Hunderte Milliarden für Aufrüstung in Europa

josef

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#1
Zum Nachdenken...

Olivgrünes Wirtschaftswunder
Europa pumpt Milliarden in die Rüstungsindustrie – profitieren vor allem die USA?
Europa will sich nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen. Deutschland steckt hunderte Milliarden in Panzer und Raketen, die EU-Kommission mobilisiert Gelder. Dabei gibt es viele Gewinner

Wer gewinnt, wenn sich Europa rüstet?
Foto: EPA/MARTIN DIVISEK

Es mag dem Zufall geschuldet sein, dass ausgerechnet in jener Woche, in der Europa seine ambitionierte Klimapolitik begraben hat, die militärische Neuaufstellung des Kontinents gestartet wurde. Vom großen Politikziel der vergangenen Jahre, Europa in der Klimapolitik zum Vorreiter zu machen, bleibt immer weniger übrig. Zur Wochenmitte kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, eines der Fundamente der grünen Wende auszuhebeln: Die strengen Emissionsziele für Autobauer werden aufgeweicht. Statt einem Jahr bekommen Hersteller drei Jahre Zeit, die Regeln einzuhalten. Der Aufschrei war leise. Dafür gibt sich der Kontinent neue ambitionierte Ziele: mehr Aufrüstung.

Deutschland machte den ersten Schritt. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD wollen die Schuldenbremse in der kommenden Woche im Bundestag aushebeln. Ausgaben für Panzer und Raketen sollen künftig in unbegrenzter Höhe ermöglicht werden. Derzeit kursieren Schätzungen von 300 bis 500 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre. Dazu soll nochmals ein Paket über 500 Milliarden im gleichen Zeitraum für die Revitalisierung der maroden deutschen Infrastruktur fließen. "Whatever it takes", was auch immer nötig ist, sagt CDU-Chef Friedrich Merz.

Schulden für Aufrüstung
Am Donnerstag dann einigten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf, die Aufrüstung auch auf europäischer Ebene voranzutreiben.
Dafür werden die Regeln aufgeweicht, die festlegen, wie viele Schulden die Staaten machen dürfen: Damit dies im Einklang mit den Stabilitätsregeln der EU geschehen kann, sollen die Ausgaben für die notwendige Aufrüstung nicht mehr bei der nationalen Verschuldung angerechnet werden. Im Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt es schon jetzt eine Notfallklausel, die solche Ausnahmen zulässt – etwa nach einer Naturkatastrophe oder wenn die Sicherheit eines Landes bedroht ist. Nun soll die Ausnahme bei Verteidigungsausgaben zur Regel werden. Dazu kommt, dass die EU-Kommission den Unionsländern Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro für Aufrüstung geben will. Insgesamt sollen über neuen Maßnahmen auf europäische Ebene bis zu 800 Milliarden Euro mobilisiert werden.

Angesichts des schnellen Tempos, in dem die Regeln in Europa gerade neu geschrieben werden, ist es nicht einfach, die Orientierung zu behalten. Zumal vieles darauf hindeutet, dass die Umstellung Europas auf Kriegswirtschaft vielen Interessen dient und verschiedene Gewinner produziert – wenn man von klaren Verlierern wie dem Klimaschutz absieht.

1400 Panzer, 700 Geschütze
Die neue Strategie ist natürlich in erster Linie eine Antwort auf Russlands Krieg in der Ukraine und das mögliche Ende der US-Unterstützung. Das Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) veröffentlichten Ende Februar eine Schätzung, wie viel Europa investieren müsste, um sich selbst verteidigen zu können. Die Analysten rechnen damit, dass das russische Militär mittlerweile besser ausgestattet ist als beim Angriff auf die Ukraine 2022.

Um Schritt halten zu können, müsste Europa viel investieren. Als Anhaltspunkt dafür, wie viel zusätzliches Verteidigungsbudget notwendig ist, ziehen die Analysten von Bruegel und IfW die europäischen Kapazitäten der US-Armee heran, mit denen die Nato bislang rechnete und die wegfallen würden. Pro Jahr wären in Europa demnach zusätzliche Verteidigungsinvestitionen von rund 250 Milliarden Euro nötig, um einen russischen Angriff abwehren zu können.

Die Autoren gehen davon aus, dass man zumindest 50 zusätzliche Brigaden mit 300.000 Soldaten aufstellen müsste. Erforderlich wären etwa 1400 neue Kampfpanzer, 2000 Schützenpanzer, 700 Artilleriegeschütze, 2000 Langstreckendrohnen und ein Vorrat von einer Million 155-mm-Granaten. Das sei "mehr Kampfkraft, als die französischen, deutschen, italienischen und britischen Landstreitkräfte derzeit zusammen haben".

Hektische Betriebsamkeit
Dass die hektische Betriebsamkeit derzeit allerdings allein durch Russland ausgelöst wird, darf bezweifelt werden: So gibt es derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass Moskau plant, ein EU- oder Nato-Land anzugreifen. Russische Aufrüstung hin oder her, Wladimir Putins Streitkräfte sind seit drei Jahren nicht einmal in der Lage, den Donbass einzunehmen. So muss Russland in der Ukraine nordkoreanische Soldaten einsetzen, um Krieg führen zu können. Ein Angriff auf einen Nato-Staat würde den Krieg jedenfalls in eine neue Dimension transferieren, das weiß man auch in Brüssel.

Hinter den Überlegungen in Europa dürfte daher nicht nur eine Bedrohung durch Russlands Präsident Putin, sondern auch die Zollpolitik Donald Trumps stehen. Der US-Präsident droht den Europäern mit Zöllen von bis zu 25 Prozent, um das US-Handelsdefizit mit der EU zu verringern. Demnächst will er seine Pläne konkretisieren.

Rüstungsaktien im Höhenflug
Bekanntlich macht Trump gern Deals. Europa wird also höhere Rüstungsausgaben in Verhandlungen mit den USA einzusetzen wissen, sagt der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, nach dem Motto: Ihr bekommt was ab vom Kuchen, wenn ihr keinen Zollkrieg vom Zaun brecht.

Wenn die Europäer massiv aufrüsten, befinden sich etliche potenzielle Profiteure dessen auf der anderen Seite des Atlantiks: Laut dem Stockholm International Research Institute (Sipri) befinden sich unter den Top-100-Rüstungskonzernen 42 US-Unternehmen, die die Hälfte des Umsatzes erwirtschaften. Zwischen Februar 2022 und Juni 2023 flossen laut Angaben der EU-Kommission knapp 80 Prozent der europäischen Rüstungsausgaben in Nicht-EU-Staaten. Mehr als 60 Prozent der Rüstungsaufträge gingen an Hersteller in den USA. Die Kommission gibt zwar als strategisches Ziel aus, diese Abhängigkeiten zu reduzieren. Bisher sind das aber nur Absichtserklärungen. Von den 800 Milliarden, die auf EU-Ebene mobilisiert werden sollen, könnten also bis zu 450 Milliarden in Form zusätzlicher Aufträge in den USA landen.


Derzeit rollt die Hälfte der europäischen Rüstungsgüter in den USA vom Band. Europa will die eigene Produktion nun stark ankurbeln.

Die Erwartungen sind auch in Europas Rüstungsbranche hoch. Der Aktienwert der deutschen Rheinmetall hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 mehr als verzehnfacht. Der Kurs stieg von 100 auf über 1000 Euro. Allein in der vergangenen Woche legten die Papiere um weitere 15 Prozent zu. Ähnlich sehen die Entwicklungen beim italienischen Rüstungskonzern Leonardo, bei der französischen Thales Group und der britischen Rolls-Royce Holdings aus.

