Gewerbepark auf KZ-Areal geplant
In Leobersdorf (Bezirk Baden) soll auf dem Areal des ehemals zweitgrößten Frauen-Konzentrationslagers in Österreich ein Gewerbepark gebaut werden. Vom Verkauf des Grundstücks soll laut „Falter“ und „Wiener Zeitung“ der Bürgermeister profitiert haben.
Online seit heute, 14.20 Uhr (Update: 14.28 Uhr)
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Auf der 81.000 Quadratmeter großen Wiese am Ortsrand von Leobersdorf erinnert heute nichts mehr an den Stacheldraht, die Baracken und das Leid der Frauen, die in der Zeit des Nationalsozialismus hier untergebracht waren, um in der nahen Munitionsfabrik für das Dritte Reich zu schuften. Schon bald sollen hier Baumaschinen auffahren, berichtete die ORF-Sendung „Report“ am Dienstag. Die Wiener Firma TRA LEO will auf der Fläche Gewerbehallen errichten. Die Baugenehmigung liegt schon vor.
In den Lagern starben laut dem Lokalhistoriker Erich Strobl von der Initiative Gedenken KZ Hirtenberg zwischen Mitte 1943 und Anfang 1945 fast 200 Menschen, darunter 59 Kinder. „Es ist ein Verdrängen der Geschichte im Zusammenhang mit Geschäftemacherei“, so Strobl, „der Profit ist wichtiger als die Natur und die Vergangenheit.“
Erich Strobl
Auf dem Gelände befand sich einst das zweitgrößte Konzentrationslager für Frauen in Österreich
Wie Recherchen von Helga Lazar und Alexander Sattmann für „Report“ gemeinsam mit der Wochenzeitung „Falter“ und der „Wiener Zeitung“ online ergaben, geht es nicht nur um moralische Komponenten, sondern auch um ein zweifelhaftes Geschäft. Das Gelände hatte bis vor Kurzem noch einer Immobilienfirma des Bürgermeisters von Leobersdorf gehört. Diese verkaufte es an den aktuellen Investor, der Gemeinderat widmete Teile des Areals von öffentlich auf privat um.
Die Firma des Bürgermeisters soll daraufhin eine „Kaufpreisbesserung“ kassiert haben. Eva Konzett, Leiterin des Politikressorts im „Falter“ spricht von einer „satten Prämie von mehr als einer Million Euro“.
Bürgermeister: „Keine Funde mehr“
Bürgermeister Andreas Ramharter, der seit zwölf Jahren mit einer eigenen Bürgerliste Ortschef von Leobersdorf ist, und der Investor wollten auf Anfrage des „Report“ kein Interview zu den Vorwürfen geben. Ramharter teilte via schriftlicher Stellungnahme mit, dass es auf dem Gelände „keine Funde“ mehr gebe, eine „Befangenheit der Organe der Gemeinde“ sei „nicht gegeben“. Auf Zahlungen ging er nicht ein.
Das Bundesdenkmal sieht keine Möglichkeit, einzugreifen. Unter der Erde gebe es zwar noch Fundamente und vereinzelt Alltagsutensilien, das reiche allerdings nicht aus, um das Gelände unter Schutz zu stellen. „Die Stätte an sich hat eine zeitgeschichtliche Brisanz, das wissen wir“, sagte Petra Weiss, Fachdirektorin im Bundesdenkmalamt, im Interview mit dem „Report“. Man sei deshalb bereits mit allen Stakeholdern und Behörden in Kontakt getreten, um zu informieren und aufmerksam zu machen. Auf die mögliche Bebauung und die Flächenwidmung habe man „keinen Einfluss, leider“, so Weiss.
Kritik von Opposition
Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, bezeichnete die Baupläne am Mittwoch als „unerträgliche Geschichtsvergessenheit“ und forderte einen Stopp des Projekts. „Die historische Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Zeit verlangt einen respektvollen Umgang mit diesen Orten“, teilte die Nationalratsabgeordnete in einer Aussendung mit. Sie verlangte ein Eingreifen des Bundes, um das Gelände langfristig als Gedenkstätte zu sichern.
Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen in Niederösterreich, ortete in der Causa ein „erschreckendes Beispiel dafür, wie mit historisch sensiblem Boden umgegangen wird, wenn wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.“ Zudem kritisierte sie die Flächenversiegelung in Leobersdorf. Die Grünen würden in Folge derzeit einen Antrag zur Änderung des NÖ Raumordnungsgesetzes vorbereiten, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Darin fordere man ein Bebauungsverbot für historisch belastete Grundstücke.
Kritik kam auch von NEOS-Landeschefin Indra Collini. Die Causa offenbare „nicht nur den enormen Handlungsbedarf bei den Kontrollmechanismen innerhalb von Gemeinden – insbesondere bei denen mit absoluten Mehrheiten –, sondern auch die Notwendigkeit, über einen strengeren Wertekompass für Bürgermeister nachzudenken.“ Im aktuellen Fall sei jedenfalls zu prüfen, „was der Gemeinderat in dieser komplexen Umwidmungsabstimmung genau wusste und was vielleicht auch nicht.“
WWF kritisiert Raumordnung
„Die fragwürdigen Grundstücks-Deals zeigen erneut, dass es in der Raumordnung massive strukturelle Probleme gibt“, forderte WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories in einer Aussendung Kompetenz-Reformen sowie schärfere Gesetze und Kontrollen. Zudem müsse ausgeschlossen werden, dass Bürgermeister gleichzeitig in der Immobilien- oder Bauwirtschaft tätig sein dürfen, weil das potenziellen Unvereinbarkeiten bei Umwidmungen Tür und Tor öffne.
13.11.2024, red, noe.ORF.at
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