Tulln: Interessante Entdeckungen zur Stadtgeschichte bei mehreren Grabungsprojekten

josef

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#1
TULLNER STADTGESCHICHTE
Spektakulärer Fund auf Baustelle:
Das Auffinden des „Roten Turmes“ in Tulln ist ein weiterer Stein in einem historischen Puzzle riesigen Ausmaßes.

Von Doris Firmkranz. Erstellt am 01. Juli 2020

Grabungsleiterin Katharina Adametz (rechts im Bild) und Katharina Zimmermann mit Kollegen auf der Baustelle Kirchengasse.
Firmkranz

Lange Zeit herrschte Rätselraten um den sogenannten Roten Turm, seinen Standort konnte man nur erahnen. Jetzt stießen Archäologen auf die Überreste des frühneuzeitlichen Wehrturmes.

Fast zeitgleich gingen die Archäologen auf zwei verschiedenen Baustellen ans Werk: zum einen auf dem Grundstück in der Kirchengasse, wo vorher die „Alte Volksschule“ stand, zum anderen auf dem Nachbargrundstück Ecke Wilhelmstraße/Franz Josefstraße. Ersteres gehört der Stadtgemeinde, die die daneben stehende Egon Schiele Volksschule vergrößert. Das unmittelbar dahinter befindlichen Areal ist Privatbesitz. Die Eigentümer, Ilse und Thomas Kefer, bieten dort seit nunmehr sieben Jahren mit dem Projekt „Good Afternoon“ gemeinnützige Nachmittagsbetreuung für Kinder und Jugendliche an. In Kürze soll daneben das Gebäude für eine Montessori-Schule errichtet werden.


Ilse Kefer, Stadthistoriker Christoph Helfer und Bürgermeister Peter Eisenschenk vor den Überresten des Roten Turms.
NOEN

Bei Grabungsarbeiten, durchgeführt von der Firma ARDIG (Archäologischer Dienst Ges.m.b.H.) traten vor einigen Wochen die Reste des Roten Turmes zum Vorschein. „Dieser war Teil einer Eckverteidigungsanlage“, erklärt Grabungsleiter Gottfried Artner. „Er wurde als Erweiterung der mittelalterlichen Stadtbefestigung in der frühen Neuzeit, vermutlich im 16. Jahrhundert, errichtet.“

Während die Arbeiten in der Wilhelmstraße bereits abgeschlossen werden konnten, dauerten sie in der Kirchengasse Anfang dieser Woche noch an. Schicht für Schicht arbeiten sich Grabungsleiterin Katharina Adametz und ihre Kollegen, mit Unterstützung des Vereins ASINOE, vom Spät- über Hoch- und Frühmittelalter immer tiefer in Richtung Römische Antike.,

Auf ihrer Reise in die Vergangenheit fanden sie neben Resten der ehemaligen Stadtmauer, Gruben und Pfosten auch eine größere Anzahl verschiedenster Öfen als Zeugen früher Gewerbetätigkeit.

Zweites Gewerbegebiet im Osten entdeckt
Die Archäologen sind nicht überrascht. Früher war es üblich, aufgrund der meist vorherrschenden Westwetterlage Gewerbebetriebe im Osten einer Siedlung anzulegen. „Das machte man, um möglichst von Gerüchen und Dämpfen, wie sie etwa von Töpfereien oder Gerbereien ausgegangen sind, verschont zu bleiben“, erklärt Artner. Ungewöhnlich sei, dass bereits vor Jahren bei Grabungen am Areal der alten Feuerwehrschule ein Gewerbegebiet im Westen gefunden wurde.

„Bisherigen Erfahrungen zufolge glaubten wir, Gewerbe hätte sich ausschließlich im Westen Tullns angesiedelt. Jetzt müssen wir wohl die Geschichte neu schreiben“, so die Archäologen, deren Interesse sich nun auf das dritte Grabungsprojekt in der Bahnhofstraße (ehemaliges Haushaltswarengeschäft Lukas-Loley) konzentriert, mit ersten Ergebnissen ist in wenigen Wochen zu rechnen.
Spektakulärer Fund auf Baustelle
 

josef

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#2
GESCHICHTSTRÄCHTIG
Tullner Mittelalter unter dem Fußboden
Die Grabungen mit teilweise kuriosen Funden laufen gerade auf Hochtouren.

Von Doris Firmkranz. Erstellt am 05. September 2020


Fotos: NÖN, Firmkranz
Abenteuer Geschichte: Grabungsleiterin Ute Scholz vor den Resten eines großen Gebäudes aus dem Mittelalter.

Grabungsleiterin Ute Scholz dreht und wendet das etwa 7 cm lange, dem Dorn eines Gürtel ähnelnden Stück Metall, das einer der ASINOE-Mitarbeiter soeben zwischen Erde und Mauerresten ausgebuddelt hat. „Damit hat man die Bekleidung zusammengehalten“, weiß die Archäologin und verwahrt das kostbare Zeugnis mittelalterlichen Lebens.

In der Kirchengasse, auf dem Areal der alten Volksschule, zeigen sich Fundamente und Mauerwerk eines großen Gebäudes. Auch das Fundament eines Kachelofens wurde entdeckt.. Scholz ist froh, dass auf den Grabungen kein Druck lastet: „Wir sind genau im Zeitplan.“
Schicht für Schicht arbeiten sich die Archäologen in die Tiefe und reisen so immer weiter in die Vergangenheit, inzwischen ist man im 14. Jahrhundert angekommen. Wenige Meter dahinter, dort wo sich früher der Turnsaal befand, soll es noch tiefer gehen, bis zu den Römern.
„Archäologisch begleitet“ – so der Fachterminus – durch die ARDIG (Archäologischer Dienst Ges.m.b.H.) sind die Bautätigkeiten in der Bahnhofstraße. Auf dem Areal der Firma Loley entsteht dort derzeit ein Wohn- und Geschäftshaus. Bisher konnten Siedlungsspuren der jüngsten Vergangenheit bis in die Römerzeit festgestellt werden. Wenn Grabungsleiterin Nadine Geigenberger nicht vor Ort ist, betreut Gottfried Artner das Projekt, das im Juni begann und Ende September abgeschlossen sein soll.

Zwei Funde stechen besonders hervor: Das Gebiss eines Pferdes und ein unbeschadetes Hühnerei aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, das in einem Vorratsbehälter aufbewahrt worden war.

Archäologe Artner konnte die Bauherren bereits mit seiner Begeisterung anstecken. Elisabeth Salzgeber: „Es ist faszinierend, dass das Mittelalter schon wenige Zentimeter unter dem Fußboden beginnt!“
Tullner Mittelalter unter dem Fußboden
 
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