„Hard-Working-Mom“ Maria Theresia

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Im Vorjahr war es der 100. Todestag von Kaiser Franz Joseph I., heuer das Jubiläum zum 300. Geburtstag von Kaiserin Maria Theresia...
„Hard-Working-Mom“ Maria Theresia
Sie war die legendäre Regentin der Habsburgermonarchie: Maria Theresia wurde vor genau 300 Jahren geboren. Das ist Anlass für vier große, zusammenhängende Ausstellungen. Zwei davon sind in Wien und starten am Mittwoch.

Insgesamt sind es vier zusammenhängende Ausstellungen in Wien und Niederösterreich. „300 Jahre Maria Theresia: Strategin - Mutter - Reformerin“, so nennt sich die große Ausstellung an den vier Standorten. In Wien ist ab Mittwoch vor allem Familiäres und Repräsentatives zu sehen. Gezeigt wird auch die „wilde Seite“ der lebenslustigen „Kaiserin“, wie es am Montag bei der Präsentation hieß.


APA/Helmut Fohringer
Von Maria Theresia wird manchmal das Bild einer älteren Dame tradiert, die sich sehr diszipliniert in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen hatte. Das stimme aber nur zum Teil, denn vor allem in ihren jüngeren Jahren habe die nie zur Kaiserin gekrönte Herrscherin mitunter auch in der Schwangerschaft „Nächte durchgetanzt“, dem Kartenspiel gefrönt und als „wilde Reiterin“ gegolten, erklärte die Direktorin der Kaiserlichen Wagenburg des Kunsthistorischen Museums (KHM), Monica Kurzel-Runtscheiner.

„Frauenpower und Lebensfreude“
In der Wagenburg im Schloss Schönbrunn - einem der vier Standorte der großen Ausstellung gehe es vor allem darum, wie sie es geschafft hat, ihre Regierungsaufgaben, 16 Kinder und die Repräsentation so „erstaunlich gut“ unter einen Hut zu bekommen, so die Kuratorin der Teilausstellung mit dem Titel „Frauenpower und Lebensfreude“.

Im Zentrum stehen eine Prozession prunkvoller Kutschen, inklusive angespannter Kunstpferde, die ebenso pompösen Schlitten für die zahlreichen winterlichen Ausfahrten oder die Tragsessel, mit denen die so oft schwangere Herrscherin öffentliche Termine wahrnahm.

Objekte werden erstmals gezeigt
Aus dieser Situation habe Maria Theresia gewissermaßen eine Tugend gemacht, indem sie ihre Weiblichkeit durchaus betonte. Entgegen der üblichen Gepflogenheiten, habe sie sich auch relativ volksnahe gegeben und Emotionen gezeigt. Um all die repräsentativen und entsprechend großen Gefährte unterzubringen, war es notwendig, die Ausstellungsräume „komplett umzugestalten“, so Kurzel-Runtscheider, die betonte, dass einige Objekte zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Vieles bisher noch nie Gezeigte, findet sich auch im Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien - dem zweiten nunmehr sehr theresianisch geprägten Standort in Wien. Unter dem Titel „Familie und Vermächtnis“ zeichnen zahlreiche Gemälde oder Alltagsgegenstände, wie etwa das Frühstücksservice der Regentin und natürlich mehrere Möbel, auf relativ engem Raum ein erstaunlich umfassendes Bild des Privatlebens Maria Theresias und ihrer Großfamilie.

„Edelsteinstrauß“ aus 2.102 Diamanten zu sehen
Im Zentrum stehe auch die Frage: „Wie hat dieses Paar gelebt?“, wie die Forschungsleiterin der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft (SKB) und Ko-Kuratorin Elfriede Iby erklärte. Dass sie - ganz im Gegensatz zu ihren Kindern - ihren „Schwarm“, Franz Stephan von Lothringen, heiraten konnte, kam ihr vielfach zu Gute. Erkenntlich zeigte sich die „Kaiserin“, die man laut Iby aus heutiger Sicht auch als „Hard-Working-Mom“ bezeichnen könnte, etwa mit einem nun in Neubau ausgestellten „Edelsteinstrauß“ aus 2.102 Diamanten und 761 Smaragden, Achaten, Rubinen und anderen Farbsteinen.

Die Schau legt auch einen Schwerpunkt auf die Inszenierung der Regentin und ihrer Familie. Zu Maria Theresias Zeiten wurde die bildende Kunst eben auch als politischen Instrument eingesetzt, wie Werner Telesko, Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ins Treffen führte. Die „zentralen Werke der theresianischen Bildpolitik“ sind nun ebenso zu sehen wie eine Aufarbeitung des Vermächtnisses der mehr als 40-jährigen Regentschaft, etwa anhand zweier Filme und einer Rückschau auf eine große Ausstellung anlässlich ihres 200. Todestages im Jahr 1980, so der Mitkurator.

Ausstellungen für ein „facettenreiches Gesamtbild“
Zusammen mit den auf ihre Innen- und Außenpolitik fokussierten Schauen auf Schloss Hof (Titel: „Bündnisse und Feindschaften“) und Niederweiden (Titel: „Modernisierung und Reformen“) erhalte man ein „facettenreiches Gesamtbild“ über eine „bemerkenswerte Frau“, wie SKB-Geschäftsführer Franz Sattlecker festhielt.

Auf die schon im Zuge des letztjährigen 100. Todestages des Kaisers Franz Joseph I. bestehende Kooperation zwischen der SKB und dem KHM-Museumsverband verwies Generaldirektorin Sabine Haag. Eine solche Zusammenarbeit über die Institutionen hinweg gebe „dem Thema mehr Kraft“. Das habe sich schon 2016 auch an Zahlen festmachen lassen, als etwa in der Wagenburg die Besucherzahlen um ungefähr 70 Prozent angestiegen waren, wie Haag betonte.


Links:
Hier der Link zu den Jubiläumsausstellungen
 

Anhänge

josef

Administrator
Mitarbeiter
#2
Einer der 4 Veranstaltungsorte der großen Jubiläumsausstellung ist Schloss Hof im Marchfeld:
Schloss Hof im Zeichen von Maria Theresia
Anlässlich des 300. Wiederkehr des Geburtstages von Maria Theresia wird in Schloss Hof (Bezirk Gänserndorf) von 15. März bis 29. November eine Sonderausstellung mit dem Titel „Bündnisse und Feindschaften“ gezeigt.

Die Maria-Theresia-Jubiläumsausstellung in Schloss Hof zeigt das ambivalente Bild der Regentin als Politikerin. „Kriege, Leid und Intoleranz prägten ihre Regierungszeit ebenso wie nachhaltig wirksame Reformen und eine zukunftsweisende Modernisierung des Staates“, sagt der Kurator der Schau, Karl Vocelka.

Schau über Politik, Kriege, Glanz und Elend
Die Ausstellung widmet sich im Besonderen der sogenannten „Pragmatischen Sanktion“ aus dem Jahr 1713, welche die weibliche Erbfolge und Unteilbarkeit der habsburgerischen Gebiete regelte. Außerdem geht es um die Kriege und Schlachten in der von 1740 bis 1780 dauernden Regierungszeit Maria Theresias. Diese werden durch Portraits und Büsten der Feldherren sowie durch Gemälde der Kriegsszenerien spürbar.


Hertha Humaus

Prinz Eugen von Savoyen ließ Schloss Hof von Johann Lukas von Hildebrandt zu einem barocken Jagdschloss umbauen

Auch die kurze Friedensperiode von 1748 bis 1756 wird in der Ausstellung in Schloss Hof thematisiert. In dieser Zeit kam es zu einem Paradigmenwechsel in der Bündnispolitik, frühere Feinde wie etwa Frankreich wurden zu Verbündeten. Eindrücke von Glanz und Elend unterstreichen die unterschiedlichen Facetten der Herrscherin und geben spannende Einblicke in die Politik der damaligen Zeit.

Geschichte am Originalschauplatz erleben
1754 konnte Maria Theresia zum Kauf von Schloss Hof überzeugt werden. Hier sollte sich ihr Mann, Kaiser Franz I., „von der Last des Regierens erleichtern“. Nach seinem Tod 1765 richtete sich Maria Theresia auf Schloss Hof ihr Witwenappartement ein und ließ die Anlage kunstvoll im Stil des Klassizismus um- und ausbauen.

Die Ausstellung in Schloss Hof findet von 15. März bis 29. November statt. Begleitend zur Sonderausstellung werden jeden Sonntag um 13.00 Uhr spezielle Führungen für Kinder angeboten. Auch das nur wenige Kilometer entfernte Schloss Niederweiden (Bezirk Gänserndorf), das Maria Theresia gemeinsam mit Schloss Hof kaufte, widmet sich der 300. Wiederkehr des Geburtstages der Monarchin. Hier dreht sich alles um die Themen Modernisierung und Reformen.


