Bisher vermutetes Alter der "Himmelsscheibe von Nebra" wird von Forschern angezweifelt

josef

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#1
1.000 JAHRE JÜNGER?
Forscher bezweifeln Alter der Himmelsscheibe von Nebra
Der 1999 entdeckte Sensationsfund gilt als älteste Himmelsdarstellung der Welt. Zwei deutsche Wissenschafter halten das für unwahrscheinlich

Wie alt ist die Himmelsscheibe von Nebra?
Foto: Imago/Rolf Zoellner


Zwei Forscher bezweifeln, dass sie aus derselben Zeit stammt wie weitere Fundgegenstände.
Foto: Hildegard Burri-Bayer

Sie ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde Deutschlands – und Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen: die 1999 entdeckte Himmelsscheibe von Nebra, die als älteste Himmelsdarstellung der Welt gilt. Genau das zweifeln Wissenschafter aus Frankfurt am Main und München nach neuen Analysen an. Sie halten die Himmelsscheibe zwar für echt, aber für deutlich jünger als bisher angenommen.

Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung München, und Rüdiger Krause von der Universität Frankfurt/Main haben für ihre Untersuchung die bisherigen Forschungsergebnisse und Daten zu Fundort und Fundumständen neu analysiert. Ihr Ergebnis: Das Objekt ist nicht wie bisher angenommen mindestens 3.600 Jahre alt, sondern rund 1.000 Jahre jünger. Damit müsse der Fundgegenstand der Eisenzeit zugerechnet werden und nicht der Bronzezeit – und verliere auch seinen Titel als Rekordhalter unter den Himmelsdarstellungen.

Falscher Fundort?
Die rund zwei Kilogramm schwere und im Durchmesser 32 Zentimeter große Himmelsscheibe zeigt Sonne, Mond und nach Annahmen von Archäologen wohl auch die Plejaden. Entdeckt wurde sie, zusammen mit anderen Gegenständen, 1999 von zwei Raubgräbern nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt. Diese verkauften die Funde illegal weiter, und die Himmelsscheibe wechselte mehrfach den Besitzer, ehe sie 2002 bei einem Hehler sichergestellt werden konnte. Auch die Begleitfunde wurden gesichert und die Raubgräber ausgeforscht. Sie machten später Angaben zum Fundort.

Gebhard und Krause melden nun Zweifel daran an: Sie stützen sich auf Nachuntersuchungen der Fundstelle und kommen zum Schluss, dass es sich dabei "mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um die Fundstelle der Raubgräber" handle. Es gebe zudem keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die angeblich zusammen mit der Scheibe gefundenen bronzezeitlichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammengehöriges Ensemble bilden.

Diskussion und Widerspruch
"Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen an den Objekten widersprechen eher einer Zusammengehörigkeit, als dass sie eine solche bestätigen. Betrachtet man die Scheibe – wie dann geboten – als Einzelobjekt, lässt sie sich nicht in die frühbronzezeitliche Motivwelt einfügen, eine zeitliche Einordnung in das erste Jahrtausend v. Chr. erscheint am ehesten wahrscheinlich", schreiben die Wissenschafter in ihrer Untersuchung, die nun im Fachblatt "Archäologische Informationen" erschienen ist. "Auf Grundlage dieser Gesamteinschätzung müssen sich alle bisherigen weiterführenden kulturgeschichtlichen Schlussfolgerungen und Interpretationen einer künftigen kritischen Diskussion stellen."

