Arbeitserziehungs- (Gestapo-) Lager Innsbruck-Reichenau

josef

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#1
Geschichte des Gestapo-Lagers Reichenau

Im Gestapo-Lager Reichenau in Innsbruck haben während der NS-Zeit 8.500 Gefangene gelebt. Mindestens 130 Menschen wurden dort ermordet. Ein Buch widmet sich der Geschichte des Lagers, über das in Tirol wenig bekannt ist.

Das Lager stand in der Zeit des Nationalsozialismus dort, wo jetzt der Recyclinghof und die städtische Tierkörperverwertung liegen. Das Lager Reichenau stand dabei für Misshandlung, Gewalt und Tod. Erst wurden dort Zwangsarbeiter später dann politische Häftlinge und deportierte Juden auf dem Weg in den Holocaust gefangen gehalten.

Auf dem Militärfriedhof im Innsbrucker Stadtteil Pradl stößt man auf Spuren dessen, was in dem Lager passiert ist. Hier liegen Menschen begraben, die im Lager gestorben sind. Filmemacher und Historiker Johannes Breit untersuchte die Geschichte des Gestapo-Lagers Reichenau. Sein Großvater Bert Breit war mit 17 Jahren als politischer Häftling dort eingesperrt.

Zwangsarbeiter mussten Blindgänger entschärfen
Es seien dort auch Zwangsarbeiter eingesperrt, denen vorgeworfen wurde, kleinere Vergehen begangen zu haben. Sie mussten für Innsbrucker Betriebe und auch für die Stadt Innsbruck arbeiten, so Breit. Die Zwangsarbeiter des Lagers Reichenau mussten unter anderem auch in den Innauen Blindgänger entschärfen.


Todesstrafe für ein Stück Brot und Käse
Am Friedhof gibt es einen Grabstein für vier der Nazi-Mordopfer. Sie wurden von der nationalsozialistischen Lagerleitung aus nichtigem Anlass getötet, wie Breit schildert. Insgesamt wurden sieben Menschen dafür ermordet, dass sie aus einem ausgebombten Haus ein Stück Käse, ein Glas Marmelade und ein Brot nahmen. Das wisse man aus der Aussage eines Lager-Wachmanns, der beschreibt, wie er sie dabei erwischte und in das Lager zurückbrachte. Als er es dem Lagerleiter meldete, habe der ihn angewiesen, die Strafe zu exekutieren und diese Leute öffentlich aufzuhängen.


Zumindest 130 Tote im Lager
130 Tote im Lager Reichenau sind nachgewiesen. Viele von ihnen wurden in Massengräbern verscharrt und erst später exhumiert und würdig bestattet. In mehreren Nachkriegsprozessen wurden Verantwortliche zu Haftstrafen verurteilt. Später wurden sie allerdings begnadigt. Die Begnadigung der Täter, die kurze Zeit später erfolgte, sei typisch für den Umgang der Republik der Nachkriegszeit mit den Verbrechen des NS - nämlich der politischen Agenda, nach Möglichkeit alles unter den Teppich zu kehren, so Breit.


Amerikanische Soldaten versorgten nach Kriegsende „Displaced Persons“ vom Lager Reichenau - oft ehemalige Zwangsarbeiter, die aufgrund des Krieges nicht ohne fremde Hilfe in ihre Heimat hätten zurückkehren können.

Kaum jemand wisse, dass es das Lager ab, so Breit. „Es gibt einen kleinen, unscheinbaren Gedenkstein und es gibt sonst sehr wenig Bewusstsein, dass es das Lager gab, obwohl so viele Menschen Innsbruck als Ort ihrer Tortur kennen.“
Geschichte des Gestapo-Lagers Reichenau

Buchtipp:
Johannes Breit
„Das Gestapo-Lager Innsbruck Reichenau Geschichte - Aufarbeitung - Erinnerung“
Tyrolia Verlag (ISBN: 978-3-7022-3570-3)
 

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#2
NS-Lager Reichenau: Innsbruck sucht Fotos
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Die Stadt Innsbruck will die Geschichte des ehemaligen Arbeits- und Zwangsarbeiterlagers Reichenau möglichst genau dokumentieren. Da es verhältnismäßig wenige Bildquellen gibt, ersucht die Stadt um Mithilfe und bittet um Fotos aus der Kriegszeit.
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Im August 1941 wurde das Im „Arbeitserziehungslager Reichenau“, im Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Berlin in Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsamt Innsbruck errichtet.