Links:
Publiziert am 14.03.2017
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#3
Medaillen für jeden Anlass: Maria Theresia hat sie als Medium eingesetzt
Maria Theresia: Medaillen als Medium
Zum 300. Geburtstag Maria Theresias zeigt das Kunsthistorische Museum (KHM) die Medaillensammlung der Kaiserin. Die Sonderausstellung „Zuhanden Ihrer Majestät“ soll darstellen, wie wichtig Medaillen als Medium waren.

Medaillen erfüllten zu Zeiten der Regentin unterschiedliche Funktionen: Sie wurden als Ehrungen vergeben, zur Dokumentation wichtiger Ereignisse eingesetzt und waren dadurch als kompaktes „Medium zum Festhalten von Geschichte“ beliebt, wie Co-Kuratorin Anna Fabiankowitsch ausführte. Wie wichtig Medaillen damals waren, lasse sich daran erahnen, dass „ihre Produktion eine Staatsangelegenheit war“. Trotzdem waren auch „Spottmedaillen“ im Umlauf, erklärte Fabiankowitsch.



KHM-Museumsverband


Geburten, Hochzeiten und Todesfälle
Im KHM-Münzkabinett findet sich bis 18. Februar eine Medaillensammlung zu Ereignissen, wie den zahlreichen Geburten der Kinder Maria Theresias, zu Hochzeiten, Todesfällen, Krönungen, aber auch zur Stiftung von Gebäuden, dem Eintritt neuer Provinzen ins Reich oder sogar zum Erlass neuer Gesetze. In zahlreichen Vitrinen finden sich auch kuriosere Prägungen, wie etwa Medaillen für ausgezeichnete Schul- und Studienerfolge.

Maria Theresia habe Medaillen wie keine andere Regentin als Medium eingesetzt, erklärte der Direktor des Münzkabinetts, Michael Alram. Zu dieser Erkenntnis sei man auch im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojekts gelangt, so Alram. Tatsächlich seien die metallischen Zeitzeugen „das einzige Medium, das die wichtigsten Ereignisse der Regentschaft Maria Theresias flächendeckend abbildet“, sagte Werner Telesko, Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Akademie der Wissenschaften.


Lukas Beck
Die Medaillen gelten als einziges Massenmedium aus der Zeit Maria Theresias

„Höchstpersönliches“ Porzellan im Augarten
In ein anderes materielles Erbe aus der Zeit der Herrscherin können sich Interessenten seit vergangener Woche im Porzellanmuseum im Wiener Augarten vertiefen. Die Schau „höchst persönlich - Porzellan und Privatheit zur Zeit Maria Theresias“ (bis 14. Oktober) bildet einen weiteren Mosaikstein im Ausstellungsreigen rund um das 300-jährige Jubiläum.

Im Hofmobiliendepot wird zudem am Dienstagabend ein neues Buch über den Briefwechsel zwischen Maria Theresia und ihrer Hofdame Sophie Baronin Schack von Schackenburg präsentiert. Einen Einblick in „Maria Theresia - Liebet mich immer - Briefe an ihre engste Freundin“ geben dort die Autoren Monika Czernin und Jean-Pierre Lavandier.


Links:
Publiziert am 28.03.2017
http://wien.orf.at/news/stories/2833505/
 

Anhänge

josef

Administrator
Mitarbeiter
#4
Die Mutter der Reform
Österreich ist unter Maria Theresia und ihren Beratern stark von der Aufklärung geprägt worden. Der verbreitete Ruf eines rückständigen Landes ist falsch. Dies meint die Wiener Historikerin Gerda Lettner in einem Gastbeitrag zum 300. Geburtstag der Herrscherin.

Vorausgeschickt werden muss: Die Aufklärung ist im 17. Jahrhundert während der englischen Revolution entstanden. Nach der Hinrichtung des Königs, der Auflösung des Oberhauses und der Exilierung der Bischöfe regierte der Lordprotektor Oliver Cromwell mit der
New Model Army und einem Parlament von Kaufleuten. Es herrschte Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Nach Cromwells natürlichem Tod wurde das Haus Stuart restauriert. Die Bischöfe der anglikanischen Hochkirche kehrten aus dem Exil zurück. Aber die Mehrheit der Engländer wollte den Absolutismus nicht wieder herstellen. Ober- und Unterhaus des Parlaments einigten sich schließlich auf die Absetzung des regierenden Königs, der zum Katholizismus konvertiert war. Sie zwangen diesen König mit seiner Familie zur Flucht nach Frankreich und setzten einen Doppelkönig aus den Häusern Oranien und Stuart (Wilhelm III. und Maria II.) ein. Er bestieg den Thron nur nach Unterzeichnung einer Verfassung, der
Bill of Rights.

Glaube und Wissenschaft vereinbar
Das Parlament garantierte jetzt Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Von dieser Freiheit ausgenommen waren nur die Katholiken. Das Parlament garantierte auch die
Habeas Corpus Akte, die Schutz vor Willkürjustiz boten. Die Kleriker der anglikanischen Staatskirche versuchten erstmals, die atheistische Strömung, die jetzt wieder die Möglichkeit hatte, Anhänger zu werben, durch Vorlesungen über den gütigen Gott der Schöpfung zu schwächen.

Sie interpretierten Newtons mathematische Prinzipien einer neuen Naturphilosophie mit dessen Einverständnis als Beweis für die Existenz eines gütigen Gottes. Die Formel, mit der Newton das Wirken der Schwerkraft im All und auf der Erde mathematisch genau beschreiben, aber nicht erklären konnte, diente zur Illustration ihres Beweises.

Die Botschaft, dass der christliche Glaube mit den Naturwissenschaften vereinbart werden könne, kam nicht nur in England an, auch auf dem Kontinent. Sie überwand das dualistische Denken - nicht nur in der Theologie, ließ Hölle, Fegefeuer und den Teufel als Relikte einer vergangenen Zeit erscheinen und war Ausdruck der Zustimmung der Gesellschaft zu der ersten konstitutionellen Monarchie der damaligen Welt.


ORF/RIHA Film
Maria Theresia im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren (Gemälde von Andreas Möller um 1727)


Maria Theresias Reformen
Und wie war das in Österreich? Gottfried Wilhelm Leibniz kam nach Wien und regte bei Karl VI. die Diskussion der prinzipiellen Vereinbarkeit von Glauben und Naturwissenschaften durch die Gründung einer Akademie der Wissenschaften und Künste mit Johann Bernhard Fischer von Erlach an. Es kam aber nur zum Bau der dem Bischof von Mailand gewidmeten „Karlskirche“ und zum Bau der Hofbibliothek, mit der sich Karl VI. als Schirmherr der Musen ein Denkmal setzte.

Maria Theresia sah sich nach dem Raub Schlesiens durch Preußen vor die Wahl gestellt, den Vorsitz bei der Auflösung des Habsburgerreichs zu führen, oder ihre Staaten zu reformieren. Sie wählte den Weg, modern – im Interesse ihrer Völker – zu regieren. Das bedeutete, dass sie die Mitwirkung des römischen Hofes an ihrer Regierung durch die Bildung eines reformierten österreichischen Klerus neutralisieren musste.

Sie säkularisierte daher 1749 die Zensur und errichtete durch ihren Leibarzt Gérard van Swieten die Universität Wien neu, nicht nur die medizinische Fakultät, in der unter seiner Leitung die berühmte
Wiener Medizinische Schule entstehen sollte. Nach Meinung von Zeitzeugen realisierte sie die Absicht Karls VI., eine Akademie der Wissenschaften zu schaffen: Gelehrte wie Paul Joseph Riegger (Österreichisches Kirchenrecht), Joseph Freiherr von Sonnenfels (Politische Wissenschaften) und der Abt des Klosters Braunau Franz Stephan Rautenstrauch (Pastoraltheologie) prägten die Grundsätze der österreichisch-katholischen toleranten Staatskirche.

Schaffte u. a. den Vampirglauben ab
Maria Theresia schuf mit der Trennung der Justiz von der Verwaltung eine unabhängig agierende Justiz. Sie setzte die Transmigrationspolitik ihres Vaters fort: Sie duldete die Protestanten in ihren katholischen Ländern solange, bis einige öffentlich ihren Glauben bekannten. Diese Menschen transmigrierte sie mit ihren Familien und ihrem Hab und Gut nach Ungarn oder Siebenbürgen, wo sie öffentlich ihren Glauben bekennen konnten.

Maria Theresia unterstützte ihre Reformatoren der katholischen Kirche mit der Hinaufsetzung des Alters für das Ablegen der strengen Gelübde, mit der Kontrolle der Romreisen, mit der Abschaffung des Vampirglaubens, der Aufhebung einiger Klöster, der Errichtung des Bistums Brno und der Abschaffung der Robot im Zuge der Einführung der Erbpacht.


