Eine Zeitreise der Papierfabrik Obermühl im unteren Tal der kleinen Mühl in OÖ

Bunker Ratte

Well-Known Member
#1
Nach langer Überlegung, nahm ich die lange Reise in Kauf um die Industrieruinen des Fabrikgeländes der Papierfabrik zu besichtigen. Zu meinem Glück konnte ich auf dem Gelände Anrainer treffen, die mir ein wenig über die Geschichte erzählen konnten. In der ehemaligen Schleiferei A, B und Zentrale werden aktuell 4 Wasserkraftwerke betrieben. Ein kleiner Traum ging für mich in Erfüllung, weil ich ein wenig in die Geschichte der Papierfabrik schnuppern durfte.

Nun zur Geschichte der Papierfabrik aus Wiki:
Die Papierfabrik Obermühl ist ein Fabriksgelände im unteren Tal der kleinen Mühl in Obermühl an der Donau. In ihrer wechselvollen Geschichte wurde über einen Zeitraum von 120 Jahren Papier erzeugt.
Die Papierfabrik war viele Jahre lang ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren zu Spitzenzeiten über 240 Personen beschäftigt. Seit der Stilllegung der Papierproduktion 1993 hat sich das Unternehmen auf die Verarbeitung und den Handel mit Verpackungspapieren spezialisiert. Dazu gehören insbesondere Seidenpapier (Sulfitseide und Recyclingseidenpapier), Packpapiere (Natronkraftpapier und Natronmischpapier) und Knüll- und Stopfpapiere (Schrenz). Die Rohpapiere werden europaweit zugekauft und in Form von Industrie- bzw. Ladenrollen sowie als Formatpapier an Großhändler und gewerbliche Abnehmer in ganz Österreich und auch Deutschland vertrieben. Ein weiterer Geschäftszweig ist die Stromerzeugung aus Wasserkraft, die kontinuierlich ausgebaut wird.

Im Jahr 1865 erwarb der aus Zittau stammende Förster Carl Christian Müller, die Burg Pürnstein und Waldgebiete in der Umgebung der kleinen Mühl. Er errichtete 1869 die erste Holzschleiferei am Daglesbach, die sogenannte A-Schleiferei. Bereits 1873 konnte dann auch die erste Papiermaschine in Betrieb genommen werden.
In den folgenden Jahren kaufte C. C. Müller weitere Grundstücke entlang der kleinen Mühl, sodass bald die Schleifereien B und C, sowie 1891 eine zweite Papiermaschine in Betrieb genommen werden konnten. Der Name des Betriebs lautete damals „Augustenthaler Papier-Maschinenfabrik“. Die Ausdehnung entlang der kleinen Mühl hatte vor allem den Zweck, die mit den Grundstücken verbundenen Wasserrechte zur Energiegewinnung zu nutzen.
Nach dem Tod C. C. Müllers im Jahr 1899 wurde das Unternehmen von seinen Erben übernommen, und von mehrmals wechselnden Direktoren geführt. Die Papierfabrik geriet daraufhin unter anderem wegen schlechter Auftragslage und zu geringer Wasserführung in Schwierigkeiten, sodass 1913 Konkurs angemeldet wurde.
Danach wurde die Papierfabrik von der Länderbank Wien übernommen.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1918) erlebte die Papierfabrik – seit 1924 unter der Leitung von Ernst Karl Nemeth – wieder einen Aufschwung, 1928 konnte eine Werks-Seilbahn errichtet werden. 1930 betrug die Jahresproduktion 6400 t. In dieser Zeit erreichte das Werksgelände seine größte Ausdehnung von 3,3 km Länge.
1941 kaufte Peter Reinhold, der seine Papierfabrik in Kröllwitz bei Halle schließen musste, die Papierfabrik Obermühl von der Länderbank und benannte sie in „Papierfabrik Cröllwitz-Obermühl GmbH“ um. Die Jahresproduktion erreichte 1941 mit 6560 t einen neuen Höchststand.
Nach Kriegsende, während der sowjetischen Besatzungszeit, wurde die Fabrik vom USIA Konzern beschlagnahmt und verwaltet. In dieser Zeit kam es neben einer Anhäufung von Schulden und des Hinauszögerns technischer Investitionen auch zum Verlust des ehemaligen Kundenstamms, da die USIA hauptsächlich eigene Betriebe belieferte.
1955 wurde der Betrieb an den österreichischen Staat übergeben. Anschließend ging die Fabrik zurück an die Söhne Reinholds. Seit 1957 unter der Führung von Lukas Reinhold, wurden schließlich die dringend notwendigen technischen Erneuerungen durchgeführt. Ein zuvor genehmigter ERP-Kredit kam aber zu spät zur Auszahlung, dass bei der gleichzeitigen Rezession des Papiermarktes der Konkurs 1964 nicht mehr verhindert werden konnte. Anschließend wurde die Papierfabrik von einer Auffangsgesellschaft übernommen. Diese Pachtgesellschaft musste keine Altschulden übernehmen. Nach einer kurzfristigen Verbesserung der Wirtschaftslage in den sechziger Jahren, ging es abermals abwärts, sodass es im Herbst 1972 zu einer Zwangsversteigerung kam.
Den Zuschlag erhielt Alois Sonnberger, der das Unternehmen um 10,6 Millionen Schilling erwarb. Er produzierte in der Papierfabrik Obermühl ab 1974 als erster in Österreich Recyclingpapier. Nach seinem Tod 1986 wurde das Werk von seinem Sohn Roland Sonnberger übernommen.
Nachdem bereits 1990 eine der beiden Papiermaschinen verkauft wurde, musste dann 1993 schließlich die Papierproduktion stillgelegt werden.
Seitdem hat sich das Unternehmen auf den Groß- und Einzelhandel sowie auf die Konfektion von Papierprodukten spezialisiert. Darüber hinaus wird elektrische Energie aus Wasserkraft erzeugt.
Heute sind viele Gebäude am Gelände der Papierfabrik ungenutzt, teilweise in baufälligem Zustand. An anderen Gebäuden wiederum wurden Renovierungsarbeiten durchgeführt. Das Gelände hat sich den Charakter eines Industriebetriebs aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewahrt.

