Italien: Funde in und um die antike Stadt Pompeji bei Neapel

josef

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#21
Schwierige Restaurierung
Neue Erkenntnisse über das schönste Mosaik der römischen Antike
Die berühmte Darstellung Alexanders des Großen wurde 1831 in Pompeji entdeckt und besteht aus Millionen Steinchen. Sie stammen aus dem gesamten Mittelmeerraum

Es handelt sich um die bekannteste Darstellung Alexanders des Großen und das wohl bedeutendste Mosaik der römischen Antike.
Gemeinfrei

Als der Vesuv im Jahr 79 nach Christus ausbrach und Asche auf die antike Stadt Pompeji niederging, waren Arm und Reich gleichermaßen betroffen. Auch das größte Privathaus der Stadt wurde bei der Katastrophe verschüttet. Seine betuchten Bewohner hatten nicht nur zahlreiche Kunstwerke angesammelt, sondern auch die Böden mit prunkvollen Mosaiken ausstatten lassen. Eines davon befand sich in der sogenannten Exedra, einem typischen halbkreisförmigen Raum altrömischer Häuser.

Es handelte sich um eine Reproduktion eines um Jahrhunderte älteren Gemäldes, das den Makedonierkönig Alexander den Großen wohl in der Schlacht um die Stadt Issos im Jahr 333 zeigte, in der seine Soldaten die Armee der Perser besiegten.

Als Pompeji im 19. Jahrhundert ausgegraben wurde, fand man in dem Gebäude, das heute Haus des Fauns heißt, das gut erhaltene, fast sechs Meter lange Mosaik. Etwas mehr als zwanzig Jahre verblieb es vor Ort, bevor es gemeinsam mit einem Teil des Bodens in das königliche archäologische Museum von Neapel gebracht wurde, das heute Archäologisches Nationalmuseum heißt und das Mosaik nach wie vor beherbergt.

Schonende Untersuchung
Nun unterzog ein Team um Giuseppina Balassone von der Universität Neapel Federico II das Mosaik einer genaueren Untersuchung. Die Arbeiten mussten vor Ort im Museum stattfinden, ohne das Mosaik zu bewegen. Die Methoden umfassten unter anderem Multispektral-Bilder, Röntgenfluoreszenzaufnahmen, Endoskopie und Wärmebildaufnahmen. Sie enthüllten Hohlräume und strukturelle Schwächen, die eine Bedrohung für das Bild darstellen und eine wichtige Basis für aktuelle Restaurationsarbeiten darstellen, die seit 2020 im Gang sind.


Die Untersuchung des Mosaiks musste vor Ort erfolgen, ohne es zu beschädigen.
2025 Balassone et al., CC BY 4.0, Deed - Attribution 4.0 International - Creative Commons

Doch auch über die Hintergründe der Entstehung des Bildes gibt es neue Erkenntnisse. Eine Besonderheit des Mosaiks sind die äußerst feinen Farbschattierungen der "Tesserae", wie die bunten Steinchen genannt werden, aus denen Mosaike zusammengesetzt sind. Die Abstufungen der Farben, etwa bei rosa Tesserae in Alexanders Gesicht, stammen nicht etwa von Bemalung, sondern gehen auf die natürliche Färbung des verwendeten Marmors zurück. Um den Charakter des als Vorbild dienenden Gemäldes nachzubilden, wurden besonders kleine Tesserae verwendet.

Stein des Mittelmeerraums
Es war für die antiken Künstler entscheidend, eine passende Auswahl an Farben zur Verfügung zu haben. Das Forschungsteam versuchte, aufgrund lithografischer Besonderheiten den Ursprung der Tesserae zu bestimmen. Die Forschenden verglichen dazu die Steine des Mosaiks mit bekannten Steinbrüchen aus römischer Zeit. Als Quellen kommen zahlreiche Orte des Mittelmeerraums infrage, darunter Italien, Griechenland, die Iberische Halbinsel und Tunesien.

Die roten Tesserae etwa dürften griechischen Ursprungs sein und vom Kap Matapan im äußersten Süden des heutigen Griechenland stammen. Einige der gelben Tesserae zeigen schwärzliche Einschlüsse, wie sie von Marmor nahe der heutigen Stadt Chemtou in Tunesien bekannt sind. Die dunkleren rosa Tesserae könnten aus Portugal stammen. Von der Iberischen Halbinsel stammt auch der Basalt, aus dem die schwarzen Steine bestehen.