Das kommt freilich nicht überall gut an. Gegenüber "Zeit Online" zieht Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, die neuen Ergebnisse in Zweifel und ortet gar unwissenschaftliche Beweggründe, während Gebhard und Krause ihrem Kollegen vorwerfen, Beweisdefizite mit einem "ausgeprägten rhetorischen Hintergrund" zu kompensieren. Das letzte Wort im Streit um die 2013 zum Unesco-Dokumentenerbe erklärten Himmelsscheibe von Nebra dürfte wohl noch länger nicht gesprochen sein. (red, 3.9.2020)

Studie
Archäologische Informationen: "Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra" (PDF)

Zum Thema
Artikel auf Zeit Online
Forscher bezweifeln Alter der Himmelsscheibe von Nebra - derStandard.at
 
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#3
ARCHÄOLOGISCHER KRIMI
Neue Wende im Fachstreit um die Himmelsscheibe von Nebra
Wie alt ist die 1999 in Deutschland entdeckte berühmte Himmelsdarstellung aus Bronze und Gold? Eine neue Studie widerspricht jüngsten Behauptungen
Der Archäologie-Krimi um die berühmte Himmelsscheibe von Nebra ist um eine Wendung reicher. Seit ihrer Entdeckung gilt sie mit einem Alter von zumindest 3.600 Jahren als die älteste Himmelsdarstellung der Welt und zählt zu den bedeutendsten archäologischen Funden Deutschlands. Doch um das tatsächliche Alter der Scheibe ist unter Experten jüngst ein Streit entbrannt: Im September hatten zwei deutsche Forscher nach neuen Analysen berichtet, dass die Darstellung deutlich jünger sei als zuvor angenommen – um ganze 1.000 Jahre. Demnach stamme die Himmelsscheibe nicht aus der Bronzezeit, sondern aus der Eisenzeit. Der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt widersprach umgehend.

Die rund zwei Kilogramm schwere und im Durchmesser 32 Zentimeter große Himmelsscheibe zeigt Sonne, Mond und nach Annahmen von Archäologen vermutlich auch die Plejaden.Foto: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie/J. Lipták.
Nun widerspricht auch eine Forschungsgruppe im Fachblatt "Archaeologia Austriaca" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nach neuerlichen Untersuchungen entschieden: Die Himmelsscheibe datiere eindeutig aus der Bronzezeit, die Kollegen hätten im September mit unvollständigen und teilweise falschen oder verfälschend wiedergegebenen Daten argumentiert.



Illegale Grabungen
Die Himmelsscheibe war im Sommer 1999 von zwei Raubgräbern auf dem Mittelberg bei Nebra in Deutschland entdeckt worden. Die rund zwei Kilogramm schwere und im Durchmesser 32 Zentimeter große Himmelsscheibe aus Bronze und Gold zeigt Sonne, Mond und nach Annahmen von Archäologen vermutlich auch die Plejaden. Sie befand sich in einem Ensemble mit anderen Artefakten aus der frühen Bronzezeit, das neben der berühmten Darstellung auch zwei Schwerter, zwei Beile, zwei Armspiralen und einen Meißel umfasste.

Die Himmelsscheibe mit den übrigen Funden.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie/J. Lipták

Erst 2002 konnte dieser Schatz bei einem Hehler in Basel sichergestellt werden. Seither zähle der Fund zu den am besten untersuchten archäologischen Gegenständen Europas, wie die ÖAW mitteilte, deren Institut für Orientalische und Europäische Archäologie die Fachzeitschrift "Archaeologia Austriaca" herausgibt.

Hitzige Debatte
Im September kam dann neue Aufregung in den archäologischen Fall: Rupert Gebhard, der Direktor der Archäologischen Staatssammlung München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität, sowie Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte Europas an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hatten nach eigenen Angaben erneut Daten zur Rekonstruktion von Fundort und Begleitumständen analysiert. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Scheibe zwar echt, aber 1.000 Jahre jünger sei als bisher angenommen.


Rückseite der Himmelsscheibe von Nebra in unrestauriertem Zustand.
Foto: LKA Magdeburg

Es gebe keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die angeblich zusammen mit der Scheibe gefundenen bronzezeitlichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammengehöriges Ensemble bilden würden, argumentierten sie in einem Aufsatz. Zudem kritisierten sie Harald Meller, den Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt, er habe bisherige Beweisdefizite mit einem "ausgeprägten rhetorischen Hintergrund" kompensiert. Dieser ortete wiederum unwissenschaftliche Beweggründe bei seinen Kollegen.

