Aktuelle Situation mit dem Umgang der Gedenkorte Roggendorf, Ebensee und St.Georgen an der Gusen

josef

Administrator
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#1
Umgang mit Gedenkorten

Aktuelle Situation betreffend der Gedenkorte
Roggendorf "Quarz",
Ebensee "Zement" und
St.Georgen an der Gusen "Bergkristall"


REPORT: Umgang mit Gedenkorten - Vor 80 Jahren begann die Herrschaft der Nationalsozialisten in Österreich, sie führte zu Terror und Vernichtung. Die wichtigsten Schauplätze sind schon längst als Gedenkstätten etabliert, doch allein das KZ Mauthausen hatte 40 Außenlager, wo Häftlinge und Zwangsarbeiter zu Tausenden zu Tode geschunden wurden. Wie soll man mit solchen Opfer- und Täterorten aus der NS-Zeit verfahren? Darf neben solchen Orten ein Wohnblock entstehen? Reicht eine kleine Gedenktafel? Und was tun mit dem NS-Stollensystem in Roggendorf (NÖ), das immer noch nicht unter Denkmalschutz steht und über dem weiterhin Sand abgebaut wird?

Ein Video-Bericht von Eva Maria Kaiser, ORF-Report vom 13.11.2018:

http://www.quarz-roggendorf.at/fileadmin/videos/Umgang-mit-Erinnerungsorten-Report.mp4

"Quarz"-Beitrag mit Statements von den "Team-Quarz" Mitgliedern Michael Urmann (Urli) und Peter Pammer, die einigen von uns bekannt sind...
 
Zuletzt bearbeitet:

Maulwurf1984

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#8
Es wär mal ein positiver Anfang bei solch Berichten keine Märchen zu erzählen...

Angeblich verfüllte Stollen in Ebensee?
Angeblicher Austritt von Methangas in Gusen?
Quarz angeblich als Nazitreffpunkt?
 

Maulwurf1984

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#10
Das sind keine Märchen sondern durch Polizeiprotokolle (einst Gendarmerieprotokolle) beweisbare Fakten! Da gab es in den 1970-90iger Jahren des vorigen Jahrhunderts ständig Schießübungen und Feten zu bestimmten Anlässen von Angehörigen dieser Szene!
1970-90 im vorigen Jahrhundert? Gab‘s leicht den Zeitraum schon öfters ;-)
Aber gut nicht wichtig und zurück zum Thema...
Falls ich keinen falschen Kalender besitze haben wir 2018.
Da in dem Bericht ausdrücklich erwähnt wird, es machen sich HEUTE Jugendliche & Freaks dort einen Spaß, bleib ich dennoch bei meiner Meinung über diese Aussage.
Will man informieren und nicht Meinungen erzeugen hätte man nicht in der Einleitung erwähnt: Offizieller Eingang geschlossen wegen Neonazis, aber „Interessierte“ finden immer wieder einen Weg. Darauf folgend zeigt man Aufnahmen von Hackenkreuzen und Kritzeleien von ewig Gestrigen.

Zu guter letzt wär es noch interessant, deine anderen Argumentationen & vermeintliche Fakten zu den anderen zwei, von mir aufgezählten Punkten, zu hören, wenn du schon meinst dies sind keine Märchen (Mährzahl)

Wenn man im Gedenkjahr gerade mal einen kurzen Bericht von 10Min. bereit ist zu zeigen im öffentlich Rechtlichen Fernsehen, worin noch Unwahrheiten bei (von mir aus) 2 von 3 Orten erzählt werden, und zig andere Orte (Zipf, Peggau usw.) nicht mal erwähnt werden, wo in Sachen Gedenken so gut wie nichts vorzeigbar ist, muss man davon ausgehen an bestimmte Dinge will man gar nicht Erinnern von staatlicher Seite.
 