Andere Farben wiederum waren auch näher am Zentrum des Römischen Reichs verfügbar. Weißen Marmor, wie er im Alexander-Mosaik zum Einsatz kam, gab es in Steinbrüchen des heutigen Italien. Heute kennt man diesen Stein als Carrara-Marmor.


Zahlreiche verschiedene Farben und Materialien wurden identifiziert und zu ihren wahrscheinlichen Ursprungsorten zurückverfolgt.
2025 Balassone et al., CC BY 4.0, Deed - Attribution 4.0 International - Creative Commons

Für die Restaurationsbemühungen sind vor allem die verwendeten Mörtel und Befestigungsmaterialien von Bedeutung. Manche stammen aus altrömischer Zeit, manche sind jünger. Bei der Überstellung ins Museum wurde das Mosaik mit Gips und Wachs behandelt, um es zu stabilisieren. Dabei blieben aber an manchen Stellen Hohlräume, die Schwachstellen darstellen. Später folgten verschiedene Restaurationsarbeiten. Nicht alle diese Maßnahmen taten dem Kunstwerk gut.

Authentische Darstellung
Neben seiner Bedeutung als Beispiel für antike römische Mosaikkunst ist das Alexander-Mosaik auch im Hinblick auf seine griechische Vorlage wertvoll. Gemälde waren als Kunstform im antiken Griechenland sehr populär, doch es gibt kaum erhaltene Exemplare. Das liegt unter anderem daran, dass in Griechenland Bilder nicht wie später bei den Römern direkt auf Wände, sondern auf Tafeln aus weniger widerstandsfähigem Material gemalt wurden. Das machte sie transportierbar, aber auch vergänglicher.

Die geschätzte Entstehungszeit der griechischen Vorlage, die meist dem Künstler Philoxenos von Eretria zugeschrieben wird, ist das Jahr 315 vor Christus, zwölf Jahre nach Alexanders Tod. Es könnte es sich damit um eine authentische Darstellung einer Schlacht Alexanders handeln. Die Waffen der persischen Armee sind jedenfalls korrekt dargestellt. Dieses Wissen dürfte im alten Rom nicht mehr vorhanden gewesen sein.

Vom Mittelalter in die Neuzeit war Alexander dann ein beliebtes Motiv für bildende Künstler, in deren Werken er manchmal als Held glorifiziert, manchmal dämonisiert wurde. Diese Darstellungen orientierten sich jedoch an schriftlichen, antiken Berichten. Das Alexandermosaik Pompejis konnte nicht als Vorlage dienen, denn es lag bis ins 19. Jahrhundert unter der Asche begraben.

Die neuen Erkenntnisse werden nun helfen, das außergewöhnliche Kunstwerk für die Nachwelt zu erhalten.
(Reinhard Kleindl, 25.1.2025)
Neue Erkenntnisse über das schönste Mosaik der römischen Antike
 

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#22
KI entziffert Text aus 2000 Jahre alter verkohlter Schriftrolle
Immerhin ein Wort konnten englische Forschende der Papyrusrolle PHerc. 172 entlocken, die als Teil einer riesigen Bibliothek beim Ausbruch des Vesuv verschüttet worden war
Als der Vesuv 79 nach Christus ausbrach und Pompeji und das kleinere Herculaneum nahe Neapel unter einer gewaltigen Ascheschicht begrub, war das eine entsetzliche Katastrophe für die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Ecke der römischen Campania. Für Archäologen dagegen erwies sich das Ereignis Jahrhunderte später als einzigartiger Glücksfall.

Immerhin wurden durch die Eruption gleichsam ein Schnappschuss des römischen Alltag an der Küste des Golfs von Neapel mehr oder weniger vollständig konserviert. Bis heute werden regelmäßig bedeutende Funde aus dieser Zeit freigelegt. Einen ganz außergewöhnlichen (Wissens-)Schatz entdeckte man 1752 unter den Trümmern einer opulenten römischen Landvilla in Herculaneum: eine praktisch unberührte Bibliothek antiker Schriften, bestehend aus hunderten verkohlten Papyrusrollen.


