E-Auto oder Verbrennungsmotor: Was ist über einen Lebenszyklus hinweg nachhaltiger?

josef

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E-Auto oder Verbrennungsmotor: Was ist über einen Lebenszyklus hinweg nachhaltiger?
Diese Frage beschäftigt Experten seit Jahren. Für Konsumenten fehlen beim Kauf klare Angaben

E-Auto oder eines mit Verbrennungsmotor – wer fährt ökologisch nachhaltiger? Eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt.
Foto: APA/dpa/Christophe Gateau

Der höhere Preis für die eigenen vier Räder wird von Elektroautofahrern gern geschluckt – schließlich geht es um ein sauberes Gewissen. Doch wer seine Ökobilanz schönen will, steht auch beim Kauf eines E-Fahrzeugs vor dem gleichen Problem wie bei Verbrennungsmotoren: Die Produktinformationen und -angaben der Hersteller sind dürftig – sowohl für die Kosten bei Instandhaltung und Betrieb als auch für die Ökobilanz. Das geht aus einer Analyse des Umweltbundesamts (UBA) im Auftrag der Arbeiterkammer hervor, die dem STANDARD vorliegt. Vorweg: Ein E-Auto dürfte die nachhaltigere Wahl sein, bis zu dieser Erkenntnis führt ein weiter Weg.

"Über die Gesamtökobilanz inklusive Herstellung von Auto und Batterie erfährt der Käufer nichts", kritisiert die Leiterin der AK-Abteilung Umwelt und Verkehr, Sylvia Leodolter, und verweist auf höchst unterschiedliche Informationen der Autohersteller über Ladekapazität der Batterien und Reichweite der Fahrzeuge. Die Kritik der Verbraucherschützer richtet sich nicht nur gegen die Hersteller, sondern insbesondere gegen die EU-Kommission, deren Richtlinie aus dem vorigen Jahrhundert stammt und keine genaueren Herstellerangaben normiert.

Enorme Unterschiede
Klar ist, die Unterschiede in der Ökobilanz sind enorm, was nicht nur in der Fahrzeuggröße und den in den Kfz verbauten Materialien begründet ist (sie sind mehr oder weniger gleich), sondern auch im Fahrzeuggewicht. Größere und schwerere E-Autos brauchen im Fahrbetrieb mehr Strom als kleine Stadtflitzer. Der vermehrte Einsatz von Aluminium in Stromern macht diese zwar leichter (im Vergleich zu Stahl), für die Ökobilanz bringt das allerdings nicht den gewünschten Effekt. Denn die Aluherstellung ist energieintensiver.

Kommt der Strom aus fossilen Energiequellen, produziert das an sich emissionsfreie E-Auto – über den Lebenszyklus hinweg betrachtet – auch Treibhausgasemissionen. Extras wie Klimaanlage, Sitz- und Standheizung oder Unterhaltungselektronik verbrauchen zusätzlich Strom und reduzieren so die Reichweite. Als Faustregel gilt: Kleinere E-Fahrzeuge haben kleinere Batterien und damit eine kürzere Reichweite, aber eine bessere Ökobilanz.

Strommix und Akku
Auch die Europäische Umweltagentur EEA hat eine Lebenszyklusanalyse erstellt und zieht ihrerseits den Schluss, dass E-Autos für Klima und Luftqualität besser sind als Verbrennungsmotoren. Über den gesamten Lebenszyklus eines Autos würden bei der E-Variante – mit bestehendem Energiemix innerhalb der EU – 17 bis 30 Prozent weniger Treibhausgasemissionen entstehen als bei Benzinern oder Diesel-Pkws. Sinkt der Anteil fossiler Brennstoffe im EU-Energiemix – wovon die Studienautoren ausgehen -, wird die Bilanz natürlich besser.

Während der Strommix in Ländern wie Österreich zu rund drei Vierteln erneuerbare Energie enthält, spielt für heimische Konsumenten vor allem die Frage der eingesetzten Batterie eine Rolle.
Deren Herstellung ist wiederum abhängig von Effizienz und Auslastung der Akkufabrik sowie davon, ob Ökostrom verwendet wird und welche Materialien im Akkumulator verbaut sind. Kritiker sehen in der Akkuherstellung die Achillesferse der grünen E-Mobilität: Eine Studie aus Schweden, die 2017 für Furore sorgte, stellte der Batterieerzeugung ein vernichtendes Zeugnis aus. Das Beratungsunternehmen IVL Swedish wertete den damaligen Stand der Forschung aus und kam zu dem Schluss, dass die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien pro Kilowattstunde Speicherkapazität zwischen 150 und 200 Kilogramm CO2 ausstößt. Eine große Batterie in Luxusmodellen wie dem Tesla S mit einer Kapazität von 100 kWh würde 15 bis 20 Tonnen an CO2-Emissionen erfordern. Das entspricht in etwa einem zweifachen Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich. Acht Jahre müsste man den Tesla S fahren, bis man in der CO2-Bilanz besser abschneidet als ein durchschnittlicher Dieselfahrer in Schweden.

Viele Zweifel
Allerdings wurde dieses Resultat seither von vielen Seiten angezweifelt. Vor allem hinkt der Vergleich einer E-Luxuslimousine mit dem typischen Dieselauto.

Würde man in der gleichen Fahrzeugklasse bleiben, hätte der Tesla-Fahrer nach fünf Jahren eine bessere Ökobilanz, schätzt Nachhaltigkeitsexperte Christian Bauer vom Schweizer Paul-Scherrer-Institut. Außerdem laufen die technologischen Entwicklungen bei der Batterienherstellung derart rapid, dass sich Prognosen über mehrere Jahre rasch überholen, wenn ein neues Modell auf den Markt kommt.

Jüngere Studien stellen den Akkus bereits eine bessere Ökobilanz aus. Die Bandbreite reicht dabei von einer bis zu 20 kWh pro Kilogramm Batteriegewicht, wie die Studienautoren des UBA betonen. Je nach Modell ist das ein enormer Hebel für die Ökobilanz. Die Batterieherstellung macht bei der Produktion eines E-Smart weniger als ein Viertel der CO2-Emissionen aus. Bei einem Tesla Model S sind es mehr als ein Drittel.

Beurteilung kaum möglich
Der umstrittene Einsatz seltener Erden bei der E-Pkw-Produktion könnte durch gezieltes Recycling jedoch abgeschwächt werden, heißt es seitens der EEA.

Trotzdem bleibt das Fazit: Die Beurteilung der Gesamtenergieeffizienz und der Kosten des Fahrbetriebs ist dem Verbraucher de facto gar nicht möglich. Das jedoch nicht, weil die Fahrzeughersteller keine Informationen herausrücken, sondern weil die Stromkosten variieren und für die Zukunft auch nicht vorhersagbar sind. Das gilt auch für die Treibhausgasemissionen aus der Stromproduktion, die vom Produktionsmix der Energieversorger abhängig sind.

Besserung ist nicht vor 2023 in Sicht. Bis dahin will die EU-Kommission eine einheitliche Berechnungsmethode für den EU-Binnenmarkt vorstellen. (Luise Ungerboeck, Leopold Stefan, Nora Laufer, 23.10.2019)

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