josef

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#11
Zu guter letzt wär es noch interessant, deine anderen Argumentationen & vermeintliche Fakten zu den anderen zwei, von mir aufgezählten Punkten, zu hören, wenn du schon meinst dies sind keine Märchen (Mährzahl)
Da ich im Gegensatz zu manchen Märchenerzählern, Münchhausen-Nachahmern usw. nur belegbare Fakten veröffentliche, kann ich zu den restlichen 2 Anlagen mangels mir bekannter Beweise keine Kommentare abgeben! Du bist aber gerne eingeladen, deine Zweifel an den ORF-Berichten zu Ebensee und St.Georgen mittels glaubhaften Argumenten, belegt durch Dokumente, Expertisen usw. zu widerlegen!
und zig andere Orte (Zipf, Peggau usw.) nicht mal erwähnt werden, wo in Sachen Gedenken so gut wie nichts vorzeigbar ist, muss man davon ausgehen an bestimmte Dinge will man gar nicht Erinnern von staatlicher Seite.
Sicher ist der Gedenkdienst zu den weiteren genannten Anlagen mangelhaft! Leider ist alleine schon auf Grund der Besitzverhältnisse, wie z.B. auch bei "Quarz" der Fall, eine "Unterschutzstellung" äußerst schwierig!

Vorbild bleibt noch immer Ebensee mit dem "Gedenkstollen" und dem "Zeitgeschichte-Museum"! In St.Georgen wurde bei der Anlage "Bergkristall" durch das "zu Tode sanieren" der meisten Stollenabschnitte sicher eine nachhaltige Erinnerungsstätte an diese unseeligen Zeiten vertan! Es ist nur zu hoffen, zumindest im Bereich der verbliebenen Rest-Stollen etwas "auf die Beine" zu stellen...

In Zipf glaube ich kaum, dass die Brauerei als Besitzer der Anlagen großartige und würdige Gedenkeinrichtungen zulässt! Dort ist es den lobenswerten Bemühungen der "ARGE-Schlier" zu danken, dass sich überhaupt etwas in Richtung Öffentlichkeit bewegte! In Peggau kenne ich die Besitzverhältnisse des Geländes nicht...

Nur finde ich es unfair gegenüber den Organisationen/Vereinen usw., die an den genannten Orten mit viel Mühe und Engagement tätig sind, gleich alles in den Dreck zu ziehen, statt das man froh wäre, wenn der "öffentlich rechtliche Rundfunk (ORF)" sich dem Thema überhaupt widmet!
 

Andreas

Well-Known Member
#12
Also das mit dem Methangas bezüglich Gusen ist in dem Artikel eine sehr abenteuerliche Formulierung ,
gemeint ist wohl eher die Radon Belastung.

Ich war vor einiger Zeit in den hinteren, noch in Ausbau befindlichen Stollen unterwegs und da hieß es wir sollten uns nicht zu lange im sandigen Bereich wegen der Radonbelastung aufhalten. Vielleicht kommen daher auch die gerüchte um Verstrahlungen etc..
 

Maulwurf1984

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#13
Da ich im Gegensatz zu manchen Märchenerzählern, Münchhausen-Nachahmern usw. nur belegbare Fakten veröffentliche, kann ich zu den restlichen 2 Anlagen mangels mir bekannter Beweise keine Kommentare abgeben! Du bist aber gerne eingeladen, deine Zweifel an den ORF-Berichten zu Ebensee und St.Georgen mittels glaubhaften Argumenten, belegt durch Dokumente, Expertisen usw. zu widerlegen!
Sicher ist der Gedenkdienst zu den weiteren genannten Anlagen mangelhaft! Leider ist alleine schon auf Grund der Besitzverhältnisse, wie z.B. auch bei "Quarz" der Fall, eine "Unterschutzstellung" äußerst schwierig!

Vorbild bleibt noch immer Ebensee mit dem "Gedenkstollen" und dem "Zeitgeschichte-Museum"! In St.Georgen wurde bei der Anlage "Bergkristall" durch das "zu Tode sanieren" der meisten Stollenabschnitte sicher eine nachhaltige Erinnerungsstätte an diese unseeligen Zeiten vertan! Es ist nur zu hoffen, zumindest im Bereich der verbliebenen Rest-Stollen etwas "auf die Beine" zu stellen...