ORF/RIHA Film
Mozart als sechsjähriger Knabe bei Maria Theresia im Spiegelsaal in Schloss Schönbrunn


Sie unterstützte die Reformatoren mit der Gründung der Wiener Normalschule, deren Geist der reformierte katholische Priester Josef Anton Gall prägte. Sie protegierte den Hofrat Anton von Blanc, der ihr Robot-Abschaffungs-System zum Landesgesetz für Böhmen erheben wollte. Joseph II., der mit ihr regierte, hinderte sie an der Realisierung dieses radikalen Plans.

Mit der Lockerung der seit Gérard van Swietens Tod wieder zu streng gehandhabten Zensur zwang sie Gérard van Swietens Nachfolger, der der römischen Opposition nahestand, zum Rücktritt. Sie bereitete auf diese Weise das Toleranzedikt Josephs II. vor.

Staatsrat als Reformbehörde
Gérard van Swieten und eine von Kaunitz geschaffene Reformbehörde, der Staatsrat, bestimmten den Kurs der theresianischen Reformpolitik, der bedingt auch die Juden mit einschloss. Der Staatsrat führte u. a. das theresianische Robotabolitions-System in Ungarn ein, er erstellte das Budget und kontrollierte die Durchführung der Reformpolitik. Er schuf für Sonnenfels eine Lehrkanzel, auf der er den Staat an den Grundsätzen der Reformpolitik messen und die Abschaffung der Folter mit Hilfe der Publizität betreiben konnte.

Eine „thèse royale“, eine Art politische Grundlagenthese mit Unterstützung der Fürsten, die Kaunitz aus Frankreich besorgte, war 1767, als Gérard van Swieten noch die Zensur beaufsichtigte, publiziert worden. Sie hatte öffentlich verkündet, dass Maria Theresia und Joseph II. nach den Toleranzideen der Aufklärung regierten. Das provozierte den öffentlichen Widerspruch des römischen Hofes, der sich systematisch der Reformpolitik, die die Toleranz der Andersgläubigen einführte, widersetzte.

Ungeachtet der Stärke des Anhangs der römischen Opposition wurde die österreichisch-katholische Kirche nach den theresianischen Kirchengesetzen geschaffen.

Demokratiewurzel Kaunitz
Eine aufgeklärte Religiosität, die Ungläubige bzw. Irrgläubige nicht bestrafte, sondern sie in die Gesellschaft integrierte, prägte die Kultur dieser Zeit mit den Reformopern des Ritters von Gluck, der mit „Orfeo ed Euridice“ und „Alceste“ eine neue musikalische Sprache schuf, die die musikalische Sprache der Revolution in Frankreich ankündigte. Joseph Freiherr von Sonnenfels propagierte in öffentlichen Briefen Glucks neue Sprache der Musik. Er ließ seine Schüler über die Grundsätze der Reformpolitik öffentlich disputieren. Die berühmteste seiner moralischen Wochenschriften trug den Titel: „Der Mann Ohne Vorurteil.“

Untertanen, die an die Hölle, das Fegefeuer und an den Teufel glaubten, wurden dank der theresianischen Reformpolitik, die unter Joseph II. und Leopold II. fortgesetzt wurde, zu selbst denkenden, modernen, aufgeklärt-katholischen Staatsbürgern gebildet.

Unser Demokratieverständnis wurzelt in der Reformpolitik der Ära Kaunitz.

Mehr zu diesem Thema:

Publiziert am 10.05.2017
http://science.orf.at/stories/2842223/
 
Zuletzt bearbeitet:

josef

Administrator
Mitarbeiter
#5
Wie aufgeklärt war Maria Theresia?
Wie stark waren die Reformen Maria Theresias von der Aufklärung geprägt? Zumindest zu Beginn sind sie mehr aus Not entstanden als aus Reformeifer, schreibt der Wiener Historiker Karl Vocelka in einem Gastbeitrag zum 300. Geburtstag der Herrscherin.

Neben der Vielzahl der Kinder Maria Theresias sind dem historisch weniger Interessierten vermutlich noch ihre Reformen und die Bezeichnung als „Kaiserin“ des aufgeklärten Absolutismus geläufig.

Wie ist nun die Intention der Reformen mit den Ideen der Aufklärung in Einklang zu bringen? Gemeinhin sieht man die großen Leistungen dieser in England und Frankreich entstanden Geistesströmung vor allem philosophisch in einem neuen, rationalen Zugang zur Welt, politisch in der Erklärung der Menschenrechte und der Gewaltenteilung.


Die großen politischen Folgen haben sich zwar in der Regierungszeit Maria Theresias in den britischen Kolonien in Nordamerika (den späteren Vereinigten Staaten) durchgesetzt, in Europa hingegen wurde erst mit der Französischen Revolution von 1789 – als fast ein Jahrzehnt nach dem Tod Maria Theresias – die neue Staatstheorie in der Praxis erprobt.

Aus der Not entstanden
Der Beginn der Reformtätigkeit in der Habsburgermonarchie stand nicht im Zeichen eines großen Reformentwurfes, sondern ist aus der Not des Regierungsbeginns Maria Theresias geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karl VI., konnte sie nicht wie in der
Pragmatischen Sanktion von 1713 vorgesehen, die Länder der Monarchie problemlos übernehmen.

Das Eingreifen Preußens, Bayerns und Frankreichs führte zum acht Jahre dauernden Österreichischen Erbfolgekrieg, der trotz der vielen Niederlagen letztlich glimpflich für die Habsburgermonarchie ausging – einzig Schlesien ging verloren, allerdings ein Verlust, den Maria Theresia nicht verschmerzen konnte.

Zur Tatsache, dass man nun eine stärkere Armee aufzubauen begann – die große Artilleriereform unter Prinz Joseph Wenzel Lichtenstein noch während des Erbfolgekrieges war ein erster Schritt – kam auch die Erkenntnis, dass die Preußen in Schlesien mehr Steuern einheben konnten, als es unter der österreichischen Herrschaft der Fall war. Das führte zu einer Heeres- und Steuerreform, die eine Reihe von Folgen mit sich brachten, die man im Sinne einer Modernisierung des Staates interpretieren kann.


ORF/RIHA Film
Maria Theresien Denkmal in Wien


Modernisierung des Staates
Zunächst wurde das Steuersystem verändert, die adeligen Stände und die geistlichen Herren wurden ebenfalls steuerpflichtig, mussten die Steuern für zehn Jahre zusagen und verloren das Recht der Steuereinhebung bei ihren Untertanen. Die Steuerpflicht für den Eigenbesitz, das Dominikalland von Adel und hohem Klerus, führte zur Anlage eines Katasters, der ein Vorläufer des späteren Grundbuchs war und letztlich zu einer kartografischen Erfassung des Territoriums führte, die auch militärische Aspekte hatte.


Die Volkszählungen, die ab 1752 durchgeführt wurden, schlugen auch in diese Kerbe des Festmachens der militärisch wichtigen Bevölkerungsteile, es wurden Männer, vor allem künftige Rekruten, aber auch das Zugvieh – Ochsen und Pferde – gezählt, die im Kriegsfall zum Vorspann von Kanonen oder militärischen Transporten dienen konnten.

Zur besseren Erfassung der Bevölkerung gehörten auch die endgültige Festlegung von Namen und die Hausnummerierung, die eine Voraussetzung für die leichtere Aushebung von jungen Männern zum Militärdienst bildete. Auch eine neue Ausbildungsstätte für und Unteroffiziere in Wiener Neustadt steht in diesem Zusammenhang der Aufwertung der Armee, hat aber auch einen erzieherischen Aspekt, der enger als die Heeresreform mit Ideen der Aufklärung verbunden ist.

Ein „ausgeborgter“ Preuße
Die Schaffung von Bildungseinrichtungen geht in der Zeit Maria Theresias von der niedersten zur höchsten Stufe voran. Die Einführung der allgemeinen Unterrichtspflicht, die für die meisten Mädchen und Buben eine Schulpflicht darstellte, weil sich ihre Eltern keine Hauslehrer leisten konnten, lag im Trend der Zeit, ähnliche Maßnahmen gab es auch in anderen Ländern und es ist mehr als ein Zufall, dass Maria Theresia den Reformer Ignaz Felbiger aus Preußen „ausborgte“.

Eine Rolle bei der Schaffung eines säkularen Schulsystems spielte sicherlich die Tatsache, dass 1773 der Jesuitenorden aufgelöst wurde und damit ein Vakuum im Bildungssektor zu füllen war. Aber auch die Reform der Universität durch Gerard van Swieten, den aufgeklärten niederländischen Leibarzt Maria Theresias, steht mit der Säkularisierung dieser Institution nach dem (vorläufigen) Ende der Jesuiten in engem Zusammenhang. Die Reformen waren vor allem in der medizinischen Fakultät besonders erfolgreich und die
Erste Wiener Medizinische Schule, basierend auf einem Kultur- und Wissenschaftstransfer aus den Niederlanden, wurde zu einer dominanten Legende des Wiener Bildungssystems.


ORF/Interspot Film
Gemälde von Maria Theresia und Joseph II., Bezirksmuseum Wien.


