China: Chinesische Onlinekarten sind verzerrt und falsch

josef

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#1
Wieso fast jede Onlinekarte Chinas falsch ist
China verzerrt aus schwer nachvollziehbaren Gründen seine Onlinekarten. Wer praxistaugliche Karten besitzen möchte, muss sich auf chinesische Software verlassen
Es dauerte bis ins Jahr 1988, bis der Chefkartograf der Sowjetunion erstmals öffentlich zugab, dass fast jede von der UdSSR produzierte Karte falsch war. Flüsse wurden verschoben, Straßen nicht eingezeichnet und ganze Stadtviertel untereinander ausgetauscht. Diplomaten und ausländische Journalisten in Moskau verließen sich stets auf Karten des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, wenn sie verlässlich an ihr Ziel kommen wollten.

Die Falsifizierung der analogen Karten hatte sicherheitsrelevante Gründe und war jahrzehntelang Usus in kommunistischen Regimen, um etwa Bombardierungen oder Geheimdienstoperationen verfeindeter Staaten zu erschweren. Mit zusehends besseren und vor allem digitalen Satellitenkarten, die von immer mehr Staaten produziert werden konnten, wurde diese Praxis zusehends unsinniger. Michail Gorbatschow beendete sie im Rahmen seiner Öffnung gegenüber dem Westen auch deshalb Ende der 1980er-Jahre.


China verzerrt seine Onlinekarten in guter alter kommunistischer Tradition – doch kaum jemand versteht warum.
Foto: Der STANDARD

China scheint aus unerfindlichen Gründen dennoch bis heute ähnlich vorzugehen. Peking achtet einerseits penibelst darauf, dass nur seine Version der Grenzen propagiert wird. Wer innerhalb Chinas andere als von der Zentralregierung abgesegnete Karten produziert und publiziert, kommt mit dem Gesetz in Konflikt und muss nach Verwarnung bis zu 63.000 Euro Strafe hinblättern und mit etwas Pech sogar ins Gefängnis. Andererseits weisen chinesische Karten immer wieder Unstimmigkeiten auf.

Chinas Kartengesetz umfasst satte 68 Paragrafen. Die offizielle Begründung, weshalb es solch ausführlicher rechtlicher Rahmenbedingungen bedarf, wird direkt im ersten Paragrafen mitgeliefert. Es gehe dar um, zum Zwecke der "Entwicklung der nationalen Wirtschaft, zum Aufbau nationaler Verteidigung, für den Fortschritt der Gesellschaft, zum Wohle eines verbesserten Umweltschutzes und zum Schutz sicherheitsrelevanter Geoinformationen" eine rechtlich solide Grundlage im Interesse er Volksrepublik zu schaffen. Lediglich 14 chinesische Firmen besitzen deshalb auch eine Berechtigung, Onlinekarten des Staatsgebietes zu erstellen. Sie haben aber einen Makel: Jede dieser Karten ist in gewisser Weise falsch – wenngleich dies kaum jemand innerhalb Chinas merkt.


Straßen in Flüssen, Geschäfte in Wäldern. Wer sich auf der internationalen Version des Kartendienstes Google auf das Satellitenbild wechselt, könnte durchaus verwirrt sein.
Foto: Screenshot maps.google.com

Schaltet man etwa auf der internationalen Version des weltgrößten Onlinekartendienstes Google Maps auf das Satellitenbild, so bemerkt man, dass die Autobahn, die in der Kartenansicht soeben noch korrekt ausgesehen hat, auf einmal mitten in einem Fluss verläuft. Ebenso ist das Postamt plötzlich in einem Wald und der Lieblingsteigtascherlstand inmitten einer Zementfabrik zu finden.

Falsch + Falsch = Richtig?
Die genauen Hintergründe für diese Vorgangsweise liegen im Dunkeln. China hat sich nie offiziell dazu geäußert. Hauptziel des Systems scheint es aber zu sein, Verwirrung zu stiften. Denn die Positionen werden je nach Kartendienst scheinbar willkürlich zwischen 50 und 700 Metern verzerrt. Im Gegensatz zu jenen Karten, die der überwiegende Teil der Menschheit nutzt und welche auf WGS84, jenem Referenzsystem, das als einheitliche Grundlage für Positionsangaben auf der Erde dient, basiert, verwendet China fast ausschließlich das GCJ02-System.

Nur die Onlinesuchmaschine Baidu verwendet ein eigenes System namens BD-02, doch auch das basiert auf dem gängigen chinesischen Modell. Erst nach einem Wechsel auf die chinesische Version des Kartendienstes passen Straßenkarten und Satellitenkarten wieder zusammen, allerdings nicht weil die Koordinaten der Wirklichkeit entsprechen, sondern weil die falsche Position um das ebenfalls falsche Satellitenbild ergänzt wurde. Die 14 Firmen besitzen quasi den Schlüssel für die korrekte Verzerrung des Satellitenbildes, sodass alles zusammenzupassen scheint, obwohl man von den Koordinaten her am falschen Ort steht. Besonders anschaulich ist das an Satellitenbildern von Grenzübergängen zu beobachten, wo Brücken plötzlich enden, nur um einige Meter versetzt weiterzuverlaufen.

Den Schlüssel dem Staat abkaufen
Wer halbwegs korrekte Karten veröffentlichen will, muss dem Staat diesen Algorithmusschlüssel abkaufen – ein wirtschaftlicher Anreiz Chinas kann also nicht ausgeschlossen werden. Nun könnte man auch argumentieren, dass die Chinesen dadurch geschickt ihre kritische Infrastruktur um eine weitere Komponente schützen. Tatsächlich ist es aber auszuschließen, dass militärische Antagonisten sich auf solch öffentlich zugängliche Karten stützen, sondern vielmehr ihre eigene Satellitenkarten dieser Region produzieren.


