Zum Nachdenken...
Olivgrünes Wirtschaftswunder
Europa pumpt Milliarden in die Rüstungsindustrie – profitieren vor allem die USA?
Europa will sich nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen. Deutschland steckt hunderte Milliarden in Panzer und Raketen, die EU-Kommission mobilisiert Gelder. Dabei gibt es viele Gewinner
Wer gewinnt, wenn sich Europa rüstet?
Foto: EPA/MARTIN DIVISEK
Es mag dem Zufall geschuldet sein, dass ausgerechnet in jener Woche, in der Europa seine ambitionierte Klimapolitik begraben hat, die militärische Neuaufstellung des Kontinents gestartet wurde. Vom großen Politikziel der vergangenen Jahre, Europa in der Klimapolitik zum Vorreiter zu machen, bleibt immer weniger übrig. Zur Wochenmitte kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, eines der Fundamente der grünen Wende auszuhebeln: Die strengen Emissionsziele für Autobauer werden aufgeweicht. Statt einem Jahr bekommen Hersteller drei Jahre Zeit, die Regeln einzuhalten. Der Aufschrei war leise. Dafür gibt sich der Kontinent neue ambitionierte Ziele: mehr Aufrüstung.
Deutschland machte den ersten Schritt. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD wollen die Schuldenbremse in der kommenden Woche im Bundestag aushebeln. Ausgaben für Panzer und Raketen sollen künftig in unbegrenzter Höhe ermöglicht werden. Derzeit kursieren Schätzungen von 300 bis 500 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre. Dazu soll nochmals ein Paket über 500 Milliarden im gleichen Zeitraum für die Revitalisierung der maroden deutschen Infrastruktur fließen. "Whatever it takes", was auch immer nötig ist, sagt CDU-Chef Friedrich Merz.
Schulden für Aufrüstung
Am Donnerstag dann einigten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf, die Aufrüstung auch auf europäischer Ebene voranzutreiben.
Dafür werden die Regeln aufgeweicht, die festlegen, wie viele Schulden die Staaten machen dürfen: Damit dies im Einklang mit den Stabilitätsregeln der EU geschehen kann, sollen die Ausgaben für die notwendige Aufrüstung nicht mehr bei der nationalen Verschuldung angerechnet werden. Im Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt es schon jetzt eine Notfallklausel, die solche Ausnahmen zulässt – etwa nach einer Naturkatastrophe oder wenn die Sicherheit eines Landes bedroht ist. Nun soll die Ausnahme bei Verteidigungsausgaben zur Regel werden. Dazu kommt, dass die EU-Kommission den Unionsländern Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro für Aufrüstung geben will. Insgesamt sollen über neuen Maßnahmen auf europäische Ebene bis zu 800 Milliarden Euro mobilisiert werden.
Angesichts des schnellen Tempos, in dem die Regeln in Europa gerade neu geschrieben werden, ist es nicht einfach, die Orientierung zu behalten. Zumal vieles darauf hindeutet, dass die Umstellung Europas auf Kriegswirtschaft vielen Interessen dient und verschiedene Gewinner produziert – wenn man von klaren Verlierern wie dem Klimaschutz absieht.
1400 Panzer, 700 Geschütze
Die neue Strategie ist natürlich in erster Linie eine Antwort auf Russlands Krieg in der Ukraine und das mögliche Ende der US-Unterstützung. Das Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) veröffentlichten Ende Februar eine Schätzung, wie viel Europa investieren müsste, um sich selbst verteidigen zu können. Die Analysten rechnen damit, dass das russische Militär mittlerweile besser ausgestattet ist als beim Angriff auf die Ukraine 2022.
Um Schritt halten zu können, müsste Europa viel investieren. Als Anhaltspunkt dafür, wie viel zusätzliches Verteidigungsbudget notwendig ist, ziehen die Analysten von Bruegel und IfW die europäischen Kapazitäten der US-Armee heran, mit denen die Nato bislang rechnete und die wegfallen würden. Pro Jahr wären in Europa demnach zusätzliche Verteidigungsinvestitionen von rund 250 Milliarden Euro nötig, um einen russischen Angriff abwehren zu können.