Bildungsreformen geprägt von Nützlichkeit
Zu dieser Förderung von Bildung und Wissenschaft – hier wäre auf das große Interesse Franz Stephans von Lothringen, des Mannes Maria Theresias ,für Naturwissenschaften hinzuweisen – gehörte auch die Gründung von spezialisierten Institutionen, die mit heutigen Fachhochschulen vergleichbar sind.

Neben der schon genannten Militärakademie gründete Maria Theresia Vorläufer der Kunstuniversität durch die Zusammenlegungen verschiedener Kupferstecherschulen, der Universität für Veterinärmedizin mit der „Bildungsschule für pferdeärztliche Routiniers und Beschlagschmiede“, aber auch die Eliteschule des Theresianums und die Orientalische Akademie oder Sprachknabenschule als Vorläufer der Wiener Diplomatischen Akademie, sowie mit der Bergakademie im heute slowakischen Schemnitz (Banská Štiavnica) einen Vorläufer der Montanistischen Universität.

Die Idee der Nützlichkeit stand dabei im Vordergrund – klar etwa bei den Tierärzten, die für die militärisch eingesetzten Pferde zentral waren, aber auch Tierseuchen im agrarisch dominierten Staat bekämpften –, jedoch ebenso, wenn auch weniger auf der Hand liegend, bei der Kunst, die der herrscherlichen Repräsentation ebenso diente wie der Gestaltung von Textilien, Glas- und Tonwaren in der Protoindustrialisierung.

Maria Theresia auch sehr wenig tolerant
Klar nicht im Geiste der Aufklärung verhielt sich Maria Theresia in zwei Fragen, die wichtige Parameter für den Umgang mit den neuen Ideen waren. Die Folter, die in der frühen theresianischen Gesetzgebung genau reglementiert wurde, hob sie erst spät unter dem Einfluss ihres Sohnes auf.

Religiöse Toleranz war ebenfalls keine Eigenschaft der streng katholischen Herrscherin – sie siedelte (Geheim)Protestanten aus der Steiermark, aus Kärnten und Oberösterreich (Landler) in den Osten Ungarns um, wo sie gleichzeitig die durch die langen Kämpfe mit den Osmanen dünn gewordene Besiedlung verbesserten. Kleine Kinder wurden den protestantischen Familien weggenommen und zu katholischen Familien gesteckt, ältere in Arbeitshäusern untergebracht.

Eine besondere Abneigung hatte Maria Theresia gegen die Juden, sie zwang 1744 die Prager Juden mitten im tiefsten Winter die Stadt zu verlassen – wollte sie letztlich ganz aus Böhmen vertreiben, was der Widerstand des Adels nicht erlaubte. Auch die galizischen Juden erlitten nach der Erwerbung dieses Landes 1772 Unbill, nicht zuletzt durch die ihnen zugeteilten Familiennamen, die oft diskriminierend waren. Schöne Namen mussten durch „Geldgeschenke“ an die Beamten teuer erkauft werden.
http://science.orf.at/stories/2842265/
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#6
Die nie gekrönte „Kaiserin“
Im Alter von nur 23 Jahren hat Maria Theresia 1740 die Macht im Habsburger-Reich übernommen. Dass sie sich vier Jahrzehnte als Regentin halten konnte, hätten ihr anfangs nur wenige zugetraut. Ihre Unerfahrenheit als Staatenlenkerin machte sie mit Engagement und strategischem Geschick wett. Wie keine zweite Herrscherin ihrer Zeit changierte sie gekonnt zwischen ihren Rollen als „Kaiserin“, Frau und 16-fache Mutter.

Maria Theresia wurde am 13. Mai 1717 in der Wiener Hofburg als älteste von drei Töchtern von Kaiser Karl VI. und Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel geboren. Karl VI. hatte mit der „Pragmatischen Sanktion“ schon 1713 die Voraussetzung dafür geschaffen, dass ihm auch eine weibliche Nachfahrin in die Regierungsverantwortung folgen konnte. Auf die Erziehung und Ausbildung hatte das allerdings keine Auswirkungen: Maria Theresia wurde in Fremdsprachen, Geschichte und Kunst unterwiesen und zur frommen Katholikin erzogen.

Als Karl VI. 1740 infolge einer Pilzvergiftung überraschend starb, hinterließ er ein Reich, dessen Verwaltung und Militär hoffnungslos veraltet waren. Aus dem Volk schlug der jungen Regentin Ablehnung entgegen. Im Dezember des Jahres marschierte der preußische König Friedrich II. mit seiner Armee ohne vorherige Kriegserklärung in Schlesien ein, dem wirtschaftlich wichtigsten Teil der Habsburger-Länder. Auch andere europäische Mächte - wie etwa Bayern - nahmen die „Pragmatische Sanktion“ zum Vorwand, um Ansprüche auf Teile geltend zu machen. Der daraus resultierende Österreichische Erbfolgekrieg wurde für das Habsburger-Reich zur existenziellen Bedrohung - mehr dazu in
science.ORF.at.

Akribische Erzieherin
Als Maria Theresia mit Anfang 20 den Thron bestieg, hatte sie bereits drei Kinder zur Welt gebracht. Vater der drei Mädchen, die allesamt in jungen Jahren starben, und ihrer 13 weiteren Kinder war Franz Stephan von Lothringen. Das adelige Paar verband eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich innige Beziehung. Franz Stephan war Maria Theresias große Liebe, trotz seiner zahllosen Affären teilten sie bis zu seinem Tod 1765 ein Bett.


ORF.at/Christian Öser

Das Schloss Schönbrunn in Wien verdankt sein heutiges Aussehen Maria Theresia. Die Regentin gab den Befehl, das Jagdschloss und die umliegenden Parkanlagen auszubauen. Die Arbeiten begannen 1743.

Schon zu Beginn ihrer Regentschaft verknüpfte Maria Theresia ihre Rolle als Herrscherin mit jener als Mutter, als sie erklärte, ihren Untertanen „Mutter des Vaterlands“ sein zu wollen. Die Familie wurde im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Instrument der Macht. Maria Theresia habe die Erziehung der Kinder bis ins kleinste Detail bestimmt, sagte die französische Historikerin und Feministin Elisabeth Badinter in einem „Universum History Spezial“. Bei ihren Anweisungen habe sie die Psyche jedes einzelnen Kindes berücksichtigt, so Badinter: „Sie kannte ihre Kinder alle sehr gut - auch ihre Schwächen.“

„Handfest politische“ Familienbilder
Die 16 Schwangerschaften waren für Maria Theresia mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Nicht nur die Kindersterblichkeit war im 18. Jahrhundert hoch, auch viele Mütter überlebten die Entbindung nicht oder starben nach der Niederkunft. Der Kinderreichtum erlaubte es Maria Theresia, sich als Stammhalterin des Habsburger-Hauses zu inszenieren. Entgegen der Tradition ließ sie sich auf Gemälden im Kreis ihrer Nachkommen abbilden.

Die Bilder hätten nicht nur der Imagepflege gedient, sondern seien auch „handfest politisch“ gewesen, wie der Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Werner Telesko, sagt. Sie stellten einen Gegenpol dar zu Maria Theresias größtem Widersacher, dem kinderlosen, angeblich impotenten und mutmaßlich homosexuellen Preußenkönig Friedrich II.


Public Domain

Machtbeweis: Die Regentin im Kreis ihrer Großfamilie

Während Maria Theresia die in der „Pragmatischen Sanktion“ festgeschriebenen unteilbaren Hoheitsrechte unter Verweis auf ihre Mutterschaft aufweichte und Franz Stephan 1740 zum Mitregenten machte, pochte sie auf die Unteilbarkeit der zur Monarchie gehörenden Länder. Das zog weitere Spannungen mit dem von ihr als „Monstrum“ bezeichneten Friedrich II. nach sich.

Vom Erzfeind inspiriert - nicht von der Aufklärung
Gleichzeitig zwang der Konflikt mit dem militärisch überlegenen Preußen Maria Theresia zu Reformen, die zunächst das Militär und das Steuersystem betrafen - und die oftmals vom Erzfeind abgeschaut wurden. Viele der frühen Maßnahmen hatten einen nicht immer auf den ersten Blick erkennbaren militärischen Hintergrund. So seien etwa Hausnummern mit dem Hintergedanken eingeführt worden, Rekruten besser ausheben zu können, auch die großen Anstrengungen zur Vermessung des Landes und die erste Volkszählung hätten strategischen Interessen gedient, so der Historiker Karl Vocelka. Zudem wurde die allgemeine Steuerpflicht eingeführt, die Adel und Klerus erstmals zur Zahlung von Abgaben verpflichtete.

