Lithium und seltene Erden aus Europa? Der Abbau im großen Maßstab wird noch dauern
Über Jahrzehnte hat Europa den Bergbau zurückgefahren. Im Vorjahr folgte die Kehrtwende – doch der Rückstand im globalen Wettlauf um die Rohstoffe der Zukunft macht sich bemerkbar
Wie bei so vielen Bergbauprojekten in Afrika sind chinesische Firmen maßgeblich am Lithium-Abbau in Simbabwe beteiligt. Innerhalb von drei Jahren floss mehr als eine Milliarde Dollar.
Foto: EPA / Aaron Ufumeli
Er war zu schmutzig, zu energieintensiv. Lieber ließ man die Rohstoffe anderswo gewinnen, importierte dann die veredelten Metalle. Über Jahrzehnte war der Bergbau für Europa ein Bereich, den man nur allzu gern auslagerte. Es ist eine Vernachlässigung, die sich bemerkbar macht – nicht erst, seitdem Zölle und andere Handelsbarrieren wieder en vogue sind.
Für Halbleiter braucht es Gallium, für Elektroautos Lithium und Kobalt, für Solarmodule Aluminium: Ohne diese "kritischen Rohstoffe" lässt sich weder die Energiewende noch die Digitalisierung vorantreiben. Weil die Mineralien in den Händen einiger weniger sind, hat Brüssel die Trendwende im europäischen Bergbau eingeleitet. Doch die Herausforderungen sind enorm.
Ersichtlich wird das anhand der Ziele, die sich die EU im Vorjahr mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) auferlegt hat. Zentral darin ist das Vorhaben, bis 2030 von keinem Drittstaat zu mehr als 65 Prozent abhängig zu sein. Aktuell ist das bei 16 der 28 strategischen Elemente der Fall, zeigt eine Wirtschaftsdienst-Analyse. Bei zehn davon geht es um China.
Konflikte um den Boden
Ein Beispiel: Die EU bezieht 69 Prozent ihres Bedarfs an Gallium aus dem Reich der Mitte. Ohne das Industriemetall kommt man in der Halbleiterproduktion nicht weit. Und ohne Halbleiter funktioniert weder ein Smartphone noch ein modernes Auto. Chinas Regierung weiß um die Macht, die damit einhergeht – und spielt sie aus. Exportiert werden darf nur, wenn es Xi Jinpings Beamtenapparat erlaubt. Kein anderes Land hat im vergangenen Jahrzehnt mehr solche Ausfuhrbeschränkungen erlassen.
Um weniger abhängig zu werden, hat die EU-Kommission weitere Quoten definiert. Bis 2030 will man zehn Prozent der Rohstoffe selbst gewinnen, 40 Prozent verarbeiten, ein Viertel der Mengen recyceln. Doch die Benchmarks sind rechtlich nicht bindend, erreicht werden dürften sie ohnehin wohl kaum, sind sich Branchenkenner weitestgehend einig.
Ein Grund dafür sind Nutzungskonflikte, sagt Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). "Es ist nicht so leicht, die Rohstoffquellen zu erschließen, weil das dafür benötigte Land oft nicht unbenutzt ist."
Immer wieder kommt es zu Konflikten mit der Bevölkerung. In Serbien führte der geplante und von der EU unterstützte Lithium-Abbau im Jadar-Tal zu Massenprotesten, in Portugal formierten sich Bürgerbewegungen gegen ein geplantes Großprojekt. Die Folge: Vielfach werden Projekte verschoben. Dabei lägen zwischen Entdeckung und Abbau eines Rohstoffs ohnehin zwölf bis 15 Jahre, ordnet die Rohstoffökonomin ein. "Es braucht sehr viel Startkapital, große Risikobereitschaft und einen langen Atem."
Millionen für strategische EU-Projekte
Der Investitionsbedarf geht schnell einmal in den mittleren dreistelligen Millionenbereich. Und: Wer zu wenige langfristige Abnehmer hat, ist von den Börsenpreisen abhängig, die oft gewaltig schwanken. Der Preisindex der Agentur Benchmark Minerals für Lithium etwa lag im Jänner 2023 bei sagenhaften 1247 Punkten, zwei Jahre später nur noch bei 168.
