1940 bis 1945 – Frische Luft im Luftschutzbunker

Geist

Worte im Dunkel
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#1
Der heutige Beitrag beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Foto, dessen Geschichte ich erzähle, sondern zeigt mit Hilfe vieler Fotos wie die Luft im Luftschutzbunker ausgetauscht und gegebenenfalls gefiltert wurde. Die in den Bildern gezeigte technische Ausstattung der Bunker stammt von der Firma „Drägerwerk Lübeck“.

Ein wichtiger Aspekt beeinflusste die Ausstattung der Maschinenräume: die Gassicherheit. Grundsätzlich mussten diese Bauwerke die Schutzsuchenden nicht nur vor Bombenwirkung schützen, sondern gegebenenfalls auch vor Kampfstoffen (Giftgasen). Da im Zweiten Weltkrieg jedoch keine Kampfstoffe im Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung zur Anwendung kamen, mussten die Gasfilter nie im Ernstfall montiert werden.

Jeder Luftschutzbunker verfügte über zwei Maschinenräume, in denen jeweils ein Normalluftlüfter und drei Gasschutzlüfter montiert waren. Mit Hilfe einer Schalttafel konnte die Art der Belüftung gesteuert werden. Hier gab es drei Möglichkeiten:
  • Normalluft
  • Schutzluft
  • Umluft
Unter „Normalluft“ verstand man die Hauptbelüftung für den Bunker während eines Fliegeralarms, bei dem nicht mit dem Abwurf von Kampfstoffen (Giftgasen) gerechnet werden musste. Hier wurde die angesaugte Luft nur durch einen Staubfilter gereinigt und anschließend in den Bunker geleitet. Diese Belüftungsvariante war darauf ausgelegt, für jeden Schutzsuchenden 300 Liter Atemluft pro Minute in den Schutzraum zu fördern.

„Schutzluft“ bezeichnete die Art der Luftzufuhr, die im Falle eines Kampfstoffangriffs in Gang gesetzt werden musste. Hier wurde die von außen angesaugte Luft nach der Vorreinigung durch den Staubfilter in die Gasschutzlüfter geleitet, wo sie durch zwei weitere Filter gereinigt wurde – einem gegen Schwebstoffe (S) und einem gegen gasförmige Kampfstoffe (G). In diesem Belüftungsmodus standen jedem Schutzsuchenden etwa 30 Liter sauberer Atemluft pro Minute zur Verfügung.

Konnte von außen keine frische Luft angesaugt werden – etwa durch Verschüttung der Ansaugöffnungen – so bestand die Möglichkeit, die Luft noch einige Stunden im „Umluft“-Modus durch den Bunker zu wälzen. Hier drohte jedoch die Gefahr einer zu hohen Kohlendioxidkonzentration, die sich durch die verbrauchte Luft hunderter Menschen stetig erhöhte.

Um die Funktionsweise der Luftversorgung zu verstehen, ist es wichtig, zwei Wege zu kennen: den Weg der Luft in den Bunker und den Weg der Schutzsuchenden in die Aufenthaltskammer. Sehen wir uns nun diese Wege genauer an.

Der Weg der Luft – ohne Kampfstoffalarm

Über Öffnungen in der Bunkerhülle wurde die Außenluft über den Normalluftlüfter in das Bauwerk gesaugt. Nachdem sie durch einen Staubfilter vorgereinigt wurde, konnte die Luft, bevor sie in den eigentlichen Schutzraum zu den sich dort aufhaltenden Menschen geleitet wurde, aufgeheizt oder gekühlt werden. Der angestrebte Temperaturbereich befand sich zwischen 17 und 24 Grad. Im Winter sollten die Bunker immer auf 16 Grad vorgeheizt werden. Durch die Körperwärme der mindestens 300, meistens aber deutlich mehr schutzsuchenden Personen, war eine Aufheizung der Frischluftzufuhr jedoch nicht nötig. Über ein entlang der Decke des Ganges durch den gesamten Bunker laufendes Hauptlüftungsrohr und die davon abzweigenden Zuleitungsrohre gelangte die Frischluft zu den einzelnen Kammern.

