Industriebahn Gutenbrunn - Martinsberg

josef

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#1
Als "Industriebahn Gutenbrunn - Martinsberg" wird die ehemalige Bahnverbindung zwischen dem Bahnhof Martinsberg - Strecke Schwarzenau-Martinsberg und den "Körner-Werken" in Gutenbrunn bezeichnet. Die Strecke hatte eine Länge von 5,2 km und war in der "Bosnaspur" (760 mm) ausgeführt.

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Bildtafel an der ehemaligen Bahntrasse bei Gutenbrunn

Die Errichtung der Bahnstrecke war eine Verpflichtung der Körner-Werke durch einen mit dem Waldeigentümer des Weinsberger Forstes, der „Habsburgischen Herrschaft Persenbeug“, 1919 abgeschlossenen "Abstockungsvertrages". Der ebenfalls in diesem Vertragswerk festgeschriebene Bau einer Waldbahn hatte zunächst Vorrang, da diese die Stammholzversorgung des Sägewerkes sicherstellte. Die Baugenehmigung wurde Ende 1920 erteilt und die Fertigstellung erfolgte 1922. Die Bauausführung oblag der Firma "Dipl.Ing. Dr. Robert Koller - Hoch- und Tiefbau Ges.m.b.H." aus Grein an der Donau, die auch schon bei der Errichtung der Waldbahn tätig war.

Die Hauptaufgabe der Bahn war der Transport der in den Körner-Werken erzeugten Holzprodukte, hauptsächlich "Schnittware" (Bretter, Latten, Pfosten usw. ...) zum Bahnhof Martinsberg, wo diese auf Normalspurwagen der damaligen BBÖ zum Weiterversand an die Kunden umgeladen wurde. Über ein 1,2 km langes Verbindungsgleis zur Waldbahn konnte aber auch Scheiterholz (Brennholz...) und Langholz (Baumstämme für Telefon- und Stromleitungsmasten usw. ...) direkt vom Wald zum Bhf. Martinsberg gebracht werden.

Lt. Manfred Hohn, Waldbahnen in Österreich - Teil 1, kamen 6 Schmalspur-Dampflokomotiven zum Einsatz, die sowohl auf der 760 mm Waldbahn als auch der Industriebahn zum Einsatz kamen.

Lokliste:

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Quelle: M. Hohn, Waldbahnen in Österreich - Teil 1, Wien 1980

Der Wagenpark bestand aus zweiachsigen Waldbahntrucks, vierachsigen Plateauwagen, Niederbordwagen und einigen gedeckten Güterwagen. Für den Transport von Forst- und Aufsichtspersonal sowie zur Streckenkontrolle stand noch eine "Austro-Daimler-Motordraisine" zur Verfügung.

Mit der Schließung der "Niederösterreichischen Holzindustrie AG" als Nachfolgebetrieb der "Körner Werke" 1933 kam auch das Ende der Industrie- und Waldbahn. Der Fahrzeugpark wurde angeblich nach Italien verkauft und die Strecken wurden ab 1935 abgetragen.

Die Bahntrasse ist zum überwiegenden Teil in der freien Natur noch ersichtlich, nur im Siedlungsgebiet von Martinsberg sind kurze Streckenabschnitte verbaut. Bei meinem Besuch in der Region am 18.06.2018 erkundete ich die Trassenreste im Bereich Martinsberg und Gutenbrunn.

