Die „Gorch Fock“, Stolz der Deutschen Marine und ständiges Problemschiff zugleich ist nach fast sechsjähriger Sanierung wieder im Einsatz

josef

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#1


Der langsame Untergang der „Gorch Fock“
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Die „Gorch Fock“, Stolz der Deutschen Marine und ständiges Problemschiff zugleich, wird sehr wahrscheinlich nie wieder ihr Dock verlassen. Dort liegt der Dreimaster mehr oder weniger in seine Einzelteile zerlegt zur Sanierung, die vielleicht nie mehr abgeschlossen wird. Immer mehr Probleme tauchten auf, die Kosten explodierten, Geld gibt es keines mehr, dafür einen weiteren Skandal.
Das Segelschulschiff zur Ausbildung von angehenden Offizieren und Unteroffizieren wurde 1958 in Dienst gestellt, nach fast sechs Jahrzehnten auf See sollte es ab 2015 überholt werden. Der deutsche „Spiegel“ erinnerte vor wenigen Tagen daran, dass damals dafür knapp über vier Monate Zeit und etwa zehn Mio. Euro Budget veranschlagt gewesen seien. „Mehr als drei Jahre später liegt das Schiff heute komplett zerlegt in der Werft.“

Mittlerweile seien die Kosten auf etwa 135 Mio. Euro gestiegen, Ursache sei „gravierendes Missmanagement“. Im Zentrum der Kritik steht das Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen (CDU) – wieder einmal. Grund ist aktuell ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH) in Bonn, in dem dieser laut „Spiegel“ Bundeswehr und Verteidigungsministerium für das Debakel verantwortlich macht.

AP/David Hecker
Die „Gorch Fock II“ war seit 1958 auf den Weltmeeren unterwegs

Offenbar Reparatur ohne Plan
Darin heiße es im Wesentlichen, dass mit der Sanierung praktisch planlos begonnen worden sei. „Vor Beginn der Arbeiten war nicht geklärt, ob die Instandsetzung der ‚Gorch Fock‘ insgesamt noch wirtschaftlich lohnend war“, zitierte das deutsche Nachrichtenmagazin. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) schrieb etwas weniger prosaisch von „Kaskaden tölpischer Werftmitarbeiter“, falschen Gutachten und Offizieren mit Geltungsdrang.
Der Projektleiter habe längst die Reißleine ziehen wollen, schließlich koste jeder Tag im Dock etwa 10.000 Euro, schrieb der „Spiegel“. Die Verteidigungsministerin habe jedoch zugesehen und nicht reagiert. Nun werde „die sündhaft teure Reparatur“ des Schiffs „zur handfesten Affäre“. Zuletzt habe auf dem Dreimaster Gefahr für Leib und Leben der Besatzung bestanden, befand der BRH. Nun laute die Alternative zur Sanierung Verschrottung, selbst der Umbau der „Gorch Fock II“ – so der korrekte Name – würde zu viel Geld kosten, hieß es Ende der Woche in deutschen Kommentaren. „Der alte Segler erlebt gerade seinen vielleicht schwersten Sturm an Land.“

„Stürme“ und Negativschlagzeilen
Stürme im übertragenen Sinn hat der Dreimaster schon einige überstanden. 2010 starb eine 25-jährige Offiziersanwärterin während eines Hafenaufenthalts in Brasilien bei einem Sturz aus großer Höhe von der Takelage (dem System aus Masten und Tauen eines Segelschiffs). Anschließend wollten weitere Kadetten nicht mehr auf Masten klettern bzw. von Bord gehen, in den Medien war die Rede von einer „Meuterei“.

APA/dpa/Carsten Rehder
Mehrere Menschen stürzten bei Unfällen auf der „Gorch Fock II“ von Masten bzw. Takelage in den Tod

Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt, der Ausbildungsbetrieb unterbrochen. Der tragische Vorfall war nicht der erste auf dem Schiff gewesen. Mehrere Menschen starben durch Unfälle auf Deck oder wurden verletzt, 2008 war eine 18-jährige Kadettin über Bord gegangen und ertrunken. Der erste Todesfall an Bord hatte sich 1959 ereignet.

