Russland: "The Buzzer" - rätselhaftes Summen aus dem Kalten Krieg

josef

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Atomkrieg mittels Weltempfänger?

Es klingt wie das Drehbuch eines Agententhrillers aus dem Kalten Krieg: Bereits seit den 70ern ist mit einem einfachen Weltempfänger im Sekundentakt ein unheimliches Summen zu empfangen. „The Buzzer“, wie der Sender unter Hörern oft genannt wird, gibt seit Jahrzehnten Rätsel auf. Bekannt ist nur, dass das Signal aus Russland stammt, der Sender steht auf einem Militärgelände - offizielle Stellungnahme gibt es keine. Sogar dass der Sender einen Atomkrieg auslösen könnte, wurde oft - nicht ausschließlich von Verschwörungstheoretikern - vermutet.

Verschwörungstheorien seit Jahrzehnten
Ein mysteriöses Summen, das aus Russland stammt, beschäftigt Radiohörer und Verschwörungstheoretiker seit Jahrzehnten gleichermaßen. „The Buzzer“ ist seit den 70ern auf Kurzwelle empfangbar. Die Funktion des Senders wurde offiziell nie bestätigt - die Theorien dazu gehen mitunter weit auseinander.

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Wer noch einen Weltempfänger besitzt, kann beim Drehen des Frequenzreglers den Sender mit ein wenig Geduld finden: Auf 4.625 Kilohertz ist zumindest seit den frühen 1970ern der „Buzzer“ - offizielles Rufzeichen „ZhUOZ“ - zu hören. Ein Summen, eine kurze Pause, dann noch ein Summen: So monoton klingt der Sender seit seinen Anfängen.

Das praktisch ununterbrochene Summen des „Buzzers“ gibt Radiohörern einige Rätsel auf. Denn über die Aufgabe des Senders ist von offizieller Seite nichts bekannt. Fest steht nur, dass sich eine der mindestens zwei Sendeanlagen auf einem abgesperrten Gelände entlang einer Autobahn nördlich von St. Petersburg befindet.

Was passiert, wenn das Summen aufhört?
Die mysteriöse Geräuschwelt des „Buzzers“ fasziniert noch immer Tausende Hörer. Längst haben sich auf Plattformen wie YouTube eigene Kanäle gebildet, ein Blog berichtet seit Jahren über die Geschehnisse auf dem Sender und stellt sogar einen Livestream zur Verfügung, auf dem der „Buzzer“ mitgehört werden kann. Die Frage, die die meisten Fans beschäftigt: Was passiert, wenn das Summen aufhört? Da nichts über die Aufgabe des Senders bekannt ist, gehen die Spekulationen in alle Richtungen. Am populärsten ist allerdings eine Theorie, die sich über Jahrzehnte hartnäckig gehalten hat - und Stoff für mehrere Agententhriller bieten könnte.
Der „Buzzer“ könnte laut der These eine Art Totmannschalter des russischen Militärs sein. Im Falle eines Atomangriffs würde die Sendeanlage aufhören zu senden, in der Folge könnte ein automatisierter Gegenschlag mit Atomwaffen eingeleitet werden. Das ist, wenn auch letztlich unwahrscheinlich, lange nicht so weit hergeholt, wie es klingt. Denn im Kalten Krieg setzte Russland ein „Tote Hand“-System ein, das automatisiert einen Vergeltungsschlag startet, sollte ranghohes Personal bei einem Atomangriff durch die USA außer Gefecht gesetzt werden.
Totmann im Schienenverkehr: Totmanneinrichtungen überprüfen, ob eine Person anwesend und bei Bewusstsein ist - andernfalls wird etwa ein Signal ausgelöst. Zum Einsatz kamen die Geräte lange Zeit vor allem in Eisenbahnen, um sicherzustellen, dass der Lokführer während der Fahrt aufmerksam bleibt.