In Zipf glaube ich kaum, dass die Brauerei als Besitzer der Anlagen großartige und würdige Gedenkeinrichtungen zulässt! Dort ist es den lobenswerten Bemühungen der "ARGE-Schlier" zu danken, dass sich überhaupt etwas in Richtung Öffentlichkeit bewegte! In Peggau kenne ich die Besitzverhältnisse des Geländes nicht...

Nur finde ich es unfair gegenüber den Organisationen/Vereinen usw., die an den genannten Orten mit viel Mühe und Engagement tätig sind, gleich alles in den Dreck zu ziehen, statt das man froh wäre, wenn der "öffentlich rechtliche Rundfunk (ORF)" sich dem Thema überhaupt widmet!
Irgendwie kommst du bei deiner Einleitung zu einem falschen Umkehrschluss. Wenn ich anzweifele, dass in Ebensee Stollen verfüllt wurden, sowie den Methangasaustritt im übrig gebliebenen Teil des Stollensystems „Bergkristall / Esche 2“, wie es in dem Video behauptet wird, kann man dafür nur schwer Dokumente vorweisen. Argumentationen gibt es gegen die Behauptungen hingegen zahlreiche, aber gut scheinbar wird auf den Wahrheitsgehalt nur im Forum intern wert gelegt.
Auch die restliche Argumentation für den Betrag kann ich nur schlecht nachvollziehen, aber immerhin sind wir uns ja einig, dass das Gedenken noch ausbaufähig wär vielerorts und bei Allem muss man ja sich ja nicht einig werden. Trotzdem danke für den Beitrag und die Stellungnahme.
 
#14
Leider ist alleine schon auf Grund der Besitzverhältnisse, wie z.B. auch bei "Quarz" der Fall, eine "Unterschutzstellung" äußerst schwierig!
Sorry, dass von mir im Forum wenig zu hören ist. Nachdem ich aber mit Denkmalschutzthemen als freier Autor immer wieder befasst bin und auch den Umgang mit KZ-Außenlagern und Stollensystemen seit Jahren ausführlich verfolge, hier vielleicht ein paar Gedanken dazu:
Bei Roggendorf/Quarz ist nicht gar so sehr die Aufsplittung der Besitzverhältnisse das primäre Hindernis (es ist dort sogar einfacher als im Bereich von "Bergkristall", wo oben drüber zahlreiche Einzelgrundeigentümer (Häuser!) betroffen waren (es wurde ja auch diskutiert, ob nur der Eigentümer des Eingangs rechtlich Parteienstellung hat, oder alle Eigentümer oben drüber, es gilt nun meines Wissens letzteres). Bei Roggendorf/Quarz ist es eine Agrargenossenschaft (Wald!), und teilweise eben das Sandwerk (bin nicht sicher, ob die Eigentümer sind oder nur Abbaurechte haben). Der Grund für die Schwierigkeit sei, sagte mir die hierfür zuständige Person im Bundesdenkmalamt bei einem ausführlichen Gespräch, dass vor einer Unterschutzstellung eine offizielle Begehung stattfinden muss, mit "fachlicher Beurteilung", und zu den Zeiten, wo die Anlage zeitweise zugänglich war, war eine offizielle Genehmigung der Eigentümer für diese Begehung aus Haftungsgründen anscheinend nicht zu kriegen. Da ist leider der unerfreuliche gesetzliche Trend zu einer gnadenlosen Haftung für alles durch den Eigentümer (statt einer Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Absicherung) ein Problem. - Was den Sandabbau betrifft, so ist keineswegs erst ein Abbau bis auf Stollenniveau gefährlich (dieses würde erst in ein bis zwei Jahrzehnten erreicht werden, hat zumindest die Firma in einer Präsentation in Roggendorf einmal verkündet). Vielmehr sind die Vibrationen der schweren Geräte eine Gefahr für die zahlreichen nicht betonierten Stollenbereiche, da es zu deren Destabilisierung kommen könnte, bevor sie noch seriös und gründlich erforscht und dokumentiert wurden (das sage ich, nicht die Firma). (Nachdem Behörde und akademische Wissenschaft in Quarz leider seit Jahrzehnten die Vorort-Dokumentation schmählich vernachlässigen und sich fast ausschließlich auf (durchaus sehr wertvolle) Archiv- und Augenzeugen-Forschung beschränkt haben, kann der Wert der Arbeit vom Team Quarz gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ich hab dem personell massiv unterbesetzten Denkmalamt etliche Orte mit NS-Hinterlassenschaften bzw. potenzielle Gedenkorte genannt und Stapel an Informationen geliefert, aber sogar bei den "einfacheren" Objekten scheitert es oft auch am miserablen Denkmalschutzgesetz. U.a. ist das BDA im Gegensatz zu früher nun verpflichtet, enorm ausführliche lange Begründungen zu schreiben für jedes Unterschutzstellungsverfahren, was zB für einen Kunsthistoriker angesichts eines NS-Außenlagers oder dergleichen nicht immer leicht ist. Dann gibts fast immer einen Einspruch, oft von raffiniert argumentierenden Anwälten, und dann gehts in die 2. Instanz (früher Ministerium, jetzt glaub ich (?) Verwaltungsgericht). Die haben noch weniger Ahnung, bzw. (zumindest im Ministerium) sind sehr "empfänglich" für politische und sonstige "persönliche Interventionen". (Ich behaupte das nicht nur, ich konnte Einsicht nehmen in diverse Akten, die erschreckend waren.) Als Negativ-Beispiel für eine nicht funktionierende Unterschutzstellung: Bei der Serbenhalle in Wr. Neustadt (einst in Serbien/Kraljewo, wo drin 1.700 Dorfbewohner ermordet wurden, 1943 nach Wr. Neustadt, dort zeitweise drin Zusammenbau von V2-Raketen durch KZ-Häftlinge, usw.) wurde seit ca. 10 Jahren eine Unterschutzstellung versucht, ist aber meines Wissens bis heute nicht gelungen. Die mir informell mitgeteilten Hintergründe lass ich jetzt mal weg, aber rein theoretisch könnten die meisten Gedenkorte in Ö von "Immobilien-Entwicklern" gekauft und entfernt/verwertet werden, weil es keinen formalen Schutz gibt. (So weit zu Roggendorf - siehe Fortsetzung)
 