Bis 1945 wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus ganz Europa interniert, über 100 von ihnen kamen zu Tode. Nach dem Krieg diente das Lager unter anderem für Menschen ohne oder mit niedrigem Einkommen als Unterkunft, bevor es in den siebziger Jahren abgerissen wurde.

Stadtarchiv/Stadtmuseum
Der Innsbrucker Bürgermeister Anton Melzer besucht im Jahr 1946 den Baracken-Kindergarten Reichenauer Lager

Seit Mai 2021 arbeitet eine achtköpfige Kommission aus Historikern und Experten im Auftrag des städtischen Kulturausschusses an der Erforschung des ehemaligen Arbeits- und Zwangsarbeiterlagers Reichenau.

Zu wenige Fotos von Nebenlagern und Quartieren
Der Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs, Lukas Morscher, sieht allerdings eine Schwierigkeit in der Dokumentation darin, dass es relativ wenig Bildquellen − vor allem von den über das gesamte Stadtgebiet verstreuten Nebenlagern- und Unterbringungsquartieren – gibt.

Stadtarchiv/Stadtmuseum
Feldkaplan Josef Klotz liest nach dem Zweiten Weltkrieg vor den Holzbaracken eine Heilige Messe

Die Stadt bittet deshalb die Innsbruckerinnen und Innsbrucker um Mithilfe. „Konkret suchen wir Fotos aus der Kriegszeit, auf denen Spuren des Lagers zu sehen sind. Auf Dachböden oder in Kellern gibt es vielleicht noch alte Bilder, die für eine genaue Dokumentation sehr wertvoll und wichtig sind. Es kann auch interessant sein, wenn eine Baracke nur im Hintergrund zu sehen ist“, klärte Morscher auf. Die Dokumentation soll in die Gestaltung des neuen Gedenkortes einfließen.

Geplanter Gedenkort zum NS-Lager Reichenau
Auf Basis des Berichts soll der 1972 errichtete Gedenkstein, der an die Gräuel in diesen Lagern erinnert, zu einem zeitgemäßen Gedächtnisort umgestaltet werden.
Stadtarchiv/Stadtmuseum
Blick von Süden auf Teile des Konzentrationslagers in der Reichenau. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1946, als das Lager als Flüchtlingslager diente.

Das Ziel sei eine zeitgemäße Erinnerungsform, die die Ereignisse im Lager dokumentiert und ein würdiges Gedenken an die Opfer ermöglicht, erklärte Kulturstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne). „Weil das bisher nicht möglich war, sehen die Pläne der Stadt und des Kulturausschusses des Gemeinderates die Schaffung eines neuen Gedenkortes vor.“
15.06.2022, red, tirol.ORF.at
NS-Lager Reichenau: Innsbruck sucht Fotos
 

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#3
Judenverfolgung in der „Oster-Aktion“ 1943
Vor 80 Jahren hat das NS-Regime in Tirol und Vorarlberg die Verfolgung von Jüdinnen und Juden weiter verschärft. Personen in „geschützten Mischehen“ wurden verhaftet und in das Innsbrucker Gestapo-Lager Reichenau gebracht. Diese Aktion und aktuelle Entwicklungen rund um den ehemaligen Lagerkomplex stehen derzeit im Fokus der Forschung.
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Im April 1943 ordnete Werner Hilliges, Chef der Innsbrucker Geheimen Staatspolizei (Gestapo), eine außergewöhnliche Verfolgungsaktion an. Gemeinsam mit dem nationalsozialistischen Gauleiter von Tirol-Vorarlberg, Franz Hofer, veranlasste er die Verhaftung von allen Menschen, die in sogenannten „geschützten Mischehen“ lebten.

In der Folge wurden mehr als zwei Dutzend Jüdinnen und Juden aus Tirol und Vorarlberg in das Lager Reichenau überstellt. Manche von ihnen fanden hier sowie in Konzentrationslagern den Tod, andere wurden nach öffentlichen Interventionen wieder freigelassen. Die besonders drastische und eigenwillige Verfolgungsmaßnahme der hochrangigen Innsbrucker NS-Funktionäre ging als „Oster-Aktion“ in die Geschichte ein.