Zweifelhafte Zweifel
Eine 13-köpfige Forschungsgruppe um den am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim tätigen Studien-Erstautor Pernicka weist dieses Ergebnis nun entschieden zurück. Demnach sei ohne Zweifel gesichert, dass es sich beim Mittelberg bei Nebra auch um den tatsächlichen Fundort handelt. Das dokumentierten auch aktenkundige Aussagen der Raubgräber und eines Hehlers.

Neben weiteren Anhaltspunkten fanden sich demnach im umliegenden Erdreich auch Gold- und Kupferkonzentrationen, die durch die lange Lagerung der Himmelsscheibe im dortigen Boden erklärt werden könnten. An den gehobenen Gegenständen gefundene Erdreste passten ebenfalls zum Fundort.

Das Kupfer, das bei der Herstellung der Himmelsscheibe und anderer Gegenstände verwendet wurde, stammt laut Analysen aus derselben Lagerstätte im heutigen Salzburger Land. Dort wurde das Metall nachweislich zwischen dem 18. und dem 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung produziert. Das verwendete Gold stamme aus dem Gebiet des Carnon River in Cornwall, hier sei der Abbau im 17. und 16. vorchristlichen Jahrhundert belegt.

Radiokarbondatierung stützt hohes Alter
Neben weiteren metallurgischen Befunden und Datierungen von organischen Resten an den Schwertern, die auf die Zeit um 1.600 v. u. Z. hinweisen, spreche auch die Herstellungs- und Verzierungstechnik der Scheibe gegen ein eisenzeitliches Alter. Die Darstellung eines Schiffes auf dem Artefakt sei jedenfalls Bronzezeit-typisch.

Kein Zweifel besteht für die Forschergruppe auch daran, dass die Scheibe mehrmals umgestaltet und lange verwendet wurde. Man könne aber detailliert zeigen, dass sie am Ende der frühen Bronzezeit vergraben wurde und daher zum Beginn der Eisenzeit schon lange im Boden lag.
Ob damit das letzte Wort im Streit um die Himmelsscheibe von Nebra gesprochen ist, wird sich erst zeigen. Zum Unesco-Weltdokumentenerbe zählt die berühmte Himmelsdarstellung jedenfalls schon längst, 2013 wurde ihr dieser Status zuerkannt.
(red, APA, 13.11.2020)

Aktuelle Studie
Archaeologia Austriaca: "Why the Nebra Sky Disc Dates to the Early Bronze Age. An Overview of the Interdisciplinary Results"
Studie von Gebhard und Krause
Archäologische Informationen: "Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra" (PDF)

Neue Wende im Fachstreit um die Himmelsscheibe von Nebra - derStandard.at
 

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#4
Himmelsscheibe von Nebra: Verhärtete Fronten im Streit unter Forschern
Zwei Prähistoriker aus Bayern und Hessen widersprechen jüngster Studie, wonach die Himmelssscheibe aus der Bronzezeit stammt

Nicht alle sind davon überzeugt, dass die Himmelsscheibe von Nebra aus der Bronzezeit stammt.
Foto: APA/Sebastian Willnow

Halle – Vor wenigen Tagen hat ein 13-köpfiges Forscherteam eine Studie veröffentlicht, in der Argumente angeführt werden, warum die berühmte Himmelsscheibe von Nebra mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Bronzezeit stammt. Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität, sowie Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte Europas an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, widersprechen dem heftig, kritisieren die Arbeit und sprechen von einem "wissenschaftlichen Kleinkrieg" um die Himmelsscheibe.

In dem Artikel "Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra" (Archäologische Informationen 43) behaupten Gebhard und Krause, dass der Hortfund keinen "geschlossenen Fund" darstelle, die Himmelsscheibe möglicherweise gar nicht vom ermittelten Fundort stamme und somit als Einzelfund ohne Kontext in die Eisenzeit gehöre und etwa 1.000 Jahre jünger sei als bisher angenommen.