#15
Ein Ort sei bei diesem Thema vielleicht wegen seiner Aktualität genannt: das ruinöse Gebäude der "Engelmühle" in Felixdorf an der Südbahn (NÖ), wo ab dem Winter 1944/45 bis zur Befreiung etwa 2000 bis 3000 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter bei eisiger Kälte eingepfercht wurden, die zu schwach waren, um noch am Südostwall zu arbeiten. Fast alle sind in diesen Wochen (es gab kaum Essen, zT keine Fenster und keine Heizung) erfroren, verhungert oder an Flecktyphus zugrunde gegangen. Während die in Rechnitz ermordeten ca. 200 (?) ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter vom Südostwallbau durch die engagierte Initiative eines Vereins (R.E.F.U.G.I.U.S.) im Kreuzstadel eine würdige und vor allem auch informative (!) Gedenkstätte erhalten hat (offizielle Stellen haben sich auch dort jahrelang zT wenig kooperativ gezeigt), wo die Mauern des Kreuzstadel buchstäblich "begreifbar" sind (und Objekte in Vitrinen gezeigt werden), gibts in Felixdorf zwar ein Gedenkmal am weit entfernten Friedhof (wo ein Massengrab ist), jedoch vor Ort nicht mal irgendeine Tafel. Von den fast zehnmal so vielen Ermordeten wie in Rechnitz sind in Felixdorf einige anfangs in Bombenkratern bei der Engelmühle verscharrt worden (vgl. Literatur: Pfarrchronik und Lappin-Eppel), und es ist unklar, ob die jemals ausgegraben wurden oder noch im Boden liegen. Ein Investor hat das Areal vor einigen Jahren gekauft und will anscheinend eine Wohnanlage bauen. Das Grauen von 2000-3000 Toten an diesem Ort, Flecktyphus, Verhungern, etc. wird wohl nicht (wie in Rechnitz) auf Informationstafeln berichtet werden, weil sonst niemand die Wohnungen kauft. Man spricht jetzt als "Kompromiss" von einer (kleinen?) Tafel (ich tippe mal zynisch auf eine allgemeine Formulierung "Den Opfern des Faschismus" oder so, wo sich die meisten Menschen heute nix mehr vorstellen können). Leider sehe ich kein Interesse, wenigstens Mauerteile und Informationstafeln als würdige Gedenkstätte zu gestalten. Die Abteilung im Innenministerium (damals noch nicht ausgegliedert, und ich spreche von deren politischer Beamtenführung, nicht von den Wissenschaftlern) war im Schrift- und Telefonkontakt desinteressiert und hat mich ans Denkmalamt verwiesen, das Denkmalamt wieder zurück ("das ist keine Architektur, sondern ein Gedenkort"). Die Kultusgemeinde (Fastenbauer) findet ebenso wie der Bürgermeister, dass eine (kleine?) Tafel völlig ausreicht. Das Holocaust Zentrum in Budapest möchte sich nicht in österreichische Angelegenheiten einmischen, diverse weitere Institutionen sorgen sich um Nachteile für den Investor. - Ich persönlich glaube, dass "begreifbare" Reste (Mauern, archäologisch ergrabene Gegenstände, dazu historische Fotos, Texte) wesentlich eher Geschichte vermitteln als irgendeine Tafel mit einem abstrakten Satz "Den Opfern des Nationalsozialismus". Und es gibt nicht gar so viele "Lager" (Zwangsarbeiter-, KZ-Außenlager, usw.), von denen noch größere sichtbare Spuren (nicht nur ein paar Fundamente) erhalten sind.
 