Rassistisches Gesetz verbot „Mischehen“
Seit 1935 regelten die Nürnberger Gesetze die rassistische und antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus (NS). Sie legten etwa fest, wer als jüdisch eingestuft und folglich von der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen wurde. Außerdem verboten die Gesetze Eheschließungen zwischen „deutschblütigen“ bzw. „arischen“ Menschen einerseits und jenen mit jüdischer Zuschreibung andererseits.

Diese sogenannten „Mischehen“ wurden in den folgenden Jahren der NS-Herrschaft nicht zwangsläufig geschieden oder aufgelöst, sagt Nikolaus Hagen, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Die diskriminierenden Gesetze galten nur teilweise für die jüdischen Ehepartnerinnen und -partner. In gewisser Weise handelte es sich deshalb um „geschützte Mischehen“.

Zwischen Hoffen und Bangen
Als sich das NS-Terrorregime mit dem Novemberpogrom 1938 und danach weiter radikalisierte und Jüdinnen und Juden aus dem Gau zwangsweise ausgewiesen wurden, waren Betroffene in diesen „Mischehen“ vereinzelt ausgenommen. „Weil sie mit ‚arischen‘ Personen verheiratet waren, durften sie unter bestimmten Umständen in ihren Wohnungen bleiben“, meint Hagen.

Im Laufe der Kriegsjahre und mit den Deportationen in Vernichtungslager im Deutschen Reich stellte sich für Eheleute in betroffenen „Mischehen“ laufend die Frage, wie das Regime den Umgang mit ihnen auslegte. „Es war immer in der Schwebe, was mit ihnen passiert. Die Familien befanden sich deshalb stets zwischen Hoffen und Bangen“, so der Historiker. Das bedeutete konkret die Hoffnung darauf, von den Verfolgungen verschont zu bleiben bzw. das Bangen davor, dass doch noch etwas passiert.

Hofer wollte „judenfreien“ Gau
Schließlich wurde im Frühjahr 1943 klar, dass doch etwas passieren sollte. Der Innsbrucker Gestapo-Chef Werner Hilliges und Gauleiter Franz Hofer griffen zu einer drastischen Maßnahme, meint Hagen. Hofer wollte den Gau Tirol-Vorarlberg anlässlich des Geburtstages von Adolf Hitler am 20. April „judenfrei“ machen. Aus diesem Grund gingen ab dem 10. April Haftbefehle an die noch verbliebenen Jüdinnen und Juden in „geschützten Mischehen“. Sie hatten sich über die nächsten Wochen mit ein wenig Hab und Gut im Lager Reichenau bei Innsbruck einzufinden.

Zwar habe es in verschiedenen anderen Orten zuvor ähnliche Aktionen gegeben. Nichtsdestotrotz sei es laut Hagen eine außergewöhnliche Form der Verfolgung gewesen. Der Grund dafür: Das NS-Regime hatte zentral von Berlin aus keine solche Verhaftungswelle angeordnet. Es handelte sich dabei um eine regionale Initiative. Insgesamt wurden dabei 25 Personen festgenommen. Sie kamen aus verschiedenen Orten im Gau, etwa aus Bregenz, Telfs oder Innsbruck.

Aufregung führt zu Abbruch der Aktion
Auch Maria Teuber erhielt einen Bescheid zur Deportation. Sie stammte aus einer jüdischen Familie aus Berlin. Obwohl sie aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten war, galt sie in der Rassenideologie der Nazis als Jüdin in einer „Mischehe“, schildert der Historiker Philipp Lehar. Ihr Ehemann, Oskar Teuber, war ein ehemaliger k.u.k.-Offizier aus Wien und in Innsbruck sehr anerkannt. „Teubers Brüder, Emmerich und Wilhelm, waren die Gründer der Pfadfinder in Österreich und als Offiziere der Kaiserjäger ebenfalls sehr angesehen“, so Lehar.

