Hungerburg: Wo sich Stadt und Natur treffen
Die Hungerburg ist der Innsbrucker Stadtteil, wo urbaner Lebensraum und alpine Natur besonders aufeinander treffen. Vom frühen Erholungsort für Sommerfrischler bis zum teuren Grundstückspflaster blickt das Hochplateau auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Ein neues Buch rollt sie jetzt mit vielen historischen Fotos auf.
Online seit heute, 5.36 Uhr
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Hungerburg: Wo sich Stadt und Natur treffen
Die Hungerburg ist der Innsbrucker Stadtteil, wo urbaner Lebensraum und alpine Natur besonders aufeinander treffen. Vom frühen Erholungsort für Sommerfrischler bis zum teuren Grundstückspflaster blickt das Hochplateau auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Ein neues Buch rollt sie jetzt mit vielen historischen Fotos auf.
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Es ist die Vielfalt als Grenzraum, die den Innsbrucker Stadtteil auf dem Hochplateau so faszinierend macht, ist der Historiker Matthias Egger überzeugt – zwischen Kultur und Natur, zwischen Stadt, Wald und Bergen. „Man ist mit der Hungerburgbahn und heute auch mit dem Bus in zehn Minuten an das Stadtzentrum angebunden, aber man kann genauso gut von der Haustür losgehen und dann steht das Karwendel einem offen“, meint er gegenüber dem ORF Tirol.
Gemeinsam mit dem Literaturwissenschafter und ehemaligen Leiter des Forschungsinstituts Brenner-Archiv, Johann Holzner, brachte Egger den neuen Band „Hungerburg. Architektur – Kultur – Natur“ heraus. Als vielfältiges Porträt dieses – im Vergleich zum Stadtzentrum rund 300 Meter höher gelegenen Stadtteils – spannt das Buch einen umfassenden Bogen: von den Ausflügen des Schriftstellers und Naturkundlers Adolf Pichlers um 1850 bis hin zur heutigen Zeit und dem Erbe unterschiedlicher Blütephasen.
Stadtarchiv Innsbruck, Wolfgang Ebner
In seiner Fotodokumentation „Einst und jetzt“ stellte der Innsbrucker Hobbyfotograf Wolfgang Ebner für den Band historische Aufnahmen nach, um einen Vergleich zwischen damals und heute zu ziehen
St. Moritz als Vorbild für Tourismusort
Für Holzner ist die Geschichte des Grenzraums mit den Anfängen als urbaner Naherholungsraum besonders faszinierend. In diesem Zusammenhang fällt im Interview mehrmals der Name von Sebastian Kandler (1863-1928). Er wurde nicht nur zum Wegbereiter der Entwicklung des Hochplateaus, sondern auch zum Visionär der touristischen Nutzung. Sein Vorbild war der Schweizer Fremdenverkehrsort St. Moritz.
Bevor Kandler jedoch auf den Plan treten konnte, hatte Joseph Andreas von Attlmayr (1786-1853) Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Schritte der Besiedelung getätigt. Attlmayr hatte die Besitzerin der Weiherburg, Maria von Wörndle zu Adelsfried (1800-1859), geheiratet. Gemeinsam besaßen sie Grundstücke im Gebiet der heutigen Hungerburg. Dort ließ er direkt an der Hangkante ein zweistöckiges Gebäude errichten, das unter dem Namen „Neuhof Mariabrunn“ in die Geschichte einging.
1906 kam die Hungerburgbahn
Bis 1904 blieb es laut Matthias Egger bei diesem einen Gebäude. „Erst Kandler hat diesen Weitblick und erkennt das Potential für den Tourismus und für wohlhabende Bürger Innsbrucks“, so Egger. Kandler kaufte das Mariabrunn mit dem Grundbesitz. Dabei hat er von Anfang an den Plan, eine „Villen- und Hotelkolonie“ zu errichten. Ziel war einerseits die touristische Erschließung, andererseits auch die Schaffung eines Wohnortes für wohlhabende Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr direkt in der Stadt leben wollten.
Fotostrecke mit 4 Bildern
Stadtarchiv Innsbruck
Eine frühe Aufnahme mit Blick auf Passantinnen und Passanten, das „Hotel Restaurant Mariabrunn“ rechts im Hintergrund und die im Bau befindliche Villa Kandlerheim
Stadtarchiv Innsbruck (Foto: Fritz Gratl)
Das Gasthof Mariabrunn auf der Hungerburg mit dem prägenden Turm gibt es heute nicht mehr
Stadtarchiv Innsbruck
Die Pläne für die Nutzung der Hungerburg mit Rodelbahn nach Mühlau waren sehr ambitioniert
Stadtarchiv Innsbruck
Aus dem Gasthof Mariabrunn hätte nach Plänen ein überdimensionales Kurhotel entstehen sollen
So habe Kandler weitreichende Pläne gehabt: Unter anderem dachte er an die Erschließung bis hinauf auf das Hafelekar auf der Nordkette oder an einen See, den später die Brüder Schwärzler ausführten. Er hatte eine Kapelle und mehrere Hotels, Gasthäuser sowie eine moderne Straße im Sinn. Einige seiner Ideen setzte er auch um bzw. wurden umgesetzt.
