Eine befestigte Stellung über dem Neusiedlersee

#1
Nachdem mir in Google Earth ein paar verdächtige Sachen aufgefallen waren, habe ich mich am Wochenende aufs Geländerad geschwungen und dann tatsächlich oberhalb des Neusiedlersees eine stark befestigte Stellung, die am ehesten mit dem Südostwall funktional in Verbindung stehen dürfte, "entdeckt" - ich glaube nicht, daß die Anlage noch nie wem vor mir aufgefallen ist, doch kommt sie hier im Forum meines Wissens noch nicht vor.
Wie aus den Photos erkennbar ist (s. unten), waren aber jedenfalls die Idioten vom "Verschönerungsverein" schon da, und damit das nicht noch schlimmer wird, gebe ich hier keinen Hinweis auf den genauen Ort. Aus demselben Grund werde ich auch im Text teils ein bissl um den heißen Brei reden oder historische Behauptungen ohne Beleg aufstellen, wenn letzterer den Ort zu eindeutig machen würde. Das alles (genauer Ort, Belege usw.) gibt es von mir gerne jederzeit per PN - bitte bei Bedarf einfach melden. Mühsam, aber sicher gut so.
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Die heutzutage dicht verwucherte Anlage (siehe Skizze) befindet sich auf einer markanten Bergkante mit weitem Ausblick über den See und im Hang darunter; die Gesamtfläche ist ca. 160 x 70 m, und der Höhenunterschied innerhalb der Anlage ist ca. 20-30 m. Zum Tal und zu den Flanken hin scheint die Kante künstlich zu einer Kletterwand angeschrägt zu sein, die noch heute erstaunlich steil und schwer zu überwinden ist (siehe unten Bild 14 - das ist aber nur die Flanke). Im Inneren befindet sich ein diagonal kreuzförmiges Netz von im Zickzack verlaufenden Laufgräben und Kampfstellungen (die zum Teil auch Granattrichter sein könnten - bei dem Dschungel schwer zu beurteilen). Die Besonderheit der Anlage sind aber zwei gut erhaltene, betonierte MG- bzw. Werfer-Ringstände Modell Regelbau 58 ("Tobruk") - zumindest diese beiden habe ich gefunden. Vielleicht gibts dort eh noch mehr davon, doch leider: Dschungel.
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Der erste (Nr. 1, links auf der Skizze, Photos 1-9) scheint irgendwann einmal freigelegt worden zu sein, was ja nicht dem historischen Zustand entspricht - die Ringstände waren (abgesehen vom Eingang, zu dem ein Laufgraben führte -> Bild 4) nahezu bodengleich eingegraben; daher auch der typische Wulst überm Eingang, der bei schlechtem Wetter eine Schlammflut ins Innere verhindern sollte - schön sichtbar auf Bild 3. Wie man aus Bild 7 und 9 erkennen kann, nimmt der Aushub dem Ringstand heutzutage auch das freie Sichtfeld. Wie gesagt, hier war leider schon der "Verschönerungsverein" am Werk.
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#2
Eine befestigte Stellung über dem Neusiedlersee, Fortsetzung

Zum Glück gut versteckt befindet sich der zweite Ringstand am anderen Ende der Anlage. Der Eingang war offenbar einmal freigelegt, ist dann aber verschüttet worden. Irgendjemand scheint auch die grenzgeniale Idee gehabt zu haben, das Schützenloch mit Styrodur (!!) abzudecken - lebensgefährlich und an Blödheit nicht zu überbieten, sorry... Zum Glück schon eingebrochen; hoffentlich hat sich niemand was dabei getan. Wie man sieht, hat dieser Ringstand auch Kampfspuren.

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Die Überraschung kam aber im Inneren: Die Sowjetflagge ist mit roter und weißer Kreide gemalt und schaut mir schon irgendwie älter aus... das typographisch "moderne" "cccp" habe ich so schon auf Flaggen in alten sowj. Wochenschauen aus dem Krieg gesehen, das wäre also kein Argument. Ein bissl ungelenk ist alles halt. Aber welche burgenl. Landkinder spielen "Russen" im alten Bunker und wissen zudem, daß in der Flagge immer ein Stern über Hammer u. Sichel gehört - den verpassen sogar Historiker manchmal. Was meint Ihr? Alt?

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Mit Sicherheit weiß ich, daß die Russen Anfang April durch genau diese Stellung eine Zeitlang beim Vormarsch aufgehalten wurden. Am Ende der Kämpfe waren, wenn ich die (etwas undeutlichen) Quellen richtig verstehe, 42 deutsche und ungarische Soldaten auf der einen Seite und 13 Sowjetsoldaten (inkl einem Gardemajor) gefallen.

Das Ganze ist eine richtige kleine Festung. Wenn der Dschungel weniger wird, werde ich wieder hinschauen. Für genaue Ortsangabe bitte PN.
 
#3
Habe mir diese Stellungen nun mal selbst angesehen und etwas untersucht. Also von hier aus wurden definitiv keine aktiven Verteidigungsmaßnahmen gegen die rote Armee gesetzt. Ich habe hier leider keine einzige Patrone gefunden / meiner Meinung nach, keine Spur von Kampfhandlungen hier oben. Vielleicht wurden die Bunker hier nur als "Kommando-bunker" damals eingesetzt?

Die Abwehr dürfte am Panzergraben stattgefunden haben.
 

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#4
Habe mir diese Stellungen nun mal selbst angesehen und etwas untersucht. Also von hier aus wurden definitiv keine aktiven Verteidigungsmaßnahmen gegen die rote Armee gesetzt. Ich habe hier leider keine einzige Patrone gefunden / meiner Meinung nach, keine Spur von Kampfhandlungen hier oben. Vielleicht wurden die Bunker hier nur als "Kommando-bunker" damals eingesetzt?