Berichte über Alkohol und Belästigung
Ab Ende 2010 geriet die „Gorch Fock II“ nicht nur wegen des tödlichen Unfalls und der „Meuterei“ (die militärstrafrechtlich keine war) in die Schlagzeilen. Nachdem die Medien auf das Schiff aufmerksam geworden waren, sprachen junge Soldatinnen und Soldaten von Alkoholexzessen unter der Stammbesetzung, unwürdigen Initiationsritualen, Schikanen und sexueller Belästigung. Die Besatzung wehrte sich gegen die Vorwürfe.
Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), später wegen der Plagiatsaffäre um seine Dissertation zurückgetreten, ließ Bericht erstatten, die Vorwürfe verliefen sich großteils im Sand, Ermittlungen der Justiz wurden eingestellt. Unter einem neuen Kommandanten und Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maiziere (CDU) wurde schließlich der Ausbildungsbetrieb wieder aufgenommen.

„Ende einer Seefahrt“
Zuletzt tauchten im Zusammenhang mit der Reparatur des Schiffs bzw. der Auftragsvergabe Korruptionsvorwürfe auf. Von der Leyen verhängte einen Zahlungsstopp. In der „FAZ“ hieß es am Freitag schließlich unter dem Titel „Ende einer Seefahrt“, dass in Wirklichkeit niemand wisse, „ob die ‚Gorch Fock‘ die Werft jemals schwimmend verlassen wird oder als zerlegtes Wrack“.

Die „Gorch Fock II“ ist die Nachfolgerin der 1933 gebauten „Gorch Fock I“, die nach ihrer Versenkung durch die eigene Besatzung am Ende des Zweiten Weltkriegs und Bergung samt wechselvoller Geschichte als sowjetisches Schiff heute als Museumsschiff in Stralsund liegt. Benannt sind beide Schiffe nach dem deutschen Schriftsteller Gorch Fock (eigentlich Johann Wilhelm Kinau), gebaut wurden sie von der Hamburger Werft Blohm+Voss.

picturedesk.com/dpa/Stefan Sauer
Die „Gorch Fock I“ liegt im nordostdeutschen Hafen Stralsund

Knapp 35-mal um die Erde
Die „Gorch Fock II“ mit Heimathafen Kiel ist knapp 90 Meter lang und zwölf Meter breit, die Masten sind bis zu 45 Meter hoch. Die gesamte Besatzung umfasst 200 Männer und Frauen, ausgebildet werden auf dem Schiff Offiziere und Unteroffiziere. Das Schiff legte in den letzten sechs Jahrzehnten über 750.000 Seemeilen (fast 1,4 Mio. Kilometer) zurück, was knapp 35 Erdumrundungen entspricht, etwa 15.000 Männer und Frauen fuhren auf dem Schiff, zur 168. und letzten Ausbildungsfahrt hatte es 2015 abgelegt.
19.01.2019 Georg Krammer, ORF.at

Links:
Falsch kalkuliert: Der langsame Untergang der „Gorch Fock“
 

dermike

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#2
Hallo zusammen,
verschrotten, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Und neuzeitliche Soldaten werden auch nicht mehr an Vorderladern ausgebildet.

dermike
 

josef

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#5
WERFT INSOLVENT

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Neues Kapitel im „Gorch Fock“-Debakel
Die Zukunft der „Gorch Fock“ ist noch ungewisser geworden. Die Werft, die das bekannteste Schiff der deutschen Marine zur Reparatur auf ihrem Dock liegen hat, ist plötzlich selbst ein Sanierungsfall. Das Schiff sorgt seit Monaten wegen der astronomischen Instandsetzungskosten für Schlagzeilen, nun aber auch die Werft, bei der manches nicht mit rechten
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Die „Gorch Fock II“, so der vollständige Name, die seit über 60 Jahren als Schulschiff in der Marine „dient“, liegt derzeit zerlegt in Bremerhaven und wird generalüberholt. Am Dienstagabend machten erste Gerüchte über eine Zahlungsunfähigkeit der beauftragten Elsflether Werft die Runde, am Mittwoch stellte die einen Antrag auf Insolvenz – allerdings in Eigenverwaltung, das Unternehmen soll damit weitergeführt werden.

Deutsche Medien berichteten von Schulden von mehr als 20 Mio. Euro und einer Reihe „fragwürdiger Darlehen“ und darüber, dass die „Handlungsfähigkeit des Betriebs“ nicht mehr garantiert sei. „Die Zukunft der Gorch Fock steht auf dem Spiel“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“. Der „Spiegel“ berichtete über mutmaßliche Ungereimtheiten in den Büchern der Werft, „merkwürdige Geldflüsse“, die mittlerweile durch eine neue Geschäftsführung unter anderem Schürfrechte für eine Goldmine in der Mongolei gekauft haben soll.