#16
Und abschließend noch ein paar Worte zum immer wieder extrem heftig und emotional diskutierten Thema Gusen/St. Georgen/Bergkristall. Ich hab überlegt, ob ich überhaupt dazu etwas schreiben soll, ich halte den Umgang der Behörden mit diesem Ort hochproblematisch, habe aber überdies auch zu den wilden Diskussionen im Zusammenhang mit der sogenannten "Expertenrunde" und den Überlegungen von Sulzer, Karlsch, Karner und einigen anderen Leuten eine Meinung, die relativ stark abweicht von den meisten Meinungen im Gusen/St. Georgen/Bergkristall-Thread. (ich hoffe, ich bin hier nicht zu sehr offtopic im falschen Thread, ansonsten bitte einfach rüberverschieben...)
Die aus meiner Sicht absurdeste Vorgangsweise der Behörde ist, dass erstens eine Betonverfüllung von 70 bis 80 Prozent der Anlage OHNE vorherige archäologische Untersuchung erlaubt wurde (die Statik war keineswegs so gefährlich, dass man dies zumindest in Teilbereichen nicht hätte monatelang in Ruhe machen können). Frau Dr. Theune-Vogt, die ihren Forschungsschwerpunkt von Mittelalter-Archäologie teilweise auf NS-Archäologie verschoben hat, was an sich positiv zu sehen wäre, hat in jenen Jahren völlig ohne Notwendigkeit in Mauthausen mehrere Saisonen gegraben, während auch ihr bekannt war, dass die Bergkristall-Stollen demnächst großteils zerstört werden - dort wäre in jenen Jahren eine Notgrabung wesentlich sinnvoller gewesen, Mauthausen hätte Zeit gehabt. - Der zweite "Sündenfall" aus meiner Sicht war, dass in den wenigen verbliebenen Stollenbereichen von Bergkristall, wo noch extrem fundreiche Schuttberge vorhanden waren, wiederum keine professionelle Grabung veranlasst wurde, sondern (mit Erlaubnis der Eigentümer-Gesellschaft) ein Hobbysammler tagelang unzählige Fundstücke (ohne Nummerierung und ausreichende Verortung) freigeschaufelt und dann zu sich nachhause genommen hat. Funde wurden später ans Heimathaus St Georgen übergeben, aber niemand hat einen Überblick über die Gesamtzahl der Funde. Das Denkmalamt hat NICHTS unternommen, nur einen mündlichen Hinweis an den Sammler, dass man als Hobbygräber nicht graben solle. Auch der BDA-Archäologe von OÖ hat nichts gemacht, auch nicht Dr. Theune-Vogt oder der Bezirkshauptmann von Perg. Dies, obwohl alles (ohne Ortsangabe) auf youtube gezeigt wurde - ich sehe grad, das Video scheint inzwischen entfernt worden zu sein, es war jahrelang online und auch dem BDA bekannt. - - - Im Kontrast dazu gab es eine völlig überzogene Reaktion diverser Personen und Institutionen auf das Freilegen der Aufzeigerdeckung (de facto ein paar Steinstufen) am Areal von Schützenverein, wo ein wegen besonderer Umstände als sehr glaubwürdig einzustufender Augenzeuge (der mir namentlich bekannt ist) von einer sehr konkreten und aufgrund der Details glaubwürdig wirkenden Erinnerung berichtet hatte. Es stimmt schon, Forschungsgrabungen dürfen nur unter Aufsicht eines geschulten Archäologen und mit Genehmigung des BDA geschehen, es hat nicht