Tiroler PfadfinderInnenarchiv
Oskar Teuber (2.v.r.) war wie seine drei Brüder ein hoch angesehener k.u.k.-Offizier und befand sich in einer „Mischehe“

Aufgrund ihres hohen Alters und aus Angst vor dem Tod in einem Konzentrationslager entschieden sich Maria und Oskar Teuber dafür, sich vor ihrer Verhaftung gemeinsam das Leben zu nehmen. Zum Begräbnis in Innsbruck seien viele ehemalige Offiziere gekommen, meint Lehar. Die drohende Deportation und der Suizid erregten großes öffentliches Aufsehen in der Stadt sowie Kritik am NS-System.

Auch bei anderen betroffenen Familien sorgten die Verhaftungen für Widerspruch. Die „arischen“ Familienmitglieder intervenierten deshalb bei der Gestapo oder bei Bürgermeistern, teilweise auch über Kontakte in Berlin. Die Aufregung in der Öffentlichkeit war daraufhin so groß, dass die eigenmächtige Maßnahme von der Reichshauptstadt per Befehl gestoppt wurde, erklärt Nikolaus Hagen.

Willkürliche Morde im Lager Reichenau
Anfang Juni wurde der Großteil der Betroffenen wieder freigelassen und die „Hilliges-Aktion“ kam zum Erliegen. Für manche war es trotzdem zu spät. Olga Quandest, geboren 1891 in Innsbruck, wurde zum Beispiel bereits am 14. Mai 1943 von Innsbruck nach Auschwitz deportiert. Zwei Monate später wurde sie dort ermordet. Ein ähnliches Schicksal ereilte Dorothea Boscowitz, die zuvor in Telfs gelebt hatte.

Der ehemalige Soldat und Innsbrucker Kaufmann Egon Dubsky war mit einer „Arierin“ verheiratet. Als Jude genoss er somit ebenfalls einen geringen Schutz in einer „Mischehe“. Ende Mai 1943 wurde er jedoch verhaftet. Zuerst landete er im Polizeigefängnis in Innsbruck und dann im Arbeitserziehungslager Reichenau. Am 2. Juni tötete ihn Gestapo-Chef Hilliges dort mit einem Schuss in den Kopf.

Stadtarchiv Innsbruck
Der ehemalige Soldat Egon Dubsky führte in Innsbruck eine Likörfabrik, bevor er Im Juni 1943 ermordet wurde

Der Mord an Dubsky verdeutlicht laut der Historikerin Sabine Pitscheider, die sich intensiv mit der Geschichte der NS-Lager in Tirol beschäftigte, die Willkür des Regimes. Egon Dubsky sei der Gestapo „einfach lästig“ gewesen, meint sie. Hilliges sei schlichtweg genervt gewesen, er habe einen Abend benützt und ihn erschossen. „Das Schlimme am Gestapo-Lager Reichenau ist die beiläufige Grausamkeit, dieser unbestrafte Sadismus, der hier passieren konnte. Man tut es, weil es nicht verboten ist, also macht man es“, so Pitscheider.

Forschung und Erinnerung zum Lagerkomplex
Gemeinsam mit dem Historiker Horst Schreiber verfasste Pitscheider eine Studie zu den Toten des Arbeitserziehungslagers Reichenau und zur Nachnutzung des Lagerkomplexes. Im Jahr 1943 habe laut ihr das Sterben in der Reichenau so richtig begonnen. Das hänge damit zusammen, dass die Wachmannschaft wechselte. Statt der SS-Männer führten Gendarmeriebeamte oder Polizisten den Dienst aus. Dabei habe sich auch die Funktion des Lagers gewandelt: von einem Auffanglager für ausländische Hilfs- und Zwangsarbeiter hin zu einem Gestapo-Lager für politische Häftlinge. Zusätzlich gab es dort auch weitere Lager der Stadt Innsbruck, der Post und der Bahn.

ORF
Das als nicht mehr zeitgemäß kritisierte Mahnmal für die Opfer der Lager in der Reichenau soll durch eine neue Gedenkstätte am Inn ersetzt werden

Nach der Befreiung 1945 erfüllten die Baracken unterschiedliche Funktionen. Sie beherbergten Vertriebene, ehemalige Nazis und später die Ärmsten der Innsbrucker Bevölkerung. Ende der 1960er Jahre entstand schließlich der städtische Bauhof. Im Jahr 1972 wurde in Erinnerung an die Verbrechen am Rand der Stadt ein Mahnmal errichtet.