Kaum zu glauben, dass man dieser verkohlten Papyrusrolle überhaupt noch etwas entlocken konnte
Foto: Diamond Light Source

Einzigartige Villa dei Papiri
Heute ist der Fundort als Villa dei Papiri bekannt. Der ursprüngliche Besitzer des Landguts ist der historischen Forschung kein Unbekannter, kam er doch aus dem unmittelbaren familiären Umfeld von Julius Cäsar: Lucius Calpurnius Piso Caesonius war ein römischer Politiker und der Schwiegervater Cäsars.

Als eine Art Mäzen beherbergte er den griechischen Philosophen Philodemus von Gadara mitsamt dessen vermutlich über 1000 Werke umfassenden Bibliothek. Die Sammlung ist die einzige erhaltene vollständige Bibliothek der klassischen Welt, über Jahrzehnte bis zur Vesuv-Katastrophe in einer hochrangigen Familie weitervererbt, um schließlich im Jahr 79 unter heißer Asche für die Nachwelt begraben zu werden.

Zerbrechlicher Wissensschatz
Doch diesen Schatz zu heben ist eine schmerzlich mühselige Angelegenheit. Etwa zwei Drittel der zerbrechlichen Schriftrollen sind seit ihrer Entdeckung entrollt worden, doch viele davon sind beim Versuch in Fragmente zerfallen. Den Rest beließ man in ihrem ursprünglichen angekokelten Zustand. Doch moderne Technik eröffnete mittlerweile auch Zugang zu diesen zusammengebackenen angeschwärzten Schriftrollen.


In den letzten Jahren ist es gelungen, mithilfe besonders energiereicher Röntgenstrahlen Scans von einigen Rollen und Bruchstücken anzufertigen. Um in dem Zeichendurcheinander auf den einander überlagernden Schichten Sinn zu entdeckten, kam Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Anfangs waren es nur einzelne Worte, doch dann traten ganze Textpassagen zutage: Die ersten rund 2000 griechischen Buchstaben einer der Rollen entpuppten sich beispielsweise als eigenes Werk von Philodemus von Gadara, in dem er über Lustgewinn und Mangel, den Geschmack von Kapern, das bewegende Flötenspiel eines gewissen Xenophantus und um Kritik an den vergnügungsfernen Stoikern ging.


Eine besonders starke Röntgenquelle und Künstliche Intelligenz halfen dabei, auf der Papyrusrolle PHerc. 172 einige griechische Buchstaben zu entziffern.
Foto: Diamond Light Source

Drei Rollen in Oxford
Drei der fragilen Schriftrollen aus der Villa der Papyri landeten auch in der Bodleian Library der Universität Oxford. Vorsichtshalber blieben sie jahrzehntelang unangetastet, doch nun analysierte man eine der Rollen mit jenen Hightech-Methoden, die bereits in Italien erstaunliche Ergebnisse geliefert hatten. "Wir waren lange Zeit davon überzeugt, dass keine der Techniken sicher oder effektiv genug wäre, um Informationen aus den Schriftrollen zu gewinnen", erklärte Nicole Gilroy, Leiterin der Buchrestaurierung der Bodleian Library.

Der erste Schritt zur Entschlüsselung des Inhalts der Rolle PHerc. 172 war ein bildgebendes Verfahren mithilfe der Diamond Light Source, einem Synchrotron in Harwell nahe Oxford. Diese riesige Maschine beschleunigt Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit und erzeugt dabei einen extrem starken Röntgenstrahl. "Es kann Dinge in einer Größenordnung von wenigen Tausendstel Millimetern sichtbar machen", sagt Adrian Mancuso, Direktor für Physik der Anlage.

Erste Erfolge
Die dabei gewonnenen Daten ermöglichten eine 3D-Rekonstruktion des Inneren der Schriftrolle. Doch das allein reicht nicht – denn sowohl die Tinte als auch der Papyrus bestehen aus Kohlenstoff und lassen sich am Bild kaum voneinander unterscheiden. Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel: Man ließ die KI nach den feinsten Abweichungen in der Materialstruktur suchen, die auf die Anwesenheit von Schrift hinweisen könnten.

"Die gesamte Schriftrolle ist voller Text", erklärt Stephen Parsons, Leiter des Projekts Vesuvius Challenge. "Jetzt können wir daran arbeiten, dass er auch deutlich zum Vorschein kommt. Wir werden von zunächst einer Handvoll Wörtern zu wirklich umfangreichen Passagen kommen."

