Die Kärntner Ortschaft Thörl war nach dem 1. WK bis zum Spätherbst 1924 unter italienischer Besatzung.

josef

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Als Thörl noch „Porticina“ hieß
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Die Kärntner Ortschaft Thörl war nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Spätherbst 1924 unter italienischer Besatzung. Am Samstag wurde in Thörl bei einer Feier daran erinnert, wie vor 100 Jahren aus „Porticina“ wieder „Thörl“ wurde.
Online seit gestern 19.10.2024, 15.35 Uhr
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Nach der Heiligen Messe folgte ein Festzug bis zum Soldatenfriedhof. Beim Kriegerdenkmal wurde ein Kranz niedergelegt – zur Erinnerung an die bewegten Zeiten, die sich heuer zum hundertsten Mal jähren. In einer kleinen Ausstellung wurden auch Bilder von damals gezeigt.

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Grenzübergang Thörl anno dazumal

„Großer Einschnitt für die Menschen“
Festgesetzt worden waren die Staatsgrenzen eigentlich im September 1919 im Friedensvertrag von St. Germain. „Die Italiener beriefen sich bei ihren Ansprüchen auf Thörl aber auf jene Bestimmung des Friedensvertrags, wonach die Staatsgrenze im Raum Arnoldstein/Tarvis im Detail noch zu bestimmen sei", so Historiker Peter Wiesflecker.

Die provisorische Grenze verlief dann bei der Gastwirtschaft Straßhof. Peter Wiesflecker sieht in dieser Grenzziehung Parallelen zu jener in Ost- bzw. Westberlin: „Man stand auch hier plötzlich vor einer Grenze. Auf einmal war eine kleine, ineinander verzahnte Region getrennt. Der Weg nach Arnoldstein war nur mit Schwierigkeiten möglich. Genauso war für jemanden aus Maglern der Weg nach Thörl mit Schwierigkeiten verbunden. Es war ein großer und gewichtiger Einschnitt für die Menschen, die hier gelebt haben.“

Voraus gingen Jahre des Umbruchs
Denn nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel der einstige Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Kärnten verlor unter anderem das Kanaltal an Italien und das Mießtal an den SHS-Staat. Besonders kurios war die Situation in der Untergailtaler Ortschaft Thörl. Für die junge Republik Deutsch-Österreich gehörte sie eindeutig zu ihrem Staatsgebiet, doch auch Italien hatte darauf Anspruch erhoben und die Ortschaft kurzerhand besetzt.

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„Der Hintergrund war, dass sowohl Österreich wie auch Italien Anspruch auf dieses Gebiet erhoben haben. Das Königreich Italien, dem das Kanaltal zugefallen ist, hatte Interesse, einen großen Grenzbahnhof zu errichten. Für Tavis hat es sich nicht angeboten. So hat man Anspruch auf den Raum von Thörl erhoben, um hier einen Bahnhof zu errichten. Die Italiener haben dann im Spätherbst 1918 gleich für klare Verhältnisse zu sorgen versucht, indem sie dieses Gebiet besetzt und unter italienische Verwaltung gestellt haben.“

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Der Bahnhof von Thörl heute

Existenz vieler Bauern am Spiel
Das brachte einschneidende Konsequenzen für die Bevölkerung mit sich. Egal ob für Begräbnisse, Taufen oder um auf das eigene Feld zu gelangen – ein Passierschein war unerlässlich. „Manchmal waren es ein oder zwei Hektar, aber es gibt auch Familien, die ihren ganzen Besitz nunmehr in Italien hatten, der dann enteignet wurde“, so Wiesflecker. Betroffen war auch die Familie des heute 97-jährigen Friedrich Kaschnig. Erst Anfang der 1970er Jahre gab es offizielle Entschädigungszahlungen für die enteigneten Grundstücksbesitzer.

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Propagandatätigkeit diesseits- und jenseits der Grenze
Von österreichischer Seite aus gab es in den sechs Jahren der Zugehörigkeit zu Italien Protest – nicht nur auf politischer Ebene. Auch die Bewohner von Thörl und Maglern und die Gemeinde Arnoldstein setzten sich dafür ein, diesen Schritt rückgängig zu machen.

„Seitens der Kärntner hat man zum Beispiel argumentiert, Thörl steht für Österreich, ihr habt einen zum Teil slowenischen Hintergrund und ihr könnt von den Italienern nichts Gutes erwarten,“ so der Historiker. Auf der anderen Seite habe es durchaus ein gutes Übereinkommen zwischen Österreich und Italien gegeben. „Italien hatte natürlich ein Interesse, dass die Bahnverbindung nicht über südslawisches, sondern über österreichisches Gebiet.“

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Peter Wiesflecker

Die Grenzkommission wurde nach unzähligen Verhandlungen schließlich im Spätherbst 1924 zum Einlenken bewogen, so Wiesflecker: „Ende Oktober wurde dann in Bozen ein Protokoll unterschrieben und eine Vereinbarung getroffen, dass Thörl zu Österreich zurückkommt, wieder Teil der Gemeinde Arnoldstein ist“.

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Blick von italienischer Seite aus in Richtung Kärnten

Vielfrequentierter Grenzübergang in den Süden
Seit der Antike befindet sich im unteren Gailtal ein wichtiger Verkehrsweg. Der Grenzort Thörl-Maglern entwickelte sich dann im Laufe der darauf folgenden Jahrzehnte zu einem der wichtigsten und meist frequentierten Grenzübergänge in den Süden Europas.

„Thörl ist dann etwas geworden, das Tor zum Süden, und der Ort hat dann eigentlich bis zum Beitritt Österreichs zur EU gut von dieser Grenze gelebt, mit den Speditionen, mit den Gastwirtschaften, mit der Infrastruktur, die eben zu einem solchen Grenzort dazugehören, und relativ bald, muss man sagen, ist aus dieser Grenzsituation eine gute Nachbarschaft geworden“, so der Historiker.
20.10.2024, red, kaernten.ORF.at
Als Thörl noch „Porticina“ hieß
 
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