Wasserkraft
Die Nutzung der Wasserkraft hatte schon immer einen hohen Stellenwert für die Papierfabrik. In der Vergangenheit wurde die Kraft mittels Transmission von den Wasserturbinen auf die Maschinen übertragen. Das hatte jedoch den Nachteil, dass bei niedriger Wasserführung der genutzten Gewässer mit Einschränkungen oder Stillstand der Produktion zu rechnen war. In der Papierfabrik behielt man die Transmissionen teilweise noch bis zur Stilllegung der Papierproduktion 1993 bei. Seit dieser Zeit wurden alle Wasserkraftanlagen auf Generatorantrieb umgebaut.
Heute befinden sich auf dem Gelände der Papierfabrik vier Kleinwasserkraftwerke, ein fünftes ist in Planung:
  • Das Kraftwerk A-Schleiferei nutzt das Wasser des Daglesbaches. Dieser wird oberhalb des Tals der kleinen Mühl aufgestaut und anschließend über eine Rohrleitung mit etwa 125 m Fallhöhe der Turbine zugeführt. An dieser für die Wasserkraftnutzung günstigen Stelle begann auch 1869 die Geschichte der Papierfabrik.
An der kleinen Mühl wird das Wasser beginnend bei der Bruckmühle aufgestaut und anschließend von drei Wasserkraftwerken hintereinander genutzt:
  • Das Kraftwerk B-Zentrale in der B-Schleiferei (Höllmühle)
  • Das Kraftwerk A-Zentrale
  • Das Kraftwerk Fabrikszentrale wurde 2004 unmittelbar am Ufer der kleinen Mühl neu errichtet. Hier wurde eine Kaplan-Spiralturbine mit 386 kW eingebaut.
Bei der Modernisierung der Kleinwasserkraftwerke wurden in den letzten Jahren auch Fischaufstiegshilfen errichtet.