Die Autoren gehen davon aus, dass man zumindest 50 zusätzliche Brigaden mit 300.000 Soldaten aufstellen müsste. Erforderlich wären etwa 1400 neue Kampfpanzer, 2000 Schützenpanzer, 700 Artilleriegeschütze, 2000 Langstreckendrohnen und ein Vorrat von einer Million 155-mm-Granaten. Das sei "mehr Kampfkraft, als die französischen, deutschen, italienischen und britischen Landstreitkräfte derzeit zusammen haben".
Hektische Betriebsamkeit
Dass die hektische Betriebsamkeit derzeit allerdings allein durch Russland ausgelöst wird, darf bezweifelt werden: So gibt es derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass Moskau plant, ein EU- oder Nato-Land anzugreifen. Russische Aufrüstung hin oder her, Wladimir Putins Streitkräfte sind seit drei Jahren nicht einmal in der Lage, den Donbass einzunehmen. So muss Russland in der Ukraine nordkoreanische Soldaten einsetzen, um Krieg führen zu können. Ein Angriff auf einen Nato-Staat würde den Krieg jedenfalls in eine neue Dimension transferieren, das weiß man auch in Brüssel.
Hinter den Überlegungen in Europa dürfte daher nicht nur eine Bedrohung durch Russlands Präsident Putin, sondern auch die Zollpolitik Donald Trumps stehen. Der US-Präsident droht den Europäern mit Zöllen von bis zu 25 Prozent, um das US-Handelsdefizit mit der EU zu verringern. Demnächst will er seine Pläne konkretisieren.
Rüstungsaktien im Höhenflug
Bekanntlich macht Trump gern Deals. Europa wird also höhere Rüstungsausgaben in Verhandlungen mit den USA einzusetzen wissen, sagt der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, nach dem Motto: Ihr bekommt was ab vom Kuchen, wenn ihr keinen Zollkrieg vom Zaun brecht.
Wenn die Europäer massiv aufrüsten, befinden sich etliche potenzielle Profiteure dessen auf der anderen Seite des Atlantiks: Laut dem Stockholm International Research Institute (Sipri) befinden sich unter den Top-100-Rüstungskonzernen 42 US-Unternehmen, die die Hälfte des Umsatzes erwirtschaften. Zwischen Februar 2022 und Juni 2023 flossen laut Angaben der EU-Kommission knapp 80 Prozent der europäischen Rüstungsausgaben in Nicht-EU-Staaten. Mehr als 60 Prozent der Rüstungsaufträge gingen an Hersteller in den USA. Die Kommission gibt zwar als strategisches Ziel aus, diese Abhängigkeiten zu reduzieren. Bisher sind das aber nur Absichtserklärungen. Von den 800 Milliarden, die auf EU-Ebene mobilisiert werden sollen, könnten also bis zu 450 Milliarden in Form zusätzlicher Aufträge in den USA landen.
Derzeit rollt die Hälfte der europäischen Rüstungsgüter in den USA vom Band. Europa will die eigene Produktion nun stark ankurbeln.
Die Erwartungen sind auch in Europas Rüstungsbranche hoch. Der Aktienwert der deutschen Rheinmetall hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 mehr als verzehnfacht. Der Kurs stieg von 100 auf über 1000 Euro. Allein in der vergangenen Woche legten die Papiere um weitere 15 Prozent zu. Ähnlich sehen die Entwicklungen beim italienischen Rüstungskonzern Leonardo, bei der französischen Thales Group und der britischen Rolls-Royce Holdings aus.
Absehbar ist, dass Europas Rüstungskapazitäten nicht so schnell reichen werden, um die neuen Aufträge absorbieren zu können. Die Fachleute von IfW und Bruegel haben einen Vorschlag: Mit den "freien Industriekapazitäten, etwa in der Automobilindustrie", könne man den zusätzlichen Bedarf decken. Die Autobranche und ihre Zulieferer könnten sich also neben den Rüstungsbetrieben als die Gewinner der Umstellung erweisen.