Absehbar ist, dass Europas Rüstungskapazitäten nicht so schnell reichen werden, um die neuen Aufträge absorbieren zu können. Die Fachleute von IfW und Bruegel haben einen Vorschlag: Mit den "freien Industriekapazitäten, etwa in der Automobilindustrie", könne man den zusätzlichen Bedarf decken. Die Autobranche und ihre Zulieferer könnten sich also neben den Rüstungsbetrieben als die Gewinner der Umstellung erweisen.

Boom durch Investitionen?
Aktuell deutet alles darauf hin, dass die neuen Ausgaben die Wirtschaftspolitik aufmischen. Deutschlands Industrie schwächelt seit 2017, die Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren. Die Umstellung auf Kriegswirtschaft könnte sich als Konjunkturpaket erweisen: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, dass die höheren Rüstungsausgaben dazu führen werden, dass Deutschlands Wirtschaft im kommenden Jahr um 5,4 Prozentpunkte stärker wachsen wird als angenommen. Erwartet wird, dass rund 100 Milliarden Euro schon 2026 in die Rüstung fließen. Ein Infrastrukturpaket soll die Wirtschaftleistung ebenso etwas erhöhen.

Wobei es viele Unsicherheiten gibt: Im Deutschen Bundestag müssen auch die Grünen mitstimmen, damit das Paket überhaupt beschlossen werden kann. Hunderte Milliarden an neuen Ausgaben sind potenzielle Inflationstreiber, die Wirtschaft muss das Geld absorbieren können. Panzer und Raketen steigern die Produktivität eines Landes nicht. Langfristig sollen die hohen Rüstungsausgaben das Wirtschaftswachstum Deutschlands sogar negativ beeinflussen, wie einige Berechnungen zeigen. Damit sich das Deutschland und Europa leisten kann, muss das Infrastrukturpaket Berlins einen Schub bringen.

Ein starkes Interesse, die aktuelle Entwicklung als treibende Kraft zu beeinflussen, hat übrigens auch die EU-Kommission selbst: Sie weitet ihre Einflusssphären aus. Die Kommission darf Kredite an Staaten vergeben – das erwähnte 150-Milliarden-Paket ist also keine neue Erfindung. Doch solche Kredite an EU-Länder sind rar – durchaus möglich, dass auch hier die Ausnahme zur Regel werden könnte.
(András Szigetvari, Jakob Pflügl, 8.3.2025)
Europa pumpt Milliarden in die Rüstungsindustrie – profitieren vor allem die USA?
 
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josef

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#2
SIPRI
Bericht zeigt Europas Aufrüstung
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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Europas Aufrüstungsbemühungen deutlich beschleunigt. Das zeigt der am Montag veröffentlichte Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Die Ukraine ist erstmals größter Waffenimporteur der Welt. Größter Nutznießer der europäischen Wiederaufrüstung sind die USA.
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Die Zahlen zeigten die „Wiederaufrüstung“ Europas angesichts der Bedrohung aus Russland, sagte SIPRI-Programmdirektor Mathew George. Die europäischen NATO-Staaten hätten zwischen 2020 und 2024 um 105 Prozent mehr Rüstungsgüter importiert als in den fünf Jahren davor.

8,8 Prozent aller Waffenimporte der Jahre 2020 bis 2024 entfielen laut SIPRI auf die Ukraine. Am meisten profitiert von Europas Wiederaufrüstung haben die USA. Die Vereinigten Staaten steigerten ihren Marktanteil als Rüstungsexporteur von 35 auf 43 Prozent. Erstmals an zweiter Stelle ist Frankreich, das Russland überholte.

Russland nun hinter Frankreich
Frankreich hat nun einen Anteil von 9,6 Prozent an den weltweiten Rüstungsexporten, während Russland nur noch auf 7,8 Prozent kommt. Das Exportvolumen Russlands ist um 64 Prozent im Vergleich zum vorigen Fünfjahreszeitraum (2015 bis 2019) gesunken. Insgesamt blieb der Rüstungshandel stabil, weil den Importen in Europa Rückgänge in anderen Weltregionen gegenüberstanden.
APA/AFP/Sergei Supinsky
US-Militärgüter in Kiew: Die Ukraine ist erstmals der größte Waffenimporteur der Welt

Was die Rüstungsimporte anbelangt, zeigt sich eine zunehmende Abhängigkeit Europas von den USA. Der US-Anteil an den Rüstungsimporten in Europa wuchs von 52 auf 64 Prozent. Mit einem US-Importanteil von 45 Prozent ist die Ukraine vergleichsweise weniger abhängig von der amerikanischen Rüstungsindustrie als die europäischen NATO-Länder. Mit Respektabstand als größte Lieferanten der Ukraine folgen Deutschland (zwölf Prozent) und Polen (elf Prozent).

Europa größter Markt für US-Rüstungskonzerne
Erstmals seit zwei Jahrzehnten war Europa der größte Markt für US-Rüstungskonzerne. 35 Prozent der Exporte gingen nach Europa, 33 Prozent in den Nahen Osten. Der Bedeutungsverlust Russlands habe schon vor dem Überfall auf die Ukraine begonnen, so SIPRI. Schon 2020 und 2021 habe das Exportvolumen 20-jährige Tiefststände erreicht.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: SIPRI
Nach der Invasion habe sich der Trend verstärkt, weil Russland die Waffen aus heimischer Produktion selbst benötigte und wegen internationaler Sanktionen weniger ausführen konnte. Damit einher gehen Änderungen bei den größten Abnehmerländern Russlands. Während China sich zunehmend selbst versorgt, hat Indien – der weltweit zweitgrößte Abnehmer nach der Ukraine – andere Lieferanten gefunden. So gingen etwa 28 Prozent aller französischen Rüstungsexporte nach Indien, aber nur 15 Prozent in die anderen europäischen Staaten.

China weiter mit untergeordneter Rolle
Die europäischen Staaten hätten zwar Schritte gesetzt, um ihre Abhängigkeit von den USA zu verringern, doch hätten die transatlantischen Handelsbeziehungen „tiefe Wurzeln“, sagte der SIPRI-Experte Pieter Wezeman. So seien die US-Exporte an die europäischen NATO-Staaten nicht nur gestiegen, es sei noch die Lieferung von 500 Kampfflugzeugen und vielen anderen Waffen ausständig.

APA/AFP/Iranian Army Office
Chinesischer Zerstörer: Viele Länder schrecken vor dem Kauf chinesischer Kriegsgeräte zurück

Dagegen spielt China im weltweiten Rüstungshandel mit einem Anteil von 5,9 Prozent und dem vierten Platz hinter den USA, Frankreich und Russland weiterhin eine untergeordnete Rolle. Immer noch würden viele große Importeure aus politischen Gründen davor zurückschrecken, chinesische Waffen zu kaufen.

Auch Japan rüstete auf
Nach Regionen aufgeschlüsselt gehen die meisten Waffenlieferungen nach wie vor nach Asien und Ozeanien. Der Anteil der Region fiel jedoch von 41 auf 33 Prozent. Größter Importeur sind auch hier die USA mit einem Anteil von 37 Prozent.

Gleich vier Staaten der Region – Indien, Pakistan, Japan und Australien – befinden sich unter den zehn größten Waffenimporteuren der Welt. In der geopolitisch heiklen Region Ostasien war Japan das einzige Land, das mehr Rüstungsgüter importierte – und zwar gleich um 93 Prozent.
China, Taiwan und Südkorea führten hingegen deutlich weniger Waffen ein als in der vorangegangenen Fünfjahresperiode. China fiel überhaupt zum ersten Mal seit Anfang der 1990er Jahre aus den Top Ten der größten Waffenimporteure.