Der geteilte Fluss an der Grenze zwischen Hongkong und Festland China zeigt schön die unterschiedlichen Rechtslagen. In China wird das Satellitenbild verzerrt, in Hongkong nicht.
Foto: Screenshot maps.google.cn

Das Problem betrifft in erster Linie Touristen, die mit westlichen Online-Karten zu navigieren versuchen und dann irrend ihr Hotel oder das empfohlene Restaurant suchen. Ausweichmöglichkeiten sind rar. "Open Street Maps" ist eine, ihre Legalität jedoch umstritten. VPN-Services können Chinas Firewall teils umgehen, lösen aber nicht das Problem "falscher" Satellitenkarten. Richtig gut funktionieren oft nur chinesische Apps, die meist nur in chinesischer Sprache verfügbar sind, oder Apple Maps, das sich bei seinen Karten auf chinesische Software stützt. Letzten Endes weiß man selten sicher, wo etwas auf einer chinesischen Onlinekarte tatsächlich ist – und was das eigentliche Motiv Chinas für dieses Verhalten ist.
(Fabian Sommavilla, 31.8.2019)
Wieso fast jede Onlinekarte Chinas falsch ist - derStandard.at
 

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#2
SATELITENBILDER
China: Zensur von Kartendienst verriet Standorte von hunderten Straflagern
Den Internierungslagern für Uiguren auf der Spur, verglichen Journalisten zensierte Flächen mit alternativen Satellitenbildern

Ein frisches Satellitenbild von Planet Labs, das mit Hilfe der zensierten Flächen gefunden werden konnte. Es zeigt ein vermutetes Internierungslager
Foto: Planet Labs via Buzzfeed News

Eigentlich sollte die Zensur des chinesischen Kartendienstes Baidu Maps den exakten Standort bestimmter Gebäude geheim halten, sie erreichte jedoch den gegenteiligen Effekt. US-Journalisten fanden auffällige, blanke Kacheln auf der Karte, diese nutzen sie, um den Standort von mutmaßlichen Internierungslagern, in denen seit Jahren Mitglieder der muslimischen Minderheitengruppe der Uiguren festgehalten werden, zu identifizieren.

China hält die Informationen zu seinem Internierungsprogramm fest unter Verschluss. Es wird die Existenz von rund 1.200 Lagern für Uiguren in China vermutet, bekannt waren bisher jedoch nur die Standorte von fünf. In einem Bericht von "Buzzfeed" erklären Journalisten, welche kreativen Wege sie verwendeten, um die restlichen Lager ausfindig zu machen.

5 Millionen Zensur-Kacheln
Als sie den Standort eines bereits bekannten Lagers auf dem chinesischen Kartendienst Baidu Maps untersuchten, fiel den Journalisten auf, dass bei einem gewissen Vergrößerungs-Level ein blanker Kachel über das Gebiet zu sehen war. Zoomte man näher hinein, oder hinaus, verschwand die auffällige Fläche. Auf dieser Zoom-Ebene konnten die Journalisten über 5 Millionen solcher Zensur-Kacheln in der uigurischen Region Xinjiang ausfindig machen.

Ein Vergleich mit aktuellem Kartenmaterial von Google Earth, der Europäischen Weltraumorganisation und Planet Labs machte erkennbar, dass sich unter den Kacheln meist strategische Areale befanden, wie Militärbasen, Minen, Kraftwerke und Gefängnisse, darunter auch die bereits bekannten Internierungslager.

315 Lager vermutet
Um die Suche nach weiteren Lagern zu erleichtern, fokussierten sich die Journalisten auf zensierte Orte, die sich an Standorten befanden, die passende Rahmenbedingungen, wie die Nähe zu einer Stadt und einer Hauptstraße, erfüllten. Übrig blieben rund 50.000 Areale.

Diese untersuchten sie systematisch und glichen sie mit sowohl alten als auch aktuellen, alternativen Satellitenbildern ab. Bei 428 Einrichtungen konnten die Journalisten Merkmale von Gefängnissen oder Lagern zur Internierung identifizieren. 315 dieser Standorte werden, nach Einschätzung der Journalisten, zurzeit für das Internierungsprogramm für Uiguren verwendet. Manche seien groß genug um bis zu 10.000 Menschen unterbringen zu können.

Da mehr als die Hälfte der vermuteten Lager und Gefängnisse erst in den letzten Jahren erbaut wurde, und Satellitenbilder mancher Areale zuletzt 2006 von Google Earth angefertigt wurden, erstellte Satellitenbetreiber Planet Labs für die Untersuchung frische Fotos der Orte.

"Bildungszentren"
Mehr als eine Million Uiguren und andere Muslime sind laut Menschenrechtsorganisationen in Straflager eingesperrt. Dort werden sie nach Angaben von Aktivisten dazu gezwungen, ihre Religion abzuwenden und ihre Kultur und Sprache aufzugeben. Die chinesische Regierung weist die Vorwürfe zurück und behauptet, dass es sich bei den Lagern um "Bildungszentren" handle, die islamistische Radikalisierung bekämpfen solle.
(red, 29.08.2020)

Links:
Buzzfeed News


China: Zensur von Kartendienst verriet Standorte von hunderten Straflagern - derStandard.at
 
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