Schienengüterverkehr soll europaweit effizienter werden

josef

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#1
Digitalisierung soll Güterbahnen effizienter machen
Während der Ratspräsidentschaft 2020 will die deutsche Bundesregierung das Projekt Mittelpufferkupplung bei Zügen europaweit vorantreiben


Neue Technologien, etwa eine verbesserte Art, die Wagons miteinander zu koppeln, sollen dem Schienengüterverkehr Schub geben.
Foto: Getty Images / iStock / Artem Egorov

In Deutschland ist die auf der Schiene verladende Wirtschaft – trotz Corona-Turbulenzen – guter Dinge. Ob Einzelwagenverkehr, Gleisanschlüsse oder automatische Güterwagenkupplung: Überall wird Licht am Horizont gesehen. Das wurde bei einem vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Berlin veranstalteten Fachforum deutlich.

Der Grund: Die Bundesregierung stellt Geld für den Bahnausbau bereit. Das wiederum hat seine Ursache in der Klimaveränderung, die eine politische Hinwendung zur Schiene nicht nur in Deutschland zur Folge hat. Von 86 Mrd. Euro in den kommenden zehn Jahren ist die Rede. Mitte des Jahrzehnts sollen Folgevereinbarungen zu dieser Leistungsfinanzierung begonnen werden, um 2040 in Deutschland über ein optimales Netz zu verfügen.
Bis dahin sei auch die Digitalisierung der Bahn geplant. Auf dem Weg zur digitalen Schiene hat die Deutsche Bahn die Link2rail-Plattform geschaffen, auf der die Kunden bestellen und ihre Sendungen nachverfolgen können.

Skepsis der Experten
"Durch die Innovationen sind mehr als 100 Millionen Trassenkilometer bis 2040 zu erreichen", sagte der Digital-Manager der Deutschen Bahn, Stefan Stroh. Im Güterverkehr solle durch neue Technik vieles einfacher werden: "Die Mittelpufferkupplung ist ein ganz großes Thema, das wir vorantreiben wollen", sagte der parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 werde darauf der Schwerpunkt gelegt.

Skeptisch zeigt sich Bernd H. Kortschak, Logistikwissenschafter an der Wiener Wirtschaftsuniversität, insbesondere was den Zeithorizont von fünf Jahren für eine europaweite Umstellung betrifft.

Bereits 1970 hätten die europäischen Bahnen beschlossen, die Mittelpufferkupplung 1981 einzuführen, allerdings sei die französische Staatsbahn SNCF schon 1973 aus dem Projekt ausgestiegen, weil sie ihre Mittel lieber in den Aufbau eines TGV-Netzes stecken wollte, und habe damit das gesamte Projekt zum Scheitern gebracht, sagte Kortschak im Gespräch mit dem STANDARD.

Eine Branche in Aufbruchstimmung
Peter Reinshagen, Managing Director von Ermewa, einem zur SNCF gehörenden Logistikkonzern, hingegen versicherte bei der Veranstaltung in Berlin: "Wir sprechen jetzt über eine digitale automatische Kupplung. Ihre 28 unterschiedlichen Nutzen sind derzeit so stark, dass wir in die Richtung gehen."
Es existiert sogar schon der Begriff vom "elektrifizierten Güterwagen": Künftig sollen die einzelnen Wagons eines Zuges die Bremsprobe automatisch durchführen und an die Lokomotive melden. Das spart Zeit und die gefährliche Arbeit eines Wagenmeisters.

"Das ist die Zukunft, davon bin ich felsenfest überzeugt", sagte der Chef von GATX, einer Leasinggesellschaft für Schienenfahrzeuge, Johann Feindert. Er warnte allerdings: "Wenn sie nicht europäisch gemacht wird, wird die automatische Kupplung wieder scheitern."

Die SNCF, die bereits ein solches Modell erproben, hätten aber errechnet, dass ein digitaler Güterzug um 25 Prozent teurer sei als ein herkömmlicher, gibt Kortschak zu bedenken. "Wenn man weiß, dass die Bahn insbesondere wegen ihrer Kostenstruktur die noch verbliebenen Märkte sukzessive verloren hat, dann weiß ich nicht, inwieweit eine Verteuerung des Bahngüterverkehrs um 25 Prozent Minimum in der Lage ist, den Bahngüterverkehr wirtschaftlich am Leben zu erhalten", sagte er.