Odyssee begann nach Jahrzehnten auf den Ozeanen
Das Segelschulschiff zur Ausbildung von angehenden Offizieren und Unteroffizieren wurde 1958 in Dienst gestellt, nach fast sechs Jahrzehnten auf See sollte es ab 2015 überholt werden. Der „Spiegel“ erinnerte kürzlich daran, dass damals dafür knapp über vier Monate Zeit und etwa zehn Mio. Euro Budget veranschlagt gewesen seien. „Mehr als drei Jahre später liegt das Schiff heute komplett zerlegt in der Werft.“

www.picturedesk.com/Mohssen Assanimoghaddam
Die „Gorch Fock“ liegt zerlegt, verhüllt und eingerüstet auf dem Dock

Mittlerweile seien die Kosten auf etwa 135 Mio. Euro gestiegen, Ursache sei „gravierendes Missmanagement“, hieß es. Im Zentrum der Kritik steht das Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen (CDU) – wieder einmal. Grund ist unter anderem ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH) in Bonn, in dem dieser laut „Spiegel“-Bericht vom Jänner Bundeswehr und Verteidigungsministerium für das Debakel einer planlosen Sanierung verantwortlich machte.

Stolz und „Symbol für das Elend der Bundeswehr“
Zuletzt tauchten im Zusammenhang mit der Reparatur des Schiffs bzw. der Auftragsvergabe Korruptionsvorwürfe auf. Von der Leyen verhängte einen Zahlungsstopp. In der „FAZ“ hieß es danach unter dem Titel „Ende einer Seefahrt“, dass in Wirklichkeit niemand wisse, „ob die ‚Gorch Fock‘ die Werft jemals schwimmend verlassen wird oder als zerlegtes Wrack“. Der „Spiegel“ kommentierte in einem ausführlichen Artikel unter dem Titel „Deutschland, abgewrackt“, das Schiff sei einst der „Stolz der Marine“ gewesen, heute sei sie nichts anderes als „Symbol für das Elend der Bundeswehr“.
geka, ORF.at
Werft insolvent: Neues Kapitel im „Gorch Fock“-Debakel
 

josef

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#6
"Gorch Fock" doch wieder zu Wasser gelassen

Nach mehr als drei Jahren im Trockendock schwimmt die „Gorch Fock“ wieder: Der Rumpf des deutschen Segelschulschiffs wurde heute für einen Testlauf zu Wasser gelassen. Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bezeichnete das Ausdocken in der Bredo-Werft in Bremerhaven als „ganz wichtigen Tag für die Marine“. Das Ziel, die „Gorch Fock“ wieder als Ausbildungsschiff auf hoher See einzusetzen, sei damit aber noch nicht erreicht.


APA/AFP/Patrik Stollarz

Der Testlauf war erst durch eine Einigung im Rechtsstreit zwischen der Bredo-Werft, in der sich das Schiff befindet, und dem Verteidigungsministerium möglich geworden. Die Werft hatte das Schiff zunächst nicht ausdocken lassen wollen, weil sie noch Geld von der Regierung haben will. Der Ausgang der Tests soll mit darüber entscheiden, ob die „Gorch Fock“ wie geplant zu Ende saniert und wieder als Segelschulschiff eingesetzt wird. Die Instandsetzung des Schulschiffs sorgte wegen drastischer Kostensteigerungen für Wirbel.
21.06.2019 red, ORF.at/Agenturen

news.ORF.at
 
#7
Was ist nur aus der guten deutschen Ingenieurskunst geworden. Einfach nur schlimm was da sich in deutschland abspielt. Nix kriegen die mehr hin. Flughafen Berlin, Maut, dann das mit der Gorch Fock usw. Manchmal denkt man, ist man noch in Deutschland oder Albanien.
 
