Bronzezeitliches Schlachtfeld in Mecklenburg-Vorpommern

josef

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#1
Bronzezeitliches Schlachtfeld gibt weitere Funde preis
Vor 3.300 Jahren fand im heutigen Mecklenburg-Vorpommern ein Waffengang statt, der überregionale Bedeutung gehabt haben muss

Die Ausgrabungsstätte liegt am Fluss Tollense – und auch der Fluss selbst hat bis jetzt einen archäologischen Schatz gehütet.
Foto: Stefan Sauer

Im Tal des Flusses Tollense im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern liegt eine Fundstätte aus der Bronzezeit, die etwas aus dem Rahmen fällt. Funde aus diesem Zeitalter sind in der Regel Überreste von Siedlungen, Gräber oder auch Deponierungen, wie die Universität Göttingen berichtet. Im Tollensetal aber hat man ein 3.300 Jahre altes Schlachtfeld ausgegraben.

Seitdem dort Mitte der 1990er Jahre erstmals ein menschlicher Knochen, in dem eine Pfeilspitze steckte, entdeckt worden war, hat es eine Reihe von Grabungen gegeben. Seit 2007 wird die Fundstätte systematisch durchkämmt – und liefert nach wie vor neue Entdeckungen.

Stätte eines massenhaften Todes
Mehr als 12.000 menschliche Knochen wurden bereits aus dem Tal geborgen. Die Osteoanthropologin Ute Brinker vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege hat schon mehr als 140 Individuen identifizieren können – es waren junge erwachsene Männer in guter körperlicher Verfassung. Die Knochen zeigen vielfältige Verletzungen, die durch Nah- und Fernwaffen verursacht wurden. Auch verheilte Verletzungen konnten festgestellt werden, was auf frühere Kampferfahrungen hinweist.


All diese Gegenstände dürften zur Ausstattung eines einzigen Kriegers gehört haben.
Foto: Volker Minkus

Die jüngsten Funde hat ein Tauchteam unter Leitung von Joachim Krüger von der Uni Greifswald gemacht – im Fluss waren die Artefakte von Plünderern verschont geblieben. Dazu gehörten unter anderem eine verzierte Gürteldose, drei Gewandnadeln, eine Ahle mit einem Griff aus Birkenholz, ein Messer, ein Meißel und Pfeilspitzen.

All diese Gegenstände dürften zum persönlichen Besitz eines Kriegers gehört haben, der in der Schlacht fiel. 31 der kleineren Objekte lagen dicht beieinander – vermutlich befanden sie sich ursprünglich in einem Behälter aus Holz oder Stoff, der längst verrottet ist. Damit ermöglicht die Entdeckung Einblicke in die Ausstattung und damit auch ein bisschen in den Alltag eines bronzezeitlichen Kriegers.

Überregionaler Konflikt
Die Funde unterstreichen, dass es in der älteren nordischen Bronzezeit (etwa 2000 bis 1200 vor unserer Zeitrechnung) im Tollensetal zu einem größeren gewaltsamen Konflikt von überregionaler Bedeutung gekommen sein muss. Isotopenanalysen der Gebeine hatten bereits darauf hingedeutet, dass zumindest ein Teil der Gefallenen nicht aus der Region stammt, aber bislang war die Herkunft dieser Kämpfer unklar. Laut dem Göttinger Forscher Thomas Terberger mehren sich durch die neuen Funde die Hinweise dafür, dass zumindest einige der Krieger aus dem südlichen Mitteleuropa stammten. (red, 17. 10. 2019)


Historische Aufzeichnungen über die Schlacht gibt es keine – aber jede Menge Zeugnisse wie diesen Schädel mit darin steckender Pfeilspitze.
Foto: Volker Minkus

Abstract
Antiquity: "Lost in combat? A scrap metal find from the Bronze Age battlefield site at Tollense"

Bronzezeitliches Schlachtfeld gibt weitere Funde preis - derStandard.at
 

josef

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#2
Bronzezeitmassaker
So brutal ging es auf dem ältesten bekannten Schlachtfeld Europas zu
Das Gemetzel, das vor rund 3250 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern stattfand, dürfte von überregionaler Bedeutung gewesen sein, legen neue Analysen von Pfeilspitzen nahe

Die Schädelinnenseite eines gefallenen Kriegers mit einer rund 35 Millimeter langen Pfeilspitze aus dem Tollensetal. Die Pfeilspitzen lassen auf die Herkunft der beteiligten Kämpfer schließen.
Volker Minkus / L. Inselmann et al., Antiquity 2024

Der Schauplatz des ältesten bekannten Massakers in Europa wurde vor fast 30 Jahren durch einen Zufallsfund entdeckt: 1996 erspähte ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger im Uferbereich der Tollense, eines Flusses in Mecklenburg-Vorpommern, einen menschlichen Oberarmknochen samt darin steckender Pfeilspitze aus Feuerstein. Der Fund wurde gemeldet und setzte weitere Nachforschungen in Gang.