Katar steigerte Importe deutlich
Im Nahen Osten gingen die Waffenimporte um 20 Prozent zurück, doch befinden sich dort weiterhin große Abnehmerländer wie etwa Katar, das sich vom zehnten auf den dritten Platz in der Importstatistik vorarbeitete.

Auch in dieser Region dominieren die USA als Lieferanten mit einem Marktanteil von 52 Prozent vor Italien (zwölf Prozent) und Frankreich (9,8 Prozent). SIPRI-Forscher Zain Hussain wies darauf hin, dass die Nahost-Region angesichts der hohen Anzahl an Bestellungen weiterhin zu den größten Märkten für Rüstungsgütern zählen wird. Israel liegt in der Importstatistik auf dem 15. Platz, um einen Platz niedriger als in den Jahren 2015 bis 2019. 66 Prozent aller Importe kommen aus den USA.
Westafrikanische Staaten erhöhten Waffeneinfuhren
Zugenommen haben die Waffentransfers in die westafrikanischen Staaten, und zwar um 82 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. „Staaten wie Burkina Faso, Mali und Senegal scheinen ihre Einfuhren rapide zu erhöhen“, sagte SIPRI-Forscherin Katarina Djokic. Auch wenn das Volumen immer noch gering sei, habe das Rüsten wichtige geopolitische Auswirkungen.

Neben etablierten Staaten wie China, Frankreich, Russland und den USA profiliere sich nun auch die Türkei als Waffenlieferant. Insgesamt gingen die Rüstungsimporte in Afrika um 44 Prozent zurück, was vor allem am Einbruch in Algerien und Marokko liegt.

In Südamerika rüstete vor allem Brasilien auf, das um 77 Prozent mehr Kriegsgüter importierte. 49 Prozent aller Importe in der Region entfielen auf das Land. Größter Lieferant der südamerikanischen Staaten ist Frankreich mit einem Anteil von 30 Prozent, gefolgt von den USA mit zwölf Prozent.
10.03.2025, red, ORF.at/Agenturen

Link:
SIPRI
SIPRI: Bericht zeigt Europas Aufrüstung
 
#3
Seit vielen Jahren weiß man, dass Investitionen in eine Kriegswirtschaft zwar Beschäftigung auslöst, aber die Schulden den Wert einer Währung destabilisieren. Zuletzt in Europa in WKII mit Aufrüstung Hitlerdeutschlands durch Mefo Wechsel.
Deutschland war praktisch wirtschaftlich gezwungen, Beute zu machen. Ansonsten wäre es pleite gegangen, weil die aufgeblähte Reichsmark im Ausland nichts mehr wert gewesen oder die Wirtschaft nur eine lokale geworden wäre (Siehe Schicksal UDSSR).
Oder England, die hatten ihre letzten Schulden aus WKII erst im Jahr 2006 zurückgezahlt.

Begonnen haben diese EU-Scheinfinanzierungen, das Staaten Staatsschulden gemacht haben durch die Ausgabe von langfristigen Staatspapieren (Schuldverschreibungen) welche von der EZB aufgekauft wurden. Diese "frischgedruckten Euros" wurden dem Staat zur Verfügung gestellt.
Das war zur Zeit der Eurokrise mit Griechenland und später Bankenrettung und Coronakrise.
Auch Österreich hatte damals eine 100jährige Anleihe herausgegeben mit ganz geringer Verzinsung. Das war die Zeit, wo Geld nichts kostete.
Die Vermögenden kannten dieses Spiel, nahmen Kredite und legten es in "Betongold" bzw. feste Werte an.
Nun, die Staaten benötigten mehr und mehr Geld und die Aufkäufe der EZB stiegen enorm. Dadurch stiegen die Zinsen der Anleihen in die Höhe und die Banken machten mit den alten Anleihen automatisch viel Geld - bis heute.
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So, jetzt kommt noch eine Dimension dazu, die EU selbst nimmt Geld für die Rüstung auf (auch dieses Mal: "durch einen Ausnahmefall bedingt"). Deutschland als finanzieller Anker der Euro Währung ist jetzt selbst ein großer Schuldner und was wir jetzt sehen, die Zinsen steigen - nur durch die Ankündigung.
Als Resultat wird wahrscheinlich der Euro massiv an Wert verlieren - durch Inflation/Kapitalflucht/Wechselkurs.
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Als Ziel wird die EU wahrscheinlich die Ukraine wirtschaftlich gewinnen wollen - ansonsten würde die Aufrüstung einen wirtschaftlichen Bankrott auslösen. Und wenn der Euro untergeht, wird es später auch die EU sein.
So gesehen, ein wahrlich riskantes Vorgehen der EU-Spitzen.
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Persönlich müsste man jetzt Kredite aufnehmen und in andere Werte anlegen - aber dafür wird die breite Bevölkerung in der Zwischenzeit schon zu sehr verarmt sein.
Wer sich dafür im Detail wissenschaftlich interessiert: Hans Werner Sinn
 
#4
Und hier wird gekürzt:

GB: Umstrittene Sozialleistungskürzung beschlossen

Die britische Regierung hat umstrittene Kürzungen bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten beschlossen.
Arbeits- und Pensionsministerin Liz Kendall stellte heute im Parlament eine Reform der staatlichen Sozialleistungen vor, mit der jedes Jahr fünf Milliarden Pfund (rund 5,9 Mrd. Euro) eingespart werden sollen.
Die Regierung will unter anderem die Zahl der Anspruchsberechtigten beim Personal Independence Payment (PIP) senken, einer Sozialleistung, die von einer Behinderung oder Langzeiterkrankung verursachte Zusatzkosten ausgleichen soll.
3,6 Mio. Menschen betroffen
Nach offiziellen Angaben erhielten Ende Jänner mehr als 3,6 Millionen Menschen in England und Wales diese Zuschüsse – 71 Prozent mehr als vor der CoV-Pandemie. Bisher nehmen die britischen Behörden keine Bedürftigkeitsprüfung vor, das Geld wird auch an Erwerbstätige gezahlt.
Mittlerweile würden jeden Tag mehr als tausend neue PIP-Zuschüsse bewilligt, sagte Kendall vor den Abgeordneten. Das sei „auf lange Sicht“ nicht finanzierbar.
Quelle
 
#5
Hier gibt es einen guten Beitrag der Schweizer NZZ über noch mehr Schulden und warum dies ein Problem darstellen könnte.

Hier ein Bericht vom ORF:
Der „Plan zur Wiederaufrüstung Europas“ („ReArm Europe“) wird namentlich abgeändert auf „Readiness 2030“.
Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass der Name als solcher in einigen Mitgliedsstaaten gewisse Empfindlichkeiten auslösen könnte“, sagte Kommissionssprecherin Paula Pinho heute in Brüssel. „Wenn es dadurch schwieriger wird, allen Bürgern in der EU die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zu vermitteln, dann sind wir natürlich alle bereit, nicht nur zuzuhören, sondern das auch in unserer Kommunikation zu berücksichtigen“, sagte Pinho.
 

josef

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#6
Aufrüstung
Spitäler, Bunker, Kriegswirtschaft: Europa rüstet nicht nur mit Waffen auf
Regierungen in ganz Europa investieren in ihre Streitkräfte. Was unternehmen sie abseits steigender Rüstungsausgaben noch, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten?