In den 1770er Jahren - als ihr Sohn Joseph II. ihr als Mitregent zur Seite stand - folgten weitere Reformen in der Verwaltung und im Straf- und Zivilrecht, etwa die Einführung der „Constitutio Criminalis Theresiana“. Die vielleicht bekannteste Reform Maria Theresias, die 1774 erlassene Schulordnung, markierte den Anfang des staatlichen Schulwesens in Österreich - zuvor lag dieses in den Händen der Kirche. Anders als ihr berühmter Sohn Joseph II. handelte die Regentin nicht aus aufklärerischen Motiven. Maria Theresia sei vielmehr eine „Praktikerin“ gewesen, sagt die Historikerin Renate Zedinger in „Universum History“: „Wenn sie sieht, dass etwas nicht funktioniert, ist sie bereit, etwas zu tun.“

Dass Maria Theresia nicht im Geiste der Aufklärung handelte, zeigte sich laut Vocelka vor allem bei zwei Themen. „Die Folter, die in der frühen theresianischen Gesetzgebung genau reglementiert wurde, hob sie erst spät unter dem Einfluss ihres Sohnes auf“, schreibt der Historiker in einem Gastbeitrag - mehr dazu in
science.ORF.at. Religiöse Toleranz sei ebenfalls keine Eigenschaft der streng katholischen Herrscherin gewesen: Sie habe Protestanten aus Österreich abgesiedelt, zudem seien protestantischen Familien die Kinder abgenommen und katholischen Familien übergeben worden. Besonders tief war die Abneigung der Herrscherin den Juden gegenüber. So habe erst der Protest des Adels ihren Plan verhindert, die Prager Juden mitten im Winter zum Verlassen der Stadt zu zwingen, so Vocelka.

Strategische Meisterleistungen
Im Laufe ihrer Herrschaft erwarb sich Maria Theresia den Ruf einer geschickten Strategin. Ihr Talent blitzte diesbezüglich schon 1745 durch, als sie die Wahl ihres Gatten Franz Stephan zum römisch-deutschen Kaiser orchestrierte. Das Amt war politisch bedeutungslos, aber prestigeträchtig. Zudem habe Maria Theresia ihrem Gatten, dessen Versagen als Oberbefehlshaber des Heeres immer wieder für Spott sorgte, so zu mehr Ansehen verhelfen wollen, sagt Badinter. Maria Theresia selbst ließ sich formal nicht zur Kaiserin krönen, wurde aber stets als solche tituliert.

Der diplomatisch und politisch wichtigste Erfolg für die Regentin war das Aufsprengen der traditionellen europäischen Allianzen. Unter tatkräftiger Unterstützung des Diplomaten und späteren Staatskanzlers Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg schaffte sie es, Österreichs alten Rivalen Frankreich als Verbündeten gegen Preußen zu gewinnen. Zur Absicherung der Verbindung mit Frankreich wurde Maria Theresias Tochter Maria Antonia mit dem späteren König Ludwig dem XVI. vermählt - als Marie Antoinette ging die Habsburgerin in die Geschichtsbücher ein.

Österreich und Frankreich brachen im Jahr 1756 unterstützt von Russland einen Krieg gegen Preußen und Großbritannien vom Zaun. Die Regentin erhoffte sich die Rückeroberung Schlesiens, dessen Verlust sie nie verwunden hatte. Militärisch endete dieser als Siebenjähriger Krieg bekannte Konflikt für Österreich mit einem Patt. Preußen wurde zwar an den Rand der Niederlage gebracht, behielt aber Schlesien. Schlimmer erwischte es Frankreich, das sich aufrieb und einen Großteil seiner Kolonialgebiete an die Briten verlor.

Am Ende Frieden
Nicht nur der Beginn, auch das Ende von Maria Theresias Regentschaft wurde von einem Krieg überschattet. 1778 und 1779 standen einander preußische Truppen und die Armee der Habsburger erneut im Bayrischen Erbfolgekrieg gegenüber. Maria Theresia versuchte ihren machtbewussten Sohn, dessen Zerwürfnis mit der Mutter immer tiefer wurde, für einen Friedensschluss zu gewinnen, was letztlich gelang. Für die „Kaiserin“ war es die letzte große politische Tat. Maria Theresia starb am 29. November 1780 im Alter von 63 Jahren an den Folgen einer Verkühlung.


Links:
Publiziert am 13.05.2017
http://orf.at/stories/2389681/2389683/
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#7
Royal Wedding der Habsburger: Maria Theresia heiratet Franz Stephan von Lothringen
Vor 285 Jahren wurde die Dynastie Habsburg zu Habsburg-Lothringen
In Verhandlungen zwischen dem lothringischen und dem habsburgischen Hof war schon lange eine Verbindung zwischen beiden Häusern intensiv ins Auge gefasst worden. Der zukünftige Ehemann einer Erzherzogin musste ja sehr hohe Voraussetzungen mitbringen, umso mehr, wenn es sich um eine zukünftige Herrscherin handelte. Und dass Maria Theresia eine solche werden und die Pragmatische Sanktion in Kraft treten würde, war in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts allmählich abzusehen.

Die "Pragmatische Sanktion" ist ein Hausgesetz, das Kaiser Karl VI. nach den Erfahrungen aus dem Spanischen Erbfolgekrieg 1713 erließ. Es legt die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder sowie eine einheitliche Erbfolgeregelung fest. Bei den Habsburgern war die weibliche Erbfolge nicht prinzipiell ausgeschlossen, trat aber nur bei Aussterben des Geschlechts im Mannesstamm in Kraft. Das neue Hausgesetz regelte nun den Vorrang der weiblichen Nachkommen der regierenden Linie vor allen anderen, auch älteren Linien.

Der Erbprinz von Lothringen am kaiserlichen Hof
Franz Stephan erfüllte alle Voraussetzungen, die an einen Ehemann der zukünftigen Herrscherin über die österreichischen Erblande gestellt wurden: Er stammte aus einem der ältesten Geschlechter des römisch-deutschen Reiches, sein Stammbaum war untadelig. Da seine Großmutter eine Halbschwester des habsburgischen Kaisers Leopold I. war, hatte er eine stattliche Anzahl von Habsburgern in seiner Ahnenreihe. Sein Großvater Karl V. von Lothringen hatte während der Belagerung Wiens durch die Osmanen 1683 den Oberbefehl über das kaiserliche Heer. Sein Vater war im Exil am Wiener Hof aufgewachsen, da Lothringen zeitweise von Frankreich besetzt war, und hatte bald ehrgeizige Pläne für eine dynastische Verbindung zwischen beiden Häusern entwickelt. Vorgesehen dafür war ursprünglich sein ältester Sohn und Erbprinz, Leopold. Dieser starb jedoch an den Blattern, so dass der nächste Sohn und nunmehrige Erbprinz Franz Stephan einsprang und 1723 Kaiser Karl VI. vorgestellt wurde.
Der Kaiser fand Gefallen an dem hübschen, wohlerzogenen und fröhlichen Fünfzehnjährigen, dem er bereits nach kurzer Zeit den Orden vom Goldenen Vlies verlieh. Franz Stephan erhielt in der Hofburg in Wien Quartier und wurde für die nächsten sechs Jahre ein enger Jagdgefährte des Kaisers, der ihn wie einen Sohn behandelte, wahrscheinlich war er auch ein jugendlicher Freund der beiden kleinen Töchter des Kaisers. Die um neun Jahre jüngere Maria Theresia erinnerte sich viel später, bereits als Witwe, vielleicht nostalgisch verklärt: "Er war das einzige Objekt all meinen Handelns und meiner Gefühle, seit ich sechs war"1. Quellen über das Verhältnis der beiden aus dieser Zeit gibt es nicht, andrerseits liegen Korrespondenzen seiner Erzieher vor, die den nicht altersgemäßen Umgang des Siebzehnjährigen mit unverheirateten und verheirateten Damen beklagen.

Wappen des Herzogtums Lothringen mit Helmkleinod.
Foto: public domain

"Keine Unterschrift, keine Erzherzogin"
1729 starb Franz Stephans Vater, der regierende Herzog von Lothringen, und Franz Stephan kehrte als Herzog Franz III. in seine Heimat zurück, verließ sie allerdings bereits 1731 aus politischen Gründen wieder, um eine lange Kavalierstour anzutreten, die ihn in die österreichischen Niederlande, nach England und Preußen führte und die ihm Gelegenheit zur Anknüpfung wichtiger Kontakte für seine späteren wirtschaftlichen Unternehmungen bot. Er sollte sein Herzogtum nie wiedersehen.

Ein Jahr später rief ihn der Kaiser, der ihn längst, wenn auch nicht offiziell, fest als Schwiegersohn ins Auge gefasst hatte, nach Wien zurück und setzte ihn als ungarischen Statthalter mit Sitz in Preßburg ein. Befragt wurde der junge Herzog dazu ebenso wenig wie zu den Ländertauschplänen, die sich infolge des Polnischen Erbfolgekriegs, aus dem Frankreich als Sieger hervorgegangen war, ergaben. Franz Stephan musste sein Land Lothringen an den vertriebenen polnischen König Stanislaw Leszczyński, Schwiegervater des französischen Königs, abtreten und wurde dafür mit der Toskana entschädigt.