Seit mehreren Jahren gab es Kritik an der unwürdigen Situation dieser Form der Erinnerungskultur neben dem Recyclinghof. Zuletzt empfahl ein Bericht einer Kommission von Expertinnen und Experten die Errichtung einer neuen Gedenkstätte – mehr dazu in Reichenau: Neues Mahnmal für NS-Opfer. Ende Februar sprach sich der Innsbrucker Gemeinderat einstimmig für eine Änderung aus. Noch vor dem Sommer soll ein künstlerischer Wettbewerb für die Neugestaltung eines Gedenkortes starten, hieß es von der zuständigen Leiterin der Kommission, Gemeinderätin Irene Heisz.

Der vorgesehene Platz dafür befindet sich an der Innpromenade in Luftlinie zum bestehenden Mahnmal. Das neue Gedenkzeichen soll schließlich eine physische Installation mit einer digitalen Vermittlung verbinden. Die von den Tiroler Nazis durchgeführte „Oster-Aktion“ vom Frühjahr 1943 dürfte darin schließlich ebenfalls vorkommen, um weiter an die Geschichte von Mord und Vertreibung in Tirol zu erinnern.
10.04.2023, Benedikt Kapferer, tirol.ORF.at
Judenverfolgung in der „Oster-Aktion“ 1943
 

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#4
Reste von NS-Lager Reichenau freigelegt
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Archäologen der Universität Innsbruck haben heuer Barackenreste auf dem Areal des einstigen NS-Lagers Reichenau in Innsbruck freigelegt. Sie stießen in etwa 1,7 Meter Tiefe auf die Unterkonstruktion einer Baracke des Reichsarbeitsdienstes (RAD).
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Bei der Unterkonstruktion im Innenbereich der Baracke habe es sich um einen Pfahlrost gehandelt, erklärt Barbara Hausmair vom Institut für Archäologien der Uni Innsbruck. Dieser bestand aus angespitzten Holzpflöcken und war in einem „regelhaften Raster“ angeordnet. „Die Außenseite der Baracke war auf einer Kombination von betonierten Punktfundamenten und massiven Holzpfählen errichtet worden“, so Hausmair.

Markus Staudt/UIBK

Bewusstes Sparen beim Baumaterial
Bei der Barackenunterkonstruktion handelt es sich laut der Archäologin um die materialsparendste Variante für RAD-Baracken. Dieses offensichtliche Einsparen von Baumaterial bei der Errichtung sei eine von vielen Facetten des NS-Lagersystems, wodurch die bewusst herbeigeführte Mangelökonomie und die schlechten Lebensbedingungen in den Zwangslagern generiert wurden.

Markus Staudt/UIBK
Nach Untersuchungen mit einem Bodenradar vor einem Jahr wurden im Mai zweiwöchige Grabungsarbeiten im letzten noch unbebauten Wiesenbereich am südlichen Ende des Recyclinghofes in der Trientlgasse durchgeführt. Auf dem Bodenradar sichtbare lineare Strukturen entpuppten sich allerdings nicht als Überreste des Lagers, sondern als Wasserleitung, die in keinem Plan verzeichnet war.

Gründliche Entfernung der Lagerbebauung
Erst nach einem massiven Paket von Planierschichten stießen die Archäologinnen und Archäologen auf die Überreste der Baracke. Das zeige auch, dass bei der Entfernung der südlichen Lagerbebauung in den 1960er Jahren sehr gründlich vorgegangen wurde und das heutige Geländeniveau etwa eineinhalb Meter höher liegt als die Oberfläche der NS- bzw. Nachkriegszeit, erklärt Hausmair.

Tiris/Land Tirol

114 Menschen nachweislich ermordet
Im „Arbeitserziehungs- und Zwangsarbeiterlager Reichenau“ wurden zwischen 1941 und 1945 etwa 8.500 Menschen, darunter zahlreiche politische Gefangene, inhaftiert, gefoltert und zur Zwangsarbeit verpflichtet, 114 Menschen wurden dort nachweislich ermordet.
25.10.2023, red, tirol.ORF.at
Reste von NS-Lager Reichenau freigelegt
 
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