Wien: Museum Judenplatz mit neuer Dauerausstellung über das jüdische Leben im Mittelalter

josef

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Museum Judenplatz spürt Mittelalter nach
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Dem jüdischen Leben im Mittelalter widmet das Museum Judenplatz eine neue Dauerausstellung. Denn rund um den Judenplatz war damals die erste blühende Gemeinde angesiedelt. Das Zentrum markierte dabei die Synagoge, die sich auf dem heutigen freien Platz befand.
Online seit heute, 15.44 Uhr
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„Unser Mittelalter!“ lautet der Titel der nach der Eröffnung des Museums 2000 erstmals vollends neu gestalteten Darstellung, die auch eine Wiederaneignung der Vergangenheit darstellt. Deren Traditionslinie wurde vor exakt 600 Jahren gebrochen, als am 12. März 1421 der finanziell wie religiöse motivierte herzogliche Befehl von Albrecht V. erging, über 200 Menschen der jüdischen Gemeinde zu verbrennen. Mit dieser „Gesera“ endete für lange Zeit die jüdische Geschichte an diesem Standort, an dem sie gut 200 Jahre prägend gewesen war.

Mauerreste der Synagoge restauriert
Die erste urkundliche Erwähnung eines Juden mit Wohnsitz in Wien stammt aus 1194. Wenig später siedelten sich Jüdinnen und Juden um das Areal des heutigen Judenplatzes an und bildeten hier für rund 200 Jahre eine blühende Gemeinde. Die Grundmauern der Synagoge stellen das Herzstück der neuen Dauerausstellung dar, wurden die archäologischen Funde doch zuletzt mithilfe der Stadtarchäologie restauriert und befestigt.

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APA/Roland Schlager
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Jüdisches Museum/Barbara Nidetzky

In einem eigenen, nun barrierefrei zugänglichen Raum finden sich ausgeleuchtet die Außenmauern, das Areal der abgegrenzten Frauenschul’ oder die Überreste der Bima, des Podiums der Synagoge. „Für mich ist es einer der bedeutendsten jüdischen Orte in Wien – wenn nicht überhaupt der wichtigste“, freute sich Direktorin Danielle Spera über die spirituelle Kraft des Raumes. Um auch archäologisch unkundigen Besucherinnen und Besuchern einen Eindruck zu vermitteln, gibt es eine Stele, die mittels Computersimulationen eine Überblendung des Zustandes 2021 mit den verschiedenen Phasen der Baugeschichte ermöglicht.

Geschichte des Viertels nachgezeichnet
Zugleich stellt dieses Ausgrabungsareal nur einen kleinen Teil der Schau dar, bemüht man sich doch mittels moderner Museumspädagogik, die gesamte Geschichte des Viertels nachzuzeichnen, das trotz Toren nicht mit einer Mauer umgeben und somit kein Ghetto war. Ein mittelalterliches Stadtmodell kann partiell beleuchtet werden, während ein Nachbau der Synagoge deren Erscheinungsbild deutlich macht. Alte, digital aufbereitete Stadtpläne machen es möglich, die Veränderungen am Ort nachvollziehen, wozu auch eine neue Internetapplikation mit diversen Stationen beiträgt.

Es geht aber auch um das Alltagsleben, das mittels Fundstücken bebildert ist, während man antijudaistischen Klischees begegnet, in dem durch das Verdecken mittelalterlicher Gemälde mit den Stereotypen Wucher, Ritualmord oder Hostienschändung die Wirkmacht von Bildern thematisiert. All dies ist variantenreich und spielerisch zugänglich gemacht, ohne dabei die Ernsthaftigkeit zu verlieren, wobei ein eigenes Areal für kindgerechte Vermittlung eingerichtet ist.
Dabei endet man auch nicht mit der Auslöschung 1421, sondern erzählt ebenso die weitere Geschichte des Judenplatzes, des jüdischen Lebens in Wien bis hin zur vehement geführten Debatte um die Errichtung des Holocaust-Mahnmals von Rachel Whiteread am Areal.
11.03.2021, red, wien.ORF.at/Agenturen

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