Die Grenzen des Bezirks Mistelbach wurden zuletzt 1970 geändert. Grenzziehungen stießen seit jeher auf großes Interesse bei den Menschen und zu illegalen Grenzsteinversetzungen war es in der Vergangenheit auch immer wieder gekommen. Diese waren häufig Thema von allerlei Büchern und volkstümlichen Sagen.
Wolfgang Galler erforschte die Geschichte.
Foto Wolfgang Galler, zVg
„Im Mittelalter wurden die Grenzen einer Schenkung abgeritten oder abgegangen, woraus beispielsweise der Rechtsbrauch des Umritts entstand, der bis zur ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von den Dorfgemeinschaften vollzogen wurde. Weiß gekalkte Grenzsteine spielten dabei eine wichtige Rolle, um die Ortsgrenzen genau anzuzeigen“, erzählt Wolfgang Galler, leidenschaftlicher Historiker. Der Wolkersdorfer widmete dem Thema eine entsprechende Forschungsrecherche.
Was aber, wenn jemand nach mehr Grund und Boden trachtete und die Grenzsteine bei Nacht und Nebel weiter auf das Nachbargrundstück zog? Schenken wir den typischen Sagen Glauben, so waren diese Grenzsteinversetzer nach ihrem Ableben dazu gezwungen, als Untote immer wieder in das Reich der Lebenden zurückzukehren, um schließlich ihre Erlösung zu finden. Und dies konnte nur geschehen, wenn sie einem Menschen begegneten, der trotz der furchteinflößenden Streiche, die die Untoten ihnen spielten, nicht fluchten. Oftmals traten die Grenzsteinversetzer als „feuriger Mann“ auf. Feuer spielte bei der Auflösung des Unrechts eine Rolle, wie es auch in den Marchfeldsagen beschrieben wird.
Anton Mailly, einer der bekanntesten österreichischen Sagensammler, veröffentlichte Erzählungen über „feurige Männer“ in seinen „Sagen aus dem Bezirk Mistelbach“. „Die Erlösung des Wiedergängers erfolgte dabei oft schon, indem dieser eine Antwort auf seine Frage erhielt, nämlich, wo er denn den Grenzstein nun hinplatzieren solle. Dorthin, wo er ihn hergenommen habe, gaben ihm die Männer, denen er erschienen war, zur Antwort“, weiß Galler.
Motiv des Aufsitzens in Ostösterreich verbreitet
Bekannt ist das Motiv des Erlöstwerdens auch von den Aufhockern aus Ostösterreich. Der Erlösungssuchende, der aus seinem Grabe gestiegen war, hockte auf einem Pferdewagen auf, der zum Markt fuhr oder Wein holte. Dabei wurde der Wagen immer schwerer und die Pferde gerieten ins Schwitzen. Knallte der Wagenführer die Peitsche und fluchte, so konnte der Aufhocker seine letzte Ruhe nicht finden und musste so lange aus dem Fegefeuer wiederkehren, bis er an einen Wagenführer geriet, der seinen Wagen ohne Fluchen und mit viel Geduld an sein Ziel führte.
Zu guter Letzt gab es die kopflosen Reiter, die manchmal von der Bevölkerung nachts gesichtet wurden. Diese waren ebenfalls Wiedergänger, hatten sich zu Lebzeiten etwas zu Schulden kommen lassen und waren posthum enthauptet worden, um dem Grabe schwerer entkommen zu können.
Ein solches Grab aus dem Vormittelalter wurde bei den Sondierungsarbeiten für die Autobahn A5 in der Nähe von Gaweinstal ausgehoben. Die Beinknochen lassen auf einen Reiter schließen, das Kuriosum jedoch war, dass statt des Reiters Schädel ein Kindskopf auf seinen Beinknochen lag. „Bei den Sagen verhält es sich so, dass die älteste Fassung immer die am nächsten der Wahrheit war, da es später zu Ausschmückungen kam, die die Geschichte verzerren“, erzählt Galler.