Mehr Geld für die Armeen ist das zentrale Element der europäischen Rüstungswelle. Investiert wird aber auch in Zivilschutzpläne, Krankenhäuser und Schutzräume.
APA/MAX SLOVENCIK

Es tut sich etwas in der Verteidigungspolitik der EU. Auch in Österreich. Und das merkbar. Die Rüstungsausgaben werden quer über den Kontinent eilig hochgefahren. Aber nicht nur das. Mehrere EU-Länder denken aktuell über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nach. Andere, darunter Österreich, über deren Verlängerung.

Nur wenige europäische Staaten sind ab den 1990er-Jahren nicht dem allgemeinen Trend zur Abschaffung der Wehrpflicht gefolgt – neben Österreich auch Schweden, Estland, Finnland, Zypern, Griechenland und die Schweiz. Russlands Angriff auf die Ukraine und die Annexion der Krim 2014 waren erste Schocks, die mehrere europäische Regierungen über eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht nachdenken ließen. Seither hat sich der Trend zu drehen begonnen.

Als erstes Land setzte die Ukraine selbst die Wehrpflicht wieder ein. Kurz darauf folgte Litauen, später Schweden, Lettland und andere. Norwegen entschied sich als erster Nato-Staat für eine Wehrpflicht für Frauen. In Frankreich und Deutschland ist eine Änderung im Gespräch. Polens Regierung bereitet eine großangelegte militärische Ausbildung für alle erwachsenen Männer vor, um eine Reservetruppe zu schaffen.

Verlängerter Dienst
Andere, darunter Österreich, wollen die Zeit im Grundwehrdienst erweitern. Aktuell lässt das Verteidigungsressort per Expertenkommission prüfen, ob sie von sechs auf acht Monate verlängert werden soll – eine Maßnahme, die noch bis vor kurzem ausgeschlossen wurde. Bis 2006 hatte der Grundwehrdienst bereits acht Monate gedauert – bis die damalige Bundesregierung ihn auf sechs Monate verkürzte.

Die militärische Aufrüstung des Kontinents hat seit der russischen Vollinvasion der Ukraine bekanntlich deutlich an Fahrt gewonnen. Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) goss geplante Investitionen von rund 17 Milliarden Euro bis 2032 in einen "Aufbauplan". Die Summe könnte bald noch steigen. Der Vorstoß der EU-Kommission zur schnellen Aufrüstung Europas könnte weitere Investitionsmilliarden in die Streitkräfte spülen, wie Tanner dem STANDARD bestätigte.

Auch die jährlichen Verteidigungsbudgets sollen laut dem schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm binnen acht Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppelt werden. Das Zwei-Prozent-Ziel wurde bisher auch von den Nato-Mitgliedern – und damit fast allen EU-Staaten – anvisiert. Seit US-Präsident Donald Trump fünf Prozent ins Spiel brachte, korrigieren einige Länder das Ziel nach oben. Polen und Estland, beide an der Nato-Ostflanke gelegen, peilen tatsächlich fünf Prozent an.

Kriegswunden und Bunker
Doch das Umdenken passiert nicht nur auf der Ebene von Soldaten und Waffen. Das niederländische Wirtschaftsministerium lässt eine Liste erstellen, welche Unternehmen im Ernstfall auf Kriegsproduktion umschalten könnten. Eruiert werden sollen Produktionskapazitäten und die Versorgungssicherheit mit Wasser, Energie oder Medikamenten. Zur "Kriegswirtschaft" zählt die Rechtsregierung in Den Haag auch die Stärkung der "Resilienz" der Bevölkerung. So sollen Unternehmen jene Mitarbeiter, die auch Reservisten sind, für einen neuen zeitlich beschränkten Dienst an der Waffe freistellen.

Estland, Polen und Norwegen, Schweden, Finnland und Deutschland erarbeiteten neue Zivilschutzpläne, die von Infobroschüren für das Anlegen von Vorräten bis zur Wiederbelebung alter Bunker reichen. An flämischen Universitäten werden Medizinstudierende in der Behandlung von Kriegsverletzungen geschult. Die bayerische Gesundheitsministerin fordert ein deutschlandweites Programm, mit dem Spitäler sich darauf vorbereiten sollen, unter Kriegsbedingungen neben der regulären medizinischen Versorgung auch verletzte Soldaten behandeln zu können.

Wenig Bewegung
Und in Österreich? Da ist die "umfassende Landesverteidigung" zwar in der Verfassung festgeschrieben – als ihre vier Säulen werden dort die militärische, geistige, zivile und wirtschaftliche definiert. Aber: Bundesheer und Verteidigungsressort sind nur für die militärische zuständig. Die anderen drei Säulen sind Querschnittsmaterie, die primär in die Kompetenz von Bildungs-, Innen- und Wirtschaftsministerium fällt. Und allzu viel Bewegung bei dieser Thematik war dort seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zu verzeichnen.

Das Bildungsministerium startete vor eineinhalb Jahren eine Kooperation mit dem Heeresressort: Um die umfassende Landesverteidigung bereits in den Köpfen der Heranwachsenden zu verankern, hat das Ressort sie in Abstimmung mit Bundesheer-Offizieren in die Lehrpläne gehievt. Schülerinnen und Schüler erfahren seither im Fach politische Bildung, "welche Werte es im Ernstfall zu verteidigen" gelte.

Die zivile Landesverteidigung unterliegt dem Innenministerium, das über den Zivilschutzverband Bevorratungslisten unters Volk bringt. Sie gelten für alle Extremfälle wie auch Blackouts oder Naturkatastrophen. Der Krieg in der Ukraine habe an diesen Empfehlungen nichts geändert, heißt es aus dem Ressort. Schutzräume sind laut Schätzung des Zivilschutzverbands für rund ein Viertel der Bevölkerung baulich vorhanden. Die meisten müssten zur vollen Funktionsfähigkeit aber erst adaptiert werden. Sofort einsetzbar wären Schutzbunker aktuell nur für rund drei Prozent der Bevölkerung.
(Anna Giulia Fink, Martin Tschiderer, 27.3.2025)
Spitäler, Bunker, Kriegswirtschaft: Europa rüstet nicht nur mit Waffen auf
 

struwwelpeter

Well-Known Member
#7
Hier ein weiterer Beitrag, welcher die Vergangenheit der Beziehung NATO-Deutschland-Europa-Russland aufarbeitet.
Und einen Ausblick für die Zukunft gibt.
Interessante deutsche Sicht über Machtpolitische Strategien, Geld und Waffengewalt - auf Grundlage des Ukraine Konflikts.

 
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josef

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#8
Wie die kleineren EU-Länder aufrüsten wollen
Einige Staaten sind schon längst dabei, ihre Verteidigungskräfte massiv zu stärken. Andere können das aus verschiedenen Gründen nicht oder noch nicht machen

Der amerikanische Panzer kommt auch an der US-mexikanischen Grenze zum Einsatz, um Migranten abzuschrecken. Bulgarien will 183 von diesen Gefährten kaufen.
EPA/Luis Torres

Europa will aufrüsten, das ist mittlerweile bekannt. Die Bedrohung aus dem Osten durch Russland, dazu Donald Trumps Abkehr von Europa – all das hat zu einer Reaktion in der EU geführt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Konzept "Readiness 2030" (ursprünglich "ReArm Europa") präsentiert, mit dem insgesamt 800 Milliarden Euro mobilisiert werden sollen, um die Verteidigungskräfte zu stärken. In einem ersten Teil ging es darum, wie die größeren EU-Länder aufrüsten wollen und mit welchen politischen und finanziellen Hürden sie konfrontiert sind. Im Folgenden werden nun auch einige der kleineren Länder näher beleuchtet.