Ruf nach abschließender Gesamtpublikation
Und sie wollen nachlegen. "Der Aufsatz der Forschergruppe macht in keiner Weise den Eindruck, dass hier eine wissenschaftliche Qualifikationssicherung stattgefunden hat. Von uns wird da noch etwas kommen", sagte Krause. Allerdings nannte er keinen konkreten Zeitpunkt. Er forderte, "dass endlich eine abschließende Gesamtpublikation vorgelegt wird, die 2008 angekündigt war".

Die Himmelsscheibe von Nebra gilt als die älteste konkrete astronomische Darstellung der Welt. Sie ist einer der bestuntersuchten archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte. "Die Scheibe stammt eindeutig aus der frühen Bronzezeit", ist Landesarchäologe Harald Meller überzeugt. Sein Forscherteam hatte vor wenigen Tagen in einem Artikel in der Wiener Fachzeitschrift "Archaeologia Austriaca" (Band 104/2020, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien), die Fakten aus ihrer Sicht vorgelegt.

"Wissenschaftlicher Kleinkrieg"
Krause hat den Eindruck, dass mit seinen Einwänden nicht angemessen umgegangen wird und spricht von einem "wissenschaftlichen Kleinkrieg". "Ich meine, wenn man sich zusammensetzen würde, dann könnte man das Ganze vielleicht auch ordentlich herunterbrechen", so Krause. Ginge es nach ihm sollte ein internationales Expertenteam zu Rate gezogen werden. Ein riesiger Kritikpunkt sind laut Krause die Erdanhaftungen an der Scheibe. Diese seien offenbar weggeworfen worden.Das Landesmuseum für Vorgeschichte kontert, dass es hier wie mit der Mondlandung sei. Da könne man die Leute, welche die Meinung vertreten, diese Landung habe nie stattgefunden, auch nicht mehr überzeugen.

Weltdokumentenerbe der Unesco
Zwei Raubgräber hatten die Bronzeartefakte am 4. Juli 1999 auf dem Mittelberg bei Nebra (Burgenlandkreis) gefunden. Zusammen mit der Himmelsscheibe steckten zwei Schwerter, zwei Beile, zwei Armspiralen und ein Meißel im Boden. Die Goldauflagen auf der fast kreisrunden Himmelsscheibe zeigen unter anderem das Sternbild der Plejaden. Seit 2013 ist die Scheibe auch Weltdokumentenerbe der Unesco.
(red, APA, 22.11.2020)

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Rätsel um den Herstellungsprozess der Himmelsscheibe von Nebra gelöst
Das Objekt wurde 1999 bei illegalen Grabungen gefunden und gilt als älteste Himmelsdarstellung. Hergestellt wurde es in einem komplexen Schmiedeprozess

Die 1999 gefundene Himmelsscheibe ist im Landesmuseum für Vorgeschichte im deutschen Halle ausgestellt. Sie dürfte aus der frühen Bronzezeit stammen und damit die älteste bekannte Himmelsdarstellung sein.
JURAJ LIPTAK

Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1999 erhitzt die Himmelsscheibe von Nebra die Gemüter. Zuerst war es die Tatsache, dass sie von Raubgräbern nahe der Stadt Nebra im deutschen Sachsen-Anhalt mit einem Metalldetektor gefunden, illegal ausgegraben und mehrmals weiterverkauft wurde. Erst 2002 wurde das Stück in einer filmreifen Undercover-Aktion unter tatkräftiger Mithilfe des Archäologen Harald Meller, der sich als Käufer ausgab, von den Schweizer Behörden in Basel sichergestellt.

Damit begann die wissenschaftliche Untersuchung des Stücks, in der Meller, Landesarchäologe im deutschen Sachsen-Anhalt, seither eine führende Rolle einnimmt. Die Aufregung über das außergewöhnliche Stück, das anhand der Beifunde auf 1600 vor Christus datiert wurde und damit die älteste bekannte Himmelsdarstellung der Welt ist, war damit allerdings nicht zu Ende.