Die Abwehr dürfte am Panzergraben stattgefunden haben.
Naja, zwischen Planung und Wirklichkeit lagen Welten. Geplant war es sicher, von hier aus zu verteidigen, aber letztendlich hatte der gesamte Südostwall keinen besonderen Wert, weil ja auch die Soldaten fehlten, um seine Stellungen zu besetzen und der Volkssturm das Weite suchte. Die Nutzung als „Kommando-Bunker“ ist auch eher unwahrscheinlich, weil sich das Militär ja in der Absetzbewegung gen Westen befand.
 
#5
neun dem Bericht zu folge:
"42 deutsche und ungarische Soldaten auf der einen Seite und 13 Sowjetsoldaten (inkl einem Gardemajor) gefallen"

wäre interessant wo hier diese "kleine Kampfzone" war...
 
#6
Eine befestigte Stellung über dem Neusiedlersee, Fortsetzung

Zum Glück gut versteckt befindet sich der zweite Ringstand am anderen Ende der Anlage. Der Eingang war offenbar einmal freigelegt, ist dann aber verschüttet worden. Irgendjemand scheint auch die grenzgeniale Idee gehabt zu haben, das Schützenloch mit Styrodur (!!) abzudecken - lebensgefährlich und an Blödheit nicht zu überbieten, sorry... Zum Glück schon eingebrochen; hoffentlich hat sich niemand was dabei getan. Wie man sieht, hat dieser Ringstand auch Kampfspuren.

Anhang anzeigen 125338 Anhang anzeigen 125339 Anhang anzeigen 125340 Anhang anzeigen 125341

Die Überraschung kam aber im Inneren: Die Sowjetflagge ist mit roter und weißer Kreide gemalt und schaut mir schon irgendwie älter aus... das typographisch "moderne" "cccp" habe ich so schon auf Flaggen in alten sowj. Wochenschauen aus dem Krieg gesehen, das wäre also kein Argument. Ein bissl ungelenk ist alles halt. Aber welche burgenl. Landkinder spielen "Russen" im alten Bunker und wissen zudem, daß in der Flagge immer ein Stern über Hammer u. Sichel gehört - den verpassen sogar Historiker manchmal. Was meint Ihr? Alt?

Anhang anzeigen 125342
Mit Sicherheit weiß ich, daß die Russen Anfang April durch genau diese Stellung eine Zeitlang beim Vormarsch aufgehalten wurden. Am Ende der Kämpfe waren, wenn ich die (etwas undeutlichen) Quellen richtig verstehe, 42 deutsche und ungarische Soldaten auf der einen Seite und 13 Sowjetsoldaten (inkl einem Gardemajor) gefallen.

Das Ganze ist eine richtige kleine Festung. Wenn der Dschungel weniger wird, werde ich wieder hinschauen. Für genaue Ortsangabe bitte PN.
Die erwähnte Geschichte ist wahrscheinlich eine Nacherzählung der Erstürmung des Rauchenwarther Königskogel (Flakmessstand/"Messbunker" der heute nicht mehr besteht). Die diversen Angaben in den diversen Büchern zu den dortigen Verklusten stimmen aber ebenfalls nicht.
Ich möchte nicht ausschließen, dass es sich bei dieser sicher interessanten Anlage, um eine Übungsanlage der Wehrmacht am Truppenübungsplatz Bruck an der Leitha, im Zusammenhang mit dem Bau der Grenzstellung, gehandelt hat.
Das sowjetische Emblem ist leicht zu erklären, da der Truppenübungsplatz, samt Außenanlagen, von der Roten Armee von 1945-1955 intensiv genutzt wurde.

MfG Renato
 
#8
Das es hier ein Gefecht gegeben hat, denke ich auch. Jedoch nicht auf der Anhöhe, dieser Bunkeranlagen.
Habe persönlich keinerlei Spuren gefunden, wo auch nur annähernd zu erkennen war, dass es von der Anhöhe auch "Feuer-support" gab.
Diese Tobruk-Bunker konnten auch mit Granatwerfer-/ oder MG42-Aufsatz bestückt werden... - keine einzige Patrone wurde von hier aus verschossen.
Auch in den Gräben oben - keine Patrone.

Unten verlief der Panzergraben, hier hat es möglicherweise dieses Gefecht gegeben.
 
#9
Das es hier ein Gefecht gegeben hat, denke ich auch. Jedoch nicht auf der Anhöhe, dieser Bunkeranlagen.
Habe persönlich keinerlei Spuren gefunden, wo auch nur annähernd zu erkennen war, dass es von der Anhöhe auch "Feuer-support" gab.
Diese Tobruk-Bunker konnten auch mit Granatwerfer-/ oder MG42-Aufsatz bestückt werden... - keine einzige Patrone wurde von hier aus verschossen.
Auch in den Gräben oben - keine Patrone.

Unten verlief der Panzergraben, hier hat es möglicherweise dieses Gefecht gegeben.
Hallo,
eine Anmerkung zu den Tobruk-Ständen. Im Bereich der Grenzstellung wurden bis zum 1. März 120 Stück ständige Anlagen des Typs 58c, 58 d, 67 und 69 rttichtet, alle im Festungsabschnitt Steiermark.
Im Festungsabschnitt Niederdonau kamen nur einige Wenige Anlagen zur Ausführung.

58c achteckig, für leichte Infanteriewaffen oder Beobachter
58d rund, für leichte Infanteriewaffen oder Beobachter
67 für Panzer-Drehturm (Turm Pz 35 franz.)
69 Für 5 cm Granatwerfer 34 oder leichtes Machinengewehr oder Beobachter

LG Renato
 

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