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Nachfolgend 4 Teilberichte:
 

josef

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#2
Teil 1:

Streckenverlauf - Trassenreste im Bereich ab Bahnhof Martinsberg:

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Die Pfeile zeigen die jeweilige Aufnahmerichtung der Fotos an... für Berichte Teil 1 und 2:

1. - 2. Die traurig stimmenden Reste des ehemaligen BBÖ bzw. ÖBB Bahnhofes Martinsberg, der Endstelle der Industriebahn.
3. (4.) Gegenüber dem Bhf. Martinsberg querte die Bahn die Bezirksstraße und führte nördlich des Ortsgebietes an Martinsberg vorbei. Dabei musste vorerst bis zur Linkskurve der Hang mit einer leichten Steigung "erklommen" werden.
5. Rückblick zum Bahnhofsgelände.
6. Die heutige Sportplatzstraße folgt der ehemaligen Trasse im damals unverbauten Gebiet nördlich von Martinsberg.
7. - 8. Oberhalb (nördlich) des Friedhofes verschwindet die Trasse nach einer weiteren Straßenquerung in einem Siedlungsgebiet.
9. Vor der Querung der Straße nach Oed ist die Böschung der Bahntrasse gut zu erkennen. Im Hintergrund die Neubausiedlung, die es während der Betriebszeit der Bahn noch nicht gab.
10. Nach der Straßenquerung schwenkt die Trasse Richtung Süden - die Umrundung von Martinsberg ist vollbracht...

(Anmerkung: Bild 4. war fast ident mit 3..., daher nicht mehr eingefügt)
 

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josef

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#3
Teil 2: Streckenverlauf

11. Nun geht es mit leichtem Gefälle in die Talsenke des "Weitenbaches"...
12. ...um die Bezirksstraße nach Gutenbrunn (und weiter nach Bärnkopf...) zu überqueren.
13. - 14. Nach der Straßenkreuzung verläuft die Trasse auf einem Dammabschnitt...
15. - 16. ...um auf einer kurzen Brücke, heute Fußgehersteg auf den alten Tragwerk, den "Weitenbach" zu überqueren.
17. Alte Ansicht der Brücke mit Zugsgarnitur (Bildtafel "Truckerhaus-Gutenbrunn")
18. Die im Wald verschwindende Trasse schwenkt dann wieder in die grobe Richtung West.
19. Blick von der Bezirksstraße nach Westen zum Ortsanfang von Gutenbrunn. Die Bahn verlief im Wald bzw. am Waldrand im Hintergrund...
20. ...und erreicht nach einer Steigungsstrecke bei der Kreuzung mit der Straße nach Poggschlag das Ortsgebiet von Gutenbrunn.
 

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josef

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#4
Teil 3: Streckenverlauf

21. - 23. Oberhalb (südlich) des Ortskerns von Gutenbrunn verläuft die Trasse entlang einer Birkenallee.
24. Wieder eine der schon bekannten Schautafeln...
25. Nun wendet sich die Trasse im Rechtsbogen wieder nach Norden in Richtung ehemaliger Lokschuppen bzw. zum Sägewerk.
26. - 27. Bilder einer weiteren Infotafel zum ehem. Lokschuppen bzw. Foto mit Blick zum Werksgelände.
28. Planskizze des ehemaligen Lokschuppens (aus M.Hohn, Waldbahnen in Österreich - Teil 2, S. 89)
29. Die noch vorhandenen Streifenfundamente des Lokschuppens.
30. Nochmals Fundamentreste, daneben verlief die Bahntrasse zur Kreuzung mit der Straße Gutenbrunn-Bärnkopf und dnach ins Werksgelände der Säge.
 

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josef

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#5
Teil 4. Betriebsalltag

31. Ein (sicher nicht vollständiger) Gleisplan der "Körner Werke" mit den verschiedenen Spurweiten. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
32. Die Verladerampe beim Schnittholzlagerplatz. (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
33. Bhf. Martinsberg - Umladearbeiten von Industriebahn zur "Vollbahn". (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
34. Bhf. Martinsberg - Verladung von Rund- bzw. Langholzstämmen (vor 1927) (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
35. - 36. Bhf. Martinsberg - ein 1927 errichteter Verladekran für Langholzstämme (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
37. Div. Verladung mit Mannschaft (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
38. Die Kommunikation für die Betriebsabwicklung der Industrie- als auch der Waldbahn wurde mittels Feldtelefonen durchgeführt. (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
39. Kolomna-Dampflok (Bildtafel in der Natur)
40. Nochmals die Kolomna-Dampflok (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
 

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HF130C

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#6
Vielen Dank für die sehr ausführliche Zusammenstellung von Literatur, Schautafeln und der Streckenbegehung.