Tatsächlich konnten bereits erste Buchstabenfolgen identifiziert und entziffert werden. Unter anderem tauchte das altgriechische Wort für "Ekel" auf. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Texte philosophischen Inhalt haben – möglicherweise Werke der epikureischen Schule, die lehrt, dass Erfüllung durch die Freude an einfachen Dingen gefunden werden kann.


Das Bild zeigt den Röntgenscan eines Teils der Papyrusrolle PHerc.172. Hier einzelne Worte zu erkennen fällt sogar der Künstlichen Intelligenz schwer.
Foto: Vesuvius Challenge

Es wird dauern
Trotz dieses ersten Erfolges steht das Projekt freilich noch am Anfang. "Wir brauchen vor allem bessere Bilder", betont Peter Toth, Kurator für griechische Sammlungen an der Bodleian Library. "Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Lesbarkeit des Textes weiter verbessern können."

Ein weiteres Ziel ist es, die Technologie direkt vor Ort in Neapel einzusetzen, wo sich noch etwa 1000 der Schriftrollen befinden. Derzeit müssten die empfindlichen Rollen umständlich nach Oxford transportiert werden. Die Arbeit wird den Forschenden in den nächsten Jahren jedenfalls nicht ausgehen. Immerhin könnten neben den bereits bekannten Papyrusrollen in Herculaneum weitere literarische Schätze auf ihre Entdeckung warten. (Thomas Bergmayr, 6.2.2025)
KI entziffert Text aus 2000 Jahre alter verkohlter Schriftrolle
 

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#23
Farbenfrohe Megalografie
Spektakulärer Fund in Pompeji: Saal mit prunkvollem Dionysos-Fresko entdeckt
Die große Figurenparade auf pompejanischem rotem Hintergrund schmückte vor fast 2000 Jahren den Bankettsaal einer luxuriösen altrömischen Villa

Die altrömischen Fresken des neu entdeckten Bankettsaals zeigen dionysische Mysterienfeiern mit buntem Personal. Hier ist eine Detailaufnahme mit einem Flöte spielenden Satyr.
Foto: EPA/CESARE ABBATE

Als der Vesuv im Jahr 79 ausbrach, war das für die Menschen am Golf von Neapel eine Katastrophe ungeheuerlichen Ausmaßes. Für die moderne Geschichtswissenschaft erweist sich die Vulkaneruption dagegen bis heute als Glücksfall: Damals wurden die antiken römischen Städte Herculaneum und Pompeji unter meterdicker Asche begraben und für die Nachwelt (und zur Freude von Archäologinnen und Archäologen) konserviert.


Eingerahmt war der Raum mit zahlreichen Säulen, vom Marmorfliesenboden sind nur mehr wenige Reste vorhanden.
Foto: via REUTERS/POMPEII ARCHAE

Erst Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Stadt wiederentdeckt, offiziell begannen die Ausgrabungen 1748. Archäologisch faszinierend ist, dass durch das Unglück das Leben in der Stadt in den letzten Augenblicken des Untergangs wie eine Momentaufnahme festgehalten ist. Obwohl man vielleicht annehmen könnte, dass in den vergangenen fast 300 Jahren das meiste wohl schon freigelegt worden ist, kommt nach wie vor Prachtvolles aus altrömischer Zeit ans Licht. Weite Teile von Pompeji liegen noch immer unter der Asche des Ausbruchs verborgen.


Ein weiteres Detail des Freskos: eine Nymphe, die sich neugierig umblickt.
Foto: EPA/CESARE ABBATE

Ein Bankettsaal für üppige Feste
Nun haben Forschende die jüngsten Entdeckungen präsentiert, darunter eine regelrechte Sensation: Archäologen befreiten in der Regio IX von Pompeji eine üppige Villa aus dem ersten Jahrhundert vor Christus mit einem großen Bankettsaal vom Schutt und legten dabei erstaunliche Gemälde frei. Der Fund kann es durchaus mit der vor mehr als einem Jahrhundert entdeckten Mysterienvilla aufnehmen.

Der Saal im Haus des Thiasos genannten Gebäude war mit einem Tonnengewölbe bedeckt und wies dekorative Kassetten auf. Der gesamte Raum blickte einst auf einen großen Garten hinaus, dessen Überreste allerdings erst freigelegt werden müssen. Der Boden des Bankettsaals war mit Fliesen aus kostbarem buntem Marmor dekoriert, die jedoch großteils nicht mehr erhalten sind.


