AVIS - Flugzeug- und Autowerke Ges.m.b.H. in Brunn am Gebirge

D

Diver

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#1
Anbei ein interessanter Bericht über das AVIS Werk.

Wohl die wenigsten Brunner Mitbürger werden sich vorstellen können, das es in Brunn nach dem ersten Weltkrieg eine, in Fachkreisen Aufsehen erregende, Flugzeugproduktion mit eigenem Flugplatz und auch eine erfolgreiche Autoproduktion durch die im Titel genannte Firma gab.

Noch vor wenigen Jahren erinnerten sich im Zuge einer Befragung älterer Brunner:
".... Wir sind als Kinder am Gitter gehängt und haben die Flugzeuge bewundert..." (J.T.)
".....Es sind noch lange 10 bis 12 Taxis auf der Wiese gestanden und ein Flugzeug, das bei einem Probeflug abgestürzt war. Es lag in einem Teich, dann holte es der Eisentandler aus Alt-Erlaa..." (J.N.)
"....Die AVIS war an der Mauer des (ehemaligen, Red.) Gefangenenlagers... Tag und Nacht sind die Motoren gelaufen...Noch lange sind wir darin herumgeklettert und haben uns Zündkerzen für unsere Motorräder geholt..."(J.Z.)

Dieses erwähnte sogenannte "Kriegsgefangenen-Gewerbelager" umfasste das Gebiet der jetztigen Jakob Fuchsgasse, Rennweg, Franz Schubertgasse und die Max Schremsgasse und war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aufgelöst worden. Das Grundstück wurde zum Teil parzelliert und als billiger Baugrund abgegeben, andererseits an Firmen verkauft. Zu diesen gehörte auch die "Technische Werkstätten Ges.m.b.H. in Wien", die Vorgängerin der "AVIS Flugzeug- und Autowerke Ges.m.b.H.", welche in den Jahren 1922-1924 in gemieteten Werkstätten des Arsenals, Wien 3.Bezirk, Kleinautos hergestellt und auch Versuche auf dem Flugzeugsektor unternommen hatte. Diese Firma erwarb 20250m² Grund in Brunn am Gebirge und etablierte sich im September 1924 als "AVIS" in sechs vorhandenen Objekten.

Flugzeugproduktion


Unmittelbar darauf bietet sie bereits - neben dem Verkauf von AVIS Kleinautos - Rundflüge an sowie die Herstellung von Luftbildern, außerdem die Ausbildung von Flugzeugführern in einer eigenen Flugschule. Es erscheint uns, bei den heute üblichen Entwicklungszeiten und-kosten, unvorstellbar, dass es AVIS bereits im ersten Jahr ihres Bestehens, Ende 1924, zustande brachte, fünf verschiedene Flugzeugtypen vorzustellen. Vier dieser Flugzeuge erhielten von der Luftfahrtbehörde Zulassungsnummern und es gibt auch Unterlagen über ihre Verwendung.

Diese Leistung konnte nur mit Hilfe bewährter Fachkräfte aus dem Ersten Weltkrieg bewältigt werden, wie zum Beispiel: Flugzeugkonstrukteur Ingenieur Julius von Berg, Hauptmann und Feldpilot Oskar Fekete, Flieger Oberleutnant Franz von Berg-Mylius, Rittmeister Arpad von Pinter.

Die Flugzeuge, welche die Typenbezeichnung BS I-IV trugen, wurden "Schulflugzeuge" genannt. Es waren einmotorige, zweisitzige Hochdecker, besonders geeignet zur Ausbildung von Sport- und Militärfliegern.

"AVIS" BS I hatte eine Spannweite von 10,4m und eine Länge von 7,67m, von einem 100PS starken, wassergekühlten Sechszylinder-Standmotor angetrieben, erreichte das Flugzeug eine Geschwindigkeit von 145 km/h und eine Gipfelhöhe von 3000m.

"AVIS" BS II-III unterschieden sich nur in Details, während die nicht zugelassene Variante BS IV durch die Verwendung eines 80PS luftgekühlten Umlaufmotors am Rumpf wesentlich verändert wurde.

Eine Weiterentwicklung stellte das Kabinenflugzeug "AVIS" BV I dar. Bei diesem befand sich hinter dem offenem Cockpit des Piloten eine Fahrgastkabine, die 2-4 Passagieren auf gegenüber liegenden Polsterbänken Platz bot. Eine seitliche Tür ermöglichte einen bequemen Einstieg und 3 Fenster auf jeder Seite einen guten Ausblick.

