Vom blühenden Leben der einstigen jüdischen Gemeinden des Burgenlandes ist heute nur noch wenig übrig. Eine Reise durch das ehemalige jüdische Burgenland ist heute vorwiegend eine Reise zu den Friedhöfen. Der jüdische Friedhof von Kobersdorf – im Laufe der Jahre hatte hier die Natur freien Lauf, Bäume und Sträucher gingen von sich aus auf und somit ist er heute ein Waldfriedhof.
Ursprünglich standen hier 1.400 Grabsteine vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Heute sind es noch etwa 600. In den vergangenen Jahren passierte hier einiges: die Grabsteine wurden vom Efeu befreit, viele Inschriften sind nun besser lesbar. Einige im Lauf der Jahre umgefallene Grabsteine und Grabsteinfragmente sind beim Eingang aufgeschlichtet. Unter den Fragmenten ist dieses hier besonders bemerkenswert: es stammt von einem Genisa-Grab, etwas was man kaum findet.
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Johannes Reiss, Direktor Österreichisches jüdisches Museum Eisenstadt mit dem Genisa-Grabsteinfragment in Kobersdorf
Einziges historisches Genisa-Grabsteinfragment
„Ein Genisa-Grab ist ein Grab, in dem man Torarollen, heilige Schriften, in denen der Name Gottes verzeichnet ist, begräbt, wenn sie nicht mehr in der Lithurgie des Gottesdienstes verwendet werden, weil sie nicht mehr koscher sind – also weil sie brüchig, zerrissen oder brüchig sind. Der Glücksfall hier in Kobersdorf ist, das Fragment des Genisa-Grabsteines ist gleichzeitig das einzige und älteste Genisa-Grabsteinfragment in Österreich. Wir haben ein einziges Genisa-Grab auf dem Zentralfriedhof bei Tor vier. Das wurde in den 90er Jahren von der Kultusgemeinde angelegt – für in der Shoah geschändete Torarollen. Alshistorisches Genisa-Grab haben wir nur das in Kobersdorf“, so Johannes Reiss, Direktor Österreichisches jüdisches Museum Eisenstadt.
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Der jüdische Friedhof in Kobersdorf
Ursprünglicher Standort unbekannt
Auf dem Grabstein steht, dass hier 13 Torarollen begraben sind. Auffällig ist auch das Datum nämlich der 20. April 1938. „Der Tag, an dem der letzte Rabbiner von Kobersdorf Simon Goldberger mit seiner Frau Paula und seinen drei kleinen Kindern an die ungarische Grenze von den Nationalsozialisten verschleppt und schwerst misshandelt wurden. Der Rabbiner, seine Frau und die Kinder wurden in Auschwitz ermordet“, sagte Reiss.
Man wollte offenbar diese Torarollen in einer Verzweiflungsaktion noch aus der Synagoge vor Schändung retten und hat sie im Friedhof begraben, meinte Reiss. Leider ist der ehemalige Standort des Genisa-Grabes unbekannt. Es gibt zwar ein historisches Foto davon, allerdings ist darauf der ursprüngliche Platz nicht zu erkennen. In absehbarer Zeit soll daher mittels Bodenradar nach dem Genisa-Grab gesucht werden.
09.11.2020, red,burgenland.ORF.at