Römische Funde in Wien

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Harald 41

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#1
Älteste römische Funde im Wiener Stadtgebiet geborgen

Die Stadtarchäologie hat im dritten Bezirk bei den Bauarbeiten zur neuen Postzentrale die bisher ältesten römischen Funde im Wiener Stadtgebiet geborgen. Unter anderem wurden Schreibgeräte, Keramik und Amphoren entdeckt.

Zum ersten Mal lasse sich durch die Funde eine Mischung zwischen der spätkeltischen und der frührömischen Kultur nachweisen, sagte Karin Fischer Ausserer, Leiterin der Stadtarchäologie: „Bisher konnten wir im Stadtgebiet immer nur entweder oder, aber nie beide gemeinsam fassen.“ Neben keltischen Grubenhäusern, Brunnen, Öfen und Gruben aus der Mitte des ersten Jahrhunderts fanden sich auf der Baustelle in der Rasumofskygasse auch römische Importgüter wie Amphoren aus dem Adriaraum, Feinkeramik und Schreibgeräte - und damit auch die frühesten Zeugnisse für Schriftlichkeit im Wiener Raum.
Keltische Siedlung mit römischem Einfluss

Noch befinde man sich im Abschluss der Grabungsarbeiten, erst danach würden die Funde auch detailliert ausgewertet, berichtete die Leiterin der Stadtarchäologie. Man gehe jedoch davon aus, dass es sich um eine Siedlung hochgestellter keltischer Eliten handle, die bereits von der römischen Kultur beeinflusst waren. Von der Stellung der Siedler zeugen etwa „Tüpfelplatten“, also Tonplatten mit kleinen Vertiefungen, in denen Münzrohlinge produziert wurden, sowie Gussformen, die vermutlich zur Bearbeitung von Bronze dienten, und Werkstattreste, die auf die Perlenherstellung aus Bernstein hindeuten.
Ausgrabungen

ORF

Insgesamt habe man rund 50 Kisten an Objekten bergen können. Nach der Auswertung könne man vielleicht „mehr über das Zusammentreffen und die gegenseitige Beeinflussung der beiden Kulturen sagen“, meinte Fischer Ausserer. Grundsätzlich seien die Gebiete links und rechts des Rennwegs „eine archäologisch wichtige Zone und ein wunderbares Gratisarchiv“, denn hier schlängelte sich der Teil der Donaulimesstraße, die von Klosterneuburg nach Hainburg führte.

Die römischen Funde in der Zivilsiedlung am Rennweg datiert die Archäologin auf die Mitte des ersten Jahrhunderts. Zum Vergleich: Die Grabungen auf dem Michaelerplatz in der Inneren Stadt stammen aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert. Denn erst nach und nach kamen mit den römischen Soldaten auch die „canabae legionis“ nach Vindobona, also die zivilen Lagerdörfer rund um das Lager der Legion, in denen sich etwa Händler und - trotz Heiratsverbots - die Familien der Soldaten ansiedelten. Die Funde auf dem Michaelerplatz stammen aus einem solchen.
7.000 Jahre Geschichte auf 3.000 Quadratmetern

Die keltisch-römische Schicht ist allerdings nur eine von vielen in der Rasumofskygasse. Die ältesten gehen weit tiefer in die Wiener Stadtgeschichte zurück und stammen aus dem Frühneolithikum (ca. 5000 vor Christus). „Wir haben hier 7.000 Jahre Geschichte auf 3.000 Quadratmetern“, schilderte die Leiterin der Stadtarchäologie. Interessant für die Archäologen sind auch die Funde aus dem Mittelalter: Hier konnte man etwa einen aus mehreren Kammern bestehenden und mit kleinen Lehmbänken ausgestatteten „Erdstall“ bergen. „Erdställe treten im 13. bis 15. Jahrhundert auf, ihre Verwendung ist noch umstritten“, so Fischer Ausserer.
Ausgrabungen

ORF

Wahrscheinlich wurden sie als Lager oder unterirdische Küchen genutzt - eine Vermutung, die auch beim Landstraßer „Erdstall“ naheliegt. Denn in diesem fanden sich große Mengen an Keramik aus dem 13. und 14. Jahrhundert, von kleinen Gewürztöpfchen bis hin zu überdimensionalen Kochtöpfen. „Es könnte sich hier also um eine Art Großküche gehandelt haben“, so die Chefin der Stadtarchäologen. Die Vermutung wird auch durch einen nahe gelegenen Brunnen unterstützt. Eventuell hätten sowohl Küche als auch Wasserstelle zu dem nahe gelegenen Kloster St. Maria gehört, meinte Fischer Ausserer.