Modal Split soll angehoben werden
Dessen ungeachtet erhält auch der Einzelwagenverkehr in Deutschland wieder Rückenwind. "Es war falsch, in den Gewerbegebieten das Gleis herauszunehmen", sagte Staatssekretär Ferlemann und versprach, beim Bau künftiger Gewerbegebiete die Schiene gleich mitzuverlegen.
Der Modal Split solle in Deutschland für die Bahn von 18 auf 25 Prozent angehoben werden. "Das ist 70 Prozent mehr und eine große Herausforderung", sagte Ferlemann. Mario Carl, Geschäftsführer von Innofreight Germany, ergänzte: "Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den letzten Jahren eine so gute Aufbruchstimmung gab."

Für dieses Zuwachsszenario haben sich die Bahnspediteure und Wagenhalter eine Reihe von Innovationen ausgedacht: Der Technische Innovationskreis Schienengüterverkehr etwa tüftelt am "Competitive Rail Waggon", einem ganzen Zug aus Leichtmaterialien gebaut, aerodynamisch und leise.
Innofreight hat einen kurz gekuppelten Doppelwagen für diverse modulare Aufbauten entwickelt. Und der Hamburger Spediteur Zippel bietet eine CO2-freie Transportkette im kombinierten Verkehr an: Elektro- oder Hybridlokomotiven, mit Biomethan angetriebene Lkws.

Bedenken und Gegenvorschläge
Joachim Berends von der Bentheimer Eisenbahn wies auf das Wegbrechen des Kohlegeschäfts in der Zukunft hin und drängte zum weiteren Ausbau eines Netzes für 740 Meter lange Züge, sogar vereinzelt für mehr als 1000 Meter lange Züge. Er ist euphorisch: "So viel Spaß hatten wir in der Branche schon lange nicht mehr."

Doch auch da bremst der Wiener Logistikwissenschafter Kortschak den Optimismus: Zwar habe der Einzelwagenverkehr Potenzial, seinem Erfolg stehe aber eine überlange Beförderungszeit verglichen mit dem Lkw von 4:1 entgegen: "Diese zeitlichen Unterschiede kann die verladende Wirtschaft einfach nicht verkraften, das würde sie vom Markt verdrängen", sagte Kortschak. "Solange die Bahn Leistungen anbietet, die in ihren Grundprinzipien aus dem Jahr 1876 stammen, solange wird das Sterben im Einzelwagenverkehr weiter anhalten."

Sein Vorschlag: Verkürzung der Zugbildezeiten auf planbar eine Stunde für eine Transportentfernung zwischen 600 und 1000 Kilometern, um wieder wettbewerbsfähigen Einzelwagenverkehr anbieten zu können. Dies wäre nach Meinung Kortschaks auch ohne weitere Elektrifizierung oder Digitalisierung der Güterbahn möglich.
(Stefan May, 22.3.2020)
Digitalisierung soll Güterbahnen effizienter machen - derStandard.at
 

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#2
BAHNLOGISTIK
Digitale Technologien für den Bahngüterverkehr
Mit ihrer zunehmenden Automatisierung soll die Bahnlogistik flexibler und konkurrenzfähiger werden. Die Digitalisierung soll dabei nicht nur Abläufe, sondern auch die Einsatzweise der Güterwagons selbst erfassen

Das Zusammenstellen eines Güterzugs soll künftig durch die Digitale Automatische Kupplung maßgeblich erleichtert werden. Modellierungen zur Interaktion von Fahrzeug und Fahrweg sollen Instandhaltung und Betrieb der Züge optimieren.
Foto: Getty Images / xijian

Einen Güterzug zusammenzustellen ist ein langer, arbeitsintensiver Prozess. Er besteht aus dem Rangieren von dutzenden Wagonen, die heute noch meist via Schraubenkupplungen per Hand verbunden werden müssen, gefolgt von einer rigorosen Kontrolle der Abfahrtsbereitschaft. Bei den bis zu 740 Meter langen Zügen gegen jedes Rad zu klopfen, um zu überprüfen, ob alle Bremsen gelöst sind, kann schon einige Stunden dauern. Dazu kommen Verwaltungstätigkeiten – die reale, überprüfte Wagonfolge muss natürlich in Aufzeichnungen entsprechend abgebildet sein.