Der Weg der Luft – mit Kampfstoffalarm

Musste mit dem Einsatz von Kampfstoffen (Giftgasen) gerechnet werden, so konnte der Weg der Luft in den Bunker über die Gasschutzlüfter umgeleitet werden. Zuvor mussten jedoch die Aktivkohlefilter eingesetzt werden. Diese wirkten gegen Schwebstoffe und gegen Kampfstoffe, wobei der Schwebstofffilter mit einem „S“ bzw. einer technischen Bezeichnung, die mit „S“ begann gekennzeichnet war und der Kampfstofffilter mit einem „G“ oder einer technischen Bezeichnung, die mit einem „G“ begann.

Um das Eindringen gasförmiger Kampfstoffe nicht nur über die Luftansaugung zu verhindern, sondern auch über das langsame Durchdringen von Schwachstellen im Bunker, konnte ein Überdruck erzeugt werden. Dieser bewegte sich zwischen 5 und maximal 15 Millimeter Wassersäule, was etwa 0,0005 bis 0,0015 bar entsprach und sich nicht negativ auf das Empfinden der schutzsuchenden Personen auswirkte.

Um diesen Überdruck auf einem konstanten Niveau zu halten, wurden Überdruckventile eingebaut. Von diesen befand sich jeweils eines in der Wand vom Gang des Schutzraumes zur Gasschleuse, vom Maschinenraum zur Gasschleuse und von der Gasschleuse zur Treppe nach außen. Auf diese Weise pflanzte sich die Bewegung der Luft vom erhöhten Druck im Innenraum des Bunkers über die Gasschleuse nach außen fort. Durch diese nach außen fließende Bewegung des Überdrucks und die Funktionsweise des Überdruckventils war gewährleistet, dass von außen kein Gas in den Schutzraum dringen konnte. Das Kippgewicht hielt die Klappe des Ventils bis zum beim Erreichen des maximalen Überdrucks geschlossen. Erst wenn der Überdruck stärker als das Gewicht des Kippgewichts wurde, entwich der Überdruck schwallweise nach außen. Die Türen mussten während der Schutzbelüftung natürlich geschlossen bleiben.

Wollte man den Schutzraum auf Dichtheit überprüfen, so bestand die Möglichkeit, das Kippgewicht des Überdruckventils zu arretieren, sodass die Luft nicht nach außen entweichen konnte. Bildete sich dennoch kein entsprechender Überdruck, so stand fest, dass es im Bunker unbekannte undichte Stellen geben musste.

Der Weg der schutzsuchenden Menschen

Betreten Sie einen Luftschutzbunker des Zweiten Weltkrieges, so folgt kurz hinter dem Eingang eine Treppe, die in die Tiefe führt. Nachdem Sie unten angekommen sind, bricht der Gang im rechten Winkel weg, um gleich darauf wieder in der ursprünglichen Richtung weiterzuverlaufen. Etwa zwei bis drei Meter nach diesem Knick erreichen Sie nun die erste Stahltür, hinter der sich die Gasschleuse befindet. Diese hat eine Größe von etwa fünf Quadratmetern. Sie haben nun hinter sich die Schleusentür, durch die Sie gekommen sind – eine weitere führt geradeaus in den Maschinenraum, wo die Lüfter- und Filteranlagen stehen und links oder rechts von Ihnen befindet sich eine dritte Schleusentür zum Schutzraum. Dieser besteht aus 44 Kammern, die über einen rundumlaufenden Gang verbunden sind. Durch diesen Gang mussten die Menschen nun gehen, bis sie einen Platz in einer Kammer gefunden hatten, in der sie das Ende des Fliegeralarms abwarten mussten.


Blick in den Maschinenraum. Fiel der Strom aus, so musste die Außenluft über Kurbeln an den Lüftern angesaugt werden. Der Raum war vollständig mit Heraklith-Platten verkleidet.


Schalttafel im Maschinenraum zur Steuerung von Luft und Heizung

Schalttafel, Detail Luftversorgung

Schalttafel, Detail Heizung


Herstellerschild des Drägerwerks Lübeck, Zweigstelle Wien, am Heiz- und Kühlgerät


Normalluftlüfter – D.R.P. steht für „Deutsches Reichspatent“.