Deutlich jünger sind hingegen die Reste des Palais Mesmer aus dem 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert thronte hier eine „Galvanische Metallpapier-Fabrik“ bevor schließlich 1920 das Post- und Telegraphenamt errichtet wurde. Die Fertigstellung der neuen Postzentrale ist für 2017 geplant - mehr dazu in Abriss als Startschuss für neue Postzentrale (wien.ORF.at; 6.2.2015).
Link:

Stadtarchäologie Wien

Publiziert am 19.03.2015



Quelle:

http://wien.orf.at/news/stories/2700404/

LG Harry
 

josef

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#2
Unerwarteter Inhalt im römischen Ziegelofen in Wien-Hernals
Von eintreffenden Prognosen und gelungenen Überraschungen. Bestattungen des 8. und 9. Jahrhunderts im Stadtgebiet
Ein Archäologe, der vor Beginn einer Ausgrabung – vor allem ohne auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen – eifrig prognostiziert und recht behält, ist trotz vergleichbarer Trefferquote so wenig präkognitiv wie das Orakel von Delphi. Die erfolgreiche archäologische Prognose mag eine beeindruckende Kunst sein, es handelt sich aber weder um zynische Zufallstreffer noch um Hexerei oder Taschenspielertricks, und im Gegensatz zu besagtem Orakel sollte der Erfolg auch nicht in der Doppeldeutigkeit der Aussage liegen. Nichts anderes als das akribische und routinierte Sammeln, Verwalten und Verknüpfen von Informationen liegt solchen Vorhersagen zugrunde. Vor allem bei guter Datenlage kann das oft zu einer recht präzisen Vorstellung davon führen, was im Boden zu erwarten ist.

Als angesichts einer Ausgrabung in der Steinergasse im Wiener Bezirk Hernals Reste der römischen Ziegelproduktion "erwartet" wurden, stützte man sich dabei auf mehr als ein Jahrhundert Vorarbeiten und Beobachtungen. Die Lage der römischen Ziegelproduktion des 2. und 3. Jahrhunderts in dieser Gegend in der Nähe der auch in der Spätantike noch genutzten Straße von Vindobona nach Tulln/Comagenis war schon lange kein Geheimnis mehr. Dass der Boden zwischen Bartholomäusplatz und Steinergasse reich an römischem Ziegelmaterial war und ist, davon kann man sich leicht selbst überzeugen.

In die Natursteinmauer der Kalvarienbergkirche (siehe Foto) sind beachtlich viele römische Ziegelfehlbrände eingebaut. Im Verlauf der Ausgrabung ließen sich tatsächlich – erfreulich, aber eben nicht überraschend – zwei römische Ziegelöfen aus dem Erdreich schälen. Damit waren wir dann aber auch schon am Ende der selbstzufrieden prognostizierten Umstände angekommen. Was dann folgte, war eine handfeste Überraschung.

Der Tote im Ofen und weitere Bestattungen
In einem der Ziegelöfen fand sich das Skelett eines jungen Mannes, in der Bediengrube desselben Ofens die Bestattung einer Frau. Ein weiteres Grab kann aufgrund von sehr spärlichen Skelettresten angenommen werden. Bei der Frau fanden sich Ohrringe und eine Kette aus unterschiedlichen Glasperlen – sogar ein Fragment eines römischen Gefäßes war dazu gefädelt worden. Ein eher schlichter Keramiktopf vervollständigte das Ensemble. Das Skelett des jungen Mannes im Ofen selbst war in sehr schlechtem Zustand, die Knochen oberhalb des Beckens fast vergangen. Reste der Metallbeschläge eines hölzernen Eimers und wiederum ein kleiner Topf waren die einzigen Ausstattungsdetails. Zwischen den stark zerstörten Knochen des Oberkörpers wurden Reste eines ebenso schlecht erhaltenen Textilgewebes – Reste der Kleidung oder eines "Leichentuches" – festgestellt.