genügt, dass sowohl die Gemeinde (inkl. Bürgermeister), als auch der Grundeigentümer einverstanden waren. Wenn jedoch der Schützenverein einen Klo-Abfluss verlegt hätte, wäre genau dieselbe Grabung erlaubt gewesen. Und beim Auffinden von 2 Gegenständen (eine Tafel und ein Helm, glaub ich) wurde sofort das Denkmalamt verständigt, wobei sodann eine Person im Denkmalamt und eine Person aus akademischem Umfeld in irrwitzigem Engagement am 24. Dezember über die Bezirkshauptmannschaft völlig überzogene Reaktionen gezeigt haben. Wenn genau diese Personen bei der undokumentierten Zerstörung der Stollen (ja, die BIG hat nur sehr wenige hochqualitative Fotos der Anlage vorher gemacht) und bei der "Raubgrabung" des Privatsammlers wenigstens ein Zehntel so viel Engagement gezeigt hätten, wäre viel gewonnen gewesen. - Das Absurdeste war aber, dass zwecks Verhinderung weiterer Untersuchungen des Bereichs hinter (!) der Aufzeigerdeckung in den Weihnachtsferien (!) binnen nur 14 Tagen eine Unterschutzstellung der relativ belanglosen Steinstufen durchgeführt wurde, inklusive ausführliche seitenlange (und ehrlich gesagt bissl komische) Begründung. Wenn das BDA, das üblicherweise Monate braucht und oft erst zu reagieren beginnt, wenn alles ruiniert ist, öfter so eilig handen würde, wäre das schön. Warum die beiden Personen gemeinsam mit dem Bezirkshauptmann so eilig reagiert haben, ist mir bis heute nicht ganz klar, zumal es zwei denkbare Möglichkeiten gibt, warum diese Eile an den Tag gelegt wurde. Ich habe mit allen drei Personen ausführlich gesprochen und habe etwas irritiert festgestellt, dass ich als Laie wesentlich mehr Ahnung hab von den lokalen Verortungen und geschichtlichen Hintergründen als zwei dieser drei Personen. Die dritte Person weiß viel. Ich lehne mich jetzt ein bissl weit raus, zumal ich keine Namen nennen kann und nicht sagen kann, was diese Personen alles nicht wussten, ohne diesen Personen eine Möglichkeit zur Gegendarstellung zu geben (es waren auch keine offiziell zitierbaren Interviews, sondern Hintergrundgespräche). Da es mündliche Gespräche waren, wäre für mich auch die Beweislage schwierig. - Alle drei Personen waren Teil des "Expertenteams". Was ich hier andeuten will: Nicht immer, wenn am Packerl "Experte" drauf steht, ist auch ein "Experte" drin. Oder zB vielleicht ein Experte, aber nicht für dieses spezielle Thema. Ich hoffe, ich werde jetzt hier im Forum nicht zu sehr angefeindet, aber ich befasse mich seit 2007 mit dem Raum Gusen und hab mit fast allen "Akteuren" auf "beiden Seiten" viel gesprochen, und auf beiden Seiten gibt es "weise" Leute, die viel wissen und auch vorsichtig sind mit "endgültigen Beweisen". Ich möchte aber ganz dezent höflich dazu ermuntern, die schwarz-weiß-Sichtweise "Sulzer ist ein Spinner, und das Expertenteam besteht aus lauter Experten" vielleicht vorsichtig zu hinterfragen. (Fortsetzung nächster Post, sorry, dass ich jetzt so viel schreibe, muss ja ein bissl nachholen...) :)
 
