Ein stillgelegtes Atomkraftwerk, das nie in Betrieb ging, als Schauplatz für internationale Katastrophenschutz-Szenarien: Der European Robotics Hackathon („EnRicH“) hat auch heuer Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt nach Zwentendorf (Bezirk Tulln) gebracht. Inmitten der meterdicken Mauern des AKW testeten Spezialteams den Einsatz von Robotern, Drohnen und Künstlicher Intelligenz bei simulierten Reaktorunfällen.
Ziel war es, bei einem angenommenen Austritt radioaktiver Stoffe Lagebilder zu erstellen, Gefahrenquellen zu identifizieren und Möglichkeiten für eine sichere Menschenrettung zu erproben.
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Fraunhofer FKIE/Fabian Vogl
Ein radbetriebener Roboter im Wettbewerbs-Einsatz
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Die Teilnehmer des European Robotics Hackathon am Gelände des AKW Zwentendorf
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Berge-Roboter auf der Suche nach Dummies von verunglückten Arbeitern im Gebäude
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Herausfordernd und einmalig zugleich waren die Wettbewerbs-Bedingungen im AKW Zwentendorf
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Ein kettenbetriebener Berge-Roboter im Rettungseinsatz
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Ein Robotik-Hund im „ENRICH“-Robotik-Wettbewerb
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Zwischen den Wettbewerbstagen waren Nachjustierungen notwendig
Hightech im ehemaligen AKW
Das AKW Zwentendorf dient heute als Sicherheits-Trainingszentrum und wird regelmäßig für Übungen von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Forschungseinrichtungen genutzt. Für „EnRicH“ 2025 war es der ideale Ort: Das Gebäude ist realistisch, aber ungefährlich – und bietet Bedingungen wie kein anderes Gelände.
Durch die teils meterdicken Mauern im AKW Zwentendorf fehlt jegliches GPS-Signal – eine Herausforderung, der sich Menschen, Drohnen und Roboter stellen müssen. In komplexen Indoor-Szenarien erstellen sie ihre eigenen Navigationskarten, erfassen Strahlungswerte und liefern damit wertvolle Lagebilder.
Zwischen Forschung, Praxis und Zukunft
„Wir brauchen diese Technologien, um Einsatzkräfte künftig gezielter und sicherer einzusetzen“, sagt Brigadier Michael Janisch, Leiter des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) im Bundesministerium für Landesverteidigung.
Im Ernstfall könnten so Einsatzkräfte gezielt dorthin geschickt werden, wo Hilfe nötig ist – mit möglichst geringer Strahlenbelastung, sagt Janisch. Die eingesetzten Systeme sollen in Zukunft aber auch bei Erdbeben, Großbränden oder in Tunneln und Industrieanlagen helfen, möglichst gefahrlos Informationen für Rettungskräfte zu sammeln.
Bundesheer und Forschung im Schulterschluss
Das Bundesheer spielt bei „EnRicH“ eine doppelte Rolle: Einerseits als Beobachter und möglicher Anwender, andererseits als Vermittler zwischen Wissenschaft und militärischer Beschaffung. „Wir stehen an der Schwelle, neue Technologien in unseren Aufgabenbereich zu übernehmen“, erklärt Janisch. „Doch dafür müssen wir diese Systeme vorher in realitätsnahen Szenarien verstehen und beherrschen.“
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Der Leiter des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik, Brigadier Michael Janisch, beim Teilnehmer-Briefing
Neben der eigenen Expertise bringt das Heer auch sicherheitstechnisches Know-how ein. Denn das Planspiel basiert auf realen Unfallszenarien wie Tschernobyl oder Fukushima – inklusive der Möglichkeit, mit abgeschirmten Strahlenquellen zu üben. Die so gesammelten Daten fließen in die Bewertung der Systeme ein, aber auch in das Know-how für künftige internationale Einsätze.