Die Fragen nach dem "Wer, Wann und Warum?"
Angaben über die zeitliche Einordnung dieser Bestattungen sind noch am einfachsten zu machen. Die Fundstücke weisen auf den Übergang vom 8. zum 9. Jahrhundert hin – "spätawarenzeitlich" sagt man da auch gern. Nach dem "Wer", also der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, zu fragen ist so sinnvoll wie die meisten ethnischen Anfragen dieser Art, zumal die Trachtbestandteile und Beigaben, die hier vorliegen, in unterschiedliche Himmelsrichtungen gleichzeitig und somit in gar keine zeigen. Die Frage nach dem Selbstverständnis dieser Menschen zu einer Zeit und an einem Ort, wo keinerlei schriftliche Quellen für hilfreiche Wissenserweiterung sorgen, ist ohnehin obsolet.

Funde aus dem 8. bzw. 9. Jahrhundert sind derzeit noch einigermaßen selten im Wiener Stadtgebiet. Ob es nun an der Tücke des (Siedlungs-)Objekts – einfache, sehr vergängliche Bauweise, vergleichsweise kleine Fundmengen – oder an den nachfolgenden Jahrhunderten mit zunehmender Bautätigkeit und deren Einflussnahme liegt: Befunde aus dieser Zeit fehlen zumeist vollkommen, und Funde sind eine Seltenheit. Einzelne Keramikfragmente, die immer wieder und auch in Hernals zutage treten, können nicht einmal als "Scherbenschleier" bezeichnet werden, sondern haben den Charakter von "Punktlandungen": Als mehrfach befundlose, mehrfach verlagerte Kleinstfragmente bezeugen sie nicht mehr als (flüchtige?) Anwesenheit.

Kommen wir zu dem "Warum". Bestattungsszenarien, die sich aufgrund ihrer Einzigartigkeit von der Norm abheben, werden gern in die Kategorie der "Sonderbestattungen" geschoben. Im nächsten Atemzug werden oft religiöse Gründe und vor allem der allzeit beliebte Kandidat "Aberglauben" bemüht. Immerhin hatte man der Frau vor dem Ofen einen Stein auf die Brust gelegt und einen weiteren kleinen Stein in eine Augenhöhle gedrückt – den jungen Mann könnte man aus Gründen der sicheren Verwahrung in die Ofenreste gelegt haben. Angst vor Wiedergängern? Das soll es gegeben haben. Über die Zeiten und Kulturen hinweg wurden immer wieder auffällige Bestattungsszenarien in diese Richtung interpretiert. Vorsicht ist hier aber vor allem deswegen geboten, weil wir über die generellen Glaubensvorstellungen dieser Leute nichts wissen – wie sollen wir also seriöse Thesen über deren Jenseitsvorstellungen oder gar die Angst vor unwillkommenen Wiederkehrern aufstellen?

Der Umgang mit römischen Überresten
Auch wenn es für die Bestattung im Ziegelofen keinen direkten Vergleich gibt, passt sie doch in ein größeres Schema. Bald nach Abzug der Römer im 5. Jahrhundert und dem beginnenden Ruin ihres baulichen Erbes entstand eine Tendenz, in diesen römischen Ruinen zwar nicht unbedingt zu siedeln, aber zu bestatten. Bemerkenswert daran ist zweierlei. Zum einen hielt diese Vorgehensweise im Wiener Raum vom 6. bis circa ins 10. Jahrhundert an, und zum anderen vereinte sie unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit wohl auch recht unterschiedlichen Glaubensvorstellungen in zumindest einem Punkt: einer "interessanten Umgangsweise" mit den römischen Überresten.

Was auch immer man in diesen verfallenden Bauten sah – eine gewisse Anziehungskraft übten sie aus. Immerhin konnte sich die menschliche Fantasie nach dem Ende der römischen Präsenz in unseren Breiten das erste Mal mit einem bis dato noch nie dagewesenen Phänomen auseinandersetzen: Eine beachtliche Ruinenlandschaft lud zum praktischen, siedlungstechnischen Nutzen ebenso ein wie als Projektionsfläche für Schemen aus weniger logikerhellten Bereichen des menschlichen Innenlebens. Für einige Jahrhunderte hatten die Schemen dabei die Nase vorn. (Ingeborg Gaisbauer, 24.5.2018)

Ingeborg Gaisbauer studierte Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universität Wien. Sie ist als Archäologin bei den Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie tätig.

