Kärnten: Römerstraße und Höhensiedlung ober Irschen entdeckt

josef

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#1
Römerstraße ober Irschen entdeckt

In Irschen finden derzeit Ausgrabungen statt. Ein Innsbrucker Archäologenteam sucht nach einer Siedlung an einer Römerstraße. Die erste Grabung verlief vielversprechend. Initiiert wurde sie von einem Drautaler Amateurforscher, der jahrelang nicht locker ließ.

Am Burgbichl, südwestlich von Irschen, sind mitten im Wald seit zwei Wochen die Archäologen aus Innsbruck an der Arbeit. Grabungsleiter Gerald Grabherr folgte der Theorie des einheimischen Hobbyarchäologen Dietmar Simoner, der auf einem etwa einen Hektar großen Areal spätantike Reste vermutete. Tatsächlich wurde eine Höhensiedlung aus der Zeit zwischen dem vierten und dem sechsten Jahrhundert entdeckt.

„Sie ist zum Tal hin ausgerichtet und mit einer Umfassungsmauer abgeschlossen. Sie war also gut gesichert. Auf dem höchsten Punkt befindet sich auch eine frühchristliche Kirche. Wir haben Glück, denn die Reste sind recht gut erhalten“, so Grabherr. Teile der Kirchenmauern konnten bereits freigelegt werden, ebenso ein Wohnhaus unterhalb der Kirche, wo Keramikreste gefunden wurden.

Hobbyarchäologe forschte 20 Jahre
Simoner stammt aus der Gegend und hatte sich mehr als zwei Jahrzehnte damit beschäftigt, die Römerstraße im Drautal zu finden. Obwohl er von seinen Landsleuten und Archäologen eher belächelt wurde, ließ er nicht locker.

„Ich näherte mich dem Ganzen vom Gesamten her. Ich sagte mir, jetzt ist die Straße da, jetzt habe ich hier Straßenknoten - da muss ein Kultplatz sein“, so Simoner. Die erste Grabung verlief vielversprechend. Sowohl Dietmar Simoner, wie auch die Archäologen hoffen nun, dass die Mittel für eine zukünftige große Grabung zur Verfügung gestellt werden.
Text u. Bilder: http://kaernten.orf.at/news/stories/2787301/
 

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#2
Grabungen in Irschen werden fortgesetzt

Spätantike Höhensiedlung freigelegt

Die archäologischen Grabungen in Irschen (Oberkärnten) werden fortgesetzt. Forscher der Uni Innsbruck fanden eine spätantike Höhensiedlung, freigelegt wurden auch Reste einer großen frühchristlichen Kirche aus dem 3. Jahrhundert.

„Die bisherigen Funde sind wirklich etwas Besonderes. Der Platz bietet ein extremes Potenzial. Der Erhaltungszustand ist sehr gut“, sagt Grabungsleiter Gerald Grabherr. Das Besondere ist laut Grabherr, dass der Fund bisher unbekannt war, also gänzlich neu ist und so auch etwas gänzlich Unberührtes erforscht werden könne. Die bisherigen Freilegungen erfolgten im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Instituts für Archäologien, Fachbereich Archäologie der Römischen Provinzen, unter der Leitung Grabherrs. Initiiert wurden die Grabungen vom Drautaler Amateurforscher Dietmar Simoner, der jahrelang nicht locker ließ.

Die Siedlung am Burgbichl in Irschen südlich der Drau lag zwischen Teurnia im Osten (bei Spittal) und Aguntum im Westen (bei Lienz/Osttirol) und war rund einen Hektar groß. Zu welchem Bistum sie gehörte, ist unklar. Die Niederlassung dürfte auch mit einer wichtigen Römerstraße zusammenhängen. Diese führte von Aquileia in Oberitalien über den Plöckenpass ins Gailtal und von dort über den Gailberg ins Drautal - und eben von dort weiter über Teurnia nach Osten oder auch nach Salzburg oder von Aguntum Richtung Brenner, erklärte Grabherr.

Kirche für 100 Besucher
Die Kirche der Höhensiedlung bot rund 100 Menschen Platz. Das Gebäude muss nach 265/266 nach Christus errichtet worden sein - denn auf diese Zeit datiert Grabherr eine in Rom geprägte Münze, die unter den Mauern freigelegt wurde. Die Umfassungsmauer der Kirche sei mit 140 Zentimetern Stärke „die stärkste, die wir überhaupt kennen“.