Eine treibende Kraft in den Verhandlungen zur Abtretung Lothringens war der Staatssekretär Johann Christoph von Bartenstein, der von Frankreich hunderttausend Gulden Spesenersatz erhielt. Ihm wird das Ultimatum an Franz Stephan "Keine Unterschrift, keine Erzherzogin" zugeschrieben, welches zwar der Grundlage entbehrt, da die Hochzeit lange vor der Unterschrift der Abtretungsakte im Februar 1737 erfolgte, aber die Situation, in der sich Franz Stephan befand, gut charakterisiert.

Die Hochzeit
Der Hochzeit zwischen Erzherzogin Maria Theresia und Herzog Franz Stephan stand nun nichts mehr im Wege. Mitte Dezember 1735 waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen und der wegen der Verwandtschaftsverhältnisse nötige päpstliche Dispens erteilt, so dass die geplante Verlobung realisiert werden konnte.

Im Heiratsvertrag wurden alle finanziellen Angelegenheiten minutiös geregelt. Neben anderen Aspekten wurde die Mitgift der Braut auf 150.000 Gulden festgelegt, ebenso hoch war die Widerlage des Bräutigams, jenes Gegenstück zur Mitgift, das gegebenenfalls der Witwenversorgung dienen soll.

Am 31.Jänner 1736 fand die offizielle Brautwerbung statt. Es war eine pompöse Zeremonie, der Brautwerber Franz Stephan erschien, in ein kostbares, mit Diamanten besetztes Gewand gekleidet, in den Gemächern der Kaiserin, wo ihn die Braut Maria Theresia erwartete. Nachdem er seinen Antrag vorgebracht hatte und dieser angenommen worden war, überreichte er ihr sein diamantenbesetztes Porträt und durfte ihre Hand küssen.

Die Zeitspanne zwischen Brautwerbung und Hochzeit war sehr kurz, da man die Feierlichkeiten noch vor Beginn der Fastenzeit durchführen wollte. Der Termin wurde auf den 12. Februar, den Sonntag vor Aschermittwoch, festgesetzt. Vor der Hochzeit mussten die Brautleute gemäß den Statuten der Pragmatischen Sanktion Verzichtserklärungen unterschreiben. Die Erzherzogin musste sich verpflichten, in der Erbfolge zurückzustehen, falls der Kaiser noch einen männlichen Erben bekommen würde, der Herzog musste geloben, für seine Person nie einen Anspruch auf die habsburgischen Erbländer zu erheben.


Hochzeitstafel.
Foto: Public Domain

Dem Protokoll gemäß verließ der Bräutigam bis zur Hochzeit Wien und zog sich nach Preßburg zurück. Viele Briefe an den "villgeliebten Bräutigamb", ihr "Mäusl", und an Maria Theresia, "die (als) allerliebste braut persuadirt sein wird, das kein Bräutigamb in der weld mit mehrere ergebenheith und respect seyn kann ... "2, gingen hin und her.

Am 12. Februar 1736 traf der Bräutigam aus Preßburg ein, um sechs Uhr abends begab sich der Hochzeitszug durch den damals noch vorhandenen alten Augustinergang, der die Hofburg mit der Augustinerkirche verband, zur von unzähligen Kerzen erleuchteten Hofkirche. Angeführt von den höchsten kaiserlichen und lothringischen Herren sowie den Rittern des Goldenen Vlieses kam Herzog Franz Stephan, gekleidet in "ein Silber stuckenes mantelkleyd mit dergleichen strümpfen und schuechen…ein weissen huth mit der gleichen federn undt villen geschmuck geziert"3, in Begleitung des Kaisers um sechs Uhr abends in der Augustinerkirche an. Danach folgte die "durchlauchtigste Brauth"4, die, ebenfalls ganz in Weiß gekleidet und kostbar geschmückt, von den zwei Kaiserinnen, ihrer Mutter Kaiserin Elisabeth Christine und Wilhelmine Amalie, der Witwe Kaiser Josephs I., geführt wurde. Ihre Schleppe wurde von ihrer Erzieherin, der Gräfin Fuchs, getragen. Die Trauung nahm der päpstliche Nuntius vor, was den Erzbischof von Wien, Kardinal Kollonitsch, so kränkte, dass er aus "Krankheitsgründen" nicht an der Trauung teilnahm.

Der Weg zum Kaiser
Beim folgenden Festmahl saß nur die engste Familie an der Hochzeitstafel, für die anderen geladenen Gäste waren eigene Tische in anderen Räumlichkeiten gedeckt. Schon am nächsten Morgen wurden die Festlichkeiten fortgesetzt, nach einer Morgenmesse und dem Mittagmahl bei der Kaiserin fand am Abend eine Opernaufführung statt. Am Faschingdienstag gab es, wie zum Faschingsausklang üblich, ein Maskenfest und ein Galadinner in der Hofburg, ehe am Aschermittwoch die Fastenzeit anbrach. Der Alltag und eine, wie die Chroniken vermerken, glückliche Ehe begann.

Als Kaiser Karl VI. 1740 starb, trat Erzherzogin Maria Theresia in den österreichischen Ländern die Nachfolge an. Den vakanten Thron des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, auf dem sie gerne ihren Mann gesehen hätte, errang aber das erste Mal seit dreihundert Jahren kein Habsburger, sondern Kurfürst Karl Albrecht von Bayern. Er wurde am 12. Februar 1742, dem sechsten Hochzeitstag Maria Theresias und Franz Stephans, als Kaiser Karl VII. gekrönt. Erst nach dem frühen Tod des Wittelsbachers 1745 errang Franz Stephan als Kaiser Franz I. die Kaiserkrone.


Familienporträt Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen und Erzherzog Joseph in Husarenunform.
Foto: Public Domain

Zum Schluss die gute Nachricht: Das erste Reiterstandbild Wiens, aus Blei gegossen von Balthasar Moll, zeigt Kaiser Franz I. Es steht heute im Burggarten, wohin es von seinem ursprünglichen Standort auf der Löwelbastei vor deren Abriss transferiert wurde. Die Lothringerstraße, deren Gebäude mit ungeraden Nummern im ersten und jene mit geraden im dritten und vierten Bezirk liegen, ist nach ihm benannt. Sein Vater, Herzog Karl V., wird mit der Karl-Lothringer-Straße im 21. Bezirk in Stammersdorf geehrt.

Die bekannteste Darstellung Franz Stephans ist das Kaiserbild am Treppenabsatz des Naturhistorischen Museums. Es zeigt den Kaiser im Kreis seiner Berater. Aber das ist eine andere Geschichte.
(Friederike Kraus, 12.2.2021)

Friederike Kraus, geb. 1945, ist Historikerin, Kunsthistorikerin und derzeit als Fremdenführerin in Wien und Teilzeitbuchhalterin im fjum – Forum Journalismus und Medien Wien tätig. Seit 2018 gestaltet sie gemeinsam mit Edith Michaeler den Podcast "Erzähl mir von Wien".

1 Zit. Nach Stollberg-Rilinger.
2 Hanne Egghardt, Maria Theresias Männer.
3 Renate Zedinger, Hochzeit im Brennpunkt der Mächte.
4 ebda.

Quellen
  • Hanne Egghardt, Maria Theresias Männer, Wien 2015.
  • Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia, München 2017.
  • Renate Zedinger, Hochzeit im Brennpunkt der Mächte, Wien; Köln; Weimar 1994.
Royal Wedding der Habsburger: Maria Theresia heiratet Franz Stephan von Lothringen - derStandard.at
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#8
Aus Beitrag #5:
Wie aufgeklärt war Maria Theresia?
Maria Theresia war sehr wenig tolerant
Klar nicht im Geiste der Aufklärung verhielt sich Maria Theresia in zwei Fragen, die wichtige Parameter für den Umgang mit den neuen Ideen waren. Die Folter, die in der frühen theresianischen Gesetzgebung genau reglementiert wurde, hob sie erst spät unter dem Einfluss ihres Sohnes auf. Religiöse Toleranz war ebenfalls keine Eigenschaft der streng katholischen Herrscherin – sie siedelte (Geheim)Protestanten aus der Steiermark, aus Kärnten und Oberösterreich (Landler) in den Osten Ungarns um, wo sie gleichzeitig die durch die langen Kämpfe mit den Osmanen dünn gewordene Besiedlung verbesserten. Kleine Kinder wurden den protestantischen Familien weggenommen und zu katholischen Familien gesteckt, ältere in Arbeitshäusern untergebracht. Eine besondere Abneigung hatte Maria Theresia gegen die Juden, sie zwang 1744 die Prager Juden mitten im tiefsten Winter die Stadt zu verlassen – wollte sie letztlich ganz aus Böhmen vertreiben, was der Widerstand des Adels nicht erlaubte. Auch die galizischen Juden erlitten nach der Erwerbung dieses Landes 1772 Unbill, nicht zuletzt durch die ihnen zugeteilten Familiennamen, die oft diskriminierend waren. Schöne Namen mussten durch „Geldgeschenke“ an die Beamten teuer erkauft werden.