Die Sicherheit stand beim Robotik-Wettbewerb an oberster Stelle. Bei Übungen wurden zwar reale Strahlenquellen eingesetzt, die zu Testzwecken freigelegt wurden. Der Zugang war jedoch streng geregelt, die Roboter mit Geigerzählern ausgestattet. Kein Mensch war in den betroffenen Bereichen unterwegs. Damit konnte unter realitätsnahen Bedingungen geforscht werden, ohne Risiken einzugehen.
170 Teilnehmer aus 27 Ländern
Veranstaltet wurde „EnRicH“ vom Fraunhofer-Institut FKIE gemeinsam mit dem österreichischen Bundesheer. Dabei wurde heuer ein neuer Teilnehmerrekord erreicht: 15 Teams mit mehr als 170 Personen aus 27 Ländern. Neben drei Teams mit Hochschul-Studierenden aus Österreich, kamen Teilnehmer aus Deutschland und Polen, aber auch aus Asien und Nordamerika waren Robotiker vor Ort.
Zum Einsatz kamen bodengebundene Fahrzeuge, Drohnen mit Spezialkameras und autonome Rettungssysteme. Einige Roboter kartierten das Innere des Kraftwerks, andere orteten Strahlenquellen oder bargen Puppen aus schwierigen Lagen.
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In der Wettbewerbs-Kategorie „Suche und Rettung“ wurden Nachbildungen von verunglückten Arbeitern im Gebäude verteilt
Besonders spektakulär: Das Zusammenspiel zwischen fliegenden Drohnen, Bodenrobotern und manipulationsfähigen Geräten. Das Team „TAUT Dynamics“ aus Österreich schaffte es, mithilfe eines Roboterarms eine Person aus einem Gefahrenbereich zu retten – unterstützt durch Drohnenbilder und Sensorik.
„Was uns hier gelingt, lässt sich auch auf andere Einsatzorte übertragen – etwa bei Erdbeben oder in Tunneln“, erklärt Janisch. Denn ob radiologische Gefahr oder Trümmerfeld: Die eingesetzten Technologien helfen, Gefahren schneller zu erkennen und Einsätze sicherer zu machen.
Gewinner-Teams aus Österreich
Zum Abschluss wurden die besten Leistungen prämiert. In der Kategorie Search & Rescue holte das Team „TAUT Dynamics“ aus Österreich den ersten Platz. Ihr Roboterhund erkannte eine versteckte Puppe, während eine Drohne die Szene dokumentierte. Der große Roboter schaffte schließlich die Bergung.
Für Benedikt Mayrhofer von der Fachhochschule Oberösterreich (Team „TAUT Dynamics“) war das Ergebnis nicht selbstverständlich: „Noch am Morgen hat fast nichts funktioniert – aber dann hat doch alles geklappt.“ Ein Beleg dafür, wie viel Improvisation, technisches Wissen und Teamarbeit in den Projekten steckt. In der Kategorie 3D-Mapping hat das österreichische Team „Flyby“ gewonnen.
Zwentendorf als realitätsnahes Zukunftslabor
Der European Robotics Hackathon zeigt, wie zivile und militärische Einrichtungen zusammenarbeiten können, um Technologien für den Ernstfall zu entwickeln und weiterzuentwickeln. Die Kombination aus realitätsnahen Bedingungen, internationalem Austausch und technologischer Innovation macht "EnRicH“ zu einer wichtigen Veranstaltung ihrer Art in Europa.
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Das nie in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Zwentendorf dient heute Forschungszwecken
Die getesteten Systeme können nicht nur bei nuklearen Ereignissen eingesetzt werden. Auch nach Naturkatastrophen oder zur Erkundung schwer zugänglicher Infrastrukturen können solche Roboter entscheidende Vorteile bringen – mehr dazu in
Hitzewelle erhöht Risiko von Waldbränden (noe.orf.at, 02.07.25). Ob im Tunnel, Kraftwerk oder Erdbebengebiet: Der Weg zur flächendeckenden Nutzung von Robotik im Katastrophenschutz scheint nicht mehr weit.
05.07.2025, Jürgen Winterleitner, noe.ORF.at
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Links:
ENRICH – The European Robotics Hackathon
AKW Zwentendorf
Amt für Rüstung und Wehrtechnik
Fraunhofer Institut