Links

foto: stadtarchäologie wien
Kalvarienbergkirche mit römischen Ziegelfehlbränden


foto: stadtarchäologie wien
Die römischen Ziegelöfen

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https://derstandard.at/2000080166217/Unerwarteter-Inhalt-im-roemischen-Ziegelofen-in-Wien-Hernals
 

josef

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#3
PORTA DECUMANA
Reste des Südtores des Römerlagers Vindobona entdeckt
Archäologischer Fund bei Aufgrabungen für Fernkälteleitung vor Meinl am Graben in Wien

Beim Meinl am Graben in der Wiener Innenstadt kamen Reste eines Stadttors aus der Römerzeit ans Licht.
Foto: APA/WIEN MUSEUM

Archäologen ist beim Meinl am Graben in der Wiener City ein spektakulärer Fund gelungen: Die Forscher legten die Überreste eines Stadttors aus der Römerzeit frei. Die entdeckten Steine stammen vom ehemals südlichen Tor des Legionslagers Vindobona, der Porta Decumana. Sie sollen nun restauriert und untersucht werden, die Erkenntnisse werden ab 2023 in die neue Dauerausstellung des bis dahin renovierten und erweiterten Wien Museums einfließen.

Grabungen im Graben/Tuchlauben
Die Torreste wurden im Rahmen laufender Bauarbeiten für eine Fernkälteleitung im Bereich Graben/Tuchlauben gefunden, die von der Stadtarchäologie begleitet werden. Die entdeckten Steine stammen baulich vom südlichen Tor des Legionslagers und der anschließenden Lagermauer. Erste geologische Untersuchungen sowie ihre Analogie zu den Römischen Legionstorsteinen, die im Römermuseum ausgestellt sind, haben das bestätigt.

Rekonstruierter Plan des Legionslagers Vindobona. Das Südtor, die Porta Decumana, befindet sich am unteren Bildrand.
Grafik: Veleius

Umbau im Mittelalter
Gefunden wurden sie allerdings in dem mittleren der drei Legionslagergräben, die zur Verteidigung des dahinterliegenden Legionslagers dienten. Das deutet darauf hin, dass das Tor im Mittelalter, als sich die Eingangssituation in die Stadt veränderte und das Peilertor errichtet wurde, umgebaut und manche Bauteile zur Aufschüttung der Gräben verwendet wurden, gab das Wien Museum bekannt.

Erste Funde des betreffenden Tores wurden bereits vor zwei Jahren gemacht. Damals musste der Straßenbereich infolge eines Gasgebrechens aufgegraben werden.
(red, APA, 17.6.2021)

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Reste des Südtores des Römerlagers Vindobona entdeckt
 

josef

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#4
ZEITREISE AUF DER BAUSTELLE
Überraschungsfunde für die Archäologie dank Wiener U-Bahn-Ausbau
Nicht nur rund um das neue Linienkreuz U2/U5 stoßen Fachleute auf Masken, Käsesiebe und Öfen aus der Römerzeit, die die Stadtgeschichte umschreiben

Während die Landesgerichtsstraße für die U5 fit gemacht wird, dokumentiert die Stadtarchäologie die Spuren der Vergangenheit.
Foto: Christian Fischer

Der Presslufthammer rattert, der Kran dreht sich, Baustellenstaub legt sich über die abgesperrte Straße. Nach Lärm und Umleitungen kommt im Idealfall zumindest eine bessere Verkehrsanbindung heraus, wie beim aktuellen U-Bahn-Netzausbau in Wien. Und die massiven Baugeräte, die gerade vom Schottentor bis zum Matzleinsdorfer Platz für die künftige U5 im Einsatz sind, üben ihre Faszination nicht nur auf den Pensionisten und das kleine Mädchen aus, die auf ihrem Spaziergang durch die Streben des Bauzauns lugen. Doch bevor aufgebaut wird, ist Personal im Einsatz, das mit leichterem Werkzeug hantiert – Schaufeln, Kellen und Handbesen. Die Stadtarchäologie Wien rückt wieder aus.

Unter geschäftigen Grätzeln lauert Geschichte
Und das meist unter Druck: Für Rettungsgrabungen ist die Zeit knapp, um Baupläne nicht zu sprengen. Auf offener Baustelle ist die Archäologin wie der Rohrleitungsbauer dem Wetter ausgesetzt, bei Hausstabilisierungen – wie sie beim U-Bahn-Ausbau nötig sind – in finsteren Kellern unterwegs. Dabei trägt sie große Verantwortung: Entgeht ihrem Blick ein Indiz, das etwa auf historische Gebäudemauern oder Gräber hinweist, können wichtige Funde zerstört oder übersehen werden.

