Wissenschaft:
Verschwörungstheorien sind gefährlich
Ob Chemtrails, 9/11 oder das Coronavirus: Verschwörungstheorien können gefährlich werden. 160 Wissenschafter setzten sich in einem EU-geförderten Forschungsprojekt damit auseinander und präsentierten nun umfangreiche Forschungsergebnisse. Auch Wissenschafter der Universität Innsbruck waren daran beteiligt.
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Verschwörungstheorien sind allgegenwärtig, vor allem in den Sozialen Netzwerken. An der Universität Tübingen wurden durch ein EU-gefördertes Forschungsprojekt nun umfangreiche Forschungsergebnisse präsentiert. Unter Koordination von Professor Michael Butter hatten sich im Projekt „Comparative Analysis of Conspiracy Theories" (COMPACT) seit April 2016 Wissenschafterinnen aus 40 Ländern beteiligt.
Dabei ging es darum, sich aus mehreren Perspektiven der Entstehung von Verschwörungstheorien anzunähern. Sie wurden unter anderem aus soziologischer, historischer und medienkultureller Seite betrachtet. Die Ergebnisse zeigen auch, wann Verschwörungstheorien gefährlich sind und wie sie entstehen.
In Krisenzeiten boomen Verschwörungen
Ein Stehsatz der verschwörungstheoretischen Forschung ist, dass Krisenzeiten verschwörungstheoretische Zeiten sind, sagte Claus Oberhauser, der als Wissenschafter an der Universität Innsbruck und der pädagogischen Hochschule tätig ist und an dem internationalen Forschungsprojekt beteiligt war. „Das Coronavirus betreffend befinden wir uns hinsichtlich der Verschwörungen noch im Anfangsstadium, der Höhepunkt wird erst noch erreicht werden. Dabei wird verbreitet, hinter dem Virus stecken Geheimdienste, die Pharmaindustrie, Regierungen oder auch die Medien“, sagte Oberhauser in einem Interview gegenüber dem ORF Tirol.
Misstrauen soll geschürt werden
Ziel der Verschwörungstheorien ist, Misstrauen gegen offizielle Meldungen zu schüren. Gerade in einem Fall wie Corona ist ein derartiges Misstrauen gegen offizielle Informationen aber fatal, so Oberhauser. Das bedeutet, dass Menschen nicht an die große Ansteckungsgefahr glauben und sich entgegen der Maßnahmen des Landes und der Bundesregierung verhalten. In einer derartigen Krise könnte dies zu einem großen Problem werden, so Claus Oberhauser.
Hermann Hammer/Pixabay
Eine der Verschwörungstheorien: Das Coronavirus wurde bewusst in die Welt gesetzt
Die Bedürfnisse, die hinter der Entwicklung einer Verschwörungstheorie stehen, sind ebenso Krisen. Das haben die wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben. Ob das persönliche Krisen sind, nationale oder transnationale, wie im Fall beim Corona Virus. Außerdem benötigt es zur Entstehung einer solchen Theorie eine offizielle Erklärung, der man misstrauen soll; Expertinnen, denen man unterstellen kann, sie seien Teil dieses angeblich korrupten Systems, und es muss Medien geben, denen man unterstellen kann, sie seien eine Systempresse, die nicht die Wahrheit zeige.
Wer steckt dahinter?
Menschen, die Verschwörungstheorien entwickeln, glauben, mehr zu wissen als alle anderen. Es ist ein reines Machtspiel, so das Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung. Aus psychologischen Studien weiß man, dass Verschwörungstheoretiker oft eine persönliche Krise durchgemacht haben.
Es sind oftmals Renegaten, also Abtrünnige eines Glaubens- oder Wertesystems. Darunter gibt es ehemalige Journalisten, die sich etwas zuschulden kommen haben lassen und dann in ein anderes Lager gewechselt sind und sagen können, dass sie wissen, wie Journalisten arbeiten. Auch Wissenschafter können zu Verschwörungstheoretikern werden, beispielsweise setzt sich ein berühmter Chemiker verschwörungstheoretisch mit 9/11 auseinander, sagt Oberhauser von der Universität Innsbruck.
Logik scheint oft wirkungslos
Es ist ein Irrglaube, wenn man meint, dass Fakten immer helfen, sagt Claus Oberhauser gegenüber dem ORF Tirol. Verschwörungstheorien müsste man in einem Anfangsstadium begegnen. Schreiten diese Theorien fort, helfe beinahe kein Argument mehr, so der Wissenschafter.
Den Medien kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie müssen sich selbst reflektieren und für Informationen sorgen, in dem sie Expertinnen zur Faktengewinnung zu Wort kommen lassen, so der Forscher. Es ist wichtig aufzuzeigen, wie Informationen zustande kommen, so Claus Oberhauser, Forscher an der Universität Innsbruck und der pädagogischen Hochschule.
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, kritisches Denken zu erlauben. Menschen einer Gesellschaft müssen über Hintergründe beispielsweise von 9/11 oder eines Coronavirus nachdenken dürfen. Allerdings darf dies nicht zur Destabilisierung eines Systems, zu Gerichtsverfahren oder im schlimmsten Fall zu Terrorakten führen, so das Resümee der Forscher, die an dem Projekt beteiligt waren.
Reale Krisen sind real zu bekämpfen und das gelingt nur mit Zusammenhalt und in Gemeinschaft.
05.04.2020, Helena Fröhlich, tirol.ORF.at
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