BLOG: AUS DER MITTE EUROPAS
Die Vertreibung der Prager Juden unter Maria Theresia
Maria Theresia veranlasste 1744 die Ausweisung der Juden aus Prag. Es war die letzte große Vertreibung von Juden bis zum Holocaust. Mit einem Edikt Josephs II. begann eine Zeit der Toleranz
Als Joseph II. 1782 mit seinem zweiten Toleranzpatent nach den Protestanten und den Orthodoxen auch seinen jüdischen Untertanen größere Freiheiten in der Religionsausübung zugestand, bedeutete dies die endgültige Abwendung von der antijüdischen Politik seiner Mutter Maria Theresia. Die Motive des Kaisers, Juden, Protestanten und Orthodoxe mit diesen Edikten einer allmählichen Gleichstellung mit den Katholiken in seinem Herrschaftsgebiet zuzuführen, waren wohl mehrheitlich utilitaristisch, also ökonomischer Natur. Dem Kaiser der Aufklärung ging es in all seinen Reformen in erster Linie um einen besser funktionierenden Staat und eine blühende Wirtschaft.

Schon in seiner Zeit der Mitregentschaft mit seiner Mutter Maria Theresia (1765–1780) hatte Joseph II. den Juden von Brody in Galizien in der heutigen Ukraine auf einer Reise 1773 zugesichert, sich für sie einzusetzen. Nach dem Vorbild von Triest erklärte er Brody zur Freihandelszone und sorgte damit für einen unerhörten wirtschaftlichen Aufschwung zu einem der wichtigsten Handelsplätze Ostmitteleuropas. Seiner Mutter schrieb Joseph durchaus provozierend (schließlich wusste er, wie sehr sie Juden hasste), dass in ihrem neuen Kronland 44.000 Juden leben würden.

Religionsfreiheit oder Intoleranz war ein wichtiges Streitthema der beiden, wie die umfangreiche Korrespondenz zwischen Maria Theresia und Joseph II. belegt. Und es war eindeutig eines dieser weltanschaulichen Themen, die der Sohn – und ist es nicht bis heute in Eltern-Kind-Beziehungen so? – unbedingt verändern wollte. Denn seine Mutter galt mit ihrem irrationalen Hass auf Juden und ihrer unerbittlichen Intoleranz gegenüber Protestanten schon zu ihrer Zeit als hoffnungslos altmodisch und hinterwäldlerisch. Und zwar schon, als sie mit 23 Jahren auf den Thron des Habsburgerreichs gekommen war und im Jahr 1744, mitten im Erbfolgekrieg, die Ausweisung der Juden aus Prag befahl. Der Erbfolgekrieg war ausgebrochen, weil die Fürsten Europas die weibliche Erbfolge, die sie in der Pragmatischen Sanktion ihres Vaters Karls VI. unterschrieben hatten, nun doch nicht akzeptieren wollten und über die junge Königin herfielen. Sie stand also, zumindest das muss man zugestehen, unter Druck.

Die Situation der Juden zur Zeit Maria Theresias
Wie ein Donnerschlag traf der Ausweisungsbefehl vom 18. Dezember 1744 die jüdische Gemeinde in Prag und hallte fortan in ganz Europa nach, wie in der internationalen TV-Koproduktion "Maria Theresias dunkle Seite. Die Vertreibung der Juden aus Prag" (ORF, Arte, Br, CTV 2023/24) lebhaft nachvollziehbar wird. Denn die jüdische Gemeinde war nicht irgendeine Gemeinde, sondern die wichtigste und größte und eine der ältesten Gemeinden in Europa.


Maria Theresia befiehlt am 18. Dezember 1744 die Vertreibung der Juden aus Prag. (Filmstill aus "Kaiserin Maria Theresias dunkle Seite – Die Vertreibung der Juden aus Prag").
(c) Oliver Indra/Epo-Film

Am Ende der Frühen Neuzeit gab es im Heiligen Römischen Reich einen bunten Flickenteppich sehr unterschiedlicher jüdischer Siedlungs- und Lebensbedingungen. So durften in vielen Städten – etwa in den Reichsstädten Köln, Augsburg, Nürnberg oder Regensburg – gar keine Juden leben. Dann gab es Residenzstädte wie Wien, die ihre Juden schon 1670 vertrieben und seither nur die Ansiedlung von einigen jüdischen Hoffaktoren (Kaufmänner, die für die Geschäfte bei Hofe zuständig waren) und ihren Familien wieder zugelassen hatten.

In den Residenzstädten Mannheim oder Berlin wurden Juden hingegen aufgenommen. Das Gros der Juden lebte indes in Dörfern und Kleinstädten auf dem Land. In Ländern wie Böhmen und Mähren wohnten verhältnismäßig viele Juden (ganz zu schweigen von Galizien, das vor der ersten polnischen Teilung zu Polen gehört hatte), es gab aber auch solche, etwa die österreichischen Erblande, in denen sich kaum Juden niederlassen konnten.

Trotz gewachsener Rechtssicherheit und stabilerer Siedlungsbedingungen war jüdisches Leben geprägt von einer restriktiven Politik und fortgesetzter Diskriminierung. Mit einem Wort, die Situation der Juden zu Beginn von Maria Theresias Herrschaft und die nach dem Erlass der Toleranzpatente durch ihren Sohn Joseph II. war kaum vergleichbar, selbst wenn die endgültige Gleichstellung der Juden im Habsburgerreich erst 1867 erreicht wurde.

Die letzte große Vertreibung vor dem Holocaust
Kaum 40 Jahre vor dem Erlass der Toleranzpatente kam es zur letzten großen Vertreibung der Juden im alten Europa vor dem Holocaust. Doch was führte zu dieser unrühmlichen Entscheidung der zur Mutter ihrer Völker hochstilisierten Habsburgerin? Eine Geschichte, die wenig bekannt ist und auch im Jubiläumsjahr 2017 kaum erwähnt wurde.

Hätte es zu Maria Theresias Zeit in Wien eine jüdische Gemeinde mit einer größeren Anzahl jüdischer Familien gegeben – so könnte man kontrafaktisch gedacht hinzufügen – so hätte die junge Erzherzogin wohl auch diese Gemeinde loszuwerden versucht. Doch die Wiener Gemeinde hatte schon ihr Großvater Leopold I. aus dem Unteren Werd, der heutigen Leopoldstadt, vertrieben. Seitdem gab es nur noch wenige, große Haushalte der reichen jüdischen Hoffaktoren, die für den Hof unentbehrlich waren.

Was war der Grund für die Vertreibung?
Die junge Erzherzogin war eine Katholikin voll religiösen Eifers und vertrat einen rigorosen Antijudaismus: Juden wollte sie in ihren Ländern nicht dulden. Zugleich war sie überzeugt, als absolutistische Herrscherin ihren Willen kompromisslos durchsetzen zu können – auch gegen alle rationalen Argumente.

Als in Prag im Herbst 1744 das Gerücht aufkam, die Juden hätten während der Besetzung der Stadt durch das preußische Heer mit dem Feind kollaboriert, sah sie ihre Chance gekommen. Am 18. Dezember unterschrieb sie den Befehl, dass die Prager Juden bis Ende Januar 1745 die Stadt verlassen müssen. Ein knappes halbes Jahr später sollten die jüdischen Bewohner ganz Böhmens folgen.

Im Zeitalter der Aufklärung eine unzeitgemäße Maßnahme
Nur die Hardliner unter ihren Zeitgenossen stimmten ihr zu. Denn im Zeitalter der heraufziehenden Aufklärung war breit anerkannt, dass auch Juden Rechte hätten und menschlich zu behandeln seien – und dass ihr Beitrag zur Wirtschaft eines Landes dem Staat und seinen Bürgern nütze. Judenvertreibungen galten als nicht mehr "zeitgemäß".

Dies machten sich nun die gut vernetzten Mitglieder der europäisch-jüdischen Elite in einer diplomatischen Kampagne zunutze. Schriftlich und mündlich wandten sie sich an die Herrscher Europas mit der dringenden Bitte, in Wien diplomatisch vorstellig zu werden. Unter den Adressaten befanden sich Herrscher, von denen man dort einen positiven Einfluss erwartete: die Könige von England, Polen und Dänemark, die Generalstaaten der Niederlande, der Papst und der Sultan. Auch einflussreiche deutsche Kurfürsten gehörten dazu. Der Bitte um zügige diplomatische Intervention kamen die Herrscher nach – in Briefen, aber auch indem ihre Gesandten persönlich vorstellig wurden.

