Frage zu "Gleisfünfeck oder Wendestern"

josef

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#1
Ausgelöst durch das "Rätsel 273" bekam ich eine Anfrage, ob es auch auf österr. Staatsgebiet bzw. den ÖBB solche "Gleisfünfecke" zum Wenden von Dampflokomotiven gab?

Soweit mir bekannt, gab (gibt) es solche Anlagen nur auf ehemaligen K.u.k. Gebiet in Südtirol (im heutigen Italien - siehe dazu den Wiki-Artikel...).

In Österreich kenne ich nur die "Gleisdreiecke" beim Bahnhof Summerau im OÖ. Mühlviertel und in Gmünd im NÖ. Waldviertel (für Schmalspurloks). Ob auch die in Dreiecksform ausgebildeten Verbindungsschleifen zwischen Bahnstrecken (z.B. St.Veit an der Glan, Linz usw.) zum Wenden von Loks an Stelle von Drehscheiben verwendet wurden, entzieht sich meiner Kenntnis...

Vielleicht können unsere Bahnexperten dazu weitere Auskünfte geben?

lg
josef
 

josef

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#2

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#3
Gleisdreieck Gmünd - Entstehung

Das Gleisdreieck Gmünd entstand durch die Verlegung des Bahnhofes der Schmalspurbahn auf Grund des Friedensvertrages von 1919 vom nunmehrigen tschechischen Staatsgebiet auf österreichisches Staatsgebiet. Es diente nicht dem Wenden der Lokomotiven.
Auf der angehängten Grafik (Bild von Google Maps) habe ich die einzelnen Etappen dargestellt:

Schwarz: ursprüngliche Trasse nach Fertigstellung
Schwarz strichliert: nicht mehr vorhanden
(rekonstruiert auf Basis kuk III. Landesvermessung, Blatt 33-49)
Rot: neue Gleisführung zum nunmehrigen Bahnhof Gmünd
(kleines Stück auf tschechischem Gebiet habe ich eingefügt um eine durchgehende Strecke darzustellen. Ob es vorhanden war ist mir nicht bekannt. Hat es dieses Stück nicht gegeben, dann mussten die Lokomotiven nach Litschau im Bereich des ehemaligen Bahnhofes umgehängt werden).
Blau: heutige Streckenführung. Diese wurde ca. 1947 auf Kosten der tschechischen Regierung errichtet, damit die Züge nach Litschau nicht mehr über tschechisches Staatsgebiet fuhren mussten.
 

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josef

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#4
Bf. Gmünd

Das Gleisdreieck Gmünd entstand durch die Verlegung des Bahnhofes der Schmalspurbahn auf Grund des Friedensvertrages von 1919 vom nunmehrigen tschechischen Staatsgebiet auf österreichisches Staatsgebiet. Es diente nicht dem Wenden der Lokomotiven...
Hier ist die Geschichte der „Waldviertler Schmalspurbahnen“ und die der der Gmünder Bahnhöfe beschrieben.

Soweit mir bekannt, wurde das als Rest der Streckenführung bis 1950 verbliebene Gleisdreieck sehr wohl zum betriebsnotwendigen Wenden von Schmalspur-Loks und Rollmaterial verwendet, sonst hätte dieses Relikt sicher nicht überlebt (-> Gleisplan Gmünd 1986) und wäre als „nicht betriebsnotwendig“ schon früher abgetragen worden! Ob die Anlage derzeit noch besteht, kann ich nicht sagen, da der nunmehrige Betreiber „NÖVOG“ den Schmalspurbereich neu gestaltete und die Gleisanlagen stark reduzierte. Muss das bei einem „Waldviertel-Ausflug“ im kommenden Frühjahr mal abklären… :)

Nachfolgend die Situation der Gmünder Bahnanlagen:
1. Bis 1922
2. 1922 – 1950
3. 1950 –
4. Gleisplan Bf. Gmünd 1986

