Sambia: Fast 500.000 Jahre alte Holzkonstruktion entdeckt

josef

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SPEKTAKULÄRER FUND
Älteste Holzkonstruktion der Geschichte entdeckt
In Sambia legte ein Team fast 500.000 Jahre alte bearbeitete Holzstämme frei. Für Homo sapiens sind die Artefakte zu alt – wer sie zu welchem Zweck schuf, bleibt unklar
Der Begriff "Steinzeit" mag suggerieren, dass der Mensch lange Zeit überwiegend Felsbrocken bearbeitet hat, um seinen Alltag zu bestreiten. Tatsächlich aber gibt es genug Gründe anzunehmen, dass vielleicht doch eher Holz das Hauptmaterial für sein konstruktives Schaffens bildete. Allein der Umstand, dass es wie die meisten anderen organischen Stoffe relativ schnell und weitgehend restlos verrottet, verschaffte den Jahrmillionen überdauernden Steinen einen Vorteil, der den archäologischen Eindruck verfälscht.

Nur in seltenen Fällen ist den Fachleuten das Glück beschert, bei ihren Grabungen auf Holzreste zu stoßen. Kommen die Umstände einer langfristigen Konservierung nicht entgegen, bleibt selbst nach wenigen Hundert Jahren kaum noch Verwertbares von hölzernen Artefakten übrig. Nur an ganz seltenen stabilen Orten, wo Trockenheit oder Wasser die zersetzende Arbeit von Mikroorganismen über Jahrtausende hinweg verhindert haben, lassen sich alte Hölzer finden.


Nun entdeckte bearbeitete Holzstücke stellen mit ihrem Alter alle bisher bekannten Holzstrukturen weit in den Schatten.
Foto: Larry Barham, University of Liverpool,

Die ältesten Holzgegenstände
An solchen Ausgrabungsorten wurden bisher auch die ältesten Beweise dafür gefunden, dass der Mensch Holz als Werkstoff oder Werkzeug benutzt hat. Das älteste bearbeitete Holzobjekt ist das Fragment eines polierten Brettes aus der altsteinzeitlichen Fundstätte Gesher Benot Ya'aqov (Israel), das auf ein Alter von 780.000 Jahre datiert wurde. Weitere Stöcke, hölzerne Werkzeuge für die Nahrungssuche und die Jagd tauchen in den archäologischen Befunden dann erst wieder vor rund 400.000 Jahren in Europa, China und möglicherweise Afrika auf. Diese Funde zeigen, dass schon frühere Mitglieder der Gattung Homo an Holzarbeiten interessiert war.

Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die es erlauben, aus Holz auch größere Strukturen zu errichten, das traute die Fachwelt bisher freilich erst dem Homo sapiens zu. Das älteste bekannte Holzbauwerk stammt aus dem Neolithikum; die rund 7.500 Jahre alte Brunnenverkleidung wurde um die Jahrtausendwende in der Nähe von Leipzig entdeckt.

Gebilde aus Holzstämmen
Vielleicht reicht die Geschichte der Holzkonstruktionen aber doch deutlich weiter zurück: Ein nun präsentierte Fund mehrerer bearbeiteter Holzstücke deutet an, dass bereits die Vorfahren des Homo sapiens in Afrika Gebilde aus Holz errichtet haben. Die Entdeckung gelang einem Team um Lawrence Barham von der Universität Liverpool bei Ausgrabungen an der archäologischen Stätte Kalambo Falls in Sambia.

Namensgebend für Kalambo Falls ist ein 235 Meter hoher Wasserfall im Tal des Kalambo River. Der Fluss bildet an dieser Stelle die Grenze zwischen Tansania im Norden und Sambia im Süden. Acht Kilometer flussabwärts ergießt sich der Kalambo in das südöstlichen Ende des Tanganjikasees.


Die Kalambo Falls zählen mit einer Höhe von 235 Metern zu den höchsten Wasserfällen Afrikas. Oberhalb dieser Stelle graben Archäologen schon seit den 1950er-Jahren nach Steinzeitrelikten.
Foto: Geoff Duller, Aberystwyth University

250 Meter flussaufwärts vom Wasserfall entfernt fanden Forschende Spuren menschlicher Besiedelung, die offenbar kontinuierlich mehrere Hunderttausend Jahre in die Vergangenheit zurückreichen. Seit den 1950er-Jahren wird dort gegraben, und immer noch gelingt es den Fachleuten, Erstaunliches zutage zu fördern. Das Gebiet steht wegen seiner archäologischen Bedeutung auf der Vorschlagsliste der Unesco für die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes.