Dazu gehört bekanntermaßen auch Österreich. Hierzulande wird der Brüsseler Plan wohl eher keine gröberen Auswirkungen haben, denn mit dem "Aufbauplan 2032+" gibt es bereits ein konkretes Konzept zur Aufrüstung des Bundesheers. Demnach sollen damit bis zum Jahr 2032 17 Milliarden Euro investiert werden. Im STANDARD-Interview Mitte März hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nicht ausgeschlossen, dass durch die EU-Pläne noch mehr Geld zur Verfügung stehen wird. Dagegen spricht freilich das riesige österreichische Budgetloch.

Irland, so wie Österreich neutral, ist in Sachen Verteidigung vor allem mit zwei Themen beschäftigt: dem fast vollständigen Zusammenbruch der Sicherheitskapazitäten aufgrund des Missmanagements der irischen Streitkräfte und der Debatte um die Definition des neutralen Status des Landes. Letztere wurde vor zwei Jahren aufgrund des andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine neu entfacht.

Irlands Armee ein Sanierungsfall
Irlands Armee ist ein Sanierungsfall, das hat eine 2022 veröffentlichte Studie der Kommission der Verteidigungskräfte klar ergeben. Demnach seien die Streitkräfte fast vollkommen ineffizient. Als Folge davon hat man sich auf der Grünen Insel für einen Mittelweg entschieden: Man rüstet auf, aber in einem überschaubaren Rahmen. Auf dem Stand von heute ist Irland mit gerade einmal 0,2 Prozent des BIPs Schlusslicht in der EU, wenn es um die Verteidigungsausgaben geht. Daran wird sich trotz der Aufrüstungspläne wohl einmal nichts ändern. Zum Vergleich: Österreich liegt derzeit bei 0,9 Prozent, bis 2032 will man zwei Prozent erreichen. 2024 haben die EU-Länder im Schnitt 1,9 Prozent des BIPs für ihre Streitkräfte ausgegeben.


Irische Soldaten bei der St.-Patrick's-Day-Parade in Dublin. Die Armee auf der Grünen Insel gehört dringend saniert.
REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Hört man sich in irischen Sicherheits- und Verteidigungskreisen um, so denkt man, dass sich Europas Aufrüstungspläne nicht so sehr auf das eigene Land auswirken werden. In Regierungskreisen geht man davon aus, dass ein Großteil der Mittel wohl dazu bestimmt sein wird, die Verteidigungsindustrie zu stärken und nicht die Fähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, Waffen und Ausrüstung zu kaufen. Und Irland verfügt eben über keine Rüstungsindustrie.

In Griechenland muss man ähnlich wie in Frankreich und Italien vor allem aufs Finanzielle schauen, schließlich sind das in Sachen Verschuldung jene drei Länder, die in der EU am schlechtesten dastehen. Gleichzeitig gibt Athen für Rüstung mehr als drei Prozent aus und ist damit Musterschüler sowohl in der EU als auch in der Nato. Die mögliche Auflockerung der EU-Verschuldungskriterien, die in dem 800-Milliarden-Paket steckt, ist für Griechenland angesichts seiner prekären Haushaltslage von besonders großer Bedeutung.

25 Milliarden zur Modernisierung
Griechenland hat sich schon länger für umfangreiche Investitionen im Rüstungsbereich entschieden. Unter anderem sollen Rafale-Jets und Belharra-Fregatten erworben werden. Die F-16 sollen modernisiert werden, eine Anschaffung von F-35-Jets wird erwogen. Und am Mittwoch kündigte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im Parlament an, 25 Milliarden Euro vor allem in neue Verteidigungstechnologien und dabei auch in die heimische Rüstungsindustrie zu investieren. Damit, so der Regierungschef, wolle man in wenigen Jahren "über eines der modernsten Verteidigungssysteme Europas" verfügen.

Griechenland will seine F-16-Flotte modernisieren bzw. diese Modelle irgendwann gegen F-35-Jets austauschen.
AFP/SAKIS MITROLIDIS

Geplant ist laut EU, dass die EU-Staaten vier Jahre lang 1,5 Prozent der Wirtschaftskraft zusätzlich in Aufrüstung stecken können. Griechenland könnte dadurch ins Militär investieren, ohne in anderen Bereichen kürzen zu müssen. Mitsotakis war es daher auch, der forderte, dass die Lockerung der Verschuldungsregeln bald in Kraft treten soll.

In Tschechien hat man im letzten Jahr erstmals das in der Nato vorgegebene Ziel von zwei Prozent des BIPs für Verteidigungsausgaben erreicht. Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine peilt man bis 2030 drei Prozent an. Im Herbst stehen Parlamentswahlen an, und in Umfragen führt die populistische Oppositionspartei Ano von Ex-Premier Andrej Babiš. Der Politiker spricht von einer "Aufrüstungsbesessenheit" der Regierung und spielt die Bedrohung für Tschechien durch Russland konsequent herunter. Gleichzeitig wird aber betont, dass man grundsätzlich nichts gegen eine Erhöhung auf drei Prozent habe, sofern es ein klares Konzept gebe, wofür genau diese zusätzlichen Mittel benötigt würden. Ano selbst hat seine Pläne dafür noch nicht verraten.

Bulgarien zu instabil
In Bulgarien werden die europäischen Aufrüstungspläne grundsätzlich begrüßt. Heuer wird man mehr als zwei Prozent des BIPs dafür ausgeben. Das Verteidigungsministerium fordert künftig zweieinhalb Prozent, das wurde abgelehnt. Experten zufolge gibt es mehrere Gründe, weshalb man auch trotz der Brüsseler Initiative wohl nicht weiter aufrüsten wird. Einer davon ist die politische Instabilität im Land. Bulgarien hat seit Jahren keine stabilen Regierungen mehr. Es gibt immer wieder Neuwahlen, weil Koalitionen gar nicht zustande kommen oder bald wieder auseinanderbrechen. Auch die seit Jänner amtierende Regierung gilt nicht als stabil.

Außerdem haben die großen Parteien ziemlich unterschiedliche Positionen, wenn es um Aufrüstung geht. Schließlich fehlt es dafür auch an administrativen Kapazitäten. Festzuhalten ist aber auch, dass Bulgarien in den vergangenen Jahren mehrere milliardenschwere Verträge unterzeichnet hat, um seine Verteidigungskräfte zu modernisieren. Unter anderem geht es um F-16-Jets und Stryker-Panzer.

Im Norden Europas hat Schwedens Regierung Ende März angekündigt, bis 2030 3,5 Prozent des BIPs für die Verteidigung auszugeben. Derzeit liegt man bei 2,4 Prozent. Für diese Steigerung will man rund 300 Milliarden schwedische Kronen (knapp 28 Milliarden Euro) in die Hand nehmen. Es handle sich bei dem Plan um die größte militärische Aufrüstung seit den Tagen des Kalten Krieges, erklärte Ministerpräsident Ulf Kristersson. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine befinde man sich in einer völlig neuen sicherheitspolitischen Lage, zudem gebe es viel Unsicherheit hinsichtlich der transatlantischen Beziehungen, sagte er mit Blick auf Donald Trump. Diese Unsicherheiten würden noch lange bestehen bleiben.

Abwehrschirm für Kopenhagen
Auch Dänemark will aufrüsten. Heuer und 2026 werden über einen sogenannten Beschleunigungsfonds 50 Milliarden dänische Kronen (6,7 Milliarden Euro) zusätzlich zur Verfügung stehen. Die Hälfte davon soll in ein Raketenabwehrsystem über Kopenhagen fließen. Von 2027 bis 2033 kommen dann weitere 70 Milliarden Kronen (9,4 Milliarden Euro) dazu. Aktuell gibt Dänemark 2,4 Prozent des BIPs für Rüstung aus, mit diesen Investitionen sollen es mindestens 3,2 Prozent werden.