Quelle der Pläne: M.Strässle, Schmalspurbahn-Aktivitäten in Österreich, Verlag Slezak, Wien 1997
 

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dermike

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#6
Hallo zusammen,
jetzt stellt sich mir die Frage was der eigentliche Unterschied zwischen Gleisdreieck und Gleisfünfeck ist ?
Eventuell vielleicht der benötigte Platz ?
Denn beide dienten ja der Umkehr der Lok.
Vielleicht kann mir das einer erklären.

besten Dank


dermike
 

Soundy

† (17. Juli 2020)
#7
Ein Fünfeck braucht weniger Platz und hat etwas weitere Kurvenradien. Dafür braucht es 2 zusätzliche Weichen, die die Bau- und Erhaltungskosten erhöhen.

Soundy
 

dermike

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#8
Ein Fünfeck braucht weniger Platz und hat etwas weitere Kurvenradien. Dafür braucht es 2 zusätzliche Weichen, die die Bau- und Erhaltungskosten erhöhen.

Soundy

danke, so was ähnliches hatte ich mir schon gedacht.
Das blöde dabei ist, dass ich letztes Jahr am Bahnhof Mals war und mir dabei auch das Schienengewirr aufgefallen ist. Konnte jedoch nichts damit anfangen, da mir diese Geschichte bis dahin unbekannt war.
Hätte ich das geahnt, dann wäre ich der Sache ausgiebig auf den Grund gegangen. Also bis zum nächsten mal vielleicht in ein paar Jahren.

Grüße


dermike
 
#9
Ob auch die in Dreiecksform ausgebildeten Verbindungsschleifen zwischen Bahnstrecken (z.B. St.Veit an der Glan, Linz usw.) zum Wenden von Loks an Stelle von Drehscheiben verwendet wurden, entzieht sich meiner Kenntnis...

Vielleicht können unsere Bahnexperten dazu weitere Auskünfte geben?

lg
josef
Die ÖBB benützen das Bahndreieck Heilgenstadt-Nussdorf-Brigittenau gelegentlich zum Wenden von Triebfahrzeugen.
Beispiel: Beim Tfz eines Wendezuges fällt die Führerstandsheizung aus. Nach dem Wenden steht der Führerstand mit der defekten Heizung zum Zug-alles paletti!

petes
 
#12
Gleisdreieck Gmünd

Das Gleisdreieck der Waldviertelbahn besteht noch. Bild von gestern anbei. Nach meiner Meinung wurde es nie für das Wenden der Lokomotiven verwendet da diese ja immer in die gleiche Richtung ausfuhren und gestürzt zurückkamen. Wurden sie nach einer Wartung mit der Normalspur "falsch" angeliefert dann wurde der Transportwagen auf der Drehscheibe gewendet und alles stimmte wieder.

Dass es noch immer existiert liegt glaube ich daran, dass die Kosten für die Demontage eingespart wurden (Kosten trug ja die Tschechische Republik). Man hat das letzte Gleisstück das auf die Brücke über die Lainsitz ragte demontiert - und das war es. Die jetzige Fußgängerbrücke ist die ehemalige Schmalspurbrücke.

Nach der Neugestaltung des Schalspurbahnhofes gibt es diese Möglichkeit nun nicht mehr und da könnte wieder eine Verwendung möglich sein. Werde weiter recherchieren aber leider sind die pensionierten "Schmalspurbahner" immer nur unter der Woche in der Sauna - ich leider nur am Samstag. Bleibe aber drann.
 