Im Jahr 2020 zweifelten zwei deutsche Archäologen die offizielle Datierung an und schätzten sie als deutlich jünger ein, aus der Eiszenzeit und nicht aus der frühen Bronzezeit stammend. Das Argument betraf die Frage, ob die daneben gefundenen bronzezeitlichen Stücke überhaupt dazugehörten. Aufgrund der unprofessionellen Ausgrabung lasse sich das nicht mehr feststellen.

Ein Team von einem Dutzend Fachleuten um Meller konterte mit einer eigenen Studie in einem Journal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und warf den beiden Kritikern irreführende Wiedergabe der Daten vor. Inzwischen ist es um die Kritik an der Datierung wieder ruhig geworden.

Komplexer Prozess
Eine neue Studie, an der Meller erneut beteiligt war, beschäftigte sich nun mit der Herstellung der Scheibe. "Die Erkenntnisse beziehen sich auf den Guss- und Herstellungsprozess der Grundform der bronzenen Scheibe, nicht auf die Fertigung des Goldes auf der Scheibe", sagt Meller. "Es geht also um das Grundmodell der Scheibe."

Die metallografischen Untersuchungen, über die eine neue Studie im Fachjournal Scientific Reports berichtet, ergaben, dass die Himmelsscheibe in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess hergestellt wurde. Bis sie ihre endgültigen Ausmaße erreichte, waren ungefähr zehn Zyklen notwendig. Ein Zyklus umfasst das Erhitzen bis auf rund 700 Grad Celsius, das Ausschmieden und anschließendes Glühen, um das Metallgefüge wieder zu entspannen. Bronze ist eine Legierung, die hauptsächlich aus Kupfer und einem geringen Anteil an Zinn besteht.


Der Archäologe Harald Meller, hier auf einem Bild aus den 2000er-Jahren, ist einer der aktivsten Erforscher der Himmelsscheibe von Nebra.
IMAGO

Moderne Verfahren und Experiment
Neben Mikrostrukturanalysen an farbgeätzten Oberflächen mit dem Lichtmikroskop kamen zwei moderne bildgebende Verfahren zum Einsatz. Eine kleine Probe aus dem äußeren Bereich der Himmelsscheibe, die im Jahr 2002 erstmals für verschiedene archäometallurgische Forschungen entnommen und zwischenzeitlich wieder eingesetzt worden war, wurde abermals entnommen, neu untersucht und anschließend wieder eingesetzt. Zudem gab es Härtemessungen.

Der Kupferschmied Herbert Bauer aus Halle fertigte in einem experimentellen Versuch eine Replik aus einem gegossenen Rohling an. Im Ergebnis wurde klar, dass der gegossene Rohling des Originals etwas größer und dünner als derjenige gewesen sein muss, der für die Replik verwendet wurde.

"Dass die Untersuchungen auch mehr als 20 Jahre nach der Sicherstellung der Himmelsscheibe noch derart grundlegende neue Erkenntnisse erbrachten, bezeugt nicht nur einmal mehr den außergewöhnlichen Charakter dieses Jahrhundertfundes, sondern auch wie hoch die Kunst der Metallverarbeitung bereits in der Frühbronzezeit ausgeprägt war", sagt Meller.

Die Forschungen an der Himmelsscheibe fanden in Kooperation zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Lehrstuhl für metallische Werkstoffe, und der Firma Delta Sigma Analytics in Magdeburg statt.

Bronzezeitliche Untersuchung
Untersucht wurde die Himmelsscheibe allerdings nicht erst nach ihrem Fund im Jahr 1999. Das geschah bereits in der Bronzezeit, wovon eine etwa sechs Zentimeter lange und einen Millimeter tiefe Kerbe auf der Rückseite der Bronzescheibe zeugt. Die Neugierde ist verständlich, immerhin war die Scheibe 400 Jahre in Verwendung und wurde immer wieder verändert. Die Únětice-Kultur, die sie geschaffen hatte, wurde im Lauf dieser Zeit selbst zum Gegenstand von Mythen und Legenden.
(red, APA, 29.11.2024)
Rätsel um den Herstellungsprozess der Himmelsscheibe von Nebra gelöst
 
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