Hat man diese Prozedur vor Augen, werden die Erleichterungen, die die sogenannte Digitale Automatische Kupplung (DAK) für den Bahngüterverkehr bringen wird, klar. Bei der Technologie, die bis 2030 auch in Österreich implementiert sein soll, werden die Güterwagone samt ihren Elektrizitäts-, Daten- und Druckluftleitungen automatisch und weitgehend ohne manuelle Tätigkeiten verbunden.

Die Züge werden dank des neuen Standards, an dessen Entwicklung und europäischer Vereinheitlichung bereits seit Jahren gearbeitet wird, nicht nur schneller zusammengestellt. Die Fähigkeit zum Datenaustausch lässt einen breiten Einsatz von Sensorik zur Überwachung von Wagonen und Fracht zu. Der Bahngüterverkehr kann digital optimiert, beschleunigt und konkurrenzfähiger gemacht werden. Der fertig gekoppelte Zug wird dann wohl nur noch am Laptop kontrolliert und abfahrtsbereit gemacht.

Neues Kupplungssystem
Doch das neue Kupplungssystem ist nicht der einzige Schauplatz, an dem bei der Digitalisierung des Bahngüterverkehrs gearbeitet wird. Am Forschungszentrum Virtual Vehicle in Graz, wo man sich bereits seit etwa 15 Jahren mit Digitalisierungskonzepten rund um den Bahntransport beschäftigt, betonen Forschende die Wichtigkeit eines ganzheitlichen und umfassenden Ansatzes eines datengetriebenen Managements der Bahninfrastrukturen. Für Peter Perstel und Filip Kitanoski vom Department Rail Systems des Forschungsunternehmens beginnt die Optimierung bei den "Wechselwirkungen zwischen Wagonen, Schienen und der Umwelt".

Demzufolge gilt es nicht nur, die Züge selbst sukzessive mit smarter Technik auszustatten, sondern auch Zustand und Verhalten der – zum Teil sehr altgedienten – Infrastrukturkomponenten mit den Mitteln der Digitalisierung zu untersuchen und zu überwachen. "Unsere Modellierungen der physikalischen Gegebenheiten in diesem Bereich werden zur Grundlage einer vorausschauenden Instandhaltung sowie einer nachhaltigeren Nutzung der Anlagen", betont Department-Leiter Kitanoski.

Simulationen
Für die Entwicklung ihrer Modelle sammeln die Forschenden Daten aus dem laufenden Betrieb der Güterzüge. Sie werden durch Telematik-Einheiten und Sensoren am Drehgestell, Rahmen oder Wagenkasten der Fahrzeuge oder anhand von Lasermesssystemen entlang von Bahnstrecken erhoben.

Bei Virtual Vehicle wurde ein eigenes modulares Sensorsystem entwickelt, das sich an verschiedene Anwendungsfälle anpassen lässt. Die Daten werden zudem mit Nutzungsdaten der vermessenen Wagone – etwa Informationen über befahrene Strecken oder transportierte Tonnagen – in Verbindung gebracht.

Die Datensätze werden zu Eingangsdaten für Simulationen, die mithilfe von physikalischen Modellen und weiteren Methoden versuchen, Fragestellungen über den Zustand von Fahrzeugs- und Fahrwegskomponenten über zigtausende gefahrene Kilometer hinweg abzubilden. "Unzählige Aspekte, die im Zusammenhang mit der Fahrzeug-Fahrweg-Interaktion oder einzelnen Komponenten stehen, spielen hier eine Rolle. Sie lassen die Simulationsaufgabe extrem komplex werden", betont Perstel, der die Geschäftsentwicklung im Bereich Rail Systems bei Virtual Vehicle leitet.

Betriebsoptimierungen
"Anhand der Simulationen können dann etwa Fragen beantwortet werden, die den Verschleiß unter bestimmten Nutzungsbedingungen betreffen – beispielsweise Spurkranzveränderungen, Abflachungen oder Rissbildungen an den Rädern." Nicht nur Instandhaltungsmaßnahmen, sondern auch Betriebsoptimierungen lassen sich ableiten.