Um trotzdem Firmen für den Bergbau zu gewinnen, hat die EU-Kommission im Vorjahr eine Ausschreibung gestartet. 170 Projektwerber haben daran teilgenommen und buhlen nun darum, als "strategische Projekte" auserkoren zu werden. Damit würde sich die Genehmigung für die Extraktion auf 27 Monate verkürzen, jene für Verarbeitung und Recycling auf 15. Die Kommission unterstützt zudem auf der Suche nach Geldgebern.
Geld aus Brüssel fließt über bestehende Fonds, frisches Geld gibt es mitunter von nationalen Regierungen. Die deutsche Bundesregierung etwa hat die Förderbank KfW damit beauftragt, einen Rohstofffonds in Höhe von einer Milliarde Euro einzurichten. Die Bank beteiligt sich in Form von Eigenkapital, die Risikoabsicherung läuft über den Bund. Zwischen 50 und 150 Millionen Euro soll es pro strategisches Bergbauprojekt geben.
Deutschland am absteigenden Ast
Es sind dringend benötigte Impulse. Im Jahr 2011 waren noch 90 deutsche Bergbaufirmen im Ausland tätig, zehn Jahre später nur noch 22, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Ähnlich die Situation anderer EU-Staaten, wenngleich dort die Investitionsbereitschaft höher sei, wie die Autoren anmerken. Global betrachtet hinken alle hinterher. So verfügten Firmen aus Großbritannien über mehr ausländische Bergbaubeteiligungen und generierten mehr Umsatz als alle EU-Firmen zusammen.
Dass es keine neuen Finanzierungsinstrumente auf EU-Ebene gibt, gilt unter Experten als einer der Hemmschuhe. Bestehende Töpfe für die Industrie sind stark beansprucht, das Ausbleiben eines gemeinsamen EU-Fonds drückt zudem die Investitionsbereitschaft privater Geldgeber. Vielfach unklar ist zudem, inwieweit sich die strategischen Rohstoffpartnerschaften der EU mit Drittstaaten materialisieren. 14 dieser Abkommen sind unterzeichnet, von Kanada über Grönland bis hin nach Usbekistan und Namibia. Vielfach handelt es sich um lose Absichtserklärungen ohne klare Roadmap, lautet die Kritik.
Eine erste Bilanz hat der Europäische Rat für Auswärtige Beziehungen im Vorjahr gezogen. In dem Bericht wurden die europäisch-afrikanischen Partnerschaften untersucht. Das Ergebnis: Viele der Projekte haben sich nicht materialisiert, vielfach zögern europäische Bergbaufirmen bei ihrem Engagement – und reißen damit erneut eine Lücke zwischen Brüsseler Vorhaben und praktischer Umsetzung auf.
Weltmärkte (bleiben) von China beherrscht
Für den globalen Wettlauf um die Rohstoffe verheißt das nichts Gutes. Insgesamt ist aber ohnehin nicht damit zu rechnen, dass sich die Machtverhältnisse im Rohstoffsektor stark ändern werden, wie die Internationale Energieagentur prognostiziert. Selbst 2040 dürfte Chinas Dominanz weitgehend ungebrochen bleiben. Zu lange dauert die Durchführung neuer Projekte, zu wenig Konkretes hat bisher herausgeschaut.
Noch schwieriger wird es sein, China Marktanteile bei der Verarbeitung der Rohstoffe abzuluchsen, gilt diese doch als teuer und nicht gerade umweltschonend. Beides spricht nicht unbedingt für Europa. Energiepreise und Arbeitskosten sind im globalen Vergleich hoch, strenge Umweltstandards machen die Arbeit für die Firmen nicht leichter. So manches rohstoffreiche Land des Globalen Südens spricht bei den Nachhaltigkeitsstandards von europäischem Protektionismus. Eine von vielen Hürden, die es auf dem Weg zur Versorgungssicherheit noch zu nehmen gilt.
