Vor 120 Jahren verunglückte der deutsche Luftfahrtpionier Otto Lilienthal

josef

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#1
Otto Lilienthal: Der Mann, der es den Vögeln gleichtat

Vor genau 120 Jahren verunglückte der deutsche Luftfahrtpionier Otto Lilienthal tödlich. Er hinterließ die Grundlage für die Verwirklichung des Traums vom Fliegen

Wien – Am 9. August 1896, einem Sonntag, bestieg Otto Lilienthal wieder einmal den Gollenberg. Zwei Jahre zuvor hatte er den damals unbewaldeten, sandigen Hügel bei Stölln im deutschen Brandenburg als Flugplatz für sich entdeckt und dort seither etliche Testflüge mit verschiedenen Gleitfliegern unternommen. An diesem Tag flog er mit seinem patentierten "Normalsegelapparat", dem ersten seriell gebauten Flugzeug der Geschichte.

Nach einigen erfolgreichen Versuchen geriet der damals wohl erfahrenste Flugzeugpilot der Welt jedoch in Turbulenzen: Augenzeugen berichteten, sein Gleiter habe sich plötzlich aufgerichtet, sei kurz in der Luft stehen geblieben und trotz vehementer Steuerungsversuche aus etwa 15 Meter Höhe abgestürzt.

Lilienthal war schwer verletzt, aber noch bei Bewusstsein, als man ihn mit einem Pferdewagen in den nächsten Ort brachte. Seinem anwesenden Flugmonteur soll er noch gesagt haben, er müsse sich nur kurz ausruhen, bevor es wieder weitergehe. Doch schon während des Weitertransports in die Berliner Universitätsklinik fiel er ins Koma. Tags darauf, am 10. August 1896, verstarb er im Alter von 48 Jahren in Berlin.

Wissenschaftlicher Wegbereiter
Otto Lilienthal hinterließ der Nachwelt nicht weniger als die Grundlagen der modernen Flugwissenschaft. "Fliegen war schon immer ein Traum des Menschen", sagt Rolf Henke, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. "Aber Lilienthal war der Erste, der den Zusammenhang zwischen Auftrieb und Widerstand wissenschaftlich anging."
Henke, der im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für Luftfahrtforschung und Technologie zuständig ist, sieht in Lilienthal den entscheidenden Impulsgeber für die rasanten Entwicklungen Anfang des 20. Jahrhunderts. "Es brauchte seine Pionierarbeit, um die Luftfahrt zum Erblühen zu bringen."

Vorbild Vogelflügel
Tatsächlich hatte der Maschinenbauingenieur Lilienthal schon in jungen Jahren erkannt, dass es ohne neue wissenschaftliche Erkenntnisse keine Fortschritte in der Luftfahrt geben konnte. Auch er wollte vor allem fliegen, stellte aber zunächst alle praktischen Versuche hintan und widmete sich, unterstützt von seinem Bruder Gustav, über zwei Jahrzehnte lang Vogelstudien, physikalischen Experimenten und aerodynamischen Messungen.

1889 erschien schließlich sein Buch "Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst", in dem er seine Forschungsresultate für die interessierte Allgemeinheit aufbereitete. Er formulierte darin bis heute gültige physikalische Beschreibungen der Tragfläche und erbrachte den Nachweis, dass gewölbte Tragflächen einen größeren Auftrieb haben als ebene. Das öffentliche Interesse war jedoch zunächst bescheiden. Noch galt vielen das "Leichter-als-Luft-Prinzip", also die Ballonfahrt und die Entwicklung leistungsfähiger Luftschiffe, als Zukunft der Luftfahrt – für Lilienthal ein Irrweg.

Beispiellose Selbstversuche
Für ihn selbst markierte das Buch den Abschluss der theoretischen Vorarbeit und den Beginn der praktischen Umsetzung seiner Studien. Im letzten Kapitel stellte er dementsprechend "noch einmal die Gesichtspunkte zusammen, nach denen die Konstruktion der Flugapparate zu erfolgen hätte, wenn die in diesem Werke veröffentlichten Versuchsresultate richtige sind".

Nach körperlichen Vorbereitungen und ersten vorsichtigen Sprungversuchen mit einem Gleitflieger-Prototyp im Garten seines Hauses begann Lilienthal 1891 endlich mit seinen Flugversuchen. Was folgte, war beispiellos: Er konstruierte insgesamt 21 Flugapparate und unternahm selbst mehrere Tausend Flüge, die er zumeist akribisch dokumentierte. 1894 ging der Normalsegelapparat in Serienproduktion und wurde mindestens neunmal verkauft. Lilienthal selbst schaffte es, mit diesem Modell Distanzen von bis zu 250 Metern zu fliegen.