"Das ist schlimmer als der Kalte Krieg", sagte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im Februar bei der Bekanntgabe der Aufrüstungspläne. Es zähle nur mehr eines: "Kaufen, kaufen, kaufen!" Man wolle dem Generalstabschef auch mehr Befugnisse bei Beschaffungen einräumen, um langwierige Ausschreibungsverfahren zu verhindern.


Bei Dänemarks Streitkräften fehlt es derzeit an allem.
AFP/Ritzau Scanpix/MADS CLAUS RA

Der dänische Rechnungshof hatte das Verteidigungsministerium in der Vergangenheit scharf kritisiert, da Beschaffungen sich verzögerten, teurer als geplant wurden und es an effizientem und verlässlichem Finanzmanagement mangele. Dänemark hat bereits erhebliche Probleme mit seiner eigenen Verteidigung: Es fehlt an allem – von Ausrüstung über Munition bis hin zu Soldaten und Soldatinnen.

Aufrüstung auch im Baltikum
Schließlich wollen auch die drei baltischen Staaten, die alle an Russland grenzen, aufrüsten. Litauen wird heuer bei etwa drei Prozent des BIPs für die Streitkräfte liegen. Der Verteidigungsrat, bestehend aus politischen und militärischen Vertretern des Landes, beschloss im Jänner eine Aufstockung auf jährlich 5,5 Prozent ab 2026 bis 2030. Experten zufolge wird das Mehrkosten von zehn bis 14 Milliarden Euro bedeuten.

Nachbar Lettland liegt aktuell bei 3,4 Prozent. Für nächstes Jahr peilt es vier Prozent und danach fünf Prozent an. Aufrüsten will man vor allem bei der Flugabwehr, der Küstenverteidigung, der Munitionsproduktion und der Drohnenentwicklung. Und auch Estland will bald fünf Prozent des BIPs für die Landesverteidigung ausgeben. Bislang sind es 3,2 Prozent.


Eine Nato-Übung mit US-Soldaten in Estland. Auf die Vereinigten Staaten will man sich im Baltikum aber nicht mehr verlassen.
EPA/VALDA KALNINA

Schutz für die Ostflanke
Außerdem haben sich die drei Staaten im Jänner 2024 auf den Bau einer "Baltischen Verteidigungslinie" geeinigt. Mit Betonsperren und Zäunen soll ein Angriff an der Ostflanke von EU und Nato verhindert werden. Zudem sollen Versorgungslinien und rund 600 Bunker gebaut werden, die im Fall eines Angriffs von den Streitkräften verwendet werden können. Dann sollen auch rasch Minen und Sprengstoff an den Grenzen verteilt werden können. Für all das sind vorerst einmal Kosten von 55 Millionen Euro eingeplant.

Kim Son Hoang, Niall O'Connor | The Journal Investigates [Irland], Kostas Zafeiropoulos | Efsyn [Griechenland], Petr Jedlička | Denik Referendum [Tschechien], Nikola Lalov | Mediapool [Bulgarien], Emma Louise Stenholm | Føljeton [Dänemark], 3.4.2025)
Wie die kleineren EU-Länder aufrüsten wollen
 

josef

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#9
Größtes Projekt seit Jahrzehnten
NATO-Aufrüstungsprogramm beschlossen
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Die NATO hat wegen der Bedrohung durch Russland das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg beschlossen. Es sieht vor, die Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung in den nächsten Jahren extrem auszubauen. Oberste Priorität haben weitreichende Waffensysteme, die Luftverteidigung und mobile Landstreitkräfte.
Online seit heute, 13.48 Uhr
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US-Verteidigungsminister Peter Hegseth avisierte eine baldige Einigung auf eine deutliche Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben.

Die Entscheidung für das Programm wurde am Donnerstag bei einer Sitzung der Verteidigungsministerinnen und -minister der Bündnisstaaten in Brüssel getroffen, wie die dpa von Diplomaten erfuhr. NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte das Programm bereits in der Früh als „historisch“ bezeichnet.

Vorgaben für jedes einzelne Land
Im Detail besteht das Aufrüstungsprogramm aus neuen Zielvorgaben für militärische Fähigkeiten. Mit ihnen bekommen die einzelnen Alliierten genau vorgegeben, was sie künftig zur gemeinsamen Abschreckung und Verteidigung beitragen müssen.
Die notwendigen Fähigkeiten wurden auf der Grundlage neuer Verteidigungspläne ermittelt. Diese tragen auch der Einschätzung von Geheimdiensten Rechnung, dass Russland trotz des noch laufenden Angriffskrieges gegen die Ukraine bereits in wenigen Jahren bereit für einen Krieg gegen einen NATO-Staat sein könnte.

Höchste Geheimhaltung bei neuen Zielen
Die konkreten neuen Planungsziele sind als streng geheim eingestuft, um die NATO für Russland zu einem möglichst unberechenbaren Gegner zu machen. Nach Informationen der dpa wurden die bisher gültigen Vorgaben für die militärischen Fähigkeiten um etwa 30 Prozent erhöht. Als besonders große Herausforderung gelten die neuen Ziele, weil die bisher geltenden bei Weitem nicht erreicht sind. Ranghohe Militärs hatten zuletzt von einer Lücke von 30 Prozent gesprochen.

Investitionen in Milliardenhöhe nötig
Aus den aktuellen Defiziten und den neuen Planungszielen leitet sich auch die geplante neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben ab. So sollen sich alle NATO-Mitglieder beim Gipfeltreffen Ende des Monats in Den Haag verpflichten, künftig mindestens 3,5 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung zu investieren. Hinzu könnten 1,5 Prozent des BIP für verteidigungsrelevante Ausgaben – beispielsweise für Infrastruktur – kommen, sodass am Ende die von US-Präsident Donald Trump geforderte Quote von fünf Prozent erreicht würde.
Hegseth war diesbezüglich am Donnerstag in Brüssel zuversichtlich. Es gebe „wenige Länder“, die „noch nicht ganz so weit sind“, räumte er ein, ohne Namen zu nennen. „Wir werden sie so weit bringen“, fügte er mit Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel hinzu.

Spanien und Italien bremsen noch
Trump hatte nach seinem Amtsantritt den NATO-Verbündeten damit gedroht, ihnen bei zu geringen Militärausgaben den Beistand zu verweigern, und nannte fünf Prozent des BIP als Ziel für Verteidigungsausgaben.

Ein Vorschlag von NATO-Generalsekretär Rutte sieht vor, dass die NATO-Staaten bis zum Jahr 2032 mindestens 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent des BIP für verteidigungsrelevante Infrastruktur aufwenden. Deutschland und Frankreich haben diesem Vorschlag bereits zugestimmt, Spanien und Italien etwa gelten als Gegner solch ambitionierter Ziele.
05.06.2025, red, ORF.at/Agenturen

Links:
NATO
Pentagon

Größtes Projekt seit Jahrzehnten: NATO-Aufrüstungsprogramm beschlossen
 

struwwelpeter

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#12
...und die Finanzierung bewerkstelligen die Millionen von "Otto-Normalverbrauchern"...
Die merken es ja nicht direkt - geht das meiste doch über die Inflation.