Ein paar Anmerkungen dazu:

- Im Bericht wird einerseits von einer Spurweite von 760mm geschrieben, im Hohn'schen Buch hingegen sind 750mm in der Lokliste angeführt. Die 10mm Unterschied mögen gering erscheinen, jedoch ist 760mm die in der Monarchie übliche, sogenannte bosnische Spurweite, die auch bei den nahen Waldviertel-Schmalspurbahnen sowie überhaupt in Österreich, Ungarn, Rumänien, Bosnien verwendet wird bzw. wurde.

Die 750mm wiederum ist wiederum eine ausschließlich verwendete Spur in Deutschland, Russland, aber auch z.B. in Frankreich und vielen anderen Ländern der Welt, nicht zuletzt auch eine Heeresfeldbahnspurweite im 2.WK in Deutschland.

Im konkreten Falle wäre es natürlich sehr spannend zu wissen, ob die Bahnen um Gutenbrunn nun in 760mm oder 750mm ausgeführt wurden. Wirklich klären wird sich das wohl nicht mehr lassen.
Die 10mm Unterschied können durchaus betrieblich Probleme bereiten: Vor allem bei Weichen und Kreuzungen sollte die Gleisspurweite zu den Fahrzeugen passen. Je verschlissener Gleis und Fahrzeuge sind, desto weniger Probleme bereitet die Differenz.

- Die beiden verwendeten Lokomotivtypen der Hersteller O&K und Kolomna waren für den Zweck einer Waldbahn mit einem Gewicht von 21to und 90PS durchaus großzügig bemessen. Überhaupt lässt die Anlage des Sägerwerks, der Gleisanlagen und die Trassierung der Bahn eine gewisse Großzügigkeit bei den Investitionen erkennen, die durchaus nicht typisch für ähnliche Betriebe in Österreich war, man vergleiche etwa die Liechtensteinsche Säge mit der Waldbahn in Deutschlandsberg, die auf ihrer Hauptförderstrecke mit einer(!) eher schwachbrüstigen Lokomotive auskommen musste.

- Das in Bild 38 gezeigte deutsche Feldtelefon FF33 ist mit Sicherheit nicht bei der Waldbahn in Einsatz gewesen. Die ersten Exemplare wurden erst im Jahr 1933 gebaut und standen keinesfalls sofort für private Zwecke zur Verfügung, zudem wurde die Säge und die Bahn 1933 eingestellt.
Es schmerzt immer ein wenig, wenn man durch zufälliges Wissen um ein Detail auf solche "Schummeleien" der örtlichen Ersteller von Broschüren, Büchern oder hier: der Schautafeln, draufkommt.
Ein wenig drängt sich der Gedanke auf, dass auch andere Details, über die man kein Fachwissen hat, ebenfalls nicht stimmen könnten, weil sie gleichfalls fehlerhaft oder einfach lieblos niedergeschrieben wurden.

Natürlich: besser als nichts sind solche Informationen allemal.
 

josef

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#8
Ein paar Anmerkungen dazu:

- Im Bericht wird einerseits von einer Spurweite von 760mm geschrieben, im Hohn'schen Buch hingegen sind 750mm in der Lokliste angeführt. Die 10mm Unterschied mögen gering erscheinen, jedoch ist 760mm die in der Monarchie übliche, sogenannte bosnische Spurweite, die auch bei den nahen Waldviertel-Schmalspurbahnen sowie überhaupt in Österreich, Ungarn, Rumänien, Bosnien verwendet wird bzw. wurde.

Die 750mm wiederum ist wiederum eine ausschließlich verwendete Spur in Deutschland, Russland, aber auch z.B. in Frankreich und vielen anderen Ländern der Welt, nicht zuletzt auch eine Heeresfeldbahnspurweite im 2.WK in Deutschland.