Die interaktive ArcGIS-Karte, die sich auch hier aufrufen lässt, zeigt, wo entlang der neuen U2 sowie der vorläufigen, kurzen U5-Strecke Grabungen und Hausertüchtigungen archäologisch betreut werden und wurden. Ein Klick auf den Doppelpfeil zeigt die Kartenlegende.
Ganz auf sich allein gestellt sind die Fachleute aber nicht. Seit dem 17. Jahrhundert werden für die Archäologie der Stadt Wien Archivdaten gesammelt. Auf deren Basis lässt sich abschätzen, in welcher Tiefe in den jeweiligen Bezirken und Grätzeln Überreste von der Neu- bis in die Steinzeit unter der Erde lauern könnten. Dann erst wird Hand angelegt: "Wir gehen praktisch mit unseren Werkzeugen in der Geschichte zurück", sagt Fischer Ausserer.

7000 Jahre in die Vergangenheit
Das bedeutet nicht, dass in den tiefsten Schichten auch die ältesten Spuren zu finden sind. Immerhin baute beispielsweise die Wiener Bevölkerung der Neuzeit tiefe Keller und störte damit bereits Funde aus mittelalterlicher und römischer Zeit – oder noch ältere Relikte. Die frühesten Spuren menschlicher Siedlungen auf dem Stadtgebiet reichen ungefähr 7000 Jahre zurück und wurden erst vor sieben Jahren entdeckt: Im Zuge des Baus der neuen Post am Rochusplatz stießen die Fachleute hier, mitten im dritten Bezirk, auf ein neusteinzeitliches Langhaus.

In den tiefsten Schichten, die für den U-Bahn-Tunnelbau erreicht werden, ist nicht mit menschlichen Spuren zu rechnen, weshalb die Zonen in bis zu 30 Meter Tiefe nicht von der Stadtarchäologie betreut werden. Spannender ist es dort, wo an der Oberfläche neue Stationen entstehen, für die Erde aufgegraben wird – etwa an der künftigen U5-Station Frankhplatz am Anfang der Alser Straße.


Am Frankhplatz – nur ein paar Meter von einem aktuellen Einsatzort der Stadtarchäologie entfernt – wurden in den vergangenen Jahren bereits Mauerreste und Spuren römischer Öfen ausgegraben.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Spuren im Gesicht der Stadt
Diese Straße könnte nicht nur in Neuzeit und Mittelalter eine wichtige Verkehrsader gewesen sein, wie hunderte Jahre alte Spurrillen unter dem Asphalt zeigen. Die Vermutung liegt nahe, dass ihr Vorläufer wohl schon zur Zeit des römischen Legionslagers Vindobona zu einer Ziegelei im heutigen 17. Bezirk führte. So könnte im Jahr 200 eine Karrenfahrt mit baufertigen Ziegeln in der Gegend um den Elterleinplatz begonnen haben: Ein Ochse zieht die schwere Last vorbei an einem Gräberfeld bis hin zu jenem Werkstätten- und Wohngebiet, dessen Spuren nun entdeckt wurden. Eine Straße, die wie viele andere Strukturen aus dieser Epoche bis heute in gewisser Weise "im Gesicht der Stadt erhalten geblieben ist", sagt Fischer Ausserer. Obgleich das meiste mittlerweile ganz anders aussieht.

In ganz Wien finden sich historische bis prähistorische Spuren, die teilweise in die Steinzeit zurückreichen. Auf dieser interaktiven Karte, die auch auf "Wien Kulturgut: Stadtarchäologie" zu finden ist, sind bisher identifizierte antike Areale und Straßen markiert. Das römische Legionslager (rot) ist halb von der Lagervorstadt (canabae legionis; orange) umgeben. Diese ragte weiter in Richtung Ziegelei (braun; im Westen, entlang der roten Straße) als bisher gedacht. Die Vollversion zeigt mehr Details – auch zu anderen Epochen – und einzelne Fundstätten.