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#17
Wie bereits Rudolf Haunschmied und Martha Gammer seit den 1980er Jahren immer wieder betont haben, ist die Region der Lager und Untertage-Verlagerungen von Langenstein/Gusen und St. Georgen/Esche/Bergkristall weitaus schlechter erforscht als verschiedene andere Lager und NS-Rüstungsprojekte (u.a. wegen der in Gusen extrem hohen Todesrate, daher weniger Zeitzeugen, dann wegen der Kompartimentierung der Information in der NS-Zeit (unterschiedliche Geheimhaltungsstufen), und aufgrund der Verdrängung der lokalen Geschichte). Die Gedenkkultur ist durch die Bemühungen von Haunschmied und Gammer enorm gefördert worden, erst viele Jahre später haben auch offizielle und akademische Stellen (viel zu spät und zögerlich) reagiert. Eine Monographie ähnlich wie über Quarz/Roggendorf (Perz) oder Zement/Ebensee (Florian Freund) scheiterte meines Wissens daran, dass der damit betraute Dissertant damals diese Arbeit nicht vollendete. Es gibt nun ein vom Innenministerium (Mauthausen-Abteilung) übersetztes Werk eines polnischen KZ-Überlebenden (Dobosiewicz), wo einige sehr konkrete Aussagen dem derzeitigen Konsens zur Geschichte von Gusen widersprechen. Ebenso (schriftliche) Aussagen eines anderen Zeitzeugen. Ebenso existiert bekanntlich ein Plandokument, das von der Datierung her "unlogisch" wirkt. Und das "berühmte" Foto der Mariengrube. Und die Stollenliste von 1959. Und der merkwürdige Bericht des Endlager-Experten der 1960er Jahre. Die Liste ist lang, viele dieser Widersprüche werden derzeit als "Zeitzeugen irren sich oft", "das Dokument könnte eine Fälschung sein", "das Foto ist halt irgendwie komisch", "die Beamten in Wien hatten null Ahnung", "der Endlager-Experte war halt verwirrt und schlampert" erklärt. Das ist natürlich alles durchaus möglich. (Ich gehe jetzt nicht auf die Details ein, sonst wirds endlos.) In seriöser Wissenschaft sollte man sich allerdings, bei aller Skepsis gegenüber ungewöhnlichen Hypothesen, nicht ganz der Möglichkeit verschließen, dass es kleine oder manchmal auch fundamentale neue Erkenntnisse geben kann, zuweilen sogar die Geschichte in Teilen umgeschrieben werden muss. Das passiert nicht oft, sogar eher sehr selten, aber doch manchmal. Insofern möcht ich ermuntern, dass nicht gar so sarkastisch unkonventionelle Thesen abgeurteilt werden - was in Kronenzeitung oder gar Daily Mail überzeichnet als totales Geschwafel geschrieben wird, ist nicht das, was Personen tatsächlich gesagt oder gemeint haben. Und wer unvorsichtig mit solcher Journaillie spricht, erlebt seine unerfreulichen Wunder, was einem dann gedruckt in den Mund gelegt wird. (Ich hab jahrelang im Wissenschaftsressort eines Wochenmagazins geschrieben und hab dabei das leibhaftige Grausen kennengelernt, wie in solchen Medien gearbeitet wird.)
Abschließend vielleicht der Gedanke, dass in Rüstungsprojekten unterschiedlich starke Geheimhaltungsstufen und (auch schon damals) eine Kompartimentierung (auf Need-to-Know-Basis) existiert hat, sowie eine exzellente Tarnung von Projekten, und dann in bestimmten Fällen ein Abtransport von sämtlichen Unterlagen durch Alliierte, mit Sperre über Jahrzehnte. Wie unfassbar ist doch zB die Entdeckung, wenn es einem der höchsten Nazi-Massenmörder und Technokraten gelingt, seinen Selbstmord im Mai 1945 dermaßen perfekt zu inszenieren, dass dies bis vor kurzem als Lehrbuchmeinung als relativ gesichert galt. Wobei niemand Interesse hatte darüber zu sprechen, dass einer der Hauptkriegsverbrecher wegen seiner Kenntnisse über Nazi-Rüstungsprojekte unter höchster Geheimhaltung den Nürnberger Prozessen vorenthalten wurde.