Dass Siedlungen in der Spätantike gut gesichert waren, sei eine Notwendigkeit gewesen, so der Grabungsleiter: „Rom war nicht mehr in der Lage, ausreichend für Sicherheit zu sorgen, es gab viele umherziehende Räuberbanden.“ Auch das Mauerwerk der Kirche selbst sei sehr gut erhalten. Die Kirche ist rund 11,5 Meter breit und etwa 18,5 Meter lang. Auch eine Metallverarbeitung und Zisternen für die Wasserversorgung wurden nachgewiesen.

Weiter Suche nach Römerstraße
Bei den weiteren Ausgrabungen würde der Fachmann gerne Befunde für die Wohnbebauung finden. Die Wissenschaftler suchen zudem Nachweise für die Römerstraße. Dass diese im Umkreis der Siedlung gefunden wird - und damit auf einer anderen Trasse als in der Jetztzeit - ist laut Grabherr wahrscheinlich. Denn die Römer bauten Bergstraßen gerne ohne Kehren, die damals Monumentalbauten waren, so der Wissenschaftler.

Hoffen auf weitere Förderungen
Die bisherigen Grabungen wurden von der Gemeinde Irschen, der Universität Innsbruck und vom Bundesdenkmalamt gefördert. Weitere Grabungen sind gesichert, allerdings in kleinerem Ausmaß. Um Höhensiedlung und Römerstraße ausreichend zu erforschen sind laut Grabherr rund 350.000 Euro nötig, eine für Archäologen in Österreich schwer aufbringbare Summe.

In Kürze wird eine Antrag beim Forschungsförderungsfonds gestellt, der größte Fördertopf in Österreich, gespeist aus öffentlichen und privaten Geldern. Die Bewilligungsquote, so Grabherr, liegt allerdings nur bei rund 15 Prozent.
Text u. Bilder: http://kaernten.orf.at/news/stories/2810706/
 

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#3
Der Burgbichl in Irschen – ein archäologisches Highlight in Oberkärnten

Die frühchristliche Basilika auf dem höchsten Punkt des Berges ist außergewöhnlich gut ausgestattet, zahlreiche Funde erfreuen die Grabungsleitung
Bereits zum zweiten Mal finden diesen Sommer im Kärntner Irschen archäologische Ausgrabungen auf dem Burgbichl, einem circa 170 Meter hohen Hügel an der Südseite der Drau, statt. 2016 konnte die Vermutung bestätigt werden, dass es sich bei den über Tage sichtbaren Mauern um die Überreste einer spätantiken Siedlung (5. beziehungsweise 6. Jahrhundert n. Chr.) handeln könnte.

Seit 2017 wird die Grabung vom Institut für Archäologien der Universität Innsbruck gemeinsam mit dem Institut für Kulturgeschichte der Antike an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt. Finanzielle Unterstützung gibt es auch vonseiten des Bundesdenkmalamts und der Gemeinde Irschen. An den Ausgrabungen beteiligen sich engagierte Asylsuchende aus der Umgebung. Die Forschungen in Irschen stießen bereits im vergangenen Jahr auf großes Interesse bei der lokalen Bevölkerung.

Entdeckungen und Erwartungen
Nach den Ergebnissen des Vorjahres sind die Erwartungen auch dieses Jahr sehr hoch. 2016 konnte die Umfassungsmauer der Höhensiedlung freigelegt werden. Es handelt sich dabei um eine massive Struktur, die noch bis in eineinhalb Metern Höhe erhalten ist und die Siedlung talseitig gegen unbefugten Zutritt sicherte.

Auf dem höchstgelegenen Plateau des Burgbichls wurde das religiöse Zentrum der Siedlung vermutet. Dies konnte in mehreren Flächen nachgewiesen werden, da sich hier die Relikte einer frühchristlichen Kirche abzeichneten. Ein Abschnitt der Apsis wurde ebenso freigelegt wie Teile des Zentralraumes. Der Erhaltungszustand der Mauerstrukturen war überraschend gut, und es wurden Reste des antiken Bodens dokumentiert. Als Besonderheit kam ein als Stufe wiederverwendeter Marmorblock zutage.