Ein kleiner Auszug: OÖ-Heimatblätter von Hans Falkenberg aus 1992
Müller.PNG
Quelle: OÖ-Heimatblätter

Mit sicherem Blick für den damals richtigen Standort baute Carl Christian Müller 1869 seine erste Holzschleiferei neben die Einmündung des Daglesbaches in die kleine Mühl. An diesem Platz gab es Wasser mit starkem Gefälle zum Antrieb der Maschinen. Das war der Beginn der Fabrik, die 1992 etwa 70 Mitarbeiter beschäftigt, mit Kunden in Europa und Übersee. Heute ist die Papierfabrik Obermühl in Österreich der kleinste Hersteller dieser Branche. Die Jahresproduktion beträgt rund 4000 Tonnen. Ein großes Werk wie Steyrermühl produziert mehr als das Hundertfache dieser Menge.
Abenteuerlich liest sich die Lebensgeschichte der kleinen Fabrik. Sie entging immer wieder dem Untergang trotz zweier Konkurse (1913 und 1964), einer Zwangsversteigerung (1972), der drohenden Schließung wegen Unrentabilität (1918/20 und 1938) und der zehnjährigen Zwangsverwaltung durch die sowjetische Gesellschaft (1946-1955), Zahlreiche Familien in der Umgebung leben von ihr; für Altenfelden, Kirchberg ob der Donau und Niederkappel, auf deren Gebieten sie liegt, ist die Papierfabrik ein wichtiger Steuerzahler.
Rudolf Zeman schrieb im jahr 1957 eine kurze, gut belegte Darstellung der Werksgeschichte. Im Jahr 1966 verfaßte der damalige Direktor Helmut Wegscheider eine kleine Firmen-Jubiläumsschrift ``100 Jahre Obermühl´´ , 1866-1966 mit heute irreführendem Titel. Denn 1966 bildeten Ort und Werk noch eine Einheit: Obermühl bedeutet Papierfabrik Obermühl. Außerdem machte die Papierfabrik besonders in ihren Krisenzeiten, immer wieder Schlagzeilen in der oberösterreichischen Tagespresse.
Seit Zemans Arbeit 1957 haben ein Konkurs und ein Ausgleichsverfahren die Fabrik heimgesucht. Außerdem wechselte mehrfach die Geschäftsführung.
Werksansicht 1.jpg
Quelle: OÖ-Heimatblätter
Karte Fabrik.jpg
Quelle: OÖ-Heimatblätter
Denkmal.PNG
Quelle: OÖ-Heimatblätter

Die ersten Bilder meiner Zeitreise:
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Bunker Ratte

Well-Known Member
#14

HF130C

Well-Known Member
#16
Herzlichen Dank für diesen großartigen Bericht, die tollen Bilder und vor allem die Mühe, auch den geschichtlichen Hintergrund zu recherchieren.

Zu Beitrag #7, die ersten 2 Fotos: Es handelt sich um einen fahrbaren Dieselkompressor der Marke Jenbacher, aufgrund der blauen Originalfarbe und der sichtbaren Wasserkühlung vermutlich ein Typ JW15K. Dieser Motortyp (JW15) wurde 1954 nach Entwicklung von Dr. Hans List (heute AVL List GmbH) als Erstentwicklung konstruiert, von den Jenbacher Werken gebaut und auch dort auf den Prüfständen getestet. Der Typ JW15 (und als Ergänzung in Folge JW20 und JW8) waren in Österreich verbreitet in der Landwirtschaft eingesetzt, wo sie mit ihren 15 bzw. 20 und 8 PS gute Dienste leisteten. Jenbacher verkaufte aber nicht nur die Motore, sondern baute diese auch in eigene Fahrzeuge und Maschinen ein, etwa Diesel-Kleinlokomotiven, Dieselkarren, Pumpen und eben auch den gezeigten Dieselkompressor.

Für den Dieselkompressor musste der Motor leicht umkonstruiert werden: der liegende Antriebszylinder bekam am Gehäuse oben einen zusätzlichen Zylinder für den Kompressor, dessen Kolben wurde über eine zweite Pleuelstange vom selben Pleuel der Kurbelwelle mitangetrieben.
Die Jenbacher Dieselkompressoren verkauften sich gut und wurden entsprechend weiterentwickelt. Der verstärkte Typ JW20K und der luftgekühlte JW20KL waren die Nachfolger. Da diese Kompressoren sehr laut waren, wurden mannigfache Bemühungen zur Geräuschdämmung probiert.