#8
Die technische Seite eurer Maut wäre ohne Probleme zum Funktionieren gebracht worden.
Übrigens durch ein österreichisches Unternehmen (Kapsch). ;)
Es war die rechtliche Seite, die Deutschland nicht zusammengebracht hat.
 

josef

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#9
GORCH FOCK AHOI!
Gorch Fock kehrt nach Kiel zurück
Das Segelschulschiff der deutschen Marine ist nach fast sechsjähriger Sanierung wieder im Einsatz
Sechs Monate sollte die turnusmäßige Routine-Sanierung dauern, daraus wurden fast sechs Jahre: Nun kehrt die Gorch Fock, das ikonische Segelschulschiff der deutschen Marine, zurück in ihren Heimathafen in Kiel.

Montagnachmittag soll der 89 Meter lange Großsegler auf seinem angestammten Platz im Kieler Marinestützpunkt festmachen – an der neu benannten Gorch-Fock-Mole, die bis vergangenen Donnerstag noch Tirpitz-Mole hieß. Zwischenzeitlich hatte es schon so ausgesehen, als würde das Schiff aufgegeben und stattdessen ein Neubau ins Auge gefasst. Ursprünglich waren zehn Millionen Euro für die Sanierung veranschlagt worden. Letztlich kostete die Wiederinstandsetzung 135 Millionen Euro.

Übergabe am vergangenen Donnerstag
Am vergangenen Donnerstag wurde die dreimastige Bark von der Bremer Lürssen-Werft in Wilhelmshaven an die Marine übergeben. Sie lief noch am selben Tag in die Nordsee aus, um zu ihrem Heimathafen Kiel zu fahren. Die letzte Strecke der Heimatfahrt legte die Gorch Fock unter Beisein von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zurück. Die Ministerin ging in der Eckernförder Bucht nördlich von Kiel an Bord.

Die Gorch Fock wurde im Zuge der Sanierung um mehr als 70 Tonnen abgespeckt. Der Kommandeur Nils Brandt lobte jedenfalls bereits die Fahreigenschaften: "Sie fährt sich sehr gut." Durch die Gewichtseinsparungen hätten sich die Bewegungen im Seegang verbessert: "Sie rollt in der See angenehmer durch und verhält sich letztendlich sehr viel weicher in der Bewegung."

Skandalprojekt
In den vergangenen Jahren standen die skandalösen Umstände der Gorch-Fock-Sanierung symbolisch für das Versagen des Staates in einer Reihe mit dem Chaos bei der Errichtung des Berliner Hauptstadtflughafens BER und den fortgesetzten Problemen der deutschen Flugbereitschaft. In der Lürssen-Werft war die Gorch Fock seit Oktober 2019 wieder aufgebaut worden. Begonnen hatte die Sanierung bereits im Dezember 2015 durch die Elsflether Werft, doch schon bald explodierten die Kosten.


Die Gorch Fock im Juni 2019 in Bremerhaven.
Foto: Reuetrs/Bimmer


Die Gorch Fock im vergangenen Februar im Trockendock der Lürssen-Werft in Berne an der Weser.
Foto: imago images/TheYachtPhoto.com

Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erhöhte den Finanzrahmen und deckelte ihn schließlich bei 135 Millionen Euro. Im Februar 2019 meldete die Elsflether Werft Insolvenz an, gegen die Führung laufen Ermittlungen wegen Korruption, Betrug und Untreue. Auch gegen Subunternehmen wird ermittelt.

Gorch Fock I und II
Die Gorch Fock wurde 1958 in Dienst gestellt, sie ersetzte die gleichnamige und weitgehend baugleiche Gorch Fock von 1933. Beide tragen den Namen des deutschen Schriftstellers Gorch Fock, der 1916 in der Skagerrak-Schlacht beim Untergang des Kleinen Kreuzers SMS Wiesbaden ums Leben kam.



Am 21. September unternahm die Gorch Fock ihre zweite Probefahrt vor Wilhelmshaven. Die erste musste zuvor wegen eines Motorschadens abgebrochen werden.
Foto: imago images/Sven Eckelkamp