Exzeptionell ausgestattete Kirche
Angrenzend an den im Vorjahr ergrabenen Abschnitt der Umfassungsmauer wird heuer der Torbereich erforscht, der sich an der topografisch plausibelsten Stelle der Höhensiedlung befindet. Bereits jetzt zeichnet sich mindestens eine Erhaltungshöhe von eineinhalb Metern ab.

Eine weitere Zielsetzung der diesjährigen Kampagne besteht darin, die Eingangssituation der Kirche sowie das Aussehen des Altarraumes zu klären. Beide Erwartungen konnten erfüllt werden: Der Eingang zum Zentralraum erfolgte über eine Schwelle aus zwei bearbeiteten Marmorblöcken. Neben dem Verlauf der Apsismauer zeichnet sich im Altarraum bereits eine freistehende gemauerte Priesterbank ab. Ebenso wurde ein marmornes Kapitell, das eventuell Teil der Altarschranke ist, gefunden. Bisher kann bereits festgehalten werden, dass die Ausstattung der Kirche aufgrund der großen Anzahl an Marmorfragmenten exzeptionell ist.

Außerordentlich gut erhaltenes Wohngebäude
Am Ostrand der Siedlung, etwas versteckt, hat das Archäologenteam mehrere Mauerstrukturen freigelegt, die sich bereits unter dem Bewuchs abzeichneten. Die Erhaltungsbedingungen in diesem Bereich sind außerordentlich gut, sodass es hier den Ausgräbern sogar möglich war, Wandverputz flächig zu dokumentieren. Eine Verbindung der bisher ausgegrabenen Räume ist durch die Entdeckung mehrerer Durchgänge nachgewiesen. Neben den massiven Steinmauern dürfte der Bau auch über Holzstrukturen verfügt haben.

Sehr zur Freude der Grabungsleitung wurden bereits in den ersten zwei Wochen zahlreiche Fundstücke geborgen, darunter Münzen, Bronzefibeln und einige andere Metallgegenstände sowie Keramikbruchstücke und Knochen. Darunter befinden sich auch Funde aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr., die auf eine frühe Nutzung des Burgbichls in der römischen Kaiserzeit deuten.

Für die ausstehenden eineinhalb Wochen hoffen die Archäologen noch weitere aufschlussreiche Strukturen freizulegen und zahlreiche Funde zu bergen – und natürlich blicken wir schon gespannt auf den nächsten Sommer auf dem Berg.
(Katharina Blasinger, Sarah Defant, Felix Kainrath, 3.8.2017)

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Der Burgbichl in Irschen


foto: universität innsbruck
Ausgrabungen im Torbereich


foto: sarah defant
Marmorschwelle im Eingangsbereich der Kirche


foto: universität innsbruck
Marmornes Säulchenfragment mit Kapitell aus dem Altarraum


foto: universität innsbruck
Ausgrabungen im Wohngebäude

derStandard.at
 

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#4
Burgbichl Irschen: Fenster zur Vergangenheit
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Am Burgbichl in Irschen forschen Archäologen der Universität Innsbruck und der Akademie der Wissenschaften seit 2016 an einer spätantiken Höhensiedlung samt frühchristlicher Kirche. Die Siedlungsreste zählen zu den besterhaltenen im ländlichen Raum.
Online seit heute, 18.52 Uhr
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Der Burgbichl südlich der Drau in Irschen ist nur von Norden her auf einem steilen Weg zu erklimmen. Die Bewohner der spätantiken Höhensiedlung haben sich im 5. und 6. Jahrhundert mit einer breiten Mauer vor Eindringlingen geschützt.

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Der Burgbichl von Oben betrachtet

Ausgrabung befördert immer Neues zu Tage
Neben ihr haben Archäologen mit Freiwilligen und Studierenden aus Österreich, Italien, Slowenien und Griechenland weitere Besonderheiten zutage gefördert: Etwa eine 2,80 Meter tiefe Zisterne, einst ein Regenwasserspeicher. Grabungsleiter Gerald Grabherr von der Universität Innsbruck sagte: „Wenn man als Archäologe einmal vor so erhaltenen Mauern steht, dann ist das auch für den Fachmann ein beeindruckendes Erlebnis und Gefühl.“

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Junge Archäologin in der gefundenen Zisterne

