Ein Exemplar der Villacher Zeitung aus dem Jahr 1905 als spannende Zeitreise in die Welt vor 115 Jahren

josef

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#1
Zwar ein typischer "Sommerlochfüller", aber trotzdem ganz interessant: ;)

Zeitung von 1905 als Fenster in Vergangenheit

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Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, lautet ein viel zitierter Spruch. Doch das Blättern in sehr alten Zeitungen ist eine spannende Zeitreise. Der Villacher Chronist Gernot Rader bekam ein Exemplar der Villacher Zeitung aus dem Jahr 1905 in die Hände.

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Schon vor knapp 120 Jahren gab es verschiedene Rubriken in der Zeitung. „Politik, Lokales, Kultur und der Societybereich. Dieses Wort wurde damals allerdings nicht verwendet, so Chronist Rader. Es scheint in vielerlei Hinsicht wie ein Blick in eine andere Wirklichkeit, zitiert Rader als Beispiel: "Am 28. November 1905 fand ein Umzug zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechtes statt. Da musste man noch um das allgemeine Wahlrecht kämpfen. Gegen 11.00 Uhr marschierten 1.500 Arbeiter vor die Bezirkshauptmannschaft und eine Delegation sprach beim Bezirkshauptmann vor und die Demonstranten haben Freiheitslieder gesungen und rote Tafeln geschwenkt, mit Forderungen, die heute schon längst selbstverständlich sind“.

„Täterin mit starken Brüsten und Spitz“
In den Lokalnachrichten waren die Themen ähnlich denen von heute. Auch damals gab es Menschen, die Unrecht im Sinn hatten, nur wurde davon eben anders berichtet. So liest sich die Täterbeschreibung einer Ladendiebin einigermaßen skurril.

„Am 14. Jänner wurden zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr abends im Kaufgeschäft des Herrn Fürst, das war ein sehr bekanntes Geschäft am Hauptplatz, von einer unbekannten Frauensperson durch listige Vorstellungen sechs Schals und fünf Damengürtel herausgelockt. Die Täterin ist etwa 30 Jahre alt, hat eine starke Aussprache und starke Brüste. Ein schwarzer Spitz lief ihr nach. Ob man sie gefunden hat, steht nicht in der Zeitung“, so Rader.

ORF/Marco Ventre
Gernot Rader, hier mit Marco Ventre, schrieb mehrere Bücher mit Geschichten über Villach

Probleme mit Untauglichkeit damals wie heute
Auch die Wehrpflicht war 1905 bereits ein Thema in der Villacher Zeitung und es gab damals ein ähnliches Problem wie heute. „Bei der von 1. bis 4. März stattgefundenen Assentierung wurden von 600 Wehrpflichtigen 150 als tauglich befunden. Es gibt jetzt immer wieder die Meldungen bei uns, dass immer weniger junge Männer wehrpflichtig sind. Das ist aber auch nichts Neues. Damals sind von 600 nur 150 für tauglich befunden worden“, schilderte der Chronist die Ähnlichkeiten.
Auch über die Patientenstatistik im Krankenhaus wurde vor 120 in der Zeitung Auskunft gegeben: „Das Krankenhaus hat gemeldet, 1.903 sind abgegangen, 1.233 geheilte, 210 Gepestete, 47 Ungeheilte und 88 mit Tod. Und das ist jetzt interessant, das Durchschnittsalter der Verstorbenen war 45,5 Jahre bei Männern und 43 Jahren bei Frauen“, gab der Chronist Einblick in die Welt von vorgestern.

„Benzin mit Schaffl zum Auto getragen“
Ebenso recht exotisch liest sich der Motorsportseite von 1905. „Da ist folgende Meldung interessant. Am 26. April hielt ein großes Automobil vor dem Spritzereiwarengeschäft. Es war da einzige Geschäft, wo man Benzin kaufen konnte. Tankstellen gab es damals noch nicht. Eine Menge Neugieriger wuchs derart an, dass jeglicher Verkehr unmöglich wurde. Damals war ein Auto eine Riesensensation. Das Benzin wurde in einem offenen Schaffl wie Wasser zum Auto getragen und unter den Zuschauern fanden sich einige Pfeifen- und Zigarrenraucher. Man kann sich vorstellen, was da hätte passieren können“, so Rader.

Es dürfte aber gut ausgegangen sein. Zumindest ist in der Zeitung vom Tag danach kein derartiger Bericht zu finden. Die alten Zeitungen zum Nachlesen findet man laut dem Chronisten im Museum der Stadt Villach. Gegen Voranmeldung kann man dort auch Einblick nehmen, was sich vor über 100 Jahren in Kärnten zutrug.
21.08.2020, red, kaernten.ORF.at
Zeitung von 1905 als Fenster in Vergangenheit
 
#2
Ich lese immer wieder die alten Zeitungen Hier

Man gewinnt eine Sichtweise der Zeit - wie im obigen Beitrag geschrieben.
Dankenswerter Weise von der Redaktion auch vom Völkischen Beobachter, um sich sein Urteil selbst bilden zu können.
In heutiger Zeit werden ja schon viele Zeugen der Vergangenheit weggesperrt.

Und nicht mal die politischen Rubriken sind interessant, sondern auch die vielen Anzeigen.
Ich bin in vielen Teilen der ehemaligen Monarchie herumgekommen, so sind auch Anzeigen in diesen Orten für mich sehr interessant - damals noch in deutsch (in den deutschen Zeitungen) und daher für mich lesbar.
Wenn dann noch bei interessanten Themen die Suche mit Google erweitert wird, benötigt man oft Stunden :)

Nicht so gut finde ich, dass aufgrund des österreichischen Urheberrechtes die meisten Zeitungen bei den Jahren derzeit nur knapp über WKII hinausgehen.
Man stelle sich vor, man hätte die gesamten Jahre Online (bis heute) - hier würde man noch viele interessante Dinge vorfinden.

Einige Zeitungsarchive sind abrufbar, einige über Universitäten oder öffentliche Einrichtungen -> allerdings sehr erschwert.
 
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