"Wir konzentrieren uns auf die virtuelle Bewertung von Schienenfahrzeugen und Infrastrukturkomponenten im Kontext des Gesamtsystems", resümiert Perstel. "Kennt man den Zustand der Wagone, kann man sie gezielter einsetzen. Strecken, Tonnage und Einsatzhäufigkeit können bewusst gewählt werden, um etwa die Einsatzdauer zu erhöhen."

Die Forschungen sollen letztendlich zu einem Bahnsystem beitragen, das den eigenen Zustand "mitdenkt". Diese virtuelle Verdoppelung des Betriebsablaufs, die oft mit dem Schlagwort eines "digitalen Zwillings" veranschaulicht wird, ist ein Kernkonzept der Digitalisierung.
Anders als bei der Automatisierung von Produktionsanlagen im Rahmen der Industrie 4.0 muss man beim Bahnverkehr aber mit der enormen Größe und weitläufigen Verteilung der Anlagen zurechtkommen – eine Mammutaufgabe, für die auch die Grazer Modellierungen oder selbst Technologiestandards wie die Digitale Automatische Kupplung nur Puzzlesteine sind. Letztendlich sorgt der hohe Automatisierungsgrad der Bahn aber für jene Flexibilität und Konkurrenzfähigkeit, die für den nachhaltigen Güterverkehr der Zukunft notwendig sind.
(Alois Pumhösel , Peter Perstel, 16.3.2022)
Digitale Technologien für den Bahngüterverkehr
 

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#3
Digitalisierung im Transit
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Tiroler Verkehrslandesrat René Zumtobel will den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Dazu müsste es allerdings zu einer Entbürokratisierung kommen, betonte er, unter anderem durch Digitalisierung.
Online seit heute, 18.01 Uhr
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Ferner bräuchte es einen „Schulterschluss aller drei Länder auf dem Korridor München-Verona“, hielt der Landesrat nach einem Abstimmungsgespräch mit seinem Südtiroler Amtskollegen Daniel Alfreider in einer Aussendung am Mittwoch fest.

Die beiden hatten sich über Transitverkehr und Bahntransport unterhalten und wollen sich für ein „Slot-System auf nationaler und europäischer Ebene stark machen, das eine Entlastung auf den Straßen und somit für die Bevölkerung entlang der Strecke sowie einen sicheren und planbaren Verkehrsfluss bedeuten kann“, führte Zumtobel aus. Die Schiene sei „jene Infrastruktur, in die wir in den kommenden Jahren, sei es auf regionaler als auch auf grenzüberschreitender Ebene, unser primäres Augenmerk legen“, unterstrich indes Alfreider.

Nur gut ein Viertel im Güterverkehr auf der Schiene
Aktuell würden noch rund 73 Prozent der Güter auf der Straße und nur 27 Prozent auf der Schiene transportiert. Die beiden Politiker waren sich einig, dass zur Verlagerung von der Straße auf die Schiene – also einen Umkehr dieses sogenannten „Modal Splits“ – eine „Entbürokratisierung der Betriebsregeln beim grenzüberschreitenden Bahnverkehr“ sowie eine „modernere Infrastruktur insbesondere an den bestehenden sowie neuen Verladeterminals“ benötigt werden, um künftig auch den Brennerbasistunnel (BBT) entsprechend auszulasten. Auch bei der Buchung und Abwicklung über Ländergrenzen hinweg bräuchte es einheitliche und einfachere Strukturen.

Digitaliserung soll planbarer machen
„Wenn es uns gelingt, die unterschiedlichen Regelungen der Länder zu harmonisieren und die Verladung zu vereinfachen bzw. zu beschleunigen, kommen wir einer Umkehr des Modal Splits näher“, fasste Zumtobel die Erkenntnisse der Unterredung zusammen. Gelingen solle dies mithilfe der Digitalisierung, die „gerade im Verkehrsbereich“ „sehr gute Möglichkeiten“ biete, um den Warenverkehr auf Straße und Schiene „planbarer zu machen“ und eine „gute und sinnvolle Auslastung sowohl auf der Straße als auch der Schiene zu ermöglichen, ohne die Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden“, so der Politiker und ehemalige ÖBB-Regionalmanager.
16.11.2022, red, tirol.ORF.at/Agenturen

Zumtobel fordert Digitalisierung im Transit
 
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