Ein See für Sommerfrischler
Zum Beispiel trieb Kandler mit anderen den Bau der Hungerburgbahn voran. Sie wurde 1906 fertiggestellt und eröffnete eine bessere Verbindung zwischen Zentrum und Hochplateau, die für die damaligen Verhältnisse als besonders innovativ galt. Zu dieser Zeit knüpfte die Talstation auch an Lokalbahn zwischen Innsbruck und Hall in Tirol (Bezirk Innsbruck-Land) an. „Man kann wirklich nur den Hut ziehen vor dem unternehmerischen Mut, das alles anzugehen in dieser Zeit“, sagte Egger über den Visionär Kandler.
Im August 1912 wurde schließlich die Hungerburgsee-Anlage eröffnet. Beim Gasthof Seehof bot ein künstlicher Wasserspeicher den Besucherinnen und Besuchern einen Naherholungsraum. Oberhalb wurde extra ein Aussichtsturm errichtet, der mithilfe eines hochmodernen Aufzugs „bestiegen“ werden konnte. Die Hungerburg hatte damit die Sommerfrischler endgültig für sich gewonnen. „Das Gästebuch führt Gäste aus aller Welt an, von Südafrika über St. Petersburg bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika an“, schilderte Egger.
Kriege bremsten Wachstum, Goebbels in der Gondel
„Das war die erste Blütephase der Hungerburg“, ergänzte Autor Holzner. Der Erste Weltkrieg sorgte dann dafür, dass das Wachstum der Gründerzeit ein Ende hatte. In der Zwischenkriegszeit versuchte man, an den unternehmerischen Aufbruch anzuknüpfen. Auch die Nationalsozialisten suchten die Hungerburg als Schauplatz der politischen Inszenierung aus. Zum Beispiel ist ein Besuch von Propagandaminister Joseph Goebbels am 19. Juli 1938 in Innsbruck dokumentiert. Sein Weg führte ihn über die Hungerburg, wo ihm begeisterte Anhänger zujubelten, auch auf das Hafelekar (siehe Bildergalerie).
Fotostrecke
Stadtarchiv Innsbruck
Der Gasthof Seehof mit dem Aussichtsturm auf der Hungerburg
Stadtarchiv Innsbruck
Die Hungerburgbahn wurde 1906 eröffnet
Günter Denoth
Die mittlerweile „alte Hungerburgbahn“ wurde 2002 unter Denkmalschutz gestellt und wurde durch die 2007 eröffnete neue Bahn abgelöst
Stadtarchiv Innsbruck (Foto: Richard Müller)
Die Gondel der Nordkettenbahn wurde 1938 beim Besuch von Joseph Goebbels mit einem Hakenkreuzsymbol gekennzeichnet…
Stadtarchiv Innsbruck (Foto: Richard Müller)
…während unten die Menschenmassen jubelten
LPD Tirol/Flugpolizei
Heute gilt die Hungerburg am Fuße der Nordkette vor allem als Wohnraum zwischen Stadtzentrum und Naturraum
LPD Tirol/Flugpolizei
Eine Luftaufnahme vom Sommer 2023 mit Blick Richtung Norden (am Stadtrand ist der Aussichtsturm zu sehen, der heute zum Areal des Bildungshauses Seehof der Arbeiterkammer Tirol gehört)
Auf diese Weise erzählt der Band von vielen verschiedenen Episoden, Gebäuden und Persönlichkeiten, welche für den Stadtteil prägend waren. Sie pendeln dem Untertitel gemäß zwischen Architektur, Kultur und Natur, nehmen aber auch nicht realisierte Entwürfe in den Blick. Darunter fallen etwa auch ein monumentales Denkmal und die überdimensionalen Pläne für den Ausbau des Hotels Mariabrunn zu einer regelrechten „Bettenburg“.