Weitere Gräber in frühchristlicher Kirche freigelegt
Am höchsten Punkt stand einst die frühchristliche Kirche. Wo die Forscher eine Vorhalle vermuteten, wurden nun weitere Gräber freigelegt. Grabherr: „Der Befund mit dem Stiftergrab ist einzigartig. So etwas kennen wir nirgends. Das ist schon eine Topgeschichte für uns und freut uns natürlich dann umso mehr, wenn man die Möglichkeit hat, so etwas auszugraben.“

„Wichtiger Schritt in wissenschaftliches Neuland“
Die Wohnhäuser waren auf Terrassen angelegt. Dieses ist für die damalige Zeit besonders groß und luxuriös gewesen, weiß Christian Gugl vom Österreichisch-Archäologischen Institut: „Das findet man in der Form nur an seltenen Plätzen in unserer Region, also würde ich schon meinen, dass wir hier einen wichtigen Schritt in wissenschaftliches Neuland getan haben.“

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Die Dimension der Wohnhäuser überrascht die Forscher

Gefunden wurden für die Spätantike typische Bronzefibeln, Spangen oder Gürtelschnallen. Dieses Fibelfragment ist noch wesentlich älter, aus der Hallstattzeit Mitte des ersten Jahrtausends vor Christus. Schon damals könnte sich auf dem Burgbichl ein Heiligtum befunden haben, wird vermutet.

Themenerlebnisweg und „Burgbichl-App“ geplant
Möglich ist das Grabungsprojekt dank EU-Förderungen. Mit ihnen plant die Gemeinde Irschen nun einen Themenerlebnisweg auf den Burgbichl.
Projektkoordinatorin Martina Linzer: „Es werden Informationstafeln da sein, die dann analog auch die wichtigste Information wiedergeben, aber dementsprechend kombiniert mit einer App, wo man die ‚erweiterte Realität‘ erleben kann und der Römer Gaius Julius uns erzählt, was hier vor 2.000 Jahren Sache war.“
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Am Freitag haben sich rund 100 Einheimische ein Bild von den Ausgrabungen gemacht. Diese werden kommende Woche beendet, doch auch in den nächsten Jahren gibt es am Burgbichl noch viel zu erforschen.
30.07.2021, red, kaernten.ORF.at

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Burgbichl Irschen: Fenster zur Vergangenheit
 

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#5
Ein jährlich wiederkehrendes Sommerlochthema ;):

Historisch wertvolle Funde am Burgbichl
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Aufsehenerregende Funde haben die archäologischen Grabungen auf dem Burgbichl in Irschen ans Tageslicht gebracht. Bei den Resten einer freigelegten frühchristlichen Kirche wurde ein Kinderskelett gefunden, in unmittelbarer Nähe eine zweite Kirche aus dem fünften bzw. sechsten Jahrhundert.
Online seit heute, 18.47 Uhr
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Mitten im Wald, auf dem sogenannten Burgbichl versteckt sich eine spätantike Höhensiedlung mit zwei Kirchen, mehreren Wohnhäusern und einer Zisterne, die 70.000 Liter Wasser halten konnte. Die Siedlung ist genau vis-à-vis der Ortschaft Irschen gelegen. Am Mittwoch konnten Einheimische und Gäste dem Archäologenteam der Universität Innsbruck bei seiner Arbeit zusehen und sich von den reichen Ausgrabungen überzeugen.

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Zwei gefundene Marmorhalbsäulen

„Wir haben jeden Tag spannende Funde, wie beispielsweise Mamorhalbsäulen, die uns bezeugen, dass dieses Gebäude eine wichtige Funktion hatte. Interessant sind auch bearbeitete und geschnittene Tuffblöcke, die u.a. als Keilsteine eines Gewölbes verwendet wurden“, so der Assistent der Grabungsleitung David Imre.

Ausmaß der Kirche überraschte
Größte Überraschung heuer war das Ausmaß der zweiten Kirche, ein Bauwerk mit Grundmauern von 22 Metern. Für die Archäologen eine kleine Sensation, weil sie für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich reich ausgestattet ist.
Freigelegt wurde auch eine Altarplatte aus Marmor und Reste von Glasfenstern aus der Apsis. Das alles zeugt von der Bedeutung, die Kirche und Siedlung einst hatten. „Wir haben zumindest eine Heraushebung des Mittelbereichs der Priesterbank bei dieser Kirche. Das weist darauf hin, dass auch die Kathedra des Bischofs eingesetzt war, wo er entsprechende kirchliche Feiern abgehalten hat“, so Grabungsleiter Gerald Grabherr von der Universität Innsbruck.