Großes Aufsehen, besonders unter Fachleuten und in einschlägigen Schriften, rief der Bau eines dreimotorigen Verkehrsflugzeuges in den AVIS-Werken in Brunn hervor. Es wurde als "Erstes österreichisches Großflugzeug" bezeichnet und trug die Typenbezeichnung "AVIS" BGV I. Das Flugzeug war ein Doppeldecker mit einer Spannweite der oberen Tragfläche von 19,6m und der unteren von 14m. Die Länge betrug 13,2m, das Leergewicht 2180kg. Der Rumpfmotor Gesamtleistung von 430 PS. Dem Flugzeug wurde ein bedeutender Kraftüberschuss zugeschrieben, der den Start auf kleinen Flugfeldern, eine Spitzengeschwindigkeit von 170 km/h und eine Flugsicherheit, auch beim Überfliegen von Hochgebirgen, ermöglichte. Die hinter dem Pilotenraum liegende Passagierkabine war für 6 Personen ausgestattet. Eine Erweiterung auf 10 Sitze war vorgesehen. Durch die seitliche Einstiegstür gelangte man in einem Vorraum, aus welchem auch eine mit einem Waschbecken versehene Toilette erreichbar war.

Über das Schicksal der Flugzeuge ist nur wenig bekannt. Sicher ist, dass AVIS BS I (Kennung A10) bei einer Flugvorführung in Sofia abstürzte, als ein bulgarischer Luftwaffenpilot es verbotener Weise im Kunstflug testete. AVIS BS III (A15) scheint noch 1930 in der Ausbildungsstätte Graz Thalerhof für Militärpiloten des im Aufbau befindlichen Bundesheeres der ersten Republik auf. Zwei weitere Flugzeuge, darunter das Verkehrsflugzeug BGV I (A11), dürfte 1925 verunglückt sein.

Autoproduktion

Weniger spektakulär, jedoch wirtschaftlich auch länger erfolgreich, erwies sich die Autoproduktion. Diese hatte noch in der "Technischen Werkstätte Ges.m.b.H." in Wien - Arsenal 1922 begonnen. Unter der Leitung von Ing. Franz Dozekal - dem Konstrukteur des in den 1960er Jahren sehr bekannten "Goggomobils" - wurde schon damals ein Kleinauto gebaut.

Diese "Type 3, 4/20 PS" war eine wassergekühltes, zweizylindriges Kleinauto mit Dreiganggetriebe und wegen der niedrigen Steuerkategorie bald sehr beliebt. Ab 1924 wurde dieses Auto auch in Brunn erzeugt. 1927 wurde von der Firma AVIS zwei luxuriöse Autotypen vorgestellt: "Type V 4/20 PS", ein Viersitzer, der als "Wagen der Damen" angeboten wurde, und die "Type V 4/30 PS" ein Fünfsitzer. Die Maximalgeschwindigkeit dieser Autos erreichte 80 bis 90 km/h.

Obwohl von diesen Autos der "Wagen der Dame" zum Beispiel beim "Concours d` Elegance" die beste Platzierung mit einem 2. Platz - der erste wurde nicht vergeben - erreichte, musste die Erzeugerfirma zur Kenntnis nehmen, dass solche Luxusautos mehr und mehr, besonders im Hinblick auf die sich anbahnende Wirtschaftskrise, von Gebrauchtwagen abgelöst wurden. Es wurden daher sparsame Personenautos, die sich vor allem als Taxis bewährten, erzeugt.

Im Verzeichnis der Wiener Autonummern, Ende Februar 1931, sind folgende AVIS - Kraftfahrzeuge angemeldet: 16 Pkws, 62 Taxis und 8 Lastkraftwagen. Noch 1950 erwähnt das "Sonderheft der statistischen Nachrichten" 3 AVIS Pkws und 6 Lkws. Ein alter Brunner hat erzählt, das viele Taxis aus Wien nach Brunn zur Reparatur kamen, obwohl in der Canongasse in Wien auch eine Reparaturwerkstätte existierte.

1928 kam es trotz allem zum endgültigen Zusammenbruch. Die Gründer und Konstrukteure, großteils bekannte Militärpiloten und versierte Techniker, hatten sich im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich Berater anvertraut, welche durch Spekulationen und Zusammenbruch mit zweifelhaften Banken ihre Anstrengungen zunichte gemacht hatten.

Gertrude und Heinz Ilming

Quellen:
Ilming Thomas (1999): Die AVIS Flugzeug- und Autowerke Ges.m.b.H. in Brunn am Gebirge, als Beispiel für die wirtschaftliche und soziale Situation im südlichen Wiener Becken nach dem Ersten Weltkrieg. Univ. Wien Inst. f. Volkskunde (Unveröffentlichte Diplomarbeit).