Im konkreten Falle wäre es natürlich sehr spannend zu wissen, ob die Bahnen um Gutenbrunn nun in 760mm oder 750mm ausgeführt wurden. Wirklich klären wird sich das wohl nicht mehr lassen.
Die 10mm Unterschied können durchaus betrieblich Probleme bereiten: Vor allem bei Weichen und Kreuzungen sollte die Gleisspurweite zu den Fahrzeugen passen. Je verschlissener Gleis und Fahrzeuge sind, desto weniger Probleme bereitet die Differenz...
Danke für das Lob, bezüglich Spurweite ist mir der Fachmann zuvorgekommen...:)
Wollte darüber im noch ausstehenden "Waldbahn" Bericht etwas schreiben, da ich dort auch ein Foto mit einer "im Graben liegenden" Kolomnaer Lok bringe...
Jedenfalls wird für beide Strecken (Industrie- und Waldbahn) von 760 mm Spurweite berichtet!

Ziehe nun eine kurze Textpassage von Manfred Hohn aus Feldbahnen in Österreich - Band 1, S.18, dazu vor:
...im Zuge der Kriegshandlungen gelangte eine Reihe von Kolomnaer Loks in deutschen und österreichischen Besitz. So auch diese beiden und die bei der "Feistritztaler Industrie AG" verwendete "KOLOMEA". Die Loks hatten ein geschlossenes Führerhaus und waren für Gleise mit einer Spurweite von 750 mm gebaut. Es ist nicht bekannt, ob es auch hier die gleichen Schwierigkeiten und fallweisen Entgleisungen wie im Feistritztal gegeben hat.
 

josef

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#9
- Das in Bild 38 gezeigte deutsche Feldtelefon FF33 ist mit Sicherheit nicht bei der Waldbahn in Einsatz gewesen. Die ersten Exemplare wurden erst im Jahr 1933 gebaut und standen keinesfalls sofort für private Zwecke zur Verfügung, zudem wurde die Säge und die Bahn 1933 eingestellt.
Es schmerzt immer ein wenig, wenn man durch zufälliges Wissen um ein Detail auf solche "Schummeleien" der örtlichen Ersteller von Broschüren, Büchern oder hier: der Schautafeln, draufkommt.
Ein wenig drängt sich der Gedanke auf, dass auch andere Details, über die man kein Fachwissen hat, ebenfalls nicht stimmen könnten, weil sie gleichfalls fehlerhaft oder einfach lieblos niedergeschrieben wurden.

Natürlich: besser als nichts sind solche Informationen allemal.
Mit solchen, ich nenne es mal vorsichtig "Improvisationen" wegen Mangel an tatsächlichen Originalobjekten, muss man heute in vielen Museen und Ausstellungen vorlieb nehmen! Trotz solcher "Fakes" (die ja heute auf vielschichtigen Ebenen gebräuchlich sind...), muss man der "Kulturiniative Weinsbergerwald" für die Aufarbeitung der historischen Fakten dankbar sein!
 

josef

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#10
Beantwortung einer eingelangten Frage:
ehemaligen BBÖ bzw. ÖBB Bahnhofes Martinsberg... Warum BBÖ?
Nach dem WK I war der Markenname "ÖBB" auf der internationalen Liste der Bahngesellschaften schon durch die kleine Schweizer Privatbahn, der "Oensingen-Balsthal-Bahn" (4 km Streckenlänge!) belegt. Dadurch wich die neue österreichische Staatsbahn auf "Bundesbahnen Österreich" -> BBÖ, aus, wobei diese Firmenbezeichnung bis zur Übernahme durch die "Deutsche Reichsbahn" 1938 bestand.

Nach dem WK II wurde durch Umbezeichnung der "Oensingen-Balsthal-Bahn"die OeBB und somit der Weg für die ÖBB frei.

Link:
Oensingen-Balsthal-Bahn – Wikipedia
 
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