Die Gorch Fock I war 1945 von der deutschen Besatzung im Strelasund versenkt worden, um zu verhindern, dass sie den anrückenden Russen in die Hände fällt. Als Reparation ging das Schiff an die Sowjetunion, es wurde gehoben, saniert und diente fortan als Segelschulschiff unter dem Namen Towarischtsch. Nach dem Zerfall der Sowjetunion übernahm die Ukraine das Schiff, nach 1999 kehrte es nach Deutschland zurück und liegt seit 2003 als Museumsschiff in Stralsund.
(Michael Vosatka, 4.10.2021)
Gorch Fock kehrt nach Kiel zurück
 

josef

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#10
„GORCH FOCK“-PROZESS
Skandal um Schiff in vielen Episoden
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Die deutsche „Gorch Fock“ sorgt seit Jahren für Schlagzeilen wie kaum ein anderes Schiff auf der Welt: mit tragischen Unfällen, Berichten über Exzesse an Bord, vor allem aber der endlosen Geschichte ihrer Instandsetzung, mit der Dutzende Millionen Euro versenkt wurden. Die Frage, wie das passieren konnte, ist Gegenstand eines Prozesses, anberaumt auf 38 Tage, am Montag wird wieder verhandelt. Die Causa füllt mittlerweile 1.450 Aktenordner.
Online seit heute, 5.57 Uhr
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Das Segelschulschiff der deutschen Marine, mit vollem Namen „Gorch Fock II“, wurde 1958 in den Dienst gestellt, es dient der Ausbildung von Offiziersanwärterinnen und Offiziersanwärtern der Seestreitkräfte, ist fast 90 Meter lang, hat etwa 750.000 Seemeilen zurückgelegt und Dutzende Länder gesehen, die Stammcrew besteht aus bis zu 161 Männern und Frauen.

Nach mehr als fünf Jahrzehnten im Dienst hatten sich ab 2010 nach und nach Instandsetzungsarbeiten auf dem Dreimaster abgezeichnet, Ende 2015 begann eine umfassende Reparatur – und mit ihr der große Skandal. 2021 war das Schiff zwar wieder seetüchtig, allerdings sollte seine Sanierung anstatt knapp zehn bis zu 135 Millionen Euro kosten.

Eine lange Geschichte
Am 16. April begann nun der Prozess, in dem es um Vorwürfe von Betrug und Korruption geht, vor dem Landesgericht Oldenburg im deutschen Bundesland Niedersachsen, anberaumt auf 38 Verhandlungstage bis Dezember. Als Beschuldigte stehen zwei ehemalige Vorstände der damals mit der Sanierung beauftragten Elsflether Werft und vier weitere Personen, darunter ein Kostenprüfer des Marinearsenals, vor Gericht.
IMAGO/arguseye/Christian Roedel
Die „Gorch Fock“ nach ihrer Generalsanierung

Wegen der „Vielzahl der Verfahrensbeteiligten“, wie es von dem Gericht hieß, und des großen Medienechos wurde das Verfahren in das Messezentrum Weser-Ems-Hallen in Oldenburg verlegt. Der maßgebliche Vorwurf lautet: systematischer Betrug zulasten des Marinearsenals in Wilhelmshaven, das für die Einsatzfähigkeit der deutschen Seestreitkräfte zuständig ist. „13 Anwälte, 1.450 Aktenordner – und die Frage, wo 135 Millionen versenkt sind“, titelte die deutsche „Welt“ zum Prozessauftakt.

Werft ging in Konkurs
Die Elsflether Werft in der gleichnamigen Kleinstadt an der Weser in Niedersachsen war mit der Generalsanierung der „Gorch Fock“ beauftragt und führte diese auf einem Dock in Bremerhaven durch. Die Werft stellte Schäden an dem Schiff fest, die den Kostenrahmen bei Weitem überschritten, 2016 wurden die Arbeiten gestoppt. 2017 entschied die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), heute Präsidentin der EU-Kommission, dass die Sanierung fortgesetzt wird.

picturedesk.com/dpa/Marcus Brandt
Arbeiten in bis zu 45 Meter Höhe

Später tauchten Vorwürfe der Untreue und Korruption gegen Mitarbeiter der Werft und der deutschen Marine auf, 2019 schließlich der Knalleffekt: Die Werft meldete Insolvenz an. Damals lag das Schiff mehr oder minder in seine Einzelteile zerlegt auf dem Trockendock, der deutsche Bundesrechnungshof (BRH) kritisierte, dass mit der Generalüberholung planlos begonnen worden sei, ohne die Kosten einschätzen zu können.