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Eine Altarplatte aus Marmor

Kinderskelett entdeckt
Auch ein Kinderskelett wurde heuer freigelegt, an der Außenmauer einer zweiten Kirche, deren Überreste schon in den letzten Jahren entdeckt wurden. In der Gemeinde reagierte man auf die immer neuen Funde auch mit der Gründung eines Geschichtsvereins „Die Gemeinde hat diesen Burgbichl gepachtet und der muss natürlich gepflegt werden. Die Wissenschaftler unterstützen uns, die Arbeit wird aber nicht ausgehen“, so der Obmann des Geschichtsvereins Hansjörg Mandler.

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Archäologiepark geplant
Geplant sei auch ein Archäologiepark Irschen. „Es gibt fixfertige Pläne, die auch schon eingereicht wurden. Wir sind nur mehr in freudiger Erwartung der Genehmigung durch die Behörde“, so der Kulturreferent der Gemeinde Irschen Peter Sommer.

Seit 2016 arbeitet das Archäologenteam aus Innsbruck auf dem Burgbichl. Die spätantike Höhensiedlung gilt mit ihrer reichhaltigen Kirche, die heuer freigelegt worden ist, durchaus als etwas Besonderes unter Fachleuten und zeugt von der wirtschaftlichen Potenz der damaligen Siedler.

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03.08.2022, red, kaernten.ORF.at
Historisch wertvolle Funde am Burgbichl
 

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#6
1.500 Jahre alter Reliquienschrein gefunden
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Auf einer Ausgrabungsstätte in Kärnten haben Archäologinnen und Archäologen der Universität Innsbruck vor zwei Jahren einen spätrömischen Reliquienschrein entdeckt. Er besteht aus einer äußerst seltenen Elfenbeinbüchse mit christlichen Reliefs. Am Dienstag wurde der Fund erstmals vorgestellt.
Online seit heute, 11.13 Uhr
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Eine Marmorkiste mit einem Kreuz und darin mehrere kleine Bruchstücke einer Elfenbeinpyxis, das heißt einer Dose aus Elfenbein, und darauf Reliefs aus frühchristlicher Zeit – so fand ein archäologisches Forschungsteam der Uni Innsbruck den Reliquienschrein in der Kärntner Gemeinde Irschen (Bezirk Spittal a.d. Drau). Die Grabungsstätte befindet sich auf dem „Burgbichl“, einer Höhensiedlung aus der Zeit um 500 nach Christus.

Bei dem Reliquienschrein handelt es sich um einen einzigartigen Fund, sagte Ausgrabungsleiter Gerald Grabherr von der Uni Innsbruck. „Das ist der erste Befund weltweit in dieser Form. Es gibt in Österreich eine zweite Pyxis im Kunsthistorischen Museum und das war es dann aber auch an solchen reliefierten Elfenbeindosen.“ Weltweit gebe es inklusive aller Bruchstücke etwa 40 Exemplare.

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Der Reliquienschrein ist eine Marmorkiste…
ORF…aus der frühchristlichen Zeit um 500 n. Chr.

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Darin befand sich eine zerbrochene Elfenbeinpyxis, d.h. eine äußerst seltene Elfenbeinbüchse

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Etwa 1.500 Jahre lang lag die Dose zerstört in vielen Scherben in der Marmorkiste

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Auf dem zerfallenen Elfenbein sind Reliefs mit biblischen Symbolen aus dem Alten und Neuen Testament abgebildet

Freude über Fund „unbeschreiblich“
2016 begannen die Grabungsarbeiten in Irschen im oberen Drautal. Auf dem Burgbichl entdeckten die Forscherinnen und Forscher eine spätrömische Höhensiedlung. Dabei legten sie im Laufe der Jahre zahlreiche Gegenstände, Skelette und zwei Kirchen frei – mehr dazu in Historisch wertvolle Funde am Burgbichl. Am 4. August 2022 gelang schließlich die sensationelle Überraschung. Unter den Steinplatten eines Seitenaltars stieß die Gruppe auf eine etwa 20 mal 30 Zentimeter große Marmorkiste.