Allerdings, was soll ich sagen, in den letzten Wochen haben sich die Preise für Lebensmittel generell merklich erhöht.
Ein Einkauf vor eine Woche beim Billa Plus hat 250 Euro ausgemacht - noch nie habe ich derartiges bezahlt. Am nächsten Tag, die Schwägerin beim Billa ein kurzer Einkauf, passend in einem tragbaren Korb: 80 Euro. Sie hat extra die Rechnung nachkontrolliert, ob alles stimmt.
Der Lidl wird gestürmt von den Einkommensschwachen Schichten, auch der Hofer (Aldi) ist sehr gut besucht - spricht aber alle Schichten an.

Auffällig ist auch, wie gegen Monatsende bei den Lebensmittelgeschäften die Kundenfrequenz massiv absinkt und am Monatsbeginn ebenso massiv wieder ansteigt. Zu beobachten ist dieser Effekt auch um den 15. herum, da viele Gehalts/Pensionsauszahlung für bestimmte Gruppen hier stattfindet.
Da empfinde ich es geradezu als Hohn, wie in den Nachrichten verlautet: der Wirtschaft geht es nicht gut, da die Österreicher(innen) das übriggebliebene Geld lieber sparen, anstatt es auszugeben. :mad:
 

josef

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#13
Europa-Forum
Brieger: Zu viele Rüstungsunternehmen in EU
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Der ehemals ranghöchste EU-General Robert Brieger hat bei seinem Besuch am Europa-Forum die Vielfalt der europäischen Waffensysteme kritisiert. Das sei für die Verteidigungsfähigkeit ein Nachteil, weil es die Kosten in die Höhe treibe, so der General.
Online seit heute, 18.45 Uhr
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In der Vorwoche übergab Robert Brieger den Vorsitz im EU-Militärausschuss turnusmäßig an den irischen General Seán Clancy. Seine dreijährige Amtszeit an der militärischen Spitze der EU, in die der Angriff Russlands auf die Ukraine fiel, nennt er eine Zeit des „Umdenkens“. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges wurden Verteidigungsbudgets wieder erhöht.

Doch das in Europa produzierte Material sei zu teuer, moniert Brieger. Die Vielzahl der in Europa verwendeten Waffensysteme koste aufgrund geringerer Stückzahlen letztlich mehr, bei einem höheren Risiko von Komplikationen. Zudem verhindere es verstärkte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedsländern.

ORF
General Robert Brieger am Rande des Europaforums in Krems

EU-Armee unrealistisch
Europäische Streitkräfte sollten „gemeinsame Standards verwenden“ und eine „gemeinsame militärische Sprache sprechen“, fordert Brieger. Das würde die Verteidigungsfähigkeit des Kontinents deutlich verbessen.

Eine eigene europäische Verteidigungsarmee nennt Brieger „in absehbarer Zeit nicht realistisch“. Anders als die USA sei die EU ein Staatenbund, kein Bundesstaat. „Woran wir arbeiten sollten, ist eine stärkere Integration der europäischen Streitkräfte“, so Brieger.

Junge Leute für Militär begeistern
Daneben sieht der ehemalige EU-General Nachholbedarf bei der Bewusstseinsbildung, bei den Institutionen genauso wie bei den Bürgerinnen und Bürgern. „Wir müssen vor allem junge Menschen motivieren, Männer und Frauen, sich für die Streitkräfte zu interessieren und die Verteidigung unserer gemeinsamen Werte auch zu ihrer eigenen Sache zu machen.“

Die Kritik der USA, die europäischen Staaten würden zu wenig für Verteidigung ausgeben, hält Brieger für legitim. „Insofern hat Präsident Trump recht, wenn er fordert, dass die Europäer sich mehr anstrengen sollen.“ Davon seien auch neutrale Staaten nicht ausgeschlossen, betont Brieger.

ORF/Tobias Mayr
Das Europa-Forum widmete sich zum Auftakt am Mittwoch u.a. dem Thema europäische Verteidigung

EU-Atomschirm nicht notwendig
Einen bevorstehenden Nato-Austritt der USA, wie ihn US-Präsident Donald Trump wiederholt in den Raum stellte, hält Brieger aber nicht für realistisch. Allerdings sei die Phase, in der die USA die vollinhaltlichen Verantwortung für die Sicherheit Europas getragen haben, definitiv vorbei.
Auch dem Vorstoß von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Gründung eines europäischen Atomschirms kann Brieger wenig abgewinnen. „Die Erwartungen der Vereinigten Staaten gehen primär in die Richtung, dass wir unsere konventionelle Verteidigungsfähigkeit stärken und dass der nukleare Schutz der Vereinigten Staaten auf absehbare Zeit erhalten bleiben wird“, so der General.
11.06.2025, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Brieger: Zu viele Rüstungsunternehmen in EU
 

josef

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#14
In Europa heißt es jetzt: Kanonen oder Butter
Ohne neue Steuern oder weniger Sozialausgaben lässt sich die geplante Aufrüstung nicht finanzieren. Darüber muss offen geredet werden
Auf Europa kommt eine politisch turbulente Zeit zu, in der unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Nato-Länder haben sich bei ihrem Gipfel in Den Haag darauf verständigt, ihre Verteidigungsausgaben von aktuell um die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung auf 3,5 bis fünf Prozent zu erhöhen.

Die Rechnung kommt
Pro Jahr bedeutet das, dass die 23 EU-Länder, die auch Mitglied der Nato sind, 300 bis 600 Milliarden Euro zusätzlich für den Rüstungssektor bereitstellen müssen. Kann sich Europa das leisten? Ja, ohne Zweifel. Der Kontinent ist wohlhabend genug, und die Erhöhung der Ausgaben muss nur schrittweise bis 2035 erfolgen. Allerdings müssen die politischen Prioritäten neu geordnet werden, denn die höheren Rüstungsausgaben werden in den meisten Ländern nicht finanzierbar sein ohne höhere Steuern oder harte Einschnitte bei den Sozialausgaben.


Ein deutscher Soldat auf Manöver. Deutschland will die neuen Nato-Ziele schon 2029 erreichen, tut sich angesichts seiner Budgetpuffer damit auch leichter.
IMAGO/Daniel Kubirski

Der Grund: Das Wirtschaftswachstum ist schwach und wird durch die höheren Rüstungsausgaben wohl nur leicht angeschoben, wie Berechnungen zeigen. Irgendwer muss die Rüstungs-Zeche also bezahlen, mehr Wachstum allein wird es nicht richten. Eine alte Frage kehrt auf dem Kontinent zurück: Kanonen oder Butter?

Dass auf die Bevölkerung womöglich im Namen der Aufrüstung harte Einschnitte zukommen, wird allerdings in den politischen Debatten bisher verschwiegen. Das muss sich ändern, die Zielkonflikte gehören offen diskutiert. Erst dann lässt sich die Aufrüstungsdebatte sinnvoll führen.
(András Szigetvari, 24.6.2025)
In Europa heißt es jetzt: Kanonen oder Butter
 

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#15
Nato-Gipfel
Jedes Jahr 600 Milliarden Euro mehr für Rüstung in Europa: Wer die Kosten tragen wird
Der geplante Anstieg der Rüstungsausgaben wird harte politische Entscheidungen in Europa erfordern, sagen Experten – entweder weniger Sozialausgaben oder höhere Steuern


Die EU-Länder rüsten auf.
Collage: Der Standard

Die geplante Aufrüstung in Europa bekommt schön langsam ein Preisschild. Jene 23 EU-Länder, die auch der Nato angehören, müssen ab 2035 jedes Jahr um 600 Milliarden Euro mehr für Panzer, Haubitzen, Drohnen, Cybersecurity und militärisch nutzbare Infrastruktur ausgeben, als sie das aktuell tun. Die Summe ist größer als die gesamte Wirtschaftsleistung Österreichs mit etwa 500 Milliarden Euro. Errechnet hat sie die New Economics Foundation, ein britischer Thinktank, auf Basis der Vereinbarungen der Nato-Mitgliedsländer. Die Staats- und Regierungschefs der Allianz werden auf ihrem soeben gestarteten Gipfel besiegeln, dass die Verteidigungsausgaben der Nato-Länder über die kommenden zehn Jahre auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) steigen müssen. Aktuell geben jene EU-Länder, die auch Teil der Nato sind, etwa zwei Prozent für Verteidigung aus. Die gesamten Rüstungsausgaben aller EU-Länder beliefen sich zuletzt auf rund 320 Milliarden Euro.

