Das frühere Universalhandwerk der Wagnerei ist innerhalb von wenigen Jahrzehnten ausgestorben

josef

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Das verschwundene Gewerbe der Wagner
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Früher ein Universalhandwerk ist die Wagnerei innerhalb von wenigen Jahrzehnten ausgestorben. August Mittelstrasser hat den Betrieb seiner Vorfahren in Loosdorf (Bezirk Melk) in einer Schau wieder ins öffentliche Bewusstsein geholt.
Online seit heute, 17.16 Uhr
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Das Bild des Wagner-Handwerks war über Jahrhunderte geprägt vom Herstellen und Reparieren von Holzleiterwägen. In jeder Gemeinde war früher eine Wagnerei vorhanden. Die industrielle Revolution aber überrollte die Wagnerei – auch jene in Loosdorf, die um 1900 vom gebürtigen Bayern Johann Mittelstrasser gegründet worden war.

Er und sein Sohn August passten sich in der Folge der Zeit an: Statt Leiterwägen wurden Karosserien für Autobusse und Aufbauten für Lkw angefertigt – natürlich aus Holz, über Dampf gebogen. Auch auf andere Produkte wurde umgesattelt, etwa Stiele für Handwerkszeuge, aber auch Ski und Rodeln wurden in Loosdorf angefertigt.

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Die Wagnerei Mittelstrasser zu Beginn des 20. Jahrhunderts
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Skifabriken oft frühere Wagnereien
All das aber wurde später von spezialisierten Firmen erzeugt. Die meisten Skifabriken von heute waren früher Wagnereien. Das Universalhandwerk der Wagnerei verschwand zusehends. Deswegen lernte der Enkel des Firmengründers, August Mittelstrasser, diesen Beruf auch nicht mehr. Der Betrieb wurde Ende der 1960er-Jahre zugesperrt, aber die Räume und Werkzeuge großteils aufbewahrt.

Was blieb, war die Liebe, die der heute 73-Jährige August Mittelstrasser noch immer für diesen Beruf hegt: „Das Handwerk war immer um mich in meiner Kindheit, ich habe auch viel mitgeholfen. Aber es hatte keine Zukunft. Heute gibt es den Beruf offiziell gar nicht mehr, weil es keine Meisterkommission mehr gibt. Wenn jemand Wagner lernen will, dann kann er keine Meisterprüfung machen. Bringt also nichts“, sieht Mittelstrasser die Situation realistisch. Er versucht, vom Gewerbe zu retten, was noch zu retten ist: Das sind Hunderte Exponate, alles aus dem Betrieb seines Vaters und Großvaters – zum Teil Raritäten.

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Museumsgründer August Mittelstrasser ist der Enkel des Firmengründers
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Hier neben seinem Vater, der das Handwerk noch lernte, im Alter von 20 Jahren
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Der Lehrbrief von August Mittelstrassers Vater aus dem Jahr 1922
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Mit diesen Werkzeugen wurden vor etwa 100 Jahren Wägen gebaut
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1922 war das Auftragsbuch noch gut gefüllt

Hunderte Exponate am Dachboden
Wer sich ein modern ausgestattetes Museum erwartet, der wird allerdings enttäuscht: Die Schau ist auf dem ungeheizten Dachboden der originalen Wagnerei in Loosdorf eingerichtet, erreichbar über eine enge, knarrende Treppe, aber lohnend für jeden, der sich dafür interessiert.

Jahrelange Detailarbeit steckt dahinter: „Ich habe es 2009 eröffnet, aber das war noch nicht das Ende. Immer wieder ist irgendwo eine Schachtel mit interessanten Dingen aufgetaucht. So habe ich es bis heute immer wieder adaptiert. Jetzt sollte es auf dem letzten Stand sein.“ August Mittelstrasser lässt Interessierte gerne auf dem Dachboden einen Blick in die Wagnerei-Vergangenheit werfen.
06.03.2022, Robert Salzer, noe.orf.at
Das verschwundene Gewerbe der Wagner
 
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