Flora-Schwimmbad, Kindergarten Linde und Zaha Hadid
Für die Geschichte der Baukultur waren auch Naturgewalten wie Brände entscheidend für die Entwicklung des Stadtbildes. Deshalb kam es unweigerlich zum Kommen und Gehen von einzelnen Architekturjuwelen. Holzner spricht dabei aber auch von einer „Schande“, dass bestimmte Bauten heute nicht mehr existieren. Ein Beispiel für einen baukulturellen Verlust sei ohne Zweifel das Haus mit dem Schwimmbad von Paul Flora.
Ein anderes Beispiel für die Weiternutzung von historischer Substanz befindet sich direkt neben der Bushaltestelle Hungerburg. Hier wurde der ehemalige Gasthof Zur Linde zu einem städtischen Kindergarten umfunktioniert. Einige Meter weiter pendeln heutzutage bei der Station der Hungerburgbahn täglich zahlreiche Touristinnen und Touristen und Anrainerinnen und Anrainer zwischen Hochplateau und Zentrum. Hier verhilft das vielbeachtete Stationsgebäude, das von der Architektin Zaha Hadid entworfen wurde, dem historischen Ort zu neuem Glanz.
Band als historisches Denkmal
Unabhängig von der Vergänglichkeit einzelner Gebäude: Mit mehreren Textbeiträgen und zahlreichen Bildern gelingt es dem Band, den teils vergessenen oder auch nicht umgesetzten Juwelen ein Denkmal zu setzen. In einer umfangreichen, sehr präzise aufgearbeiteten Geschichte gelingt es dem Buch, einen weiten Bogen zu spannen und viele Themenfelder abzudecken: Schließlich werden etwa auch die herausfordernde verkehrstechnische Erschließung oder pflanzliche Besonderheiten behandelt. Eine Fotodokumentation von Wolfgang Ebner ermöglicht abschließend noch vergleichende Blicke zwischen einst und jetzt.
Stadtarchiv Innsbruck, Wolfgang Ebner
„Einst zog ein Bub einen Leiterwagen, jetzt fahren sportliche Menschen mit ihren Rädern auf die Hungerburg“, schreibt Wolfgang Ebner in seiner Fotodokumentation. Im ehemaligen Gasthof Zur Linde befindet sich heute, direkt neben der Bushaltestelle Hungerburg, ein städtischer Kindergarten
Nur die Herkunft des Namens „Hungerburg“ lässt sich nicht gänzlich wissenschaftlich belegen. „Wenn ich das nur wüsste“, schmunzelte Historiker Matthias Egger. Zwar gibt es eine Anekdote über einen Ausflug Adolf Pichlers, der im Gasthof Mariabrunn auf eine karge Bewirtung getroffen sein soll. Doch auch davor sei der Name bereits in Dokumenten aufgetaucht, wie die Forscherinnen und Forscher nun feststellen konnten. So gibt es nach wie vor die einen oder anderen Rätsel, womit der Stadtteil mit seiner wechselvollen Entwicklung ein faszinierender Grenzraum bleibt.
04.12.2024, Benedikt Kapferer, tirol.ORF.at
Literaturhinweis:
„Hungerburg. Architektur – Kultur – Natur“,
herausgegeben von Matthias Egger und Johann Holzner (Universitätsverlag Wagner),
244 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
Gemeinsam mit dem Literaturwissenschafter und ehemaligen Leiter des Forschungsinstituts Brenner-Archiv, Johann Holzner, brachte Egger den neuen Band „Hungerburg. Architektur – Kultur – Natur“ heraus. Als vielfältiges Porträt dieses – im Vergleich zum Stadtzentrum rund 300 Meter höher gelegenen Stadtteils – spannt das Buch einen umfassenden Bogen: von den Ausflügen des Schriftstellers und Naturkundlers Adolf Pichlers um 1850 bis hin zur heutigen Zeit und dem Erbe unterschiedlicher Blütephasen.
Stadtarchiv Innsbruck, Wolfgang Ebner
In seiner Fotodokumentation „Einst und jetzt“ stellte der Innsbrucker Hobbyfotograf Wolfgang Ebner für den Band historische Aufnahmen nach, um einen Vergleich zwischen damals und heute zu ziehen
St. Moritz als Vorbild für Tourismusort
Für Holzner ist die Geschichte des Grenzraums mit den Anfängen als urbaner Naherholungsraum besonders faszinierend. In diesem Zusammenhang fällt im Interview mehrmals der Name von Sebastian Kandler (1863-1928). Er wurde nicht nur zum Wegbereiter der Entwicklung des Hochplateaus, sondern auch zum Visionär der touristischen Nutzung. Sein Vorbild war der Schweizer Fremdenverkehrsort St. Moritz.