Beinahe das „Ende einer Seefahrt“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb damals unter dem Titel „Ende einer Seefahrt“, dass in Wirklichkeit niemand wisse, „ob die ‚Gorch Fock‘ die Werft jemals schwimmend verlassen wird oder als zerlegtes Wrack“. Sie verließ sie 2021 und hinterließ ein Kostenfiasko. Die Ermittler in der Causa „stießen auf eine Firma, die einem Selbstbedienungsladen glich“, schrieb die „Welt“. Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) hieß es: „Die Marine soll systematisch ausgeplündert worden sein.“

www.picturedesk.com/Mohssen Assanimoghaddam
Die „Gorch Fock“, eingepackt in Planen auf dem Dock

1.450 Ordner voll mit Ermittlungsakten
Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen die beiden früheren Vorstände der Werft und einen technischen Kostenprüfer der Marine, der für die Prüfung der Plausibilität von Rechnungen bzw. deren Abzeichnen zuständig und wegen eines Immobilienprojekts in Geldnot gewesen sei, berichtete die „Welt“. Er soll überhöhte Rechnungen akzeptiert haben.

Die Elsflether Werft wiederum soll Aufträge an Subunternehmen abgegeben, von diesen Preisnachlässe gefordert, diese aber nicht korrekt weiterverrechnet haben. In der ganzen Causa ermittelte seit 2019 eine „Sonderkommission Wasser“, in der sich Ermittler „jahrelang durch 1.450 Aktenordner“ gekämpft und „14 Terabyte an E-Mails, SMS und Dokumenten“ ausgewertet hätten.

Viel Zeit und sehr viel Geld
Die „Gorch Fock II“ ist die Nachfolgerin der 1933 gebauten „Gorch Fock I“, die nach ihrer Versenkung durch die eigene Besatzung am Ende des Zweiten Weltkrieges und Bergung samt wechselvoller Geschichte als sowjetisches Schiff heute als Museumsschiff in Stralsund liegt. Benannt sind beide Schiffe nach dem deutschen Schriftsteller Gorch Fock (eigentlich Johann Wilhelm Kinau), gebaut wurden sie von der Hamburger Werft Blohm+Voss.

picturedesk.com/dpa/Sina Schuldt
Der Prozess dauert planmäßig zumindest bis Dezember

Laut Gerichtsakt begannen die Arbeiten der Elsflether Werft an der „Gorch Fock“ im Jänner 2016. Innerhalb von rund vier Monaten hätte der Dreimaster wieder auslaufen sollen, aber es dauerte mehr als fünf Jahre, bis die Marine ihr Schiff wiederhatte. Die Bremer Lürssen-Werft stellte die „Gorch Fock“ letztlich fertig. Die Kosten stiegen von kalkulierten 9,6 auf 135 Millionen Euro.

Tragischer Todesfall an Bord
Stürme im übertragenen Sinn hat der Dreimaster schon einige überstanden. Im November 2010 starb eine 25-jährige Offiziersanwärterin bei einem Sturz aus großer Höhe von der Takelage (dem System aus Masten und Tauen). Anschließend wollten Kadetten nicht mehr auf Masten klettern bzw. von Bord gehen, in den Medien war die Rede von einer „Meuterei“. Der Ausbildungsbetrieb wurde unterbrochen.

Der tragische Vorfall war nicht der erste auf dem Schiff gewesen. Mehrere Menschen starben durch Unfälle auf Deck oder wurden verletzt, 2008 war eine 18-jährige Kadettin über Bord gegangen und ertrunken. Der erste Todesfall an Bord hatte sich 1959 ereignet.

Beschwerden über Schikanen
Ab Ende 2010 geriet die „Gorch Fock“ nicht nur wegen des tödlichen Unfalls und der „Meuterei“ in die Schlagzeilen. Soldatinnen und Soldaten sprachen von Alkoholexzessen unter der Stammbesetzung, unwürdigen Initiationsritualen, Schikanen und sexueller Belästigung. Die Stammbesatzung wehrte sich gegen die Vorwürfe. Der Ausbildungsbetrieb wurde unterbrochen, später wieder aufgenommen.

Als die „Gorch Fock“ 2019 auf dem Dock in Bremerhaven lag, schrieb das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter dem Titel „Deutschland, abgewrackt“, der Dreimaster sei „einst der Stolz der Marine“ gewesen, später habe er sich zum „Symbol für das Elend der Bundeswehr“ entwickelt.
06.05.2024, geka, orf.at

Links:
„Gorch Fock“-Prozess: Skandal um Schiff in vielen Episoden
 
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