Größtes Luftoperationstraining in der NATO-Geschichte im deutschen Luftraum

josef

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Wie sich die Nato-Übung "Air Defender" auf den Flugverkehr auswirkt
Im Juni wird die Nato Luftkriegsoperationen über Deutschland trainieren – mit Folgen für den zivilen Luftverkehr in Europa. Manche befürchten ein Chaos
Unter dem martialischen Namen "Air Defender" wird vom 12. bis zum 23. Juni das größte Luftoperationstraining in der fast 75-jährigen Geschichte der Nato im deutschen Luftraum stattfinden. "'Air Defender 2023' soll als forderndes Übungsszenario mit Luftkriegsoperationen für befreundete und verbündete Luftstreitkräfte dienen", erklärte die deutsche Bundeswehr dazu. Dabei entspringe "dieses Vorhaben einer reinen verteidigenden Trainingsabsicht". Man wolle Reaktionsfähigkeit und gemeinsame Stärke in der Luft trainieren und demonstrieren. Wohl ein eindeutiges Signal an Russland. Rund 10.000 Soldaten werden bei der Nato-Übung im Einsatz sein – mit 250 Militärflugzeugen, der Großteil davon mit 100 aus den USA und mit 70 aus Deutschland. Tiefflüge bis zu einer Höhe von 330 Metern sind vorgesehen. Rund 25 Nationen beteiligen sich an der Übung.


Ein Eurofighter der deutschen Luftwaffe startet vom Fliegerhorst zu einem Flug in Richtung Estland. (Symbolfoto) Mitte Juni findet das größte Luftoperationstraining in der Geschichte der Nato über Deutschland statt. Das wird sich auch auf die zivile Luftfahrt auswirken.
APA/dpa/Jens Büttner

Ein Luftraum befindet sich im Nordwesten Deutschlands und der Nordsee, ein zweiter über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee, ein dritter vor allem über Bayern und Baden-Württemberg. Sie müssen dann von zivilen Maschinen umflogen werden. In Deutschland gibt es pro Tag in etwa 8.000 zivile Flüge. Flugpassagiere sollten sich in dieser Zeit auf größere Probleme im zivilen Luftverkehr einstellen, weil die genannten Lufträume in Deutschland jeweils einmal pro Tag für jeweils vier Stunden komplett gesperrt werden.

Massive Probleme oder ...
"Nach aktuellen Planungen der Luftwaffe wird der Übungsraum Ost zwischen zehn und 14, der Übungsraum Süd zwischen 13 und 17 und der nördliche Übungsraum zwischen 16 und 20 Uhr für die militärische Nutzung zeitweise reserviert sein", heißt es auf der Website der Bundeswehr. Konkret starten die Militärflugzeuge nach Angaben der Bundeswehr von den Standorten Jagel/Hohn (Schleswig-Holstein), Wunstorf (Niedersachsen), Lechfeld (Bayern), Spangdahlem (Rheinland-Pfalz), Volkel (Niederlande) und Cáslav (Tschechische Republik). Experten erwarten vor allem in Frankfurt, Hamburg und Berlin größere Auswirkungen, weniger in München.
Welche Auswirkungen die Übung tatsächlich haben wird, darüber scheint man sich aber nicht ganz einig zu sein. Wird es ein Chaos geben, wie es etwa die deutsche Gewerkschaft der Flugsicherung fürchtet? Deren Chef Matthias Maas hielt fest: "Die Militärübung Air Defender wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben."

Tatsächlich hätten Simulationen der Deutschen Flugsicherung ergeben, dass für die Dauer der Großübung täglich mit Gesamtverspätungen von bis zu 50.000 Minuten gerechnet werden müsse. Im günstigsten Fall. Darüber hinaus werde erwartet, dass bis zu 100 zivile Flüge am Tag ihr Umlaufziel zur Nachtschließung der verschiedensten Flughäfen in Deutschland nicht erreichten. Somit stünden diese Maschinen sehr wahrscheinlich auch am Folgetag nicht rechtzeitig am geplanten Ort zur Verfügung.