Bevor Kandler jedoch auf den Plan treten konnte, hatte Joseph Andreas von Attlmayr (1786-1853) Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Schritte der Besiedelung getätigt. Attlmayr hatte die Besitzerin der Weiherburg, Maria von Wörndle zu Adelsfried (1800-1859), geheiratet. Gemeinsam besaßen sie Grundstücke im Gebiet der heutigen Hungerburg. Dort ließ er direkt an der Hangkante ein zweistöckiges Gebäude errichten, das unter dem Namen „Neuhof Mariabrunn“ in die Geschichte einging.
1906 kam die Hungerburgbahn
Bis 1904 blieb es laut Matthias Egger bei diesem einen Gebäude. „Erst Kandler hat diesen Weitblick und erkennt das Potential für den Tourismus und für wohlhabende Bürger Innsbrucks“, so Egger. Kandler kaufte das Mariabrunn mit dem Grundbesitz. Dabei hat er von Anfang an den Plan, eine „Villen- und Hotelkolonie“ zu errichten. Ziel war einerseits die touristische Erschließung, andererseits auch die Schaffung eines Wohnortes für wohlhabende Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr direkt in der Stadt leben wollten.
Fotostrecke mit 4 Bildern
Eine frühe Aufnahme mit Blick auf Passantinnen und Passanten, das „Hotel Restaurant Mariabrunn“ rechts im Hintergrund und die im Bau befindliche Villa Kandlerheim
Das Gasthof Mariabrunn auf der Hungerburg mit dem prägenden Turm gibt es heute nicht mehr
Stadtarchiv Innsbruck
Die Pläne für die Nutzung der Hungerburg mit Rodelbahn nach Mühlau waren sehr ambitioniert
Stadtarchiv Innsbruck
Aus dem Gasthof Mariabrunn hätte nach Plänen ein überdimensionales Kurhotel entstehen sollen
So habe Kandler weitreichende Pläne gehabt: Unter anderem dachte er an die Erschließung bis hinauf auf das Hafelekar auf der Nordkette oder an einen See, den später die Brüder Schwärzler ausführten. Er hatte eine Kapelle und mehrere Hotels, Gasthäuser sowie eine moderne Straße im Sinn. Einige seiner Ideen setzte er auch um bzw. wurden umgesetzt.
Ein See für Sommerfrischler
Zum Beispiel trieb Kandler mit anderen den Bau der Hungerburgbahn voran. Sie wurde 1906 fertiggestellt und eröffnete eine bessere Verbindung zwischen Zentrum und Hochplateau, die für die damaligen Verhältnisse als besonders innovativ galt. Zu dieser Zeit knüpfte die Talstation auch an Lokalbahn zwischen Innsbruck und Hall in Tirol (Bezirk Innsbruck-Land) an. „Man kann wirklich nur den Hut ziehen vor dem unternehmerischen Mut, das alles anzugehen in dieser Zeit“, sagte Egger über den Visionär Kandler.
Im August 1912 wurde schließlich die Hungerburgsee-Anlage eröffnet. Beim Gasthof Seehof bot ein künstlicher Wasserspeicher den Besucherinnen und Besuchern einen Naherholungsraum. Oberhalb wurde extra ein Aussichtsturm errichtet, der mithilfe eines hochmodernen Aufzugs „bestiegen“ werden konnte. Die Hungerburg hatte damit die Sommerfrischler endgültig für sich gewonnen. „Das Gästebuch führt Gäste aus aller Welt an, von Südafrika über St. Petersburg bis zu den Vereinigten Staaten von Amerika an“, schilderte Egger.
Kriege bremsten Wachstum, Goebbels in der Gondel
„Das war die erste Blütephase der Hungerburg“, ergänzte Autor Holzner. Der Erste Weltkrieg sorgte dann dafür, dass das Wachstum der Gründerzeit ein Ende hatte. In der Zwischenkriegszeit versuchte man, an den unternehmerischen Aufbruch anzuknüpfen. Auch die Nationalsozialisten suchten die Hungerburg als Schauplatz der politischen Inszenierung aus. Zum Beispiel ist ein Besuch von Propagandaminister Joseph Goebbels am 19. Juli 1938 in Innsbruck dokumentiert. Sein Weg führte ihn über die Hungerburg, wo ihm begeisterte Anhänger zujubelten, auch auf das Hafelekar (siehe Bildergalerie).
