Bei einer Ausstellung über "Fabergé – Juwelier am Kaiserhaus" sollen in der Eremitage in St. Petersburg angeblich Fälschungen gezeigt worden sein

josef

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St. Petersburger Eremitage wegen Fabergé-Eiern in der Kritik
Die Eremitage zeigte Ostereier und andere Objekte, die der Juwelier Fabergé produziert haben soll. Laut Experten soll es sich teils um plumpe Fälschungen gehandelt haben

Experten zufolge handelt es sich bei diesem Osterei nicht um ein von Fabergé 1904 für die Zarin gefertigtes, sondern vermutlich um eine Fälschung.
Ruzhnikov

Das legendäre Krönungsei (1897), mittlerweile im Bestand des Fabergé-Museums (St. Petersburg), war von Sotheby's-Experten 2004 auf bis zu 24 Millionen Dollar geschätzt worden.
Sotheby's

Aus Perlen und Diamanten gefertigte Maiglöckchen und Familienporträts zierten die Ostergabe Nikolaus II. an seine Frau Alexandra 1898. Dieses Modell gehört zu jenen, die Wiktor Wekselberg en bloc erwarb.
Sotheby's

Ostern hin oder her, wer will schon übel stinkende Eier vorgesetzt bekommen? Verbraucher die herkömmlichen wohl ebenso wenig wie Kunstinteressierte solche der Gattung Kunsthandwerk. An letzterer Front gerät Michail Pjotrowski, Direktor der Eremitage in St. Petersburg, schön langsam in die Bredouille. Seit Jänner sieht er sich mit dem Vorwurf konfrontiert, dem Publikum in der jüngst zu Ende gegangenen Ausstellung "Fabergé – Juwelier am Kaiserhaus" umstrittene Objekte und Fälschungen dubioser Herkunft untergejubelt zu haben. Darunter fünf der vermeintlich legendären kaiserlichen Ostereier, bei denen es sich um "faule" Repliken handeln soll.

Leihgeber Oligarch
Das behaupten eine Reihe internationaler Experten – die nationalen schweigen diplomatisch. Der seit bald 30 Jahren amtierende Museumsdirektor wiegelt ab und versucht es als einen offenen Zuschreibungsprozess zu bagatellisieren. Den Leihgeber, einen Oligarchen, der im deutschen Baden-Baden ein Privatmuseum betreibt, interessieren die Belehrungen der Fachwelt nur insofern, als er mit Klagen droht. Die Angelegenheit könnte für die an solchen Storys interessierte Leserschaft also noch ganz unterhaltsam werden.

4.800 Wangenküsse
Dem Ostermorgen kommt aus historischer Perspektive die größte Bedeutung zu. Im Zarenpalast muss er der Überlieferung nach ein beeindruckendes Schauspiel gewesen sein. Schon des Busserlmarathons wegen, den der Zar zu absolvieren hatte: je drei pro Angestellten, das Ganze mal 1.600, machte 4.800 Wangenküsse insgesamt. Dazu bekam jeder ein Osterei, die einfachen Bediensteten eines aus Porzellan und die höheren Ränge mit Emaille sowie Edelstein verzierte.
Das prachtvollste Geschenk war jedoch der Zarin vorbehalten. 1885 erstmals in Form eines übergroßen goldenen, mit eierschalenfarbenem Emaille überzogenen Eis und einer Besonderheit im Inneren: In der auf goldenes Stroh gebetteten goldenen Henne verbargen sich ein mit Edelsteinen verziertes Ei sowie eine Zarenkrone aus Diamanten. Die von Alexander III. beauftragte Kreation eines gewissen Carl Fabergé begeisterte die Zarin über alle Maßen.

Jährlich ein Ei
Fortan fertigten der russische Goldschmied und seine Meister – ausgenommen 1904/05 – jährlich ein mit Juwelen besetztes Ei für die Zarin, ab 1894 ein zweites für die Zarenmutter. Das neue durfte niemals dem vorangegangenen gleichen und musste dieses in künstlerischer Gestaltung und technischer Raffinesse übertreffen. Bis 1916 entstanden 50 solcher kaiserlicher Eier.