Leider sind nicht alle Wandbemalungen erhalten geblieben.
Foto: via REUTERS/POMPEII ARCHAE

Das Besondere an diesem Raum ist jedoch seine beeindruckende Bemalung: Die Wände zeigen tanzende Satyrn und Bacchantinnen, die den Gott Dionysos feiern, mit Zimbeln und Doppelflöten musizieren oder Opfer darbringen: Der Freskenzyklus stellt die Einweihung in die dionysischen Mysterien im Rahmen einer Prozession dar. "Diese Megalografie wirft ein neues Licht auf die Mysterien des Dionysos in der klassischen Welt", zeigte sich der italienische Kulturminister Alessandro Giuli bei der Vorstellung des Fundes begeistert. Mit Megalografie bezeichnet man in der Kunstgeschichte Bilder, die ihren Inhalt lebens- oder überlebensgroß abbilden.

Ein ungewöhnliches Element des Gemäldes ist, dass alle Figuren auf Sockeln dargestellt sind, als wären sie Statuen. Dennoch wirken sie dank der dynamischen Gesten, der Hauttöne und der Darstellung von Textilien sehr lebensnah. Das Fresko wird von den Fachleuten dem II. Stil der pompejanischen Malerei zugeordnet, der auf das erste Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann, genauer: auf die Jahre 40 bis 30 v. Chr. Zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs im Jahr 79 n. Chr. war der Fries also bereits ein Jahrhundert alt.


Die Detailansicht zeigt Geflügel und darunter Meeresfrüchte, es repräsentiert das Element der Jagd.
Foto: EPA/CESARE ABBATE

Tänzerinnen und eine Nizianda
Das Fresko auf einem pompejanischen roten Hintergrund schmückt den großen Bankettsaal auf allen drei Seiten, die nicht dem Garten des Hauses zugewandt sind, und stellt die Prozession des Dionysos mit Tänzerinnen und Jägerinnen sowie jungen Satyrn mit spitzen Ohren dar. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie in dem prachtvollen Raum die High Society von Pompeji zu Empfängen zusammenfand, bei denen die Gäste auf Triclini lagen, schlemmten, tranken und Darbietungen verfolgten.

Das einzige andere bekannte Beispiel einer solchen Megalografie, die dionysische Mysterienriten darstellt, ist der berühmte Fries der Mysterienvilla, die sich etwas außerhalb von Pompeji befindet und ebenfalls im II. Stil gehalten ist. Die nun vorgestellten Gemälde bringen jedoch ein zusätzliches Element in die Darstellung dionysischer Rituale ein: die Jagd.

Das Thema der Jagd wird nicht nur durch die Jägerinnen, sondern auch durch einen zweiten, kleineren Fries, der über der Hauptszene verläuft, angedeutet. Hier sind verschiedene Tiere abgebildet, sowohl lebend als auch tot: ein Rehkalb, ein frisch zerlegter Eber, Hähne, verschiedene Vögel sowie Fische und Schalentiere.


Die Initiandin wird in die Mysterien des Dionysos eingeweiht.
Foto: EPA/CESARE ABBATE

Nur für Eingeweihte
In der Mitte des Freskos erscheint die Initiandin, eine Sterbliche, die in einem nächtlichen Ritual in die Mysterien des Dionysos eingeweiht werden soll, des Gottes, der stirbt und wiedergeboren wird und seinen Anhängern dasselbe verspricht.

In der Antike waren zahlreiche Kulte, darunter auch der dionysische Kult, ausschließlich für diejenigen reserviert, die sich einer Initiation unterzogen, wie es auf dem Fresko der Villa dargestellt wird. Diese Kulte wurden als "Mysterienkulte" bezeichnet, eben weil ihre Lehren nur Eingeweihten zugänglich waren. Sie versprachen den Gläubigen oft ein glückliches Schicksal sowohl im Leben als auch im Jenseits.