Für die Beteiligten war sofort klar, dass es sich um einen außerordentlichen Fund handelte. „Es ist praktisch unbeschreiblich, eine riesige Euphorie, man freut sich und funktioniert dann aber trotzdem irgendwie nach Schema F quasi ferngesteuert“, meinte Grabherr über den Moment der Entdeckung. „Da geht einem durch den Kopf: Oh Gott, ich habe jetzt etwas ganz Besonderes, das einer besonderen Behandlung bedarf.“

Unmittelbar nach dem Fund sicherten die Archäologinnen und Archäologen das Objekt und leiteten Maßnahmen zur Konservierung ein. Schon nach wenigen Momenten war klar, dass es sich um eine besondere Entdeckung handelte, erzählte Grabherr. In den vergangenen 100 Jahren könne er sich nicht an einen vergleichbaren archäologischen Neufund erinnern.

Mehrere Monate gesichert und gelagert
Nach ersten Erhebungen stellte sich die Marmorkiste als Reliquienschrein heraus, die zerfallene Büchse als zentrales Heiligtum der damaligen Kirche vom Burgbichl. Gemeinsam lagen sie 1.500 Jahre lang versteckt unter dem Altar. Laut Grabherr diente die Dose dazu, eine Reliquie, das heißt die Überreste eines Heiligen, aufzubewahren. Das Elfenbein dürfte höchstwahrscheinlich von einem nordafrikanischem Elefanten stammen.

Die Kiste wurde über Monate in einem Kühlschrank in Innsbruck gelagert, konserviert und mittels CT-Röntgen an der Universitätsklinik analysiert. Anschließend machte sich die Restauratorin Ulrike Töchterle an die Arbeit und nahm die zerbrochenen Teile der Elfenbeinpyxis sorgsam aus der Marmorkiste heraus.

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Die zusammengeflickten Teile der Elfenbeinpyxis (links) sowie die Dosenscharniere und weitere Bruchstücke
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Die Reliefs zeigen laut dem Archäologen christliche Symbole wie die Himmelfahrt Jesu Christi oder die Übergabe der zehn Gebote

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Einige Heiligensymbole verdeutlichen die feine Handwerkskunst aus der damaligen Zeit

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Nach der Entdeckung musste die Marmorkiste mit den Scherben in einem Kühlschrank gelagert werden

Universität Innsbruck
Ein CT-Röntgen ermöglichte einen Scan der Marmorkiste mit den Einzelteilen, bevor sie zur Restauration bearbeitet wurden

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Restauratorin Ulrike Töchterle im Institut für Archäologien an der Universität Innsbruck

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Sogar für die erfahrene Restauratorin war die Arbeit an der Elfenbeinpyxis ein Ausnahmeprojekt

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Einzelne fragile Stellen des Elfenbeinmaterials erforderten besonderes Augenmaß

Auch für sie war es ohne Zweifel ein Ausnahmeprojekt. „Jedes Fragment ist total aufregend, man weiß nicht, was darauf abgebildet ist und macht schon Mutmaßungen, worum es sich handeln könnte“, schilderte Töchterle. Auch der intensive Austausch und die Zusammenarbeit mit den Auswertern sei sehr aufregend gewesen.

Scherben wie Puzzlestücke zusammengeflickt
Töchterle flickte rund 50 Kleinteile wie Puzzlestücke zusammen – mit viel Geduld und präziser Handarbeit. Besonders herausfordernd seien jene Stellen, die durch Metallsalze verfärbt sind. Bei diesen bestehe die Gefahr, dass sie sich ablösen. Auch wo einige Risse sichtbar sind, hätten Bakterien gearbeitet. Deshalb sei das Material sehr zerbrechlich. „Allein das Berühren mit dem Pinsel führt da schon zu Schäden auf der Oberfläche“, so Töchterle.

Die große Schwierigkeit ist auch, dass manche Teile der Pyxis fehlen. Da es sich auch um sensibles Elfenbeinmaterial handelt, sei es nicht mehr möglich, die gesamte Büchse wiederherzustellen. Mittels einer Styropor-Konstruktion bauten die Forscherinnen und Forscher die verfügbaren Scherben aber zum Teil nach.