Staubfilteranlage – davor sind drei Gas- und Schwebstofffilter angelehnt, die im Falle eines Kampfstoffangriffes an den Gasschutzlüftern montiert werden mussten. Jeder von ihnen wiegt 22,5 Kilogramm.


Staubfilteranlage mit Absperrventil 1


Das Absperrventil 2 befand sich unterhalb der Staubfilter.

Beschriftungen an der Gasschutzlüfteranlage, hier die Absperrventile 3 und 4 und „Gasschutzlüfter“

Gasschutzlüfteranlage mit dem Hinweis, bei Gasgefahr die Filtersätze einzubauen.

So sieht eine solche Anlage mit eingesetzten Filtern aus – der obere für Schwebstoffe (S) und der untere für gasförmige Kampfstoffe (G).

Logo der Drägerwerke an der Seitenwand eines Filters für gasförmige Kampfstoffe (G)

Vorderer Teil der Beschriftung an der Seitenwand eines Filters: „G24/17 Nr. 13109/41“
„G“ ist der Hinweis darauf, dass es sich um einen Filter gegen gasförmige Kampfstoffe handelt.
„13109“ ist wahrscheinlich die individuelle Nummer des Filters.
„41“ deutet auf das Baujahr 1941 hin.

Zweiter Teil der Beschriftung an der Seitenwand des Filters: „Dräger 2063“.
Zwischen „41“ und „Dräger“ ist die weiße Spitze eines Pfeils erkennbar, die anzeigte, wie der Filter bei Gasgefahr montiert werden musste.

Unterhalb der Bunkerdecke verläuft entlang des Ganges das Hauptbelüftungsrohr mit Abzweigungen in jede Kammer.


Oberhalb der Tür zu einer der 44 Bunkerkammern ist der gefächerte Auslass für die Luftzufuhr zu erkennen.

Beschriftung „Gasschleuse“


Manometer und Überdruckventil – rechts oberhalb des Gewichtes ist der Bolzen zu sehen, mit dem das Ventil geschlossen werden kann. Die hier gezeigte Kombination aus Manometer und Überdruckventil war an der Wand zwischen Gang und Gasschleuse montiert.


Überdruckventil mit handschriftlichen Datumsangaben aus der Besatzungszeit: 24.II.54 und 3.X.54. Auch hier ist seitlich rechts der Bolzen zum Arretieren des Ventils zu sehen.

Mehr zu Luftschutzbunkern/Tiefbunkern:
1940/1941 – Die kurze Geschichte der Tiefbunker – Worte im Dunkel
Mehr zu den Jahren von 1939 bis Kriegsende:
1939 bis Kriegsende – Worte im Dunkel

Die Texte dieses Beitrags entstanden unter Zuhilfenahme folgender Bücher und Internetseiten:

Michael Foedrowitz, Bunkerwelten. Luftschutzanlagen in Norddeutschland (Berlin 2011)

Marcello La Speranza, Der zivile Luftschutz in Österreich 1919–1945. In: Republik Österreich, Bundesminister für Landesverteidigung (Hg.), Kuckucksruf und Luftschutzgemeinschaft. Der Luftschutz der Zwischenkriegszeit – Avantgarde der modernen ABC-Abwehr und des zivilen Luftschutzes (Schriftenreihe ABC-Abwehrzentrum 8, Korneuburg 2019)

Studienkreis Bochumer Bunker e.V., Bauvorgaben, Technik, online unter:
bochumer-bunker.de / Studienkreis Bochumer Bunker e.V. : eingebaut in Luftschutzbunker und anderen Luftschutzanlagen (2. März 2020)

Studienkreis Bochumer Bunker e.V., Bauvorgaben, Technik, Alarmbetrieb, online unter:
bochumer-bunker.de / Studienkreis Bochumer Bunker e.V. : im Falle eines Gasalarms (2. März 2020)

Wien Geschichte Wiki, Luftschutzbunker, online unter:
Luftschutzbunker – Wien Geschichte Wiki (2. März 2020)

Link zum Originalbeitrag: 1940 bis 1945 – Frische Luft im Luftschutzbunker – Worte im Dunkel (enthält zwei Bilder mehr als dieser Beitrag)
 
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