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josef

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#14
"Schleife" Hieflau

Nicht zu vergessen das Gleisdreieck im Bahnhof Hieflau, im engen Ennstal. War in der Dampfzeit eine wichtige Komponente...
Dieses "Gleisdreieck" zwischen "Rudolfsbahn" im Ennstal und der "Erzbbergbahn" (Teilstrecke durch das Erzbachtal Hieflau-Eisenerz) wurde nicht zum Zweck der Richtungsänderung von Dampfloks errichtet (wurde aber sicher auch dazu verwendet), sondern zur direkten Führung von Erzzügen aus Eisenerz Richtung Linz. Solche Gleisverbindungen werden im "Bahnjargon" als "Schleifen" bezeichnet. So fällt durch die am 08.05.1941 von der damaligen Reichsbahn in Betrieb genommene "Schleife Hieflau" das "Stürzen" der Erzzüge nach bzw. von Linz weg. „Stürzen“ ist der österreichische Begriff zum Umsetzen der Loks auf das andere Zugende zwecks Richtungswechsel einer Zugfahrt. Dies war vor Errichtung der Schleife auch in Hieflau für Züge Richtung Amstetten oder St.Valentin (Linz) nötig, da die Strecke der Erzbergbahn in die „verkehrte“ Richtung (nach Setzthal) in den Bahnhof Hieflau der Rudolfsbahn angebunden ist.

1. Lubi (Basis GIS-Steiermark) : Oben quer durchs Bild die Enns, darunter die Rudolfsbahn, links der “Bf. Hieflau“. Von diesem im Rechtsbogen durch einen kurzen Tunnel zum Verschiebebahnhof Hieflau führend (-> gelbe Linie) die Erzbergbahn nach Eisenerz. Vom Verschiebebahnhof zweigt nach rechts das 1941 in Betrieb genommene Schleifengleis zur Rudolfsbahn ab.

2. Der im schmalen Ennstal gelegene Bf. Hieflau der Rudolfsbahn, Blickrichtung Selzthal. Links am Hang entlang die Straße ins "Gesäuse" . Im Vordergrund das abzweigende Gleis der Erzbergbahn Richtung Tunnel und Verschiebebf. im Rücken. Züge aus Eisenerz kommend mit Ziel Amstetten oder St.Valentin bzw. weiter nach Linz, mussten bis 1941 im Bf. „gestürzt“ werden, da sie ja in die entgegengesetzte Richtung weiterfuhren.

3. Gleicher Standpunkt wie Bild 2., nur Aufnahme in Gegenrichtung, Links Rudolfsbahn Richtung Amstetten usw. und rechts der kurze Tunnel der abzweigenden Erzbergbahn Richtung Vbf. Hieflau und weiter nach Eisenerz.

4. Nochmals das Tunnelportal des Tunnels Richtung Vbf.

5. Übersicht der Bahnanlagen in Hieflau lt. einem Gleisplan aus 1959. Dieser zeigt noch einen kleinen Rundschuppen mit Drehscheibe beim Vbf. Diese Objekte wurden durch die Elektrifizierung der Strecken überflüssig und sind heute verschwunden.

6. Ansichtskarte des Verschiebebahnhofes Hieflau aus 1912 in Richtung Ennstal. Rechts vom Lokschuppen erkennt man den ehemaligen Hochofen von Hieflau. Der Bf. Hieflau an der Rudolfsbahn liegt hinter dem ins Ennstal reichenden Bergrücken...

(Die Aufnahmen 2. - 4. stammen v. 09.09.2009 - Besuch Eisenerz u. Umgebung)
 

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#15
Gleisdreieck Gmünd
Ich konnte über die Osterfeiertage unter den Saunagästen einige "alte" Schmalspurbahner und alteingesessene Gmünder befragen. Allgemeiner Tenor war, dass dieses Gleisdreieck nie zum Wenden von Lokomotiven verwendet wurde sondern als Rest einfach liegengeblieben ist. Seitens der NÖVOG werden die Weichen jedoch weiterhin betriebsfähig gehalten. Ein Anrainer erzählte mir, dass im Vorjahr mit einem Triebwagen in diesem Bereich über 1 Stunde auf dem Richtungsgleis nach Großgerungs hin- und hergefahren wurde. Den Sinn konnte er nicht erkennen.
 
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