(Nicolas Dworak, 8.2.2025)
Lithium und seltene Erden aus Europa? Der Abbau im großen Maßstab wird noch dauern
Über Jahrzehnte hat Europa den Bergbau zurückgefahren. Im Vorjahr folgte die Kehrtwende – doch der Rückstand im globalen Wettlauf um die Rohstoffe der Zukunft macht sich bemerkbar

Wie bei so vielen Bergbauprojekten in Afrika sind chinesische Firmen maßgeblich am Lithium-Abbau in Simbabwe beteiligt. Innerhalb von drei Jahren floss mehr als eine Milliarde Dollar.
Foto: EPA / Aaron Ufumeli
Er war zu schmutzig, zu energieintensiv. Lieber ließ man die Rohstoffe anderswo gewinnen, importierte dann die veredelten Metalle. Über Jahrzehnte war der Bergbau für Europa ein Bereich, den man nur allzu gern auslagerte. Es ist eine Vernachlässigung, die sich bemerkbar macht – nicht erst, seitdem Zölle und andere Handelsbarrieren wieder en vogue sind.
Für Halbleiter braucht es Gallium, für Elektroautos Lithium und Kobalt, für Solarmodule Aluminium: Ohne diese "kritischen Rohstoffe" lässt sich weder die Energiewende noch die Digitalisierung vorantreiben. Weil die Mineralien in den Händen einiger weniger sind, hat Brüssel die Trendwende im europäischen Bergbau eingeleitet. Doch die Herausforderungen sind enorm.
Ersichtlich wird das anhand der Ziele, die sich die EU im Vorjahr mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) auferlegt hat. Zentral darin ist das Vorhaben, bis 2030 von keinem Drittstaat zu mehr als 65 Prozent abhängig zu sein. Aktuell ist das bei 16 der 28 strategischen Elemente der Fall, zeigt eine Wirtschaftsdienst-Analyse. Bei zehn davon geht es um China.
Konflikte um den Boden
Ein Beispiel: Die EU bezieht 69 Prozent ihres Bedarfs an Gallium aus dem Reich der Mitte. Ohne das Industriemetall kommt man in der Halbleiterproduktion nicht weit. Und ohne Halbleiter funktioniert weder ein Smartphone noch ein modernes Auto. Chinas Regierung weiß um die Macht, die damit einhergeht – und spielt sie aus. Exportiert werden darf nur, wenn es Xi Jinpings Beamtenapparat erlaubt. Kein anderes Land hat im vergangenen Jahrzehnt mehr solche Ausfuhrbeschränkungen erlassen.
Um weniger abhängig zu werden, hat die EU-Kommission weitere Quoten definiert. Bis 2030 will man zehn Prozent der Rohstoffe selbst gewinnen, 40 Prozent verarbeiten, ein Viertel der Mengen recyceln. Doch die Benchmarks sind rechtlich nicht bindend, erreicht werden dürften sie ohnehin wohl kaum, sind sich Branchenkenner weitestgehend einig.
Ein Grund dafür sind Nutzungskonflikte, sagt Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). "Es ist nicht so leicht, die Rohstoffquellen zu erschließen, weil das dafür benötigte Land oft nicht unbenutzt ist."
Immer wieder kommt es zu Konflikten mit der Bevölkerung. In Serbien führte der geplante und von der EU unterstützte Lithium-Abbau im Jadar-Tal zu Massenprotesten, in Portugal formierten sich Bürgerbewegungen gegen ein geplantes Großprojekt. Die Folge: Vielfach werden Projekte verschoben. Dabei lägen zwischen Entdeckung und Abbau eines Rohstoffs ohnehin zwölf bis 15 Jahre, ordnet die Rohstoffökonomin ein. "Es braucht sehr viel Startkapital, große Risikobereitschaft und einen langen Atem."
Millionen für strategische EU-Projekte
Der Investitionsbedarf geht schnell einmal in den mittleren dreistelligen Millionenbereich. Und: Wer zu wenige langfristige Abnehmer hat, ist von den Börsenpreisen abhängig, die oft gewaltig schwanken. Der Preisindex der Agentur Benchmark Minerals für Lithium etwa lag im Jänner 2023 bei sagenhaften 1247 Punkten, zwei Jahre später nur noch bei 168.