Aber ist ein massiver Rüstungs-Boost überhaupt finanzierbar, und wie sinnvoll sind die Ausgaben? Die EU altert rapide, die Wirtschaft wächst schleppend, etwas mehr als ein Prozent heuer und im kommenden Jahr. Dazu kommt, dass sich die EU-Länder verpflichtet haben, ihre Budgets in Ordnung zu bringen.

Rüsten wie in den 1960er-Jahren
Die Zusagen für Aufrüstung klingen etwas dramatischer, als sie in der Realität sein werden. So haben die Nato-Staaten genau genommen vereinbart, ab 2035 3,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Verteidigungsausgaben im engeren Sinn zu stecken und 1,5 Prozent für Erweiterung militärischer Infrastruktur zu investieren, wie etwa in den Bau neuer Häfen oder Flugplätze. Die Nato-Staaten haben auch eine gewisse Flexibilität dabei, was sie unter Verteidigungsausgaben subsumieren können, etwa Zahlungen für Pensionen von ehemaligen Soldaten. Die EU-Kommission hat außerdem bereits die Schuldenregeln aufgeweicht: Zusätzliche Rüstungsausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des BIP sind erlaubt und dürfen bei der Bewertung, ob ein Staat die Regeln einhält, rausgerechnet werden.

Aber dennoch: Die Mehrausgaben für Rüstung müssen finanziert werden und dürften eine Reihe von EU-Ländern finanziell massiv unter Druck setzen. Die Frage lautet, woher das zusätzliche Geld fürs Militär kommen soll: über weniger Sozialausgaben, höhere Steuern oder höhere Schulden?

Was da auf einzelne Länder zukommt, lässt sich bereits im Fall von Deutschland gut zeigen. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat in Berlin gerade sein Budget für 2025 und 2026 sowie den längeren Budgetpfad präsentiert. Deutschland will demnach seine Rüstungsausgaben von heuer knapp über 90 Milliarden Euro auf 162 Milliarden bis 2029 bringen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung hätte die Bundesrepublik damit die höchsten Aufwendungen fürs Militär seit 1967. Auch 8,5 Milliarden an jährlichen Militärhilfen für die Ukraine sind da inkludiert.

Wer es sich leisten kann ...
Dabei gehört "Deutschland zu den wenigen EU-Mitgliedsstaaten, die fiskalisch in der Lage sind, den erwarteten Schock bei den Verteidigungsausgaben aufzufangen", wie die Ratingagentur Scope in einer Einschätzung schreibt. Deutschland hat niedrige Staatsschulden und ein moderates Defizit. Auch Dänemark und Schweden haben finanzielle Puffer, um sich höhere Rüstungsausgaben zu leisten. Polen, Lettland, Estland und Litauen wiederum sind in einer guten Position, weil sie bereits viel für Rüstung ausgeben und die Nato-Ziele schon erreichen. Für Frankreich, Belgien und Italien wird es schwer, die höheren Ausgaben zu stemmen. Selbiges gilt für Spanien, auch wenn sich Madrid eine Ausnahme beim Fünf-Prozent-Ziel herausverhandelt hat, und für Slowenien. "Für einige Staaten wird die Frage sein: Kanonen oder Butter", sagt der Wiener Politikwissenschafter Heinz Gärtner. Die ING-Bank kommt in einer aktuellen Analyse zur Erkenntnis, dass sich niemand täuschen solle: Den Anstieg der Verteidigungsausgaben werden über kurz oder lang die Haushalte in Europa bezahlen, sei es über höhere Steuern oder weniger Sozialleistungen.

Zumal viele Experten bezweifeln, dass die Mehrausgaben die Wirtschaft in Europa beflügeln werden. Panzer erhöhen die Produktivität eines Landes nicht, sie stehen im Idealfall nur herum. Die EU-Kommission schätzt, dass zusätzliche Rüstungsausgaben die Wirtschaftsleistung der EU um 0,3 bis 0,6 Prozent wachsen lassen werde. Die ING-Bank sieht es ähnlich, zumal der größte Teil der benötigten neuen Waffen aus den USA importiert werden muss. Ohne mehr Wachstum zu generieren, wird die Finanzierung der Rüstungsausgaben über zusätzliche Schulden schwieriger, weil höhere Schulden höhere Zinszahlungen bedeuten.

Zwar kursieren inzwischen diverse Vorschläge, die höheren Verteidigungsausgaben gemeinsam zu finanzieren. Die EU-Kommission hat bereits einen Fonds über 150 Milliarden Euro zur gemeinsamen Finanzierung diverser Verteidigungsprojekte eingerichtet. Hier nimmt die Kommission die günstigen Kredite auf und reicht sie an einzelne Länder weiter. Aber eine gemeinsame EU-Aufnahme von Schulden zur Finanzierung der Rüstung gilt als politisch schwer umsetzbar. Der größte Teil der Rechnung wird also an einzelnen Mitgliedsstaaten hängen bleiben. Europa sei es seit Jahrzehnten gewohnt, dass das Verhältnis von Sozial- und Rüstungsausgaben 3:1 oder 4:1 ist, "das zu ändern, wird innenpolitisch eine Riesen-Aufgabe", sagte unlängst der Rüstungsexperte Jan Techau von der Eurasia Group, einem Beratungsunternehmen.

Nato gibt schon viel mehr aus
Bleibt noch die Frage, ob die zusätzlichen Rüstungsausgaben angemessen sind. Argumentiert werden sie mit der zunehmenden Bedrohung durch Russland. Moskau hat nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine begonnen, sondern rüstet auch kräftig auf. Dennoch: Die Wirtschaftskraft der EU ist in Kaufkraftparitäten gerechnet elfmal größer als jene Russlands. Die russischen Militärausgaben lagen bereinigt um unterschiedliche Preisniveaus im vergangenen Jahr bei 460 Milliarden Euro, also ähnlich hoch wie in der EU. Die Nato gibt bereits heute deutlich mehr für Rüstung aus.

Deshalb spricht der Politikwissenschafter Gärtner davon, dass die nun beschlossene Hochrüstung der Nato militärisch "nicht verhältnismäßig" sei und nicht nur im Hinblick auf mögliche Bedrohung durch Russland geschieht, sondern einer eigenen Logik folgt, die mit dem Inneren des Bündnisses zu tun habe: Die Partnerländer wollten dem US-Präsidenten mit ihrer Zusage entgegenkommen, und natürlich habe die Rüstungsindustrie eigene Wünsche, so Gärtner. Sein Kollege Adam Tooze führte aus, dass Europas Problem gar nicht die zu niedrigen Rüstungsausgaben seien, sondern dass zu wenig Koordination stattfinde und zu viel Geld verpuffe – und niemand genau wisse, wo.
(András Szigetvari, 25.6.2025)
Jedes Jahr 600 Milliarden Euro mehr für Rüstung in Europa: Wer die Kosten tragen wird
 
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