Die Motive sind teilweise so kunstvoll ausgeführt, dass man die dargestellten Spezies identifizieren kann. Hier links sind Mittelmeer-Muränen zu erkennen.
Foto: EPA/CESARE ABBATE

Zusätzliche Mittel
Die italienische Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni hat kürzlich zusätzliche Mittel in Höhe von 33 Millionen Euro für strategische Ausgrabungen, geplante Instandhaltungs- und Aufwertungsarbeiten in der antiken Stadt und ihrem Gebiet bereitgestellt, betonte Giuli. In Pompeji wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten mehr als 13.000 Räume in 1070 Wohneinheiten sowie öffentliche und sakrale Räume entdeckt.
(tberg, red, 26.2.2025)
Spektakulärer Fund in Pompeji: Saal mit prunkvollem Dionysos-Fresko entdeckt
 

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#24
Menschliches Gehirn
Dieses schwarze Glas entstand im Kopf eines Vesuv-Opfers
Die Katastrophe von Pompeji und Herculaneum trug sich anders zu als gedacht. Das vermutet ein Forschungsteam anhand des einzigen natürlichen Glases aus organischem Material

Dieses schwarze Glas entstand bei der Katastrophe von Herculaneum/Pompeji aus einem menschlichen Gehirn.
Paolo Petrone

Glas wie dieses gibt es kein zweites Mal: Es glänzt wie Obsidian und entstand ebenfalls durch einen Vulkan – allerdings im Kopf eines Menschen. Unter extremer Hitze und rapider Abkühlung verwandelte sich das Gehirn eines jungen Mannes in das schwarze Glas. Er war eines der Opfer von Herculaneum und Pompeji, die im Jahr 79 beim Ausbruch des Vesuvs starben.

Was dabei mit seinem Gehirn und Rückenmark passierte, ist nicht nur für diese Fundstätten einzigartig, sondern "das einzige bekannte Beispiel dieser Art auf der Welt", betont der forensische Anthropologe Pier Paolo Petrone von der Universität Neapel in einer Aussendung. Mit seinem deutsch-italienischen Forschungsteam veröffentlichte er im Fachblatt Scientific Reports eine neue Studie zu dem spektakulären Fall. Der Leichnam wurde bereits in den 1960er-Jahren an einer Kultstätte in Herculaneum entdeckt, jedoch quasi unberührt gelassen – zum großen Glück heutiger Archäologinnen und Archäologen, die den Körper 60 Jahre später mit Hightechmethoden gründlicher untersuchen können.


Die Eruption des Vesuv in einer künstlerischen Darstellung. Mindestens 2000 Personen dürften dabei gestorben sein und wurden von Wolken aus heißem Gas und Asche überrascht.
IMAGO/Gemini Collection

Bereits vor fünf Jahren berichteten Fachleute über das Gehirn, das aussieht wie aus dunklem Glas, nun konnte durch gründliche Analysen nachgewiesen werden, dass es sich tatsächlich um Glasmaterial handle, erläutert Erstautor und Vulkanologe Guido Giordano von der Universität Rom III auf STANDARD-Nachfrage und spricht von einer "absoluten Premiere".

Hüter der Kultstätte
Im Zentrum der Analyse steht ein unbekannter Mann, der mit etwa 20 Jahren in der antiken Küstenstadt Herculaneum verstarb. Er lag zu diesem Zeitpunkt auf einem Bett in einem kleinen Zimmer, das zum sogenannten Collegium Augustalium gehörte. In diesem mit Wandmalereien verzierten Gebäude trafen sich die Anhänger des Kaiserkults des Augustus, womöglich auch zu Ehren des Halbgotts Herkules, der Herculaneum gegründet haben soll. Womöglich handelte es sich um einen Hüter der Kultstätte, dessen Leben wohl in der Nacht des 24. Oktober 79 ein rasches Ende fand.


Das Opfer war etwa 20 Jahre alt und befand sich in einer kleinen Kammer der Kultstätte im Bett. Hier sind die Überreste zu sehen, die Spuren des Schädels rechts.
Pier Paolo Petrone

Für den Tod hunderter Bewohnerinnen und Bewohner werden pyroklastische Ströme verantwortlich gemacht, also Walzen aus Magma, Asche und Gas, die ein paar Stunden nach der Eruption mit einem Tempo von mehreren Hundert km/h den Vesuv hinunterrasten und die Stadt unter sich begruben. Für ihre Temperatur wurden maximal 465 Grad Celsius berechnet, und sie dürften nicht besonders schnell abgekühlt sein.