Boom durch Investitionen?
Aktuell deutet alles darauf hin, dass die neuen Ausgaben die Wirtschaftspolitik aufmischen. Deutschlands Industrie schwächelt seit 2017, die Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren. Die Umstellung auf Kriegswirtschaft könnte sich als Konjunkturpaket erweisen: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, dass die höheren Rüstungsausgaben dazu führen werden, dass Deutschlands Wirtschaft im kommenden Jahr um 5,4 Prozentpunkte stärker wachsen wird als angenommen. Erwartet wird, dass rund 100 Milliarden Euro schon 2026 in die Rüstung fließen. Ein Infrastrukturpaket soll die Wirtschaftleistung ebenso etwas erhöhen.
Wobei es viele Unsicherheiten gibt: Im Deutschen Bundestag müssen auch die Grünen mitstimmen, damit das Paket überhaupt beschlossen werden kann. Hunderte Milliarden an neuen Ausgaben sind potenzielle Inflationstreiber, die Wirtschaft muss das Geld absorbieren können. Panzer und Raketen steigern die Produktivität eines Landes nicht. Langfristig sollen die hohen Rüstungsausgaben das Wirtschaftswachstum Deutschlands sogar negativ beeinflussen, wie einige Berechnungen zeigen. Damit sich das Deutschland und Europa leisten kann, muss das Infrastrukturpaket Berlins einen Schub bringen.
Ein starkes Interesse, die aktuelle Entwicklung als treibende Kraft zu beeinflussen, hat übrigens auch die EU-Kommission selbst: Sie weitet ihre Einflusssphären aus. Die Kommission darf Kredite an Staaten vergeben – das erwähnte 150-Milliarden-Paket ist also keine neue Erfindung. Doch solche Kredite an EU-Länder sind rar – durchaus möglich, dass auch hier die Ausnahme zur Regel werden könnte.
(András Szigetvari, Jakob Pflügl, 8.3.2025)
Europa pumpt Milliarden in die Rüstungsindustrie – profitieren vor allem die USA?
Olivgrünes Wirtschaftswunder
Europa pumpt Milliarden in die Rüstungsindustrie – profitieren vor allem die USA?
Europa will sich nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen. Deutschland steckt hunderte Milliarden in Panzer und Raketen, die EU-Kommission mobilisiert Gelder. Dabei gibt es viele Gewinner

Wer gewinnt, wenn sich Europa rüstet?
Foto: EPA/MARTIN DIVISEK
Es mag dem Zufall geschuldet sein, dass ausgerechnet in jener Woche, in der Europa seine ambitionierte Klimapolitik begraben hat, die militärische Neuaufstellung des Kontinents gestartet wurde. Vom großen Politikziel der vergangenen Jahre, Europa in der Klimapolitik zum Vorreiter zu machen, bleibt immer weniger übrig. Zur Wochenmitte kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, eines der Fundamente der grünen Wende auszuhebeln: Die strengen Emissionsziele für Autobauer werden aufgeweicht. Statt einem Jahr bekommen Hersteller drei Jahre Zeit, die Regeln einzuhalten. Der Aufschrei war leise. Dafür gibt sich der Kontinent neue ambitionierte Ziele: mehr Aufrüstung.
Deutschland machte den ersten Schritt. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD wollen die Schuldenbremse in der kommenden Woche im Bundestag aushebeln. Ausgaben für Panzer und Raketen sollen künftig in unbegrenzter Höhe ermöglicht werden. Derzeit kursieren Schätzungen von 300 bis 500 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre. Dazu soll nochmals ein Paket über 500 Milliarden im gleichen Zeitraum für die Revitalisierung der maroden deutschen Infrastruktur fließen. "Whatever it takes", was auch immer nötig ist, sagt CDU-Chef Friedrich Merz.
Schulden für Aufrüstung
Am Donnerstag dann einigten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf, die Aufrüstung auch auf europäischer Ebene voranzutreiben.