An der Ecke Landesgerichtsstraße – wo übrigens vor wenigen Jahrzehnten für eine Weile die Unterpflaster-Straßenbahn fuhr – sind die archäologischen Arbeiten noch nicht ganz abgeschlossen. Die Grabung auf der gegenüberliegenden Seite der Alser Straße enthüllte bereits mittelalterliche Keller und Reste der Alser Kaserne, die hier bis 1912 stand. Zudem kamen Öfen aus der Römerzeit zum Vorschein, in denen man wohl Metall verarbeitete.


Zu den besonderen Funden vom Frankhplatz gehört diese Komödienmaske aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert ...
Foto: Stadtarchäologie Wien

Karte der Römerzeit neu zeichnen
Wo genau die gefundene tönerne Theatermaske als Zierobjekt angebracht war, steht im Mittelpunkt weiterer Forschung. Auch eine Metallschließe und Siebe, in denen Frischkäse hergestellt wurde, haben als Zeugen der damals lebenden Menschen rund 1800 Jahre überdauert. "Das Sensationelle daran ist: Wir wissen dadurch, dass die 'Canabae legionis', die Vorstadt des Legionslagers, nicht bei der Votivkirche aufhörte", sagt Fischer Ausserer. "Sie ging noch ein Stück weiter als gedacht – bis zur heutigen Nationalbank."


... also aus der Römerzeit, auf die auch diese Balteusschließe zurückgeht.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Trotz der Hinweise aus dem Archiv gibt es also noch Überraschungen. Das "Wiener Geschichtepuzzle", wie die Leiterin der Stadtarchäologie die Arbeit ihres Teams nennt, ist um ein Teil reicher geworden.

Wer als Laie mitpuzzeln und nicht nur durch das Baustellengerüst zuschauen will, kann in der Werkstätte helfen: Nach einer Einschulung werden etwa Keramikscherben gesäubert, sortiert und zusammengefügt, manche der rund 500 Ehrenamtlichen sind auch für Führungen und Vorträge zuständig.
(Julia Sica, 7.5.2022)

Video zu den Grabungen am Frankhplatz – Käsesiebe inklusive.
Wien Museum
Überraschungsfunde für die Archäologie dank Wiener U-Bahn-Ausbau
 
#7
Wobei ich hier schon auch etwas Ehrenrettung für Wien betreiben möchte.
Der Graben vor dem Legionslager Vindobona ist 2000 Jahre später zwar längst zugeschüttet, heißt aber tatsächlich noch immer "Graben".
Die Legionslagerecken waren immer abgerundet, und exakt diese Rundung an der südwestlichen Ecke des Legionslagers (6 im Plan unten) ist der Grund warum das westliche Ende der Naglergasse noch immer rund ist.
Vindobona.png
Quelle: https://www.wienmuseum.at/fileadmin...rmationen_zum_Roermuseum_fuer_LehrerInnen.pdf

Die seltsam schräge Querung der Herrengasse (gelb unten) durch den 1. Bezirk (ich denke Sekante ist der korrekte geometrische Begriff) geht noch immer auf den Verlauf der Limesstraße zurück. Gleiches gilt für die Simmeringer Hauptstraße.
Herrengasse.png
Quelle: Wien Kulturgut

2000 Jahre später!!!!
Das ist alles so unglaublich schön, dass ich aus dem Staunen nicht raus komme wenn ich in Wien spazieren gehe.

Weiß eigentlich Jemand ob man diese römischen Abdrücke auch in einer anderen Stadt so prägnant sieht?
 
#9
Da bin ich mir jetzt nicht sicher wie du das meinst?
Den Graben gab es ab Vindobona bis zum Ende des 12. Jahrhunderts durchgehend, und erst dann wurde er zugeschüttet.

Auch den Tiefen Graben gab es schon zur Römerzeit und nicht erst ab dem Mittelalter. Dort war der Flußlauf des Ottakringer Baches mit einer sehr steilen Abrißkante.
 

Stoffi

Well-Known Member
#10
mir ist schon bewusst das der Graben durchgängig vorhanden war, was ich damit sagen wollte ist das die Straßenzüge eher nach dem mittelalterlichen Stadtgraben benannt wurden - da ich so meine Annahme - die Leute das vorhanden sein des Grabens sehr wohl wahrgenommen haben, allerdings nicht auf die Römer "rückdatiert" haben, also ihnen nicht bewusst war das hier schon zur Römerzeit was war.
 
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