Aus eigener Erfahrung (eine Baustelle vor dem Schlafzimmerfenster) war dennoch die Aufschrift "superschallgedämpft" ein wenig übertrieben ......
 

Bunker Ratte

Well-Known Member
#17
Herzlichen Dank für diesen großartigen Bericht, die tollen Bilder und vor allem die Mühe, auch den geschichtlichen Hintergrund zu recherchieren.

Zu Beitrag #7, die ersten 2 Fotos: Es handelt sich um einen fahrbaren Dieselkompressor der Marke Jenbacher, aufgrund der blauen Originalfarbe und der sichtbaren Wasserkühlung vermutlich ein Typ JW15K. Dieser Motortyp (JW15) wurde 1954 nach Entwicklung von Dr. Hans List (heute AVL List GmbH) als Erstentwicklung konstruiert, von den Jenbacher Werken gebaut und auch dort auf den Prüfständen getestet. Der Typ JW15 (und als Ergänzung in Folge JW20 und JW8) waren in Österreich verbreitet in der Landwirtschaft eingesetzt, wo sie mit ihren 15 bzw. 20 und 8 PS gute Dienste leisteten. Jenbacher verkaufte aber nicht nur die Motore, sondern baute diese auch in eigene Fahrzeuge und Maschinen ein, etwa Diesel-Kleinlokomotiven, Dieselkarren, Pumpen und eben auch den gezeigten Dieselkompressor.

Für den Dieselkompressor musste der Motor leicht umkonstruiert werden: der liegende Antriebszylinder bekam am Gehäuse oben einen zusätzlichen Zylinder für den Kompressor, dessen Kolben wurde über eine zweite Pleuelstange vom selben Pleuel der Kurbelwelle mitangetrieben.
Die Jenbacher Dieselkompressoren verkauften sich gut und wurden entsprechend weiterentwickelt. Der verstärkte Typ JW20K und der luftgekühlte JW20KL waren die Nachfolger. Da diese Kompressoren sehr laut waren, wurden mannigfache Bemühungen zur Geräuschdämmung probiert.

Aus eigener Erfahrung (eine Baustelle vor dem Schlafzimmerfenster) war dennoch die Aufschrift "superschallgedämpft" ein wenig übertrieben ......
Hallo HF130C,
besten Dank für deine technischen Details und dein Lob;)! Es ist immer wieder wissenwert ein wenig über die eine oder andere Maschine/Motor die einzelnen Details und Hintergründe zu erfahren. Auch die Maschine in #7 Großes Bild 3 finde ich interessant, weißt du zufällig wofür sie eingesetzt wurde?

Lg
Michi
 

HF130C

Well-Known Member
#20
Auch die Maschine in #7 Großes Bild 3 finde ich interessant, weißt du zufällig wofür sie eingesetzt wurde?
Es handelt sich eindeutig um eine Maschine zur Papierherstellung, mit hoher Wahrscheinlichkeit Teil einer Zerspanungsmaschine, mit der Holz für die Papierherstellung in kleine Teile zerrissen wurde. Um das komplett zu verifizieren müsste man den Rest der Anlage sehen.

Sehr interessant an der Maschine ist das rot angestrichene Blech im Vordergrund: Es handelt sich um ein Kreuzlochblech, d.h. es wurden Löcher in Kreuzform herausgestanzt, was zwar Aufwand, aber nicht unbedingt einen Vorteil brachte. Diese Kreuzlochbleche sind heutzutage ausgestorben, ebenso wie das verwandte und noch seltenere Kleeblattlochblech, somit in ebenem und guten Zustand wie hier eine Rarität, die von Restauratoren geschätzt wird.

Man bekommt zwar Nachbauten, jedoch sind diese nur zu Apothekerpreisen zu haben. Heutzutage gibt es vorherrschend nur mehr Lochbleche mit runden oder 4-eckigen Löchern, allenfalls auch mit gerundeten Ecken. Nicht zu verwechseln sind die industriell gefertigten und gestanzten Lochbleche mit kleinformatigen Dekoblechen, die mit Laser oder Wasserstrahl geschnitten werden. Hier ist natürlich jede Lochform möglich.
 
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