Dafür werden die Regeln aufgeweicht, die festlegen, wie viele Schulden die Staaten machen dürfen: Damit dies im Einklang mit den Stabilitätsregeln der EU geschehen kann, sollen die Ausgaben für die notwendige Aufrüstung nicht mehr bei der nationalen Verschuldung angerechnet werden. Im Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt es schon jetzt eine Notfallklausel, die solche Ausnahmen zulässt – etwa nach einer Naturkatastrophe oder wenn die Sicherheit eines Landes bedroht ist. Nun soll die Ausnahme bei Verteidigungsausgaben zur Regel werden. Dazu kommt, dass die EU-Kommission den Unionsländern Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro für Aufrüstung geben will. Insgesamt sollen über neuen Maßnahmen auf europäische Ebene bis zu 800 Milliarden Euro mobilisiert werden.
Angesichts des schnellen Tempos, in dem die Regeln in Europa gerade neu geschrieben werden, ist es nicht einfach, die Orientierung zu behalten. Zumal vieles darauf hindeutet, dass die Umstellung Europas auf Kriegswirtschaft vielen Interessen dient und verschiedene Gewinner produziert – wenn man von klaren Verlierern wie dem Klimaschutz absieht.
1400 Panzer, 700 Geschütze
Die neue Strategie ist natürlich in erster Linie eine Antwort auf Russlands Krieg in der Ukraine und das mögliche Ende der US-Unterstützung. Das Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) veröffentlichten Ende Februar eine Schätzung, wie viel Europa investieren müsste, um sich selbst verteidigen zu können. Die Analysten rechnen damit, dass das russische Militär mittlerweile besser ausgestattet ist als beim Angriff auf die Ukraine 2022.
Um Schritt halten zu können, müsste Europa viel investieren. Als Anhaltspunkt dafür, wie viel zusätzliches Verteidigungsbudget notwendig ist, ziehen die Analysten von Bruegel und IfW die europäischen Kapazitäten der US-Armee heran, mit denen die Nato bislang rechnete und die wegfallen würden. Pro Jahr wären in Europa demnach zusätzliche Verteidigungsinvestitionen von rund 250 Milliarden Euro nötig, um einen russischen Angriff abwehren zu können.
Die Autoren gehen davon aus, dass man zumindest 50 zusätzliche Brigaden mit 300.000 Soldaten aufstellen müsste. Erforderlich wären etwa 1400 neue Kampfpanzer, 2000 Schützenpanzer, 700 Artilleriegeschütze, 2000 Langstreckendrohnen und ein Vorrat von einer Million 155-mm-Granaten. Das sei "mehr Kampfkraft, als die französischen, deutschen, italienischen und britischen Landstreitkräfte derzeit zusammen haben".
Hektische Betriebsamkeit
Dass die hektische Betriebsamkeit derzeit allerdings allein durch Russland ausgelöst wird, darf bezweifelt werden: So gibt es derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass Moskau plant, ein EU- oder Nato-Land anzugreifen. Russische Aufrüstung hin oder her, Wladimir Putins Streitkräfte sind seit drei Jahren nicht einmal in der Lage, den Donbass einzunehmen. So muss Russland in der Ukraine nordkoreanische Soldaten einsetzen, um Krieg führen zu können. Ein Angriff auf einen Nato-Staat würde den Krieg jedenfalls in eine neue Dimension transferieren, das weiß man auch in Brüssel.
Hinter den Überlegungen in Europa dürfte daher nicht nur eine Bedrohung durch Russlands Präsident Putin, sondern auch die Zollpolitik Donald Trumps stehen. Der US-Präsident droht den Europäern mit Zöllen von bis zu 25 Prozent, um das US-Handelsdefizit mit der EU zu verringern. Demnächst will er seine Pläne konkretisieren.
Rüstungsaktien im Höhenflug
Bekanntlich macht Trump gern Deals. Europa wird also höhere Rüstungsausgaben in Verhandlungen mit den USA einzusetzen wissen, sagt der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, nach dem Motto: Ihr bekommt was ab vom Kuchen, wenn ihr keinen Zollkrieg vom Zaun brecht.