Ein Nachbau der Scherben der Elfenbeinbüchse
Die Büchse wurde mit den Scherben auf einer Styropor-Konstruktion teilweise nachgebaut. Laut dem Archäologen Gerald Grabherr zeigen sie Symbole aus der Bibel, zum Beispiel einen brennenden Dornbusch, eine Wasserquelle, den Berg Sinai, galoppierende Pferde mit einer Figur auf einem Wagen als Himmelfahrt Jesu Chrisi sowie die Übergabe der zehn Gebote an Mose

Schrein gilt als „Kontaktreliquie“
Die Reliefs sind nach Ansicht des Archäologen zum Teil weltweit einzigartig. „Wir haben einzelne Szenen, wo wir gute Vergleiche auf anderen Pyxiden finden, wie beispielsweise die Übergabe der Gesetze an Mose.“ Das gebe es auf einem Exemplar in der Eremitage in St. Petersburg. „Andere wie die Himmelfahrt Christi auf einem Wagen ist einzigartig bisher“, erklärte Grabherr.

Ursprünglich vermutete das Forschungsteam sogar eine Reliquie in der Dose. Mittlerweile geht man von einer „Kontaktreliquie“ aus. Durch die Berührung mit einer heiligen Reliquie werde alles, was damit in Kontakt kam, auch heilig. Daher gehe die Heiligkeit in einer gewissen Weise auch auf den Behälter über.

Wem gehört der Fund und was ist er wert?
Nach österreichischem Recht gehört der Fund je zur Hälfte dem privaten Grundeigentümer und dem Finder, der Universität Innsbruck. Ein finanzieller Sachwert sei zum derzeitigem Stand nicht realistisch feststellbar. „50.000 Euro? 100.000 Euro? Keine Ahnung. Das ist schwierig, weil so etwas findet man auf dem Kunstmarkt auch nicht“, hielt Grabherr fest. Das Objekt sei kunsthistorisch aber äußerst wertvoll.

Nicht zuletzt spiele für einen Wissenschaftler wie ihn der Geldwert keine Rolle, bekräftigte Grabherr. „Das findet man maximal einmal im Leben, also man rechnet nicht damit. Wenn es so etwas alle paar Hundert Jahre im gesamten Römischen Reich gibt, ist das denkbar. Und wenn man die Person dann ist, der das wiederfährt, dann weiß man, dass man ein großer Glückspilz ist.“

Offene Fragen und nächste Schritte
Die Arbeit an dem Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen würden sicher noch ein bis zwei Jahre beanspruchen. Derzeit sind noch viele Fragen offen. Unklar ist zum Beispiel, woher genau der Elefant stammte. In Kooperation mit der Umweltschutzorganisation WWF erhofft man sich über DNA-Tests weitere Informationen dazu.

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Die spätrömische Höhensiedlung befindet sich auf dem Burgbichl in Irschen im oberen Kärntner Drautal

„Spannend ist auch, wer das Objekt berührt hat und wie es hergestellt wurde. Dafür werden wir die Mikrospuren mit den Herstellungs- und Gebrauchsspuren untersuchen“, gab Ulrike Töchterle einen Einblick in die anstehenden Forschungen. Warum die Büchse auf dem Burgbichl überhaupt zurückgelassen und zerstört wurde, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Als nächstes soll ein vollständiges, digitales 3D-Modell entstehen. Außerdem beginnt nun die Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Forscherinnen und Forschern.

Kooperation mit Museum möglich
Auch eine Präsentation in einem Museum steht im Raum. Es gebe auch schon Anfragen, beispielsweise vom Kärntner Landesmuseum, das sehr interessiert sei, erzählte Grabherr. Eine Aufbereitung für die Öffentlichkeit sei aber kein leichtes Unterfangen. Um ein angemessenes klimatisches Umfeld zu gewährleisten, brauche es eine entsprechende Infrastruktur.

Es gebe aber durchaus Ideen und das Stück habe sich verdient, angemessen präsentiert zu werden. Den Anfang dafür machte am Dienstag die offizielle Vorstellung im Àgnes-Heller-Haus der Universität Innsbruck, wo der Fund auch gelagert wird. Nach 1.500 Jahren in der vergessenen Marmorkiste erwacht die Elfenbeindose dadurch zu neuem Leben – ein seltener archäologischer Fund einer einzigartigen Zeitkapsel, die wohl noch lange für Staunen sorgen wird.
25.06.2024, Benedikt Kapferer, tirol.ORF.at

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Institut für Archäologien (Universität Innsbruck)
Forschungsprojekt am Burgbichl in Irschen