Vor allem bei Grabungen 2008 gelang ein grausiger Fund nach dem anderen, was auch eine Datierung des Massakers auf rund 1250 Jahre vor unserer Zeitrechnung ermöglichte, als es in Ägypten und auf Kreta bereits Hochkulturen gab. Mittlerweile wurden die Überreste von über 150 Menschen geborgen: Die meisten von ihnen waren junge, kräftige Männer, die nachweislich durch Waffeneinwirkung starben.


Die bisher rekonstruierten tödlichen Verletzungen an den gefundenen Überresten, dargestellt an einem einzigen Skelett.
Ute Brinker / L. Inselmann et al., Antiquity 2024

Außerdem fand man Waffen wie Holzkeulen, Schwerter und Pfeilspitzen, die zum Teil noch in den Knochen der Gefallenen steckten, was auf eine brutale und gewalttätige Auseinandersetzung schließen lässt.

Längst hat das Schlachtfeld im Tollensetal bei Neubrandenburg einen eigenen umfangreichen Wikipedia-Eintrag. Schließlich hat es das Bild von der Bronzezeit in Mitteleuropa fundamental verändert. Dachte man früher, dass es sich um eine eher friedliche Zeit handelte, so lassen die grausamen Funde eher auf das Gegenteil schließen. Zudem gilt die Entdeckung auch deshalb als überraschend, weil das nördliche Mitteleuropa im Gegensatz zum Mittelmeerraum zu dieser Zeit traditionell eher als abgelegen und rückständig eingestuft wurde.


Der Schauplatz des grausamen Geschehens.
L. Inselmann et al., Antiquity 2024

Dennoch sind nach wie vor viele Fragen offen, da es aus dieser Zeit keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt. Die jüngste Studie, die neues Licht auf das Gemetzel wirft, beruht auf Analysen dutzender Pfeilspitzen, die am Schlachtfeld gefunden wurden. Die Pfeilspitzen seien eine Art "smoking gun'", ganz ähnlich wie Mordwaffe an einem Tatort, sagt Leif Inselmann (FU Berlin), der Hauptautor der neuen Untersuchung. Dadurch ist es möglich geworden, unter anderem mehr über die Herkunft der Kämpfer herauszufinden.


Eine der Pfeilspitzen aus dem Archiv von Mecklenburg-Vorpommern.
Leif Inselmann

Einerseits seien viele der im Tollensetal gefundenen Pfeilspitzen aus Feuerstein typisch für Nordeuropa. Andererseits weist ein großer Teil der bronzenen Pfeilspitzen Motive auf, die man eher mit südlichen Regionen wie Bayern und Mähren in Verbindung bringt, schreiben die Forschenden in der Studie, die Anfang der Woche im Fachblatt Antiquity erschienen ist.

Die Schlussfolgerung des Teams um Inselmann: An der Schlacht waren sowohl lokale wie auch weit angereiste Kämpfer beteiligt. Diese Erkenntnisse stützen sich auf frühere genetische Untersuchungen der Überreste, die darauf hindeuteten, dass einige Kämpfer nicht aus der Region stammten.

Überregionale Schlacht
Die Studie untermauert damit die Hypothese, dass es sich bei der Schlacht um einen überregionalen Konflikt handelte, bei dem eine Gruppe lokaler Krieger aus der Tollense-Region gegen Eindringlinge aus dem Süden kämpfte. Das Vorhandensein von Waffen aus dem südlicheren Mitteleuropa deutet darauf hin, dass es sich bei den Angreifern um eine organisierte Armee handelte und nicht um eine einfache Plünderungsgruppe. Zudem dürften an der Schlacht angeheuerte Söldner beteiligt gewesen sein, die möglicherweise sogar aus dem Norden Skandinaviens kamen.


Das Arsenal bisher gefundener Pfeilspitzen aus dem Tollensetal.
L. Inselmann et al., Antiquity 2024

Die genaue Ursache des Konflikts bleibt indes im Dunkeln. Einige Fachleute spekulieren, dass die Kontrolle über wichtige Handelswege eine Rolle gespielt haben könnte. Ein Damm, der den Fluss Tollense überquerte und wahrscheinlich etwa 500 Jahre vor der Schlacht gebaut wurde, könnte ein strategischer Punkt gewesen sein, der die brutale Auseinandersetzung auslöste.

Da es jedoch keine eindeutigen Hinweise auf wertvolle Ressourcen wie Metallminen oder Salz in der Region gibt, ist diese Hypothese allerdings nicht allzu schlüssig.
(Klaus Taschwer, 26.9.2024)
So brutal ging es auf dem ältesten bekannten Schlachtfeld Europas zu
 
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