"Lilienthal war natürlich nicht der erste Flieger, aber der entscheidende, dem der Durchbruch gelungen ist. Er war seiner Zeit etwa acht Jahre voraus", sagt Bernd Lukasch, Leiter des Otto-Lilienthal-Museums in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Der Physiker war schon am Aufbau des Museums in Lilienthals Heimatstadt Ende der 1980er-Jahre beteiligt und ist Autor mehrerer Publikationen zum Thema.

Gleitflieger im Windkanal
Anlässlich des zweifachen Jubiläumsjahres 2016 – 125 Jahre sind seit Lilienthals erstem dokumentiertem Flug vergangen, 120 seit seinem Tod – unternahm das DLR in Kooperation mit dem Otto-Lilienthal-Museum ein bemerkenswertes Projekt. In akribischer Kleinarbeit wurde der Normalsegelapparat originalgetreu nachgebaut und wissenschaftlich untersucht. "Es war ein sehr aufwendiger Nachbau, denn wir hatten zum ersten Mal nicht nur das Ziel, dass ein Gleiter so aussieht, sondern auch dieselben Flugeigenschaften aufweist wie das Original", sagt Lukasch. Lilienthal baute seine Apparate aus Weidenholz und Baumwollstoffen, die mit Drähten verbunden waren. Analysen von Stoffproben erhaltener Originalstücke zeigten, dass die Beschaffenheit keinem heute handelsüblichen Material entspricht – also musste man eine historische Weberei finden, die den Stoff herstellen konnte.

Im Mai wurde der fertige Flugapparat dann im größten Windkanal Europas im niederländischen Emmeloord gestestet. So konnten erstmals genaue Daten über den Normalsegelapparat ermittelt und mit Lilienthals historischen Aufzeichnungen verglichen werden. Das Ergebnis: "Es ist ein sehr gutes, stabiles Fluggerät, für die damalige Zeit geradezu ein Geniestreich", sagt Henke, der selbst beim Test dabei war. Die Flugeigenschaften glichen denen eines Schulsegelflugzeugs der 1920er- und 1930er-Jahre.

Wie aber kam es zu Lilienthals fatalem Absturz? "Es lag nicht an der Konstruktion", ist Henke überzeugt. Die wahrscheinlichste Erklärung sei ein "Sonnenbö" genannter Aufwind, der zu einem Strömungsabriss führte und den Gleiter manövrierunfähig machte. Diese Annahme deckt sich auch mit den Augenzeugenberichten. Henke: "Er hätte an dem Tag einfach nicht fliegen dürfen."

(David Rennert, 10.8.2016)
http://derstandard.at/2000042596016-628/Otto-Lilienthal-Der-Mann-der-es-den-Voegeln-gleichtat
 

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josef

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#2
Lilienthal-Gleiter im TMW

Im TMW ist ein so ein Gleiter von O. Lilienthal ausgestellt. 1898 erwarb der österreichische Flugpionier Igo Etrich 2 der fragilen Flugapparate zu Studienzwecken, 1915 überließ er das ausgestellte Objekt dem Technischen Museum Wien.

Dazu ein Textauszug aus
http://www.technischesmuseum.at/mobilitaet/themeninsel-fliegen
Zu fliegen wie ein Vogel – sich mit eigener Kraft vom Boden zu erheben, zu steuern, zu landen und zu starten, wo und wann man will –, das war im 19. Jahrhundert der Traum der Luftfahrtpioniere mit ihren waghalsigen Flugapparaten. Otto Lilienthal versuchte in der Entwicklung seiner Gleiter den Vogelflug streng systematisch nachzuahmen. Mit seinem Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ (1889) beeinflusste er Generationen junger Flugenthusiasten. Von 1889 bis zu seinem Tod im Jahr 1896 konstruierte Lilienthal insgesamt 18 Gleiter, die er ab 1894 auf dem von ihm eigens errichteten 15 Meter hohen Fliegeberg in Berlin-Lichterfelde testete. 1896 verunglückte er beim Absturz mit einem Gleiter tödlich.

Auch der österreichische Flugpionier Igo Etrich war von Lilienthals Arbeit inspiriert. Seine Etrich-Taube ist in der Mittelhalle des Museums zu bewundern. 1898 erwarb er zwei der Lilienthal-Gleiter zu Studienzwecken. Dem Technischen Museum Wien überließ er 1915 das Sturmflügelmodel. In der Ausstellung "Mobilität" wurde für diesen einzigartigen Gleiter, dessen Flügel mit lichtempfindlichen Leintüchern und alter Wäsche bespannt sind, eine neue Vitrine produziert, durch die der Gleiter besser vor Klimaschwankungen und Lichteinfall geschützt ist. Auf Augenhöhe können unsere Besucherinnen und Besuchern die fragile Schönheit dieses Gleiters bewundern und sich selbst die Frage stellen, ob sie es gewagt hätten, sich mit diesem Fluggerät vom Berg zu stürzen...
Aufnahme v. 15.04.2016 (leider durch Vitrinenstandort des "Gleiters" schlechte Qualität):
 

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