Kommunikation mit Spionen mittels Zahlen

Manchmal sind im Hintergrund des „Buzzers“ auch Stimmen zu hören. Das ist ein Hinweis darauf, dass das Summen, das am ehesten an das Geräusch eines Nebelhorns erinnert, nicht direkt ausgestrahlt wird, stattdessen dürfte der Ton mit einem Gerät erzeugt und mittels Mikrofon in einem eigens dafür bestimmten Raum aufgezeichnet werden. In unregelmäßigen Abständen wird das Summen auch kurz unterbrochen. Dann ist eine Stimme zu hören, die sich im Normalfall mit dem Rufzeichen des Senders zu Wort meldet und dann Zahlen und Buchstaben einspricht. „IODOSPOR 8188 6397“ lautet eine solche Botschaft aus dem vergangenen September.




Grafik: Map Resources/ORF.at


Von seinem Standort im Norden von St. Petersburg kann der Sender weltweit gehört werden

Damit könnte der „Buzzer“ auch zu den Zahlensendern zählen. Diese werden meist vom Militär oder Nachrichtendiensten betrieben und dienen dazu, mit Personal zu kommunizieren. Zum Einsatz kommen sie bereits seit dem Ersten Weltkrieg, vor allem im Kalten Krieg waren sie weit verbreitet. So konnten Nachrichtendienste etwa ihre Spione im Ausland informieren, ohne dass diese auffällige Ausrüstung dazu brauchten - ein handelsüblicher Weltempfänger reicht, um die Botschaften zu empfangen.

Neben Russland betreiben - oder betrieben - auch einige andere Länder Zahlensender. Zu den bekanntesten zählt der „Lincolnshire Poacher“, benannt nach einem traditionellen englischen Volkslied. Der Sender, der sich in Zypern befand, dürfte dem britischen Geheimdienst gehört haben. Erst im Jahr 2008 stellte er seinen Betrieb ein.

Summende Ionosphärenforschung oder Platzhalter

Weit weniger aufregend klingt die Theorie, die eine russische Fachpublikation im Jahr 2008 veröffentlichte. Darin wird über ein Verfahren zur Ionosphärenforschung berichtet, das die Frequenz des „Buzzers“ verwendet. Dadurch sollen Veränderungen in der Ionosphäre nachgewiesen werden. Mittlerweile wird diese Möglichkeit auch in der Onlineenzyklopädie Wikipedia erwähnt - gleichzeitig aber darauf verwiesen, dass dadurch die Sprachnachrichten nicht erklärt wären. Letztlich könnte das Summen auch nur als Platzhalter dienen. Der Ton weist darauf hin, dass diese Frequenz bereits belegt ist, um sie etwa für militärische Zwecke freizuhalten.


Betrieb seit Ende des Kalten Krieges ausgebaut

Von Bedeutung dürfte der „Buzzer“ jedenfalls auch noch heute sein. Denn nach dem Fall der Sowjetunion hörte der Sendebetrieb nicht auf, sondern nahm deutlich zu. Vor allem in den vergangenen Jahren waren häufig Sprachnachrichten zu hören, im Oktober 2016 wurden gar 18 Botschaften an einem einzigen Tag übermittelt. Auch die Sendeanlage wechselte erst vor einigen Jahren den Standort. Noch bis 2010 war der „Buzzer“ nämlich in einem Waldstück rund 40 Kilometer von Moskau entfernt aufgestellt.


Auch der finanzielle Aufwand für den Betrieb des „Buzzers“ dürfte relativ groß sein. Kurzwellensendeanlagen gelten als Stromfresser und wartungsanfällig. Der weltweite Betrieb auf Kurzwelle, darunter etwa auch der Auslandsdienst des ORF, Radio Ö1 International, wurde in den meisten Ländern in den vergangenen Jahren eingestellt oder stark reduziert und ins Internet verlagert. Vor allem Länder wie China, Russland und Nordkorea sind jedoch noch immer mit einem Weltempfänger leicht empfangbar. Ob auch der „Buzzer“ ein Ablaufdatum hat, bleibt genauso rätselhaft wie sein Zweck.

Links:

Florian Bock, ORF.at, Publiziert am 11.03.2018


http://orf.at/stories/2401746/
 
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