1.500 Jahre alter Reliquienschrein gefunden
 

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#7
Ausgrabungen am Burgbichl vor Abschluss
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Nahezu abgeschlossen sind die archäologischen Ausgrabungen in Irschen. Heuer wird das vom Bundesdenkmalamt vorgegebene Grabungsziel erreicht. Mit dem Jahrhundertfund einer Elfenbein-Reliquien-Dose sorgten die Tiroler Archäologen auf dem Burgbichl erst vor kurzem für eine wissenschaftliche Sensation. Nun soll der Burgbichl zum Ausflugsziel ausgebaut werden.
Online seit heute, 12.39 Uhr
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Viele Besucher kamen zur offiziellen Eröffnung des Natur- und Kulturerbes Burgbichl, um auch den Archäologen über die Schulter zu schauen. Noch ist das möglich, aber nicht mehr lang. Denn die vorgegebene Obergrenze von zehn Prozent des ein Hektar großen Areals wurden bereits erschlossen, so Grabungsleiter Gerald Grabherr: „Und das ist auch die Größenordnung, die von der Denkmalschutzbehörde noch für Forschungszwecke genehmigt wird, weil natürlich auch für nachfolgende Generationen so ein wichtiges Denkmal unberührt erhalten bleiben sollte.“

Viele Funde in den vergangenen Jahren
Seit acht Jahren beteiligten sich Archäologen und Studenten im Sommer an den Ausgrabungen. Und in jedem Jahr wurde auch etwas gefunden. Heuer ist Katja Tinkhauser, sie studiert an der Universität Innsbruck, dabei: „Bis jetzt haben wir zum Beispiel ein Messer gefunden, ein Eisenmesser. Das hier zum Beispiel ist ein Teil einer Amphore, die aus der östlichen Ägäis kommt. Damit lässt sich eben der Handel, der einst hier stattfand, nachstellen.“

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Offiziellen Eröffnung des Natur- und Kulturerbes Burgbichl
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Bis 9. August wird noch gegraben

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Fundstück Eisenmesser

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Derzeit werden die Überreste eines Gebäudes freigelegt

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Elfenbeindose mit Szenen aus dem Alten- und Neuen Testament

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Skelettfund am Burgbichl vor sieben Jahren

Grabungsleiterin Barbara Kainrath: „Eine Neuigkeit, mit der wir jetzt so auch nicht gerechnet haben, ist ein Gebäude, das wir ganz in der Nähe der großen Kirche gerade freilegen. Dieses Gebäude dürfte ein Obergeschoss gehabt haben, das können wir rekonstruieren, weil wir eine ganz große Menge an Tuffsteinen gefunden haben.“

Der bislang größte Fund, ein 1.500 Jahre alter Reliquienschrein samt Elfenbeindose mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament wird seit zwei Jahren restauriert. Darauf befindliche DNA-Spuren werden derzeit in Bozen ausgewertet.

Auch Grabungstouristen machen mit
Gegraben wird im internationalen Team, von Archäologen, Studierenden und Grabungstouristen: Udo Boeckle, er arbeitet sonst in der Autobranche, ist extra aus München gekommen in der Hoffnung, dass die spätantike Höhensiedlung weitere einzigartige Schätze freigibt: „Ich wollte eigentlich früher schon immer Geschichte, Archäologie studieren und habe ich mich auch damit beschäftigt, mit solchen Themen. Das ist eine wirkliche Bereicherung für mich und da bin ich auch gern bereit dafür zu zahlen“.

Knochenfunde belegen hartes Leben am Burgbichl
Knochenfunde belegen, dass das Leben am Burgbichl, 170 Meter über dem Talgrund, hart war, auch für die Elite. Die Siedlung mit zwei frühchristlichen Kirchen war terrassenförmig angelegt. In das Projekt investierte die Gemeinde Irschen bisher 200.000 Euro. Bürgermeister Manfred Dullnig: „Wir werden uns mit dem Bundesdenkmalamt in Verbindung setzen um daran zu arbeiten, dass weiter gegraben werden kann.“
Vorerst soll der Themenweg weiter ausgebaut werden. Am 9. August heißt es für die Archäologen Abschied nehmen. Was immer sich dann auch noch in der Erde am Burgbichl verbergen mag, bleibt dann weiter ein Geheimnis.
28.07.2024, red, kaernten.ORF.at
Ausgrabungen am Burgbichl vor Abschluss
 
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