Wenn die Europäer massiv aufrüsten, befinden sich etliche potenzielle Profiteure dessen auf der anderen Seite des Atlantiks: Laut dem Stockholm International Research Institute (Sipri) befinden sich unter den Top-100-Rüstungskonzernen 42 US-Unternehmen, die die Hälfte des Umsatzes erwirtschaften. Zwischen Februar 2022 und Juni 2023 flossen laut Angaben der EU-Kommission knapp 80 Prozent der europäischen Rüstungsausgaben in Nicht-EU-Staaten. Mehr als 60 Prozent der Rüstungsaufträge gingen an Hersteller in den USA. Die Kommission gibt zwar als strategisches Ziel aus, diese Abhängigkeiten zu reduzieren. Bisher sind das aber nur Absichtserklärungen. Von den 800 Milliarden, die auf EU-Ebene mobilisiert werden sollen, könnten also bis zu 450 Milliarden in Form zusätzlicher Aufträge in den USA landen.

Derzeit rollt die Hälfte der europäischen Rüstungsgüter in den USA vom Band. Europa will die eigene Produktion nun stark ankurbeln.
Die Erwartungen sind auch in Europas Rüstungsbranche hoch. Der Aktienwert der deutschen Rheinmetall hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 mehr als verzehnfacht. Der Kurs stieg von 100 auf über 1000 Euro. Allein in der vergangenen Woche legten die Papiere um weitere 15 Prozent zu. Ähnlich sehen die Entwicklungen beim italienischen Rüstungskonzern Leonardo, bei der französischen Thales Group und der britischen Rolls-Royce Holdings aus.
Absehbar ist, dass Europas Rüstungskapazitäten nicht so schnell reichen werden, um die neuen Aufträge absorbieren zu können. Die Fachleute von IfW und Bruegel haben einen Vorschlag: Mit den "freien Industriekapazitäten, etwa in der Automobilindustrie", könne man den zusätzlichen Bedarf decken. Die Autobranche und ihre Zulieferer könnten sich also neben den Rüstungsbetrieben als die Gewinner der Umstellung erweisen.
Boom durch Investitionen?
Aktuell deutet alles darauf hin, dass die neuen Ausgaben die Wirtschaftspolitik aufmischen. Deutschlands Industrie schwächelt seit 2017, die Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren. Die Umstellung auf Kriegswirtschaft könnte sich als Konjunkturpaket erweisen: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, dass die höheren Rüstungsausgaben dazu führen werden, dass Deutschlands Wirtschaft im kommenden Jahr um 5,4 Prozentpunkte stärker wachsen wird als angenommen. Erwartet wird, dass rund 100 Milliarden Euro schon 2026 in die Rüstung fließen. Ein Infrastrukturpaket soll die Wirtschaftleistung ebenso etwas erhöhen.
Wobei es viele Unsicherheiten gibt: Im Deutschen Bundestag müssen auch die Grünen mitstimmen, damit das Paket überhaupt beschlossen werden kann. Hunderte Milliarden an neuen Ausgaben sind potenzielle Inflationstreiber, die Wirtschaft muss das Geld absorbieren können. Panzer und Raketen steigern die Produktivität eines Landes nicht. Langfristig sollen die hohen Rüstungsausgaben das Wirtschaftswachstum Deutschlands sogar negativ beeinflussen, wie einige Berechnungen zeigen. Damit sich das Deutschland und Europa leisten kann, muss das Infrastrukturpaket Berlins einen Schub bringen.
Ein starkes Interesse, die aktuelle Entwicklung als treibende Kraft zu beeinflussen, hat übrigens auch die EU-Kommission selbst: Sie weitet ihre Einflusssphären aus. Die Kommission darf Kredite an Staaten vergeben – das erwähnte 150-Milliarden-Paket ist also keine neue Erfindung. Doch solche Kredite an EU-Länder sind rar – durchaus möglich, dass auch hier die Ausnahme zur Regel werden könnte.
(András Szigetvari, Jakob Pflügl, 8.3.2025)
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