Fotostrecke
Der Gasthof Seehof mit dem Aussichtsturm auf der Hungerburg
Die Hungerburgbahn wurde 1906 eröffnet
Günter Denoth
Die mittlerweile „alte Hungerburgbahn“ wurde 2002 unter Denkmalschutz gestellt und wurde durch die 2007 eröffnete neue Bahn abgelöst
Stadtarchiv Innsbruck (Foto: Richard Müller)
Die Gondel der Nordkettenbahn wurde 1938 beim Besuch von Joseph Goebbels mit einem Hakenkreuzsymbol gekennzeichnet…
Stadtarchiv Innsbruck (Foto: Richard Müller)
…während unten die Menschenmassen jubelten
LPD Tirol/Flugpolizei
Heute gilt die Hungerburg am Fuße der Nordkette vor allem als Wohnraum zwischen Stadtzentrum und Naturraum
LPD Tirol/Flugpolizei
Eine Luftaufnahme vom Sommer 2023 mit Blick Richtung Norden (am Stadtrand ist der Aussichtsturm zu sehen, der heute zum Areal des Bildungshauses Seehof der Arbeiterkammer Tirol gehört)
Auf diese Weise erzählt der Band von vielen verschiedenen Episoden, Gebäuden und Persönlichkeiten, welche für den Stadtteil prägend waren. Sie pendeln dem Untertitel gemäß zwischen Architektur, Kultur und Natur, nehmen aber auch nicht realisierte Entwürfe in den Blick. Darunter fallen etwa auch ein monumentales Denkmal und die überdimensionalen Pläne für den Ausbau des Hotels Mariabrunn zu einer regelrechten „Bettenburg“.
Flora-Schwimmbad, Kindergarten Linde und Zaha Hadid
Für die Geschichte der Baukultur waren auch Naturgewalten wie Brände entscheidend für die Entwicklung des Stadtbildes. Deshalb kam es unweigerlich zum Kommen und Gehen von einzelnen Architekturjuwelen. Holzner spricht dabei aber auch von einer „Schande“, dass bestimmte Bauten heute nicht mehr existieren. Ein Beispiel für einen baukulturellen Verlust sei ohne Zweifel das Haus mit dem Schwimmbad von Paul Flora.
Ein anderes Beispiel für die Weiternutzung von historischer Substanz befindet sich direkt neben der Bushaltestelle Hungerburg. Hier wurde der ehemalige Gasthof Zur Linde zu einem städtischen Kindergarten umfunktioniert. Einige Meter weiter pendeln heutzutage bei der Station der Hungerburgbahn täglich zahlreiche Touristinnen und Touristen und Anrainerinnen und Anrainer zwischen Hochplateau und Zentrum. Hier verhilft das vielbeachtete Stationsgebäude, das von der Architektin Zaha Hadid entworfen wurde, dem historischen Ort zu neuem Glanz.
Band als historisches Denkmal
Unabhängig von der Vergänglichkeit einzelner Gebäude: Mit mehreren Textbeiträgen und zahlreichen Bildern gelingt es dem Band, den teils vergessenen oder auch nicht umgesetzten Juwelen ein Denkmal zu setzen. In einer umfangreichen, sehr präzise aufgearbeiteten Geschichte gelingt es dem Buch, einen weiten Bogen zu spannen und viele Themenfelder abzudecken: Schließlich werden etwa auch die herausfordernde verkehrstechnische Erschließung oder pflanzliche Besonderheiten behandelt. Eine Fotodokumentation von Wolfgang Ebner ermöglicht abschließend noch vergleichende Blicke zwischen einst und jetzt.
Stadtarchiv Innsbruck, Wolfgang Ebner
„Einst zog ein Bub einen Leiterwagen, jetzt fahren sportliche Menschen mit ihren Rädern auf die Hungerburg“, schreibt Wolfgang Ebner in seiner Fotodokumentation. Im ehemaligen Gasthof Zur Linde befindet sich heute, direkt neben der Bushaltestelle Hungerburg, ein städtischer Kindergarten
Nur die Herkunft des Namens „Hungerburg“ lässt sich nicht gänzlich wissenschaftlich belegen. „Wenn ich das nur wüsste“, schmunzelte Historiker Matthias Egger. Zwar gibt es eine Anekdote über einen Ausflug Adolf Pichlers, der im Gasthof Mariabrunn auf eine karge Bewirtung getroffen sein soll. Doch auch davor sei der Name bereits in Dokumenten aufgetaucht, wie die Forscherinnen und Forscher nun feststellen konnten. So gibt es nach wie vor die einen oder anderen Rätsel, womit der Stadtteil mit seiner wechselvollen Entwicklung ein faszinierender Grenzraum bleibt.
04.12.2024, Benedikt Kapferer, tirol.ORF.at
Literaturhinweis:
„Hungerburg. Architektur – Kultur – Natur“,
herausgegeben von Matthias Egger und Johann Holzner (Universitätsverlag Wagner),
244 Seiten mit zahlreichen Abbildungen