Zum Glück unter Wasser
Das ist vor allem den besonderen Bedingungen dort zu verdanken, denn weite Teile der Grabungszonen liegen seit Jahrtausenden unter Wasser, was organischen Funden besonders zugutekommt. Deshalb konnten sich auch die jetzt im Fachjournal "Nature" vorgestellten hölzernen Entdeckungen bis heute erhalten.

Die Krönung der geborgenen Artefakte bilden zwei Holzstämme, die in einem Winkel von 75 Grad übereinanderliegen. Beide stammen von einer afrikanischen Langfädenart (Combretum zeyheri), heute ein typischer Savannenbaum. Der größere, unten liegende Stamm misst 1,4 Meter und besitzt eine U-förmige Einbuchtung an jener Stelle, über der der etwa halb so lange obere Stamm liegt.


Die älteste bekannte Holzkonstruktion besteht aus zwei Stämmen, die so geformt waren, dass sie ineinandergreifen.
Foto/Grafik: Larry Barham, University of Liverpool

Das Besondere an diesen Funden sind zahlreiche Kerben und Scharten, die man nach eingehender Analyse als fachmännische Bearbeitsungsspuren identifiziert hat, die vermutlich von Steinwerkzeugen herrühren. Die Spuren zeigen, dass hier zwei Holzstämme so bearbeitet wurden, dass man sie zusammenfügen konnte. Aber selbst das wäre noch nicht so ungewöhnlich, wenn die Stämme nicht auf ein Alter von mindestens 476.000 Jahre datiert worden wären.

Lumineszenz-Datierung
Damit habe man hier den weltweit frühesten Nachweis für die bewusste Bearbeitung und Zusammenfügung von Holzstämmen, schreiben die Forschenden. Der größte Unsicherheitsfaktor ist wie in vielen solchen Fällen die Altersbestimmung. Doch die Experten der Universität Aberystwyth in Großbritannien, die für die Datierung verantwortlich sind, haben kaum Zweifel an ihrem Resultat.

Geoff Duller und seine Gruppe nutzten neue Lumineszenz-Techniken, die Aufschluss darüber geben, wann die Mineralien im Sand, der die Funde umgab, das letzte Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. "Bei diesem hohen Alter ist die Datierung von Funden eine große Herausforderung", sagte Duller. "Unsere Datierungsmethoden ermöglichen es uns, viel weiter zurück in die Vergangenheit zu datieren als andere Techniken."

Weitere Funde
Insgesamt barg das Team in Kalambo Falls Überreste von bearbeitetem Holz aus mindestens zwei Besiedlungsphasen. Aus der älteren Phase stammen die beiden 476.000 Jahre alten kombinierten Holzstämme. Weitere kleine modifizierte Holzartefakte, darunter ein Keil und ein Grabstock, wurden in einer 390.000 bis 324.000 Jahre alten Fundschicht entdeckt.


Auch dieses rund 350.000 Jahre altes Fundstück weist Bearbeitungsspuren auf.
Foto: Larry Barham, University of Liverpool

Die Bedeutung dieser Funde lässt sich noch kaum abschätzen, bei den beteiligten Forscher haben sie jedenfalls ein Umdenken angeregt: "Dieser Fund hat meine Vorstellung über unsere frühen Vorfahren verändert", sagte Barham. "Vergessen Sie die Bezeichnung 'Steinzeit' und sehen Sie sich an, was diese Menschen geschafft haben: Sie stellten etwas Neues und Großes aus Holz her."

Frühe Sesshaftigkeit?
Die Fragen, welche Menschenart hier am Werk war und wozu ihr die Konstruktion einst gedient hat, müssen vorerst unbeantwortet bleiben. Vielleicht war die Holzstruktur aus den beiden Stämmen Teil einer Plattform oder gar das Fundament für eine Art Behausung, mutmaßen die Wissenschafter. "Klar ist jedenfalls, sie veränderten ihre Umgebung, um sich das Leben zu erleichtern, und sei es nur, indem sie ein Podest bauten, auf dem sie am Fluss sitzen konnten, um ihre tägliche Arbeit zu verrichten. Diese Leute waren uns vielleicht ähnlicher, als wir bisher dachten", sagte Barham.

Letztlich zieht die Konstruktion auch die vorherrschenden Meinungen über die Lebensweise unserer afrikanischen Vorfahren in Zweifel. Ein schweres und mühsam errichtetes Holzbauwerk passt nicht ganz zur Annahme eines altsteinzeitlichen Nomadenlebens. An den Kalambo-Fällen hatten diese Menschen nicht nur eine ganzjährige Wasserquelle, sondern auch einen nahen Wald zur Verfügung, der ihnen vielleicht genug Nahrung geliefert hat, um sich zumindest eine Weile hier niederzulassen. (Thomas Bergmayr, 21.9.2023)

Studie
Nature: "Evidence for the earliest structural use of wood at least 476,000 years ago."

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