... doch "nur" ein paar Verspätungen?
Sorgenfalten gibt es auch in der Luftfahrtbranche. Jens Bischof, Chef der Airline Eurowings, drückte es vor kurzem so aus: "Ich bin etwas besorgt über das Nato-Manöver, das in zwei Wochen im Juni abgehalten wird." Man wisse, dass es in dieser Zeit "sehr viel enger sein wird als sonst in der Luft". Dank intensiver Vorbereitungen hoffen deutsche Bundesregierung, Bundeswehr und Luftfahrtbranche ein Chaos während der Nato-Militärübung verhindern zu können. "Es sind derzeit keine Flugstreichungen geplant", sagte Arndt Schoenemann, Chef der Deutschen Flugsicherung, vergangenen Freitag in Berlin. Diese seien aus jetziger Sicht auch nicht nötig, könnten aber im Einzelfall passieren. Aber: "Wir werden Verspätungen nicht ausschließen können."

Ins gleiche Horn stößt Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Er sagte, es habe seit dem Frühjahr intensive Gespräche gegeben. Dadurch gebe es jetzt ein klareres Bild. Niemand müsse sich Sorgen machen, dass sein Flug nicht gehen werde. Längere Verspätungen seien aber möglich. Die Airlines dürften vor allem versuchen, trotzdem lukrative Verbindungen wie Transatlantikflüge durchführen zu können.

Slots behalten
Das deutsche Bundesverkehrsministerium wiederum betonte, es gebe Gespräche mit den Ländern, um die erlaubten Zeiten für Starts und Landungen in den zwei Wochen flexibler zu gestalten. Damit soll vermieden werden, dass verspätete Flüge auf nicht vorgesehene Airports ausweichen müssen und Passagiere massenhaft stranden. Einige Länder haben hier Insidern zufolge bereits Entgegenkommen signalisiert. Es gehe um gut eine Stunde zusätzlich am späten Abend, nicht die ganze Nacht.

Auf Nachfrage des STANDARD heißt es vonseiten der AUA recht knapp: "Davon sind alle Fluggesellschaften, die über und nach Deutschland fliegen, betroffen und damit auch Austrian Airlines." Die konkreten operativen Auswirkungen auf den Flugbetrieb der Lufthansa Group Airlines, zu der die AUA gehört, würden derzeit geprüft. Die Lufthansa Group sei bestrebt, "den Passagierflugbetrieb so stabil und zuverlässig wie möglich zu halten", erklärt man bei der Airline. Lufthansa-Chef Carsten Spohr setzte sich jedenfalls schon Anfang Mai dafür ein, dass Airlines ihre Slots, also die Zeitnischen für Starts und Landungen, nicht verlieren, wenn sie sie bei geschlossenem Luftraum nicht nutzen können. Das Unternehmen möchte, dass Flugzeuge während Air Defender zu späteren und früheren Uhrzeiten landen und starten dürfen, zu denen dies sonst nicht erlaubt ist, wie "Aerotelegraph" berichtet. Dann könnten Flüge stattfinden, die zu anderen Uhrzeiten durch das Manöver ausfielen.

Bei der Austro Control, der österreichischen Flugsicherung, erklärt man, dass der österreichische Luftraum von der Übung wenig betroffen sein werde. "Möglicherweise werden einige Maschinen über den heimischen Luftraum ausweichen müssen", sagt Markus Pohanka, Sprecher der Austro Control. Aber davon werde die Bevölkerung kaum etwas mitbekommen. Man stimme sich jedenfalls eng mit Euro Control, der europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, und der Deutschen Flugsicherung ab, hält er fest.

Vonseiten der Euro Control wurden bereits Simulationen durchgeführt. Diese würden ebenfalls darauf hindeuten, dass man im genannten Zeitraum mit Verspätungen rechnen müsse. Betroffen seien aus österreichischer Sicht vor allem Maschinen, die von Deutschland kommen oder in Richtung Deutschland abheben, sagt Pohanka. Er rechnet auch damit, dass dies vor allem der Flughafen Wien zu spüren verkommen werde: "Es ist von Flugverlagerungen in den Abend auszugehen." Er rät Reisenden, sich im Vorfeld zu informieren.
(max, 2.6.2023)

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Air Defender 23
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