Doch nach der Entbindung von ihrem Sohn Karl Joseph hatte sich Maria Theresia zurückgezogen und empfing keine Gesandten mehr. Auf alle Versuche aus ihrem Umfeld – selbst ihr Gemahl Franz Stephan, ja ihre Mutter waren Gegner des Befehls – sie umzustimmen, reagierte sie mit zorniger Ablehnung. Mehr als eine zweimalige Verschiebung des Ausweisungstermins um jeweils einen Monat gestand sie nicht zu.

Über 10.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder verließen so Ende Februar, Anfang März 1745 Prag und kamen meist in der Umgebung notdürftig unter. Dass die Vertreibung aus ganz Böhmen im Mai 1745 zunächst verschoben und dann gar nicht mehr durchgeführt wurde, war ihre Rettung: 1748 musste Maria Theresia ihren Befehl ganz zurücknehmen. Denn die Wirtschaft ihres wichtigsten Kronlandes hatte stark unter der Ausweisung der Juden gelitten. Die Auswüchse der unterbrochenen Lieferketten waren im ganzen Heiligen Römischen Reich zu spüren.

Als Maria Theresia, vermittelt durch ihren Finanzminister Friedrich Wilhelm von Haugwitz (ein konvertierter Protestant) bei den böhmischen Landständen höhere Steuern durchsetzen wollte, stieß sie auf eiserne Ablehnung – es sei denn, die Juden Prags dürften zurückkehren. Das zwang sie zum Umdenken – aus politischer Räson, nicht etwa, weil sich ihre Anschauung geändert hätte. Nach hohen Geldzahlungen durften sich die Juden wieder im zerstörten Prager Ghetto niederlassen. Mit Hilfe der Christen bauten sie es wieder auf.

Die erste diplomatische Aktion der Juden als Volk vor der Staatsgründung
Fürsprache zugunsten jüdischer Gemeinden hatte es immer schon gegeben. Eine Gemeinde suchte sich einen Schtadlan, einen Fürsprecher, der ihre Sache bei den jeweiligen Obrigkeiten vertrat. Neu an der Kampagne für die Prager Juden 1744/45 ist ihre hohe Professionalität. Nicht eine eindimensionale Fürsprecherbeziehung wurde aufgebaut, sondern ein Kommunikationsnetzwerk aus Angehörigen der jüdischen Elite, die sich gegenseitig mobilisierten. Sie koordinierten ihre Informationsvermittlung und ihre Argumentation und lieferten ihren Adressaten bereits vorformulierte Briefentwürfe. Damit erreichten sie eine Geschwindigkeit der Kampagne, die im Zeitalter von Pferd und Postkutsche (und selbst an heutigen Maßstäben gemessen) kaum vorstellbar ist, trafen doch die Protestschreiben bei Maria Theresia binnen weniger Wochen ein.

Ein zentraler Knotenpunkt dieses Kommunikationsnetzes war das Kontor des kaiserlichen Oberhoffaktors Wolf Wertheimer (1681–1765) in Augsburg. Er brachte seine diplomatischen Erfahrungen in die Kampagne ein und schrieb rastlos mithilfe seines Sohnes Salomon Briefe. Doch auch die Kontakte und das Wissen der schwäbischen Landesvorsteher vor Ort nutzte er. Sein Sohn Samuel berichtete ihm aus Wien, dem Stammsitz der Familie.


Wolf Wertheimer steht im Zentrum der europaweiten Kampagne gegen den Vertreibungsbefehl. (Filmstill aus "Kaiserin Maria Theresias dunkle Seite – Die Vertreibung der Juden aus Prag")
Oliver Indra/Epo-Film

Ein weiteres Zentrum der Kampagne war der in Wien ansässige Diego d'Aguilar, ein sephardischer Jude und englischer Staatsbürger, der von Maria Theresias Vater Karl VI. das Tabakmonopol erhalten hatte und zum Baron des Heiligen Römischen Reichs geadelt worden war. Aguilar war wahrscheinlich der einzige Jude, der zumindest anfänglich noch Zugang zu Maria Theresia hatte – schließlich verschaffte er der Herrscherin die nötigen Kredite zum Ausbau von Schloss Schönbrunn. Doch in der Causa der Vertreibung der Juden aus Prag konnte selbst er – 1742 hatte er gemeinsam mit dem mährischen Oberrabbiner Issachar Berush Eskeles noch die Vertreibung der Juden aus Mähren verhindern können – nichts ausrichten.

Unbeabsichtigte Folgen führen zur Revision
Die verheerenden Folgen des Ausweisungsbefehls der Monarchin wurden in einem Bericht einer extra dafür eingesetzten Kommission untersucht. Der viele Seiten starke Bericht beziffert die Verluste für jeden Wirtschaftszweig penibel und rechnet das Ganze auf die nächsten Jahre hoch. Eine ähnliche Untersuchung nahmen auch Vertreter der jüdischen Gemeinde von Prag vor – im Exil im böhmischen Brandeis (Brandýs nad Labem). Die kaiserliche Domäne wurde von Statthalter Philipp Kolowrat verwaltet, einem expliziten Förderer der Juden, der ihre Ansiedlung in Brandeis ermöglicht hatte. Auch ihre Untersuchung kommt zu einem ähnlichen Schluss.

Dass die Auswirkungen der durch die Vertreibung behinderten Handelsströme und unterbrochenen Lieferketten bald im ganzen Heiligen Römischen Reich – zum Beispiel auf der Messe in Frankfurt – zu spüren waren, war eine weitere unbeabsichtigte, 1745 für Maria Theresia höchst unliebsame Folge. Denn im Januar 1745 war der Kurzzeitkaiser Karl VII., ein Wittelsbacher, gestorben und Maria Theresia wollte – schließlich lag die Kaiserkrone seit 300 Jahren mit Ausnahme dieses Wittelsbacher'schen Intermezzos in den Händen der Habsburger – nun ihren Gemahl Franz Stephan von Lothringen für die Wahl am 13. September in Frankfurt ins Spiel bringen. Dafür waren die Nachrichten aus Böhmen nicht gerade hilfreich, zumal sich auch zwei Kurfürsten, der Erzbischof von Mainz und der Erzbischof von Köln, gegen die Vertreibung ausgesprochen hatten.

Am 4. Oktober 1745 wurde Franz Stephan tatsächlich als Franz I. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt. Ob Maria Theresia in der Causa der Juden Zugeständnisse hatte machen müssen, ist nicht bekannt. Doch die Aussetzung der Vertreibung der Juden aus Böhmen im Mai 1745 könnte ein Indiz dafür sein, dass der Druck auf die Herrscherin doch langsam zu wirken begann.

Erfolg oder Misserfolg einer ersten Großkampagne der Juden
Historiker aller Couleur haben die Frage diskutiert, ob die Kampagne der europäischen Juden gegen den Vertreibungsbefehl Maria Theresias ein Misserfolg oder ein Erfolg war. Vordergründig lässt sich feststellen, dass die Kampagne, was das Ausmaß der Mobilisierung betrifft, zwar sehr erfolgreich war. Am Ende ist sie jedoch gescheitert. Denn die absolutistische Herrscherin ließ sich trotz zahlreicher Bittschriften und Vorstellungen von Gesandten nicht umstimmen.

Andererseits, so wird ebenfalls argumentiert, hat die diplomatische Großaktion das Selbstbewusstsein der jüdischen Führungselite gestärkt. Die Erfahrung, berechtigte Anliegen des jüdischen Volkes mithilfe eines sich über ganz Europa spannenden Netzwerks bei wichtigen Herrschern zu Gehör bringen zu können, war die erste diplomatische Großaktion der Juden vor der Staatsgründung – wie sie der israelische Politologe, Historiker und Politiker Shlomo Avineri bezeichnete – und eine gute Ausgangsbasis für die Emanzipationsbewegung der Juden.

Die Geschichte rund um die Vertreibung der Juden aus Prag ist bis heute von großer Allgemeingültigkeit, Symbolhaftigkeit und Aktualität – ein Muster, das sich durch die europäische Geschichte zieht und die verheerenden Folgen von 2.000 Jahren christlichem Antijudaismus aufzeigt.
(Monika Czernin, Rotraud Ries, 1.3.2024)

Monika Czernin konzentriert sich als international renommierte Filmemacherin und Autorin auf zentrale Figuren und Wendepunkte der europäischen Geschichte. Für ihr Buch über Joseph II., "Der Kaiser reist inkognito", erhielt sie 2023 den Friedrich-Schiedel-Literaturpreis. Seit 2023 ist sie Mitglied der European Academy of Sciences and Arts. Zuletzt drehte sie den Film "Maria Theresias dunkle Seite. Die Vertreibung der Juden aus Prag" (ORF, Arte, BR, CTV 2023).
Rotraud Ries ist Historikerin und Expertin für deutsch-jüdische Geschichte, sie leitete bis 2022 das Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte betrifft die jüdische Frühe Neuzeit von ca. 1500 bis ca. 1800.
Die Vertreibung der Prager Juden unter Maria Theresia
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben