hinterher: Aber wie wurden die Mistelbacher zum Synonym für die Polizisten?

Die Erklärung ist eigentlich simpel: Die Wiener Polizei hatte die Häuser in der Siedlung unterhalb des Mistelbacher Krankenhauses übernommen, um ihre Polizisten zur Erholung aufs Land zu schicken. Angeblich entschlossen sich aufgrund der Beziehungen der Wiener Polizei zu den Mistelbachern auch viele junge Männer, Polizisten in Wien zu werden.

Die Wiener Polizisten wurden zu „Mistelbachern“, weil sie entweder von hier stammten oder weil sie dort zur Erholung waren.
Errichtet wurde die Polizeierholungssiedlung allerdings für rund 750 Flüchtlinge aus Südtirol in den Jahren 1915/16. Von ihnen stammt auch der heute noch gebräuchliche Name „Südtiroler Siedlung“ für das Areal zwischen Schillergasse, Südtirolerplatz, Goethegasse und Liechtensteinstraße.

Errichtet wurden damals 48 Wohnhäuser und drei Gemeinschaftsgebäude, die Verwaltung war im Haus Liechtensteinstraße 44 untergebracht, dem späteren Vermessungsamt und jetzigen Amtsgebäude des Landes mit der Außenstelle des Landesverwaltungsgerichtes. Die Schule in der Südtirolersiedlung wurde in der Zwischenkriegszeit Kindererholungsheim und Koch- und Haushaltungsschule (1926-1938), nach dem Krieg Internat für die Landwirtschaftliche Fachschule und später dann Musikschule (1954-1983). Heute ist in dem Haus eine Facharzt-Ordination für Orthopädie.

Nach dem Krieg waren in diesem Areal übrigens russische Offiziere einquartiert, zu erreichen war die „Moskau-Siedlung“ nur über Schleusen mit Kontrollposten.

Wer übrigens bei der Namensgebung der Straßen in diesem Stadtteil einen Zusammenhang zwischen Goethegasse, Schillergasse und der Weimarergasse vermutet, der irrt. Der Mistelbacher Bote berichtete 1925 über die entsprechende Gemeinderatssitzung: „Zur Erinnerung an Weimar, der Geburtsstätte des Anschlusswillens an Deutschland“.

Es ist eine Reverenz an jenen Ort, an dem die verfassungsgebende Nationalversammlung der deutschen Republik in den Jahren 1919/1920 tagte. Dieser Straßenname ist damit Ausdruck des während der Ersten Republik quer durch alle politischen Lager und Bevölkerungsschichten verbreiteten Wunsches nach dem Anschluss an das Deutsche Reich.

Heute ist die Südtirolersiedlung ein Villenviertel. Und den Namen „Mistelbacher“ für Polizisten kennen nicht nur die jungen Mistelbacher kaum mehr.
Wiener Polizei zur Erholung in Mistelbach
 

josef

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#4
Nochmals für alle außerhalb von Wien und NÖ. lebenden User kurze Infos über Mistelbach und deren Bezug zur Wiener Polizei:

Mistelbach im Weinviertel - Mistelbach an der Zaya im Weinviertel
Mistelbach (Niederösterreich) – Wikipedia


und weiter...

DIE GESCHICHTE VON DEN WIENER POLIZISTEN
Immer wieder kommt es auch heute noch vor, dass in Wien Polizisten "Mistelbacher" genannt werden. Und obwohl der Ort Mistelbach, mitten im östlichen Weinviertel gelegen, ein schöner Fleck ist, drückt das Wort "Mistelbacher" wohl eher eine Geringschätzung für die Polizei aus. Warum dies so ist, mag wohl schwer zu ergründen sein. Wie es jedoch dazu kam, dass man bis heute von "Mistelbachern" spricht, wird hingegen immer wieder erzählt.

Es begab sich in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, dass unweit des heutigen Spitals in Mistelbach eine Siedlung für Südtiroler Flüchtlinge gebaut wurde. So wohnten nun die armen Vertriebenen ein paar Jahre im Weinviertel nahe den Ufern der Zaya. Als die Zeit für die Rückkehr in die ursprüngliche Heimat gekommen war, hinterließen die Südtiroler eine große Zahl leerer Wohnungen. Da den Stadtvätern bewusst war, dass leerstehende Häuser mit der Zeit nicht besser werden, trachteten sie danach, Bewohner dafür zu finden.

Und wie es der Zufall so spielte, wollte die Wiener Polizei, die ihre Polizisten mal auf Erholungsurlaub schicken. So kam es, dass sich eine große Zahl Wiener Polizisten nach Mistelbach begab und dort einige Wochen blieb. Bald entstanden Kontakte zu den Einheimischen, die durchaus an den sympathischen Gästen Gefallen fanden. Und so kam es, dass sich in darauffolgenden Jahren viele junge Mistelbacher Männer entschlossen, den Beruf des Polizisten zu ergreifen.

Lange Jahre verbarg sich hinter der Bezeichnung "Mistelbacher" somit entweder ein in Mistelbach geborener oder bloß ein dort auf Erholung gewesener Polizist.

Quelle: Das Weinviertel in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 180
 
#5
Mir ist der Begriff Mistelbacher fuer einen Polizisten in Oesterreich immer bekannt gewesen. Ob dies abwertend gemeint war oder nicht wusste ich aber auch nie, da ich kaum Jemanden hoerte den Begriff zu verwenden.

Was ich nicht wusste, ist dass es um einen Erholungsurlaub ging. Ich dachte immer dass der Grund war, dass in Mistelbach eine Polizeikaserne war, und die Ausbildung dort stattfand.
 
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