Doch genau das wäre nötig, damit Glas entsteht: Material muss sowohl stark aufgeheizt werden als auch drastisch abkühlen, damit die flüssigen Anteile beim Verfestigen keine Kristalle bilden. Im Gegensatz zu Quarzsand und Silikaten, die die Grundlage für das bilden, was wir landläufig unter Glas verstehen, besteht organisches Gewebe großteils aus Wasser. Das ist noch dazu bei durchschnittlichen Umgebungstemperaturen flüssig und wird erst bei null Grad Celsius fest. Das macht das Entstehen von organischem Glas auf natürlichem Weg fast unmöglich.

Eine neue Hypothese
Das Glashirn von Herculaneum ist laut der Forschungsgruppe der bislang einzige bekannte Fall auf der Erde. Sie wollte nachweisen, dass es sich tatsächlich um Glas handelt, und verstehen, wie die harte Hirnsubstanz überhaupt entstehen konnte. Dafür führte unter anderem die Glas-Expertengruppe um Joachim Deubener an der Technischen Universität Clausthal in Deutschland einige Analysen am Gehirnfragment durch. Die Geräte sind laut Deubener zu sehr hohen Heizraten von 1000 Grad pro Sekunde in der Lage.

Die Ergebnisse lieferten über die extreme Heizrate des Materials den experimentellen Nachweis, dass es sich um Glas handelte. "Das Material besteht zum größten Teil aus Kohlenstoff, welches auch seine schwarze Farbe begründet", sagt Deubener dem STANDARD. Erstaunlich war dabei, dass Hirn und Rückenmark auf eine Temperatur von mindestens 510 Grad Celsius erhitzt werden und dann rasch erkalten mussten, um zu Glas zu werden.


Die Fundstätte Herculaneum, im Hintergrund der Vesuv.
Pier Paolo Petrone

Weil dies die Temperatur der üblichen Magma-Asche-Walzen übersteigt, musste eine neue Erklärung her. Das Team rekonstruierte ein mögliches Szenario, bei dem der erste pyroklastische Strom in Form einer dünnen, aber weit über 510 Grad heißen Aschewolke in Herculaneum ankam. "Sie hinterließ einige Zentimeter sehr feiner Asche auf dem Boden, aber die thermische Wirkung war schrecklich und tödlich", sagt Erstautor Giordano. So schnell, wie sie gekommen war, muss sie auch wieder verschwunden sein – so kühlte alles wieder rasch ab, und das Gehirn des Kultisten wurde nicht vollständig vernichtet, sondern "verglaste". Solche Wolken wurden bereits bei anderen Vulkanausbrüchen beobachtet.

Tod durch rasante Aschewolke
Giordano vermutet auch, dass die enorm heiße Wolke in Herculaneum viele andere Menschen tötete. Erst später in der Nacht wurde die Stadt durch die Ablagerungen weiterer, weniger heißer Ströme verschüttet und für die Nachwelt konserviert. Pompeji hingegen dürfte von dieser frühen Aschewolke verschont geblieben sein.

Für den Vulkanologen ist dieses Szenario bis heute relevant für den Katastrophenschutz. Es zeigt, dass "sehr dünne Ströme eine sehr große Gefahr darstellen, die nur kleine Auswirkungen auf die Strukturen haben, aber aufgrund ihrer Temperaturen tödlich sein können". Das Wissen um solche schnellen Aschewolken könne helfen, wirksame Präventionsmaßnahmen umzusetzen.


Im Gehirnglas sind erstaunlich detaillierte Strukturen von Nervenzellen erhalten geblieben, etwa Axone und Dendriten (weiße Pfeile), wie Aufnahmen im Elektronenmikroskop zeigen.
Giordano et al. 2025, Scientific Reports

Die neuen Erkenntnisse tragen aber auch zur Faszination um die Geschichte des antiken Katastrophenortes bei, an dem nun auch das vielleicht einzige natürliche Glas entdeckt wurde. Laut dem Anthropologen Petrone ist es wahrscheinlich, dass die besonderen Bedingungen zu Beginn des Ausbruchs am Fundort kombiniert mit dem schützenden Knochenmaterial um Gehirn und Rückenmark die Voraussetzungen dafür bildeten, dass sich daraus organisches Glas bilden konnte.
(Julia Sica, 28.2.2025)
Italien: Funde in und um die antike Stadt Pompeji bei Neapel
 
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