Quelle Text und Fotos:
Brunner Geschichte und Geschichten 1/2001


Weiter Informationen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Avis_Flugzeug-_und_Autowerke
http://www.avis-werke.at
http://www.r-krickl.com


Lg. Thomas
 

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Topas

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#2
Neue Studie

Zu diesem Thema gibt es neue, umfassende Untersuchungen:

http://www.avis-werke.at/

Da wurde sehr viel Neues herausgefunden und einiges von dem, was oben steht stimmt nach neuesten Erkenntnissen so nicht.
 
D

Diver

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#3
Hallo @Topas,

herzlich willkommen im Forum und danke für deinen Beitrag.
Könntest du Erläutern um welche neuen Erkenntnisse es sich genau handelt?

Lg. Thomas
 

josef

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#4
Hallo Robert,
ein herzliches Willkommen im Forum!
Danke für die Hinweise, das Buch wurde schon hier im Forum angekündigt/vorgestellt :)

lg
josef
 
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Topas

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#5
Danke Diver und Josef! Ja, eure Plattform ist sehr interessant und gut gemacht. Es gibt viele spannende Themen und deshalb habe ich mich angemeldet. Dieser Beitrag ist mir aufgefallen und ich wollte die Infos ergänzen. Um welche Erkenntnisse es sich handelt? Schwer dies in einem Satz zu beantworten. Das genannte Buch ist 272 Seiten lang und Themen, die in dem zitierten Text nur einen halben Satz ausmachen, füllen dort ganze Kapitel... Etwa manche Daten und alle genannten Schicksale der Flugzeuge stellen sich nach den neuesten Untersuchungen anders dar, das Unternehmen betätitgte sich in viel mehr Sparten und seine Bedeutung war viel größer als bisher vermutet.
 
#6
Auto "made in Brunn" entdeckt

Für Robert Krickl aus Brunn am Gebirge gilt: "Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation sind mir Beruf und Berufung. Die Faszination unserer Welt allen - von Kindergartenkindern bis zu PensionistInnen - einfach und anschaulich zu vermitteln, sind mein Herzensanliegen und erklärte Lebensaufgabe."

Und "Wissenschaft zahlt sich aus – wie dieses aktuelle Beispiel verdeutlicht", jubelt Heimatforscher Robert Krickl, der sich schon seit einem Jahrzehnt mit der ersten Flugzeugfabrik der Republik Österreich, welche in den 1920er-Jahren in Brunn am Gebirge stand, beschäftigt. Ein umfangreiches Buch zu diesem Thema hat er bereits veröffentlicht und forscht laufend weiter, um immer mehr über dieses vergessene Kapitel der Technikgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


Robert Krickl mit dem sensationellen Scheunenfund, einem 1924 in Brunn am Gebirge erbauten Fahrzeug.

Im Zuge der fortlaufenden Recherchen hatte er nun in einer alten Scheune bei Innsbruck einen wahren „Indiana Jones-Moment: Unter Staub und Spinnweben habe ich ein Auto aus dem Jahr 1924 entdeckt, das in der Brunner Fabrik – die neben Flugzeugen auch Wagen herstellte – gebaut worden ist".
Das sei für Krickl der „Heilige Gral“ – das einzig erhaltene Exemplar des ältesten Serienmodells aus Brunn, dem "Avis Typ 2/3": Die Produktionszahlen seien damals sehr gering gewesen, weiß Krickl, "aus dieser Zeit sind praktisch nur Edelkarossen und fast keine der einfachen Wagen für die breite Masse erhalten, zu denen der hier vorliegende zählt. Der Materialwert ist nicht hoch – aber der wissenschaftliche Wert und jener für Heimatkunde und Volksbildung unermesslich".
Fest entschlossen hat der Wissenschafter und Forscher das Auto gekauft, um dieses Stück heimischer Mobilitätsgeschichte aus seinem Dornröschenschlaf zu holen und wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In einem großen Forschungsprojekt soll es nun eingehend naturwissenschaftlich untersucht, rigoros dokumentiert, konserviert und restauriert werden, bevor es der Allgemeinheit präsentiert werden kann, zumal "Erzeugnisse aus Österreich immer wieder dazu beigetragen haben, die Technik voran zu bringen".
Wie es mit dem Restaurierungsprojekt weitergehen wird und wie man es unterstützen kann, will Krickl via Homepage bekanntgeben.
www.krickl-research.at
Quelle: Auto "made in Brunn" entdeckt
 
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