Aus manch edlem Möbelstück blitzt auch 37 Jahre nach dem Zerfall des einst größten Gmünder Arbeitgebers der Schriftzug der Firma Bobbin. Die Beharrlichkeit des Produktes wiederholt sich am Produktionsort, der seit der Pleite 1985 zu großen Teilen ungenutzt ist – mit Ausnahme etwa der Sanierung des großen Lagergebäudes an der Weitraer Straße durch Schnabl-Transporte, oder der Nutzung durch den Verein „Subetasch“.
Im Mittelteil des Areals, den die Stadt Gmünd 2012 gekauft hatte , hält der Verfall Einzug. Dächer vermoosten, Scheiben barsten, Bäume krochen aus Gebäuderitzen und Graffitis übernahmen zunehmend die Herrschaft über das, was an Mauern übrig blieb.
Storch soll es sich auf altem Strommasten bequem machen
Für ein mit Aufstieg und Fall der einst 450 Beschäftigte zählenden Möbelfabrik Bobbin in Zusammenhang gebrachtes Detail soll es noch heuer Schlag auf Schlag gehen. Der Gemeinderat vergab einstimmig den Auftrag für den Abriss des markanten Schlotes und des darunter befindlichen Heizhauses inklusive Öltank. Der Industrieschlot sei seit Jahren stark einsturzgefährdet, ein Zusammenbruch könne die in unmittelbarer Nähe befindlichen Gleise der Waldviertelbahn beschädigen, gab Infrastruktur-Stadtrat Martin Preis als Antragsteller zu bedenken.
Er erinnerte auch an jüngste Wetter-Kapriolen, als etwa lose Dachteile in umliegende Gärten verstreut wurden. Im Zuge einer statischen Begehung sei daher heuer zunächst ein Teil- und schließlich ein Komplettabbruch empfohlen worden. Mit den Abbrucharbeiten wird laut Preis auch das Storchennest am Schlot fallen.
Aber: „Um den Fortbestand der Storchenpopulation zu sichern, wird in unmittelbarer Nähe ein künstliches Nest auf einem Stahlmast errichtet.“ Die Netz NÖ GmbH habe dazu einen ehemaligen Strommasten zur Verfügung gestellt, der nun am Wirtschaftshof in der Weitraer Straße aufgestellt werden soll. Die erforderlichen Fundamentierungs-Arbeiten inklusive Aufstellung und Montage des neuen Nestes sollen durch Bauhof-Personal erfolgen.
Keine Qual der Wahl: Nur eine Firma wollte den Job
Das Interesse von Betrieben am Altbestand konnte in zwei Ausschreibungs-Runden mit dem Interesse der Graffitikünstler nicht mithalten – einzig die Kremser Firma Tiefbau Burger ließ sich zu einem Gesamtangebot für alle Arbeiten hinreißen.
Daneben gab es laut Stadtrat Preis trotz neuerlicher Nachfrage lediglich zwei Teilangebote, keines davon aus dem Bezirk. Burger nimmt für die Arbeiten etwas mehr als 35.000 Euro netto. Aktuell gehe es primär darum, die akute Gefahr im brachliegenden Areal der auf eine Desinfektionsanlage für das Flüchtlingslager im Ersten Weltkrieg zurückgehenden Bobbin-Fabrik zu entschärfen, fasst Bürgermeisterin Helga Rosenmayer gegenüber der NÖN zusammen. Hinsichtlich einer Nachnutzung der stattlichen Fläche mit immerhin auch gut 2.000 m² Bauland-Wohngebiet in bester Zentrumsnähe gebe es keine Neuigkeiten, winkt Rosenmayer ab: „Als Thema schwingt das aber an sich immer mit.“
An der Industrieruine der Bobbin versagten bekanntlich selbst die magischen Kräfte des Storches, zurückgekommen ist er dennoch jeden Frühling. Ob er das neue Nest im Bauhof auch annehmen wird, das wird sich weisen. Einfacher wird er es aber auf seiner Mission, den Menschen Glück zu bringen, dort allemal haben.