Für Devisen verkauft
Die Mehrheit verschwand im Zuge der Russischen Revolution und des nachfolgenden bolschewistischen Ausverkaufs. Am Erhalt solch dekadenten und als zutiefst imperialistisch empfundenen Kulturguts hatten die Kommunisten kein Interesse. An Devisen sehr wohl.
Sechs der kaiserlichen Ostereier gelten als verschollen, der Verbleib von 44 ist gegenwärtig bekannt. Das mit zehn Stück umfangreichste Ensemble befindet sich im Moskauer Kreml. Neun weitere nennt des Fabergé-Museum in St. Petersburg sein Eigen, und ihre jüngere Herkunft dokumentiert eine durchaus politische Dimension: Der US-amerikanische Zeitungsmagnat Malcolm Forbes hatte nicht nur Gefallen an der wertvollen Ostergabe einstiger Zaren gefunden, sondern wollte auch mehr Exemplare als der Kreml besitzen.

Die auf den Markt kamen
Ein Plan, der fehlschlagen sollte. Jedenfalls investierte er ein Vermögen in all jene, die auf den Markt kamen oder die er Privatsammlern abspenstig machen konnte. Unter den zwölf, die er bis zu seinem Tod erwarb, waren drei, die Fabergé für andere Kunden gefertigt hatte. Die neun kaiserlichen sollten 2004 bei Sotheby's in New York versteigert werden.
Dazu kam es nicht, da der russische Industrielle Wiktor Wekselberg die Sammlung im Vorfeld kaufte: An die 100 Millionen Dollar soll er für die Preziosen berappt haben, die in dem von ihm errichteten Fabergé-Museum eine Heimat fanden. Für diese überaus patriotische Tat erntete Wekselberg lautes Lob – sowohl vom Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche als auch vom Kreml. Im Stillen mag Leihgeber Alexander Iwanow mit einem ähnlichen Effekt liebäugeln, wenngleich es ihm eher um einen Verkauf seiner Sammlung gehen dürfte. Ein Scheich, so ließ er bei diversen Gelegenheiten wissen, habe ihm dafür zwei Milliarden Dollar geboten. Ein 50-Prozent-Nachlass ginge ja vielleicht auch als patriotischer Akt durch.

"Fauxbergé"
Der Haken: Allein an den in der Eremitage gezeigten Objekten gibt es erhebliche und durchaus berechtigte Zweifel an der Authentizität. Vielmehr fallen sie in die Kategorie "Fauxbergé", wozu sowohl plumpe Fakes als auch Verfälschungen unter Verwendung historischer Materialien gehören.

Im Mittelpunkt steht ein Osterei, das Nikolaus II. der Kaiserin Alexandra 1904 zum zehnten Hochzeitstag geschenkt haben soll. In den Archiven findet sich dazu kein einziger Hinweis. Die von Iwanow vorgelegten Dokumente sind ebenfalls gefälscht, argumentiert der Experte Andre Ruzhnikov: Denn "in den Jahren 1904/1905 wurden aufgrund des Russisch-Japanischen Krieges von Fabergé keine kaiserlichen Ostergeschenke produziert", betont der in London angesiedelte und in diesem Fachbereich seit bald 50 Jahren aktive Kunsthändler.

Viele Ungereimtheiten
Bereits vor einem Jahr verwies eine unabhängige US-amerikanische Fabergé-Forscherin auf unzählige Ungereimtheiten – etwa bei den vier Miniaturporträts der Zarenfamilie, denen kürzlich kolorierte Archivfotos als Vorlage dienten, die jedoch allesamt nach 1904 aufgenommen wurden. Beim Porträt des Zaren dürfte dem Fälscher wiederum ein Fehler unterlaufen sein: Für ein Ordensband wählte er eine falsche Farbe.

Showdown am Ostersonntag
Über solche Details zu diversen Objekten, die in der Fabergé-Schau gastierten, informiert der Londoner Händler seit Jänner in offenen Briefen über seine Website. Ein ums andere Mal entlarvt er sie als "Fauxbergé" oder falsche Zuschreibungen auf fundierte Weise. Seine Motivation? Diese schändliche Ausstellung beschmutze den Ruf eines der herausragendsten Museen in Russland. Ein blasphemischer Frevel an der russischen Kultur sei das, betont Ruzhnikov im Gespräch.
Einen ersten Showdown darf man am Ostersonntag erwarten: Um neun Uhr morgens Eastern Standard Time geht der US-TV-Sender CBS mit einer Story "über die Skandalausstellung" in der Eremitage auf Sendung.
(Olga Kronsteiner, 2.4.2021)

Weiterführende Info: Seit Jänner entlarvt Andre Ruzhnikov Ungereimtheiten und falsche Zuschreibungen von Objekten, die bis 14. März in der der Eremitage in St. Petersburg ausgestellt waren, in Form von öffentlichen Briefen an den Direktor.
St. Petersburger Eremitage wegen Fabergé-Eiern in der Kritik
 
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