Um trotzdem Firmen für den Bergbau zu gewinnen, hat die EU-Kommission im Vorjahr eine Ausschreibung gestartet. 170 Projektwerber haben daran teilgenommen und buhlen nun darum, als "strategische Projekte" auserkoren zu werden. Damit würde sich die Genehmigung für die Extraktion auf 27 Monate verkürzen, jene für Verarbeitung und Recycling auf 15. Die Kommission unterstützt zudem auf der Suche nach Geldgebern.
Geld aus Brüssel fließt über bestehende Fonds, frisches Geld gibt es mitunter von nationalen Regierungen. Die deutsche Bundesregierung etwa hat die Förderbank KfW damit beauftragt, einen Rohstofffonds in Höhe von einer Milliarde Euro einzurichten. Die Bank beteiligt sich in Form von Eigenkapital, die Risikoabsicherung läuft über den Bund. Zwischen 50 und 150 Millionen Euro soll es pro strategisches Bergbauprojekt geben.
Deutschland am absteigenden Ast
Es sind dringend benötigte Impulse. Im Jahr 2011 waren noch 90 deutsche Bergbaufirmen im Ausland tätig, zehn Jahre später nur noch 22, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Ähnlich die Situation anderer EU-Staaten, wenngleich dort die Investitionsbereitschaft höher sei, wie die Autoren anmerken. Global betrachtet hinken alle hinterher. So verfügten Firmen aus Großbritannien über mehr ausländische Bergbaubeteiligungen und generierten mehr Umsatz als alle EU-Firmen zusammen.
Dass es keine neuen Finanzierungsinstrumente auf EU-Ebene gibt, gilt unter Experten als einer der Hemmschuhe. Bestehende Töpfe für die Industrie sind stark beansprucht, das Ausbleiben eines gemeinsamen EU-Fonds drückt zudem die Investitionsbereitschaft privater Geldgeber. Vielfach unklar ist zudem, inwieweit sich die strategischen Rohstoffpartnerschaften der EU mit Drittstaaten materialisieren. 14 dieser Abkommen sind unterzeichnet, von Kanada über Grönland bis hin nach Usbekistan und Namibia. Vielfach handelt es sich um lose Absichtserklärungen ohne klare Roadmap, lautet die Kritik.
Eine erste Bilanz hat der Europäische Rat für Auswärtige Beziehungen im Vorjahr gezogen. In dem Bericht wurden die europäisch-afrikanischen Partnerschaften untersucht. Das Ergebnis: Viele der Projekte haben sich nicht materialisiert, vielfach zögern europäische Bergbaufirmen bei ihrem Engagement – und reißen damit erneut eine Lücke zwischen Brüsseler Vorhaben und praktischer Umsetzung auf.
Weltmärkte (bleiben) von China beherrscht
Für den globalen Wettlauf um die Rohstoffe verheißt das nichts Gutes. Insgesamt ist aber ohnehin nicht damit zu rechnen, dass sich die Machtverhältnisse im Rohstoffsektor stark ändern werden, wie die Internationale Energieagentur prognostiziert. Selbst 2040 dürfte Chinas Dominanz weitgehend ungebrochen bleiben. Zu lange dauert die Durchführung neuer Projekte, zu wenig Konkretes hat bisher herausgeschaut.
Noch schwieriger wird es sein, China Marktanteile bei der Verarbeitung der Rohstoffe abzuluchsen, gilt diese doch als teuer und nicht gerade umweltschonend. Beides spricht nicht unbedingt für Europa. Energiepreise und Arbeitskosten sind im globalen Vergleich hoch, strenge Umweltstandards machen die Arbeit für die Firmen nicht leichter. So manches rohstoffreiche Land des Globalen Südens spricht bei den Nachhaltigkeitsstandards von europäischem Protektionismus. Eine von vielen Hürden, die es auf dem Weg zur Versorgungssicherheit noch zu nehmen gilt.
(Nicolas Dworak, 8.2.2025)