Bayern: Überreste eines mehr als 3.000 Jahre alten Brunnens in Germering freigelegt

josef

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MAGISCHER FUND
3.000 Jahre alter "Wunschbrunnen" in Bayern entdeckt
Der erstaunlich gut erhaltene Brunnen aus der Bronzezeit enthielt kostbare Opfergaben – ein Hinweis darauf, dass er einst rituellen Zwecken diente
Wo immer man auf einen Brunnen trifft, wird man Münzen darin finden. Je prominenter – und damit touristisch frequentierter –, desto größer die Menge an Kleingeld auf dem Grund der Wasserspender. Der europäische Star unter den Brunnen, die Fontana di Trevi in Rom, wird geradezu von Münzen zugeschüttet: 1,5 Millionen Euro werfen sich die Touristenscharen pro Jahr über die Schultern und ins Becken, in der Hoffnung auf Glück oder die Erfüllung eines Wunsches.

Dass dieser Aberglaube auf vorzeitlichen Traditionen beruht, die eng mit heiligen Brunnen und Wasserquellen verbunden waren, ist möglich, aber keineswegs gesichert. So spekulieren etwa einige Fachleute, dass das moderne Kleingeldversenken auf die Beobachtung unserer Vorfahren zurückgehen könnte, wonach Wasser, in dem Münzen aus Kupfer und Silber liegen, vor Infektionen schützt oder diese lindert.


Der bronzezeitliche "Wunschbrunnen" enthielt zwar keine Münzen, dafür aber viele andere Kostbarkeiten,
Foto: blfd/Marcus Guckenbiehl

Kostbarkeiten aus der Tiefe
Fakt ist jedenfalls, dass Menschen seit Jahrtausenden teils kostbare Gegenstände und Verbrauchsgüter in ihre Brunnen werfen. Ein herausragendes Beispiel dafür wurde heuer in Oberbayern entdeckt: Ein Grabungsteam legte in Germering, einer 40.000-Einwohner-Stadt westlich von München, die gut erhaltenen Überreste eines mehr als 3.000 Jahre alten Brunnens frei. Das Spektakuläre daran sind insbesondere die zahlreichen kürzlich vorgestellten Objekte vom Grund des einst fünf Meter tiefen Brunnens. Sie sprechen dafür, dass der Schacht auch rituellen Zwecken diente.

26 Nadeln aus Bronze wurden ebenso in dem Brunnen entdeckt ...
Foto: blfd/Marcus Guckenbiehl

... wie ein Armreif und ...
Foto: blfd/Marcus Guckenbiehl

... vier Bernsteinperlen.
Foto: blfd/Marcus Guckenbiehl

Durch seine Verfüllung unterscheidet sich dieser Brunnen grundlegend von den anderen früher entdeckten Brunnen auf der Grabungsfläche von rund sieben Hektar. Auf dem Gelände, das seit Anfang 2021 archäologisch untersucht wird und wo später ein Briefverteilungszentrum entstehen soll, wurden zwischen der Bronzezeit und dem frühen Mittelalter mehr als 70 Brunnen angelegt. Sie alle gehörten zu Siedlungen unterschiedlicher Epochen, die durch Hausgrundrisse und Abfallgruben nachgewiesen werden konnten.

Opfer für eine gute Ernte?
"Noch heute haben Brunnen für viele Menschen etwas Magisches. Sie werfen Münzen hinein, in der Hoffnung, dass ihre Wünsche erfüllt werden", sagte Mathias Pfeil vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. "Welche Motive unsere Vorfahren vor 3.000 Jahren bewegten, Schmuck und andere wertvolle Gaben darzubringen, können wir heute nicht mehr nachvollziehen. Naheliegend wäre aber, dass sie als Opfer für eine gute Ernte gedacht waren", erklärte der Konservator.

Neben 26 Gewandnadeln aus Bronze und mehr als 70 Tongefäßen bargen die Archäologinnen und Archäologen einen Armreif, zwei Metallspiralen, einen gefassten Tierzahn, vier Bernsteinperlen, ein Rindengefäß und einen hölzernen Schöpflöffel sowie mögliche Grasgeflechte und botanische Rückstände.

Keine Abfallgrube
Die hohe Zahl und vor allem die hohe Qualität der Gegenstände sprechen dafür, dass es sich hier nicht um eine Anhäufung von Abfall und Ausschuss handelt. Auch dass sie versehentlich hineingefallen sein könnten, halten die Fachleute für unwahrscheinlich. Alles wirkt, als habe man die Dinge absichtlich und unversehrt in den Brunnen hinabgelassen. Darauf verweisen auch die Keramiken – kein einfaches Alltagsgeschirr, sondern fein gearbeitete, verzierte Schalen, Tassen und Töpfe, wie sie die Menschen in der Mittleren Bronzezeit (etwa 1800 bis 1200 v. u. Z.) beispielsweise auch als Grabbeigaben genutzt haben.


Kein Alltagsgeschirr: Die geborgenen Vasen, Tassen und Töpfe sind fein gearbeitet und mit Mustern verziert.
Foto: blfd/Marcus Guckenbiehl

"Brunnen dienten zur notwendigen Wasserversorgung der Siedlungen. Dieser Brunnen zeigt durch seine Tiefe, dass er in einer Zeit genutzt wurde, in der der Grundwasserstand weit abgesunken war, was auf eine lange Trockenheit und sicher auch auf schlechte Ernteerträge schließen lässt", sagte Marcus Guckenbiehl, Stadtarchäologe von Germerings. "Möglicherweise kann man darin einen Grund erkennen, warum die damals hier lebenden Menschen einen Teil ihres Besitzes ihren Göttern in diesem Brunnen opferten."

Extrem seltener Fund
Der Fund ist auch in anderer Hinsicht ein Glücksfall, ist er doch in einem für sein Alter außergewöhnlich guten Zustand. "Dass ein Brunnen mehr als 3.000 Jahren so gut übersteht, ist extrem selten", freut sich Jochen Haberstroh vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.

Die Holzwände des Brunnens sind auf dem Grund komplett erhalten und zum Teil noch vom Grundwasser durchfeuchtet. Das würde auch den guten Zustand der Funde aus organischen Materialien erklären, meinte der Archäologe. Von der Untersuchung dieser Überreste und der übrigen Kostbarkeiten erhoffen sich die Forschenden weitere Informationen über den Alltag der damaligen Siedler.
(tberg, red, 31.12.2022)

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