Was ich hinsichtlich "Gedenkkultur" insbesondere im Raum Gusen somit erhoffe: Dass nicht nur das Lebendighalten der Erinnerung an den Orten des Geschehens, mit all den "begreifbaren" Spuren, möglich ist, sondern dass auch allen Seiten eine entkrampfte und weniger bissige Umgangsform gelingt, auch was neue Forschungsansätze betrifft. Wenn man die noch unpublizierten Erkenntnisse und Dokumente (noch) nicht kennt, die vor der Publikation logischerweise in jahrelanger Arbeit auf ihre Plausibilität, Echtheit und ihren Entstehungshintergrund geprüft werden müssen, sollte man eine Person oder ein Team, das in Medien oder von Expertenrunden als "Spinner" bezeichnet wird, nicht sofort in Bausch und Bogen verurteilen. Bei aller erlaubten und sinnvollen Skepsis, wenn ungewöhnliche Thesen, verformt durch Klatsch-Zeitungen, an die Öffentlichkeit dringen. - Und umgekehrt sollte man vorsichtig sein, wenn Leute sich ausdrücklich als "Expertenrunde" bezeichnen, so als ob sie es nötig hätten, ihre Expertise zu betonen. Einzelne in dieser (Experten-)Runde waren wirklich gut, fachlich hervorragende Leute. Aber jene, die am lautesten geschrieben und immer wieder verkündet haben, "es sei alles 100prozentig fertig erforscht", sind generell mit Vorsicht zu genießen. Die akademische Forschung in Frankreich um 1800 hat auch Leute herablassend verspottet, die von vom Himmel fallenden Steinen berichtet haben, bis 1803 ein großer Meteoritenschauer über der Normandie niederging. Lassen wir uns überraschen, wie sich die NS-Zeit-Forschungen zur Region um Gusen entwickeln werden.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#18
St.Georgen/G.: Ausbau der NS-Gedenkstätte
Die Gedenkstätte für Opfer der NS-Zeit in St.Georgen an der Gusen (Bezirk Perg) soll ein neues Gebäude für Ausstellungen bekommen. Bisher fehlte dort ein Ort, an dem Besucher nach Besichtigung der Stollen das Gesehene aufbereitet überdenken können.
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Das neue Ausstellungsgebäude soll beim Eingang der KZ-Gedenkstätte „Bergkristall“ für „ein würdevolles Gedenken“ entstehen. Entsprechende Beschlüsse und Finanzierungszusagen liegen bereits vor, erklärt der Unterstützungsverein Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen. Ein freigewordenes Haus des Sinnesparks Münzbach wird abgetragen und in St. Georgen aufgebaut.

Möglichkeit zur Nachbesprechung und Aufarbeitung
Bei Stollenbesichtigungen, der jährlichen Befreiungsfeier und beim Audioweg kommen „viele Besucher auf das Gelände der Gedenkstätte“, argumentiert der Verein. Was jedoch fehle, sei eine entsprechende Infrastruktur, um das Gesehene in einer Ausstellung aufzubereiten. Zudem soll die Möglichkeit einer Nachbesprechung des Audiowegs – vor allem für Schulklassen – angeboten werden.

Verein sucht freiwillige Helfer
Der Verein rechnet damit, dass Ende Juli mit dem Abbau des Gebäudes in Münzbach begonnen werden kann. Daher sucht er noch tatkräftige Helfer für das Projekt, über das er am 8. Juli um 19 Uhr in St. Georgen informieren will.
Im KZ Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern, eins davon in St. Georgen, waren rund 200.000 Personen aus aller Welt interniert, mindestens 90.000 davon starben.
red, ooe.ORF.at/Agenturen

Link:
Geschichte: St